Neuland: Troja/Alexandria – Philippi

Paulus in Troja Alexandria

Nachdem Paulus und Silas ihren Dienst in den galatischen Gemeinden beendet hatten, machten sie sich auf um nach weiteren neuen Missionsgebieten zu suchen. Neu im Team war nun Timotheus, ein junger Mann aus der Stadt Lystra (Lykaonien). Von seiner Herkung her ist er griechischer Jude (Mutter war Jüdin, Vater war Grieche). Dieser junge Mann ist also mit einer multikulturellen und multinationalen Prägung sehr gut geeignet, um in beiden Volksgruppen wirken zu können. Von seiner Mutter und Großmutter hat er eine gute theologische Ausbildung bekommen, denn Jahre später schreibt Paulus von ihm:  „Denn ich erinnere mich an den ungefärbten Glauben in dir, der zuvor schon gewohnt hat in deiner Großmutter Lois und in deiner Mutter Eunike; ich bin aber gewiss, auch in dir“ (2Tim 1,5). Der weitere Verlauf der Reise des Paulus, Silas und Timotheus geht über Ikonion, Antiochia (Pisidien) und weiter westlich, also durch Phrygien in Richtung der römischen Provinz Asia (heutige Westtürkei). Wahrscheinlich wollten sie nach Ephesus gehen, worauf die Anmerkung in Apostelgeschichte 16,6b (…) vom Heiligen Geist wurden sie gehindert das Wort in Asien zu sagen, hindeutet. Es scheint, dass die Apostel schon in dem Gebiet der Provinz Asien, also in Westphrygien, den Versuch zur Verkündigung gemacht hatten. Als ihnen aber die evangelistische Tätigkeit in Asien vom Heiligen Geist verwehrt wurde, zogen sie in Richtung Norden durch das Gebiet von Phrygien und das Land Galatien (wahrscheinlich Westgalatien). Es entsteht nicht der Eindruck, dass die Apostel bei dieser Gelegenheit auf der Durchreise irgendwo Gemeinden gegründet hätten. Auch ist hier noch nicht die Rede von Stärkung der Gemeinden, wie es während der dritten Missionsreise der Fall war (Apg 18,23). Als Paulus, Silas und Timotheus schon im Gebiet von Mysien waren, wollten sie weiter in Richtung Norden nach Bithynien ziehen, in das Gebiet am Bosporus. Winfried Elliger nennt die Städte Nikaia und Nikomedia in der Bosporusgegend, in denen es jüdische Kolonien gab, diese hatte  Paulus eventuell im Auge (Elliger Winfried: 1998, S. 14). Aber auch diese Richtung verwehrte ihnen der Geist Jesu. So blieb ihnen nur noch der Westen offen. Sie durchziehen Mysien, ein Gebiet südlich des Marmarameeres und kommen hinab nach Troas. Hier ist die bedeutende Hafenstadt Alexandria-Troas gemeint, welche sich etwa zwanzig Kilometer südlich des alten Troja/Ilion befand (Haubeck: 1997, S. 759). Auch nach Elliger handelt es sich nicht um das alte Troja/Ilion, sondern um die Hafenstadt Alexandria-Troas (Elliger: 1998, S. 14). Die Grabungsleiter von der Forschungsstelle Asia Minor, die Professoren Elmar Schwertheim und Hans Wiegartz, haben viele interessante Details zur Geschichte und Bedeutung der antiken Hafenstadt erhellt. Reste eines Torbogens im Osten der Stadt wurde entdeckt, das bedeutet Verbindung zum Hinterland. Durch Unterwasserforschung im alten Hafenbecken bekam man bessere Vorstellungen über den Schiffsverkehr und den damit verbundenen Handel (Auszugsweise aus der Publikation von Marcel Schwarzenberger am 7. Januar 2006 in Chronik). Von Osten kommend, zogen die Missionare in Troas ein. Wo wohnten sie und was taten sie in dieser Stadt? Von den späteren Besuchen in Troas, bzw. aus dem 2. Timotheusbrief ist uns ein Mann Namens Karpus bekannt. „Den Mantel, den ich in Troas ließ bei Karpus, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente“ (2Tim 4,13). Wenn Paulus also bei seinem zweiten oder dritten Besuch in Troas bei Karpus wohnte, warum nicht auch bei seinem ersten Besuch? Obwohl im lukanischem Bericht von keiner Evangelistischen Tätigkeit der Apostel die Rede ist, können doch Rückschlüsse aus den späteren Texten gezogen werden. Etwa sieben Jahre später hat er große Möglichkeiten zur Evangelisation in dieser Stadt. „Als ich aber nach Troas kam, zu predigen das Evangelium Christi, und mir eine Tür aufgetan war in dem Herrn, da hatte ich keine Ruhe in meinem Geist, weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand; sondern ich nahm Abschied von ihnen und fuhr nach Mazedonien“ (2Kor 2,12-13). Wenn es heißt: er nahm Abschied von ihnen, dann es sich und die bereits vorhandenen Gläubigen gehandelt haben, die durch seinen und des Silas Dienst vor Jahren bei dem ersten Besuch zum Glauben gekommen waren. Acht Jahre nach seinem ersten Besuch  hält sich Paulus mehrere Tage in der Stadt, bzw. bei der Gemeinde auf und predigt am ersten Tag der Woche in einem stattlichen Haus, das 3 Stockwerke hatte (Apg 20,6-12). Dies Haus könnte dem Karpus gehört haben, der zu den ersten Gläubigen der Gemeinde in Troas gehören konnte. Trotz all dieser Überlegungen zur Entstehung der Gemeinde, hielt sich das Missionsteam nicht allzu lange in der Stadt auf. So lesen wir in Apostelgeschichte „Und während der Nacht erschien Paulus ein Gesicht, ein Mann, Mazedone, stand und bat ihn und sagte: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns“ (Apg 16,9). Man kann sich vorstellen, dass Paulus und seine Begleiter betend nach dem Willen Gottes fragten. Das Gesicht, welches Paulus während der Nacht erscheint, ist kein Traum, sondern Paulus konnte durchaus wach gelegen und gebetet haben. In einer Erscheinung zeigt ihm der Herr einen Mann, einen Mazedonier. Lukas gebraucht das Wort für Gesicht noch an zwölf weiteren Stellen in der Apostelgeschichte und in allen Fällen ist es eine eindeutige Erscheinung oder Vision, die nicht ein Produkt aus dem Inneren des Menschen, sondern eine Art Offenbarung Gottes und seines Willens darstellt. Das gr. Wort `οραμα/οραματος – orama/oramatos` bedeutet: das Geschaute, das Gesicht und kommt im Neuen Testament an 14 Stellen vor (Mt 17,9;  Apg 2,17; 7,31; 9,10.12; 10,3.17.19; 11,5; 12,9; 16,9.10; 18,9; Offb 9,17) und hat an keiner Stelle die Bedeutung von Traum, sondern Erscheinung, also eine sichtbare und hörbare Botschaft von Gott. Durch diese Offenbarungen hat Gott seine Diener zu ihrer Zeit in entscheidenden Situationen den richtigen Weg geführt. Diese Visionen wurden in wachem oder auch in verzücktem Zustand empfangen. Gleich am  nächsten Morgen traf das Team mit Paulus eine Entscheidung, die von großer Tragweite war. „Als er (Paulus) das Gesicht gesehen hatte, suchten wir sofort nach Mazedonien fortzuziehen, schließend, dass uns Gott berufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen (Apg 16,10). Nach Wochen des ungewissen Umherwanderns auf den Hochebenen von Anatolien haben die Apostel endlich wieder ein klares Ziel vor Augen. Die Hafenstadt Troas mit ihrem pulsierenden Geschäftsleben und der Öffnung nach Westen wird nun der Ausgangspunkt für der Beginn der Europamission.

Eine grammatische Besonderheit fällt in diesem Satz deutlich auf und zwar die Verwendung des Pronomens „wir“. In Apostelgeschichte 16,10 gibt es einen starken Kontrast zwischen der dritten Person Singular (Paulus) und der ersten Person Plural (Lukas und die anderen Begleiter). Es geht hier nicht um die Frage, ob Lukas der Schreiber der Apostelgeschichte ist, sondern um die Frage, warum er gerade hier auftaucht. Wo kommt Lukas her? Auf welche Weise stößt er zum Evangelisationsteam des Paulus? Diese Fragen sind nicht unwesentlich, wird doch Lukas zu einem der treuesten Begleiter des Paulus. Aufgrund der deutlich variierenden Erzählform von Apostelgeschichte 16,10 – 28,31, können wir annehmen, dass Lukas erst in Troas zum Missionsteam des Paulus dazukam (in den folgenden Reiseabschnitten wird immer wieder auf dieses Detail Bezug genommen werden.

Dies würde bedeuten und unterstreichen,

  1. dass Paulus einige Zeit in der Stadt verbrachte,
  2. dass Lukas womöglich durch den Missionsdienst des Paulus, Silas und Timotheus zum glauben kam.
  3. Wenn er jedoch schon gläubig war, dann läge die Vermutung nahe, dass er als Jude griechischer Prägung aus Syrien stammte und Paulus oder Silas ihn bereits kannten.

Als Arzt und in der griechischen Kultur beheimatet, ist Lukas sehr gut geeignet für die Mission im griechischsprechendem Raum. Im Zusammenhang der Reisen und der Briefe des Paulus werden wir Lukas noch besser kennenlernen.

Paulus auf der Insel Samothrake

Bei dem regen Schiffsverkehr in den Sommermonaten war es nicht schwierig, ein Schiff zu finden, das von Troas nach Mazedonien segelte. Lukas betont ausdrücklich, dass sie sofort nach einer Gelegenheit suchten, um nach Mazedonien zu fahren. Die Apostel fanden schließlich ein Schiff, das nach Neapolis (heute Kavala) fuhr. An einem Sommermorgen stachen sie in See. Der Text des Lukas lautet: „Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake“ (Apg 16,11a). Mit dem „wir“ wird deutlich, dass ab jetzt Lukas mit im Team dabei ist. Für `abfahren` gebraucht Lukas das gr. Wort `αναχθεντες – anachthentes`, es ist ein nautischer Terminus und bedeutet auslaufen, in See stechen. Er kommt noch an mehreren Stellen in der Apostelgeschichte vor (Apg 13,13; 16,11; 18,21; 20,3; 20,13). Lukas hebt auch noch hervor, dass sie direkt/geradewegs Samothrake ansteuerten. Die Insel Samothrake liegt im Nordosten des Ägäischen Meeres und ist sehr bergig. Der Berg Fengari (Mond) mit seinen etwa 1624 Metern Höhe war für die Schiffsleute eine weitaus sichtbare Landmarke und Orientierungspunkt in dieser Region.

IMG_1235Die Insel Samothrakeist weithin sichtbar für die Schiffsleute (Foto: V. K. 31. August 2009).

Laut Text bewältigten sie die Strecke Troas – Samothrake (etwa 110 km) wegen guter Windverhältnisse an einem Tag. Im Hafen von Paläopoli, der damaligen Hauptstadt der Insel, die sich an der Nordküste befand, ging das Schiff vor Anker. Heute noch sind Überreste der Hafenmole gut erkennbar. Nach etwa 20 Metern versinkt sie unter Wasser und zieht sich dann bis weit ins Meer hinein. Heute könnte da nur schwer ein Schiff vor Anker gehen, denn der starke Ostwind saust ungehindert durch die Hafenbucht. Die modernen 2 Häfen der Insel – in Kamariotissa (westlich) und Therma (östlich) von Paläopoli, sind dagegen gut geschützt und dort ankern Fischerboote, kleinere Schiffe und natürlich auch Segelyachten.

IMG_0908Die Hafenbucht von Paläopoli von dem Katelusi-Turm aus gesehen (Foto: P. S. 12. August 2010).

Auf dem Gelände der Ausgrabungsstätte ist unter anderem auch eine frühchristliche Basilika aus dem 4. Jh. entdeckt und ausgegraben worden. Es sind leider nur noch Fundamentresste zu erkennen mit einigen säulenstümpfen.

IMG_0888Der Grundriss mit Apsis der in Paläopoli ausgegrabenen frühchristlichen Kirche (Foto: P. S. 12. August 2010).

 

 

 

IMG_2419Die Tafel in griechischer und englischer Sprache weißt darauf hin, dass es sich hier um eine frühchristliche Kirche handelt, die zum Andenken an den Besuch des Apostels Paulus im Jahre 49/50 auf der Insel erinnern soll (Foto: P. S. 12. August 2010).

Heute leben auf der Insel etwa 3000 Griechen orthodoxen Glaubens und es gibt zahlreiche Kirchen in den Ortschaften sowie sogenannten Heiligen geweihte Kapellen auf der ganzen Insel zerstreut, die zum Ausruhen und Andacht einladen. Wegen der hohen Berge bilden sich Wolken und es gibt viel Niederschlag im Laufe des Jahres. Daher ist die Insel wasserreich, bewaldet und fruchtbar. In der Antike befand sich oberhalb der Hafenstadt Paläopoli das damals bekannte aber auch geheimnisvolle Kabirenheiligtum. Auch andere  Mysterienkulte waren dort bis um 400 n.Chr. vertrreten.

7-26-2014_036In der Oberstadt von Paläopoli von beiden Seiten eines Baches befand sich das Kabirenheiligtum, die Stoa, das Theater und andere öffentliche und Sakrale Gebäude (Foto: P. S. Juli 1988).

In dieser Stadt und in dieser Umgebung  verbrachten die Passagiere des Schiffes und das Missionsteam um Paulus den Abend und die Nacht. Zeit zur Evangelisation blieb dabei nicht, doch in den geschäftigen Straßen am Hafen konnten sie ein wenig die Menschen und deren Leben beobachten und kennenlernen. Ob viele der Insulaner durch ihr Gebet, bei einem späteren Aufenthalt zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, ist aus den Texten der Apostelgeschichte nicht erkennbar. Möglich ist auch, dass später andere Missionare von Troas oder dem Ostmakedonischen Festland, die Frohe Botschaft auf die Insel brachten. Das Vorhandensein einer frühchristlichen Kirche jedoch bezeugt den christlichen Glauben auf der Insel für die frühen Jahrhunderte.

Paulus und Silas kommen in Kavala an

Früh am Morgen lichtete die Besatzung des Schiffes die Anker im Hafen von Paläopoli. Lukas beschreibt die folgende Tagesetappe mit nur fünf Worten: „Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis“ (Apg 16,11b). Die Distanz vom Hafen Paläopoli nach Neapolis beträgt rund 100 Kilometer. Auch diese Strecke haben sie Dank günstiger Winde aus östlichen Richtungen an einem Tag bewältigt. Die ganze Zeit konnten sie in Sichtweite des Thrakischen Festlandes im Norden und der Insel Thassos im Westen segeln.

Auf der Strecke passierten sie den rund 4,5 Kilometer breiten Durchgang zwischen Thassos und der, dem Festland vorgelagerten, kleinen Insel Thassopoula, dabei hatten sie einen guten Blick auf die Inselhauptstadt Limenas mit ihrer Akropolis, dem Theater und weiteren Tempeln und Palästen.

Gegen Abend näherten sie sich dem Ostmakedonischen Festland und dem Akropolishügel von Neapolis (heute Kavala), der damaligen Hafenstadt von Philippi.

Der heutige Hafen von Kavala ist immer noch an der gleichen Stelle wie damals, da der ins Meer hineinragende Burgberg einen natürlichen Schutz vor winterlichen Oststürmen bietet.

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Die alles überragende Akropolis in Kavala (Foto: P. S. 22. August 2009)

Hier in Nea-polis (Neustadt) gingen sie von Bord und betraten zum erstenmal europäischen Boden. Dies war im Sommer des Jahres 49 n. Chr.. Sehr wahrscheinlich verbrachten sie die erste Nacht im Hafenort, denn nach Philippi wären es noch ca. 14-17 Kilometer. Die Hafenstadt wurde im 7. vorchristlichen Jahrhundert von Siedlern aus der benachbarten Insel Thassos gegründet und Neapolis genannt. Von ihnen stammt auch die ursprüngliche Burg –Akropolis auf der Panagia-Halbinsel. Die Stadtburg wurde meist auf einer Anhöhe, einem Hügel gebaut. Die Burg bildete das Ende, das Äußerste, in diesem Fall den höchsten Punkt der Stadt. In byzantinischer Zeit wurde die Stadt in Christopolis (Christusstadt) umbenannt. Die Italiener nannten sie dann Kavalla (Kavallo-Pferd), weil es dort eine wichtige Pferdewechselstation gab. Neben der weithin sichtbaren und beeindruckenden Akropolis ist die Stadt auch für ihre Kamares bekannt – der Aquadukt aus spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit war einige Jahrhunderte in Betrieb und ist heute noch eine besondere Touristenatraktion.

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Die Stadt zählt heute etwa 70 Tausend Einwohner, viele davon sind Zuwanderer aus Kleinasien und dem Schwarzen Meer. Die meisten Bewohner von Kavala sind griechisch orthodoxe Christen. Es gibt auch viele evangelische Christen, die in verschiedenen freien Gemeinden eingebunden sind. An den Sonntagen kommen auch Gläubige aus den nahegelegenen Ortschaften (z.B. Krenides, Elevteroupoli, Chrisochori) zu den Versammlungen.

Doch als Paulus, Silas, Timotheus und Lukas hierher kamen, war die Stadt viel kleiner in ihren Grenzen und der Einwohnerzahl, eine typische griechische Hafenstadt mit Regionalbedeutung.

Noch einige Male nutzte Paulus diesen Hafen bei seinen Missionsreisen für die Weiterfahrt.

Am folgenden Tag gingen sie auf der Via Egnatia nach Philippi.

Winfried Elliger beschreibt in seinem Buch `Paulus unterwegs in Griechenland` 1998 auf Seite 23 über diese strategisch so wichtige West-Ostverbindung im Römischen Reich: „Via Egnatia – der Name der Straße geht auf einen Gnaeus Egnatius zurück, der irgendwann zwischen 145 und 120 v. Chr. die Provinz Mazedonien als Prokonsul verwaltete.

Auf etwa 300 Meter Länge zieht sich die Via Egnatia nördlich von Kavala in Richtung Philippi. Paralell dazu verläuft die moderne vierspurige Strasse nach Krenides und Elevteroupoli. Gut erkennbar sind noch die Randsteine der etwa 3 Meter breiten antiken Strasse, auf der auch höchst wahrscheinlich  der Apostel Paulus und Silas mit ihrem Team auf dem Weg nach  Philippi gegangen sind.                            Foto: P. S. 29. Juli 2008

Auf etwa 300 Meter Länge zieht sich die Via Egnatia nördlich von Kavala in Richtung Philippi. Paralell dazu verläuft die moderne vierspurige Strasse nach Krenides und Elevteroupoli. Gut erkennbar sind noch die Randsteine der etwa 3 Meter breiten antiken Strasse, auf der auch höchst wahrscheinlich der Apostel Paulus und Silas mit ihrem Team auf dem Weg nach Philippi gegangen sind. (Foto:P. S. 29. Juli 2008)

Sein Name erscheint auf einem nördlich von Saloniki gefundenen Meilenstein. Von Dyrrhachium, dem heutigen Durazzo (Durres) in Albanien, zog sich die Via Egnatia quer durch das makedonische Bergland über Lychnidos an der illyrisch-makedonischen Grenze, Herakleia, Edessa und die frühere Alexanderresidenz Pella in fast gerader Linie nach Thessaloniki, wo sie ans Meer stieß. Am nördlichen Rand der Halbinsel Chalkidike entlang führte die Straße dann über Apollonia weiter nach Amphipolis, umging die nördlichen Pangaionausläufer, durchquerte das Stadtgebiet von Philippi und erreichte über Neapolis, jetzt weitgehend an der Küste bleibend, den Hebros und schließlich über Perinthos den Bosporus. Im Westen hatte die Via Egnatia über Brindisi und die Via Appia Anschluss an Rom. Die Entfernung vonDyrrhachium nach Thessaloniki gibt der erwähnte Meilenstein mit 260 Meilen (etwa 385 km) präzise an. Als Gesamtlänge der Via Egnatia von Apollonia, einem anderen Zweig der Straße (im heutigen Albanien) bis zum Hebros nennt Strabon, der bedeutendste Historiker und Geograph der augusteischen Zeit, 535 Meilen (etwa 793 km).“

Paulus und Silas kommen nach Philippi

Lukas fährt in seinem Reisebericht fort mit den Worten: „und von da (von Neapolis kamen wir) nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben (verweilten) aber einige Tage in dieser Stadt“ (Apg 16,12). Von Neapolis konnten die Apostel auf der Via Egnatia bequem in das vierzehn Kilometer nordwestlich gelegene Philippi kommen.

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Bis zum Sabbat sind es noch einige Tage, so konnte Paulus und sein Team die Gelegenheit nutzen, um die Stadt und ihre Bewohner kennenzulernen. Lukas hebt den Status und die geographische Lage von Philippi hervor. Die römische Provinz Mazedonien wurde aus sicherheitspolitischen Überlegungen in vier Bezirke aufgeteilt. Der erste und östlichste Bezirk mit der Bezirkshauptstadt Amphipolis erstreckte sich vom Fluß Strymon bis zum Fluß Nestos, die Stadt Philippi lag etwa in der Mitte. Vom Status her war Philippi eine `Kolonia` eine Freistadt, sozusagen ein Klein-Rom in der Provinz. Viele einflussreiche Bürger der Stadt waren römische Veteranen oder auch italische Siedler. Die Stadt wurde nach römischem Recht verwaltet und die offizielle Sprache und Schrift war Latein. Der Name der Stadt geht auf Philipp II, den Makedonenkönig zurück, der die ursprünglich thrakische Siedlung Krenides in der Mitte des 4. Jh. v. Chr. eroberte und in sein Reich eingliederte. Die Stadt wurde nach römischem Recht verwaltet und die offizielle Sprache und Schrift war Latein, wie die zahlreichen lateinischen Inschriften auf dem Ausgrabungsgelände belegen. Der Name der Stadt geht auf Philipp II, den Makedonenkönig zurück, der die ursprünglich thrakische Siedlung Krenides in der Mitte des 4. Jh. v. Chr. eroberte und in sein Reich eingliederte. Sie war für ihn besonders wegen der reichen Vorkommen von Gold und Silber im umliegenden Pangaion und Orbelos Gebirge wichtig. Seit 178 v. Chr. war Mazedonien römische Provinz, daher war Philippi Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts war bereits mehr als zweihundert Jahre unter römischer Herrschaft und Einfluß. Es wundert daher nicht, dass die Stadt Mitte des 1. Jh. n. Chr., also zur Zeit des Paulus, deutliche römische Züge trug und zwar nicht nur in der Verwaltung und Justiz, sondern auch in der Religion. Winfried Elliger fasst zusammen: „Neben der römischen Religion, die seit der Ankunft der römischen Siedler in Philippi offizielle Staatsreligion war, hielten sich die einheimischen Mysterienkulte der thrakischen Urbevölkerung mit erstaunlicher Zähigkeit. Dazu kam eine Anzahl orientalischer Kulte, die um diese Zeit eine besondere Anziehungskraft ausübten. Die griechischen Götter dagegen scheinen in Philippi nur eine bescheidene Rolle gespielt zu haben. Dem Zug der Zeit entsprechend, existierten die verschiedenen Kulte nicht nur nebeneinander, sondern beeinflußten und durchdrangen sich wechselseitig in vielfacher Form“ (Winfried Elliger: 1998, S. 30). Mit dieser Vielfalt an Mysterienkulten wurde nun das Missionsteam bei ihrer Stadterkundung konfrontiert. Das Wissen um den starken Einfluß dieser Kulte auf die Bevölkerung waren wichtige Voraussetzungen für die Verkündigung der Frohen Botschaft von Jesus Christus.

Die Stadt hatte eine etwa 2,5 Meter starke umfassungsmauer mit drei Toren, von denen das Neapolistor im Südosten und das Amphipolistor im Nordwesten die wichtigsten waren, weil auf dieser Achse die Via Egnatia verlief. Auf dem höchsten Hügel stand die Akropolis, unten am Fuß des Hügels im Osten das Theater und im Zentrum der Stadt das Forum mit öffentlichen Verwaltungsgebäuden, dem Gerichtsplatz und Geschäften.

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Die wiederaufgerichteten Säulen des römischen Forums in Philippi lassen die großen Ausmaße erahnen (Foto: P. S. Juli 1984)..

Für das Missionsteam ist es eine ganz neue Erfahrung, denn bis jetzt waren sie noch nie in einer römisch geprägten Stadt und auf sie warten neue Herausforderungen. Sowohl Paulus als auch Silas hatten die römische Bürgerschaft und sprachen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Latein. Doch Paulus bleibt der Anweisung Jesu treu und sucht zunächst Juden in der Stadt. Wird er welche finden, gibt es eine Synageoge in Philippi? Diesen und anderen Fragen gehen wir im nächsten Abschnitt nach.

Lydia – die erste Christin in Philippi lässt sich taufen

In seinem Reisebericht  schreibt Lukas weiter: „Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen“ (Apg 16,13).

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Sicher hatte Paulus viel Erfahrung und konnte anhand bestimmter Merkmale den vermuteten Gebetsort lokalisieren. Wasserstellen, Quellen, Brunnen, waren Anziehungspunkte und Versammlungsorte auch schon in biblischen Zeiten. Vielleicht gab ihnen auch jemand dazu einen Hinweis. Die Männer müssen nicht wenig gestaunt haben, dass an dieser, nicht öffentlichen oder offiziellen Gebetsstätte, nur Frauen versammelt waren. Es war Sabbat, das bedeutet, dass diese Frauen Anhängerinnen des jüdischen Glaubens waren. Die Männer des Missionsteams setzen sich dazu und beginnen zu reden. Es handelte sich also um einen Zeugnisgottesdienst unter freiem Himmel, im Schatten der Weiden, begleitet vom ununterbrochenen Plätschern des Wassers im Hintergrund. Der Glaube kommt bekanntlich aus der Predigt, wobei Gott die Herzen der Menschen öffnet. Lukas fährt fort: „Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde“ (Apg 16,14). Was hat denn Paulus gesagt? Nun, mit aller Wahrscheinlichkeit erzählte er von dem einen wahren Gott, der alles geschaffen hat und von Jesus Christus, dem verheißenen Retter der Welt. Von Buße und Glauben und der Taufe auf den Namen Jesu. Sicher ist, dass er der Kenntnissituation dieser Frauen entsprechend seine Botschaft ausgerichtet hat, denn so tat er es auch an anderen Orten. Eine der versammelten Frauen stellt Lukas besonders vor, sie heißt Lydia und kommt (ist gebürtig) aus der Stadt der Thyatirer (Provinz Asien). Sie wohnt in Philippi und besitzt ein Haus. Sie besitzt ein eigenes Kleinunternehmen und handelt mit wertvollen Purpurhstoffen. Sie ist also wohlhabend, trifft eigene Entscheidungen, es kann sich bei ihr also um eine einflussreiche Witwe handeln. Sie genießt einen bestimmten Status in der Gesellschaft der Stadt und sie fürchtet, bzw. verehrt Gott. Die griechische Bezeichnung `σεβομενη – gottesfürchtig, Gottesfürchtige` bedeutet im neutestamentlichen Kontext – der jüdischen Gottesverehrung nahe stehende Heiden. Sie war also keine Jüdin, glaubte aber an den einen Gott der Juden. Im heidnischen Kontext von Philippi scheint diese Frau etwas Besonderes zu sein. Diese Geschichte macht aber auch sehr deutlich, dass Gottesfurcht (Gottesverehrung) zwar eine gute Voraussetzung sein kann, reicht aber allein nicht aus, sondern erst der Glaube an den Herrn Jesus Christus rettet (ähnlich bei Kornelius Apg 10,1-2). Doch das eigentlich Besondere bei der Bekehrung dieser Frau ist etwas ganz schlichtes Menschliches und auch Göttliches: „(Sie) hörte zu; der (ihr) tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde“ (Apg 16,14b). Drei wichtige Aspekte für das Ankommen der Heilsbotschaft sind hier erkennbar:

  1. Die Botschaft muß verkündigt werden, ob durch ein Zeugnis, eine Predigt, oder Lehre, das ist von der jeweiligen Situation abhängig.
  2. Von Seiten des Menschen – ist Zuhören, Hinhören, Achtgeben erforderlich.
  3. Von Seiten Gottes – sein souveränes ziehen, locken, einladen, denn Jesus sagt: „Es kann niemand zu mit kommen, es ziehe ihn denn der Vater“ (Joh 14,6a).

Bei Lydia (einer Ausländerin in Philippi) trafen alle drei Voraussetzungen zu und sie wurde die erste Gerettete durch das Evangelium in Mazedonien. Hat Paulus im Nachtgesicht in Troas nicht einen Mann gesehen, einen Mazedonier? Es scheint manchmal so, als ob Gott auch Humor zeigt. Er beginnt seine Gemeinde in Pjilippi mit einer Frau. Jesus begann seine Gemeinde in Sychar (Samarien) mit einer Frau, dazu noch was für einer Frau (Joh 4,7-43). In Thessalonich werden es einige angesehene Frauen sein, die zur ersten Gemeindegeneration zählten (Apg 17,1-4). Und auch in Athen wird eine Frau Namens Damaris genannt, die zu den ersten Gläubigen gezählt wurde (Apg 17,34). Weiter fällt hier auf, dass Paulus nicht nur von Buße, Bekehrung und Glauben gesprochen hatte, sondern auch von dem wichtigen Gehorsamsschritt – der Taufe im Wasser, also dem öffentlichen Bekenntnis zur neuen Glaubensausrichtung.

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„Als sie aber getauft war und  ihr Haus, bat sie (uns) und sragte: Wenn ihr urteilt (anerkennt), dass ich an den Herrn gläubig bin, so kommt in mein Haus und bleibt. Und sie nötigte uns“ (Apg 16,15 frei übersetzt). „Als aber sie getauft war und ihr Haus“, das hat wohl den ganzen Tag in Anspruch genommen. Man bedenke, dass ihre Hausgemeinschaft (Kinder, Dienerschaft, Sklaven) beim Gebet nicht zwingend dabei gewesen sein mussten. Bis sie also diese Nachricht zu Hause mitgeteilt hatte und ihr ganzes Haus mit an den Fluß nahm und bis auch diese die Botschaft gehört, verstanden haben und bereit waren zur Taufe, konnte schon viel Zeit vergangen sein.. Der Tag neigte dem Ende zu und Lydia entscheidet sich bewusst, die Männer  in ihr Haus einzuladen und zwar nicht einfach nur zum Abendessen, sondern um dort zu bleiben. So erleben die Apostel die Anweisung Jesu: In demselben Haus aber bleibt, esst und trinkt, was man euch gibt; denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Ihr sollt nicht von einem Haus zum andern gehen“ (Lk 10,7). Und in der Tat, die Männer bleiben die ganze Zeit über im Haus der Lydia (Apg 15,40). Dem Glauben folgen Taten, Taten der Liebe, dazu zählt auch die Gastfreundschaft. Die `φιλοξενια` – Gastfeundschaft im Orient und Mittelmeerraum ist oft sprichwörtlich, doch meistens hat sie auch ihren Preis, man hat auch unausgesprochene Erwartungen an den Gast. Lydia erkennt die Situation der Gäste und entscheidet spontan, die Gottesmänner in ihrem Haus aufzunehmen. Sie will etwas mitteilen von dem, was sie im Überfluß hat und sie will noch mehr von dem geistlichen Segen empfangen, der von diesen Menschen ausgeht.   

An diesem Tag entsteht die erste Hausgemeinde in Philippi und dies ist erst der Beginn des machtvollen Gotteswirkens in dieser heidnischen Stadt.

Eine Magd aus Philippi wird vom Dämon befreit

Von jenem Tag an gingen Paulus und seine Mitarbeiter immer wieder zur Gebetsstätte hinaus, dieser Ort gewann immer mehr an Bedeutung. Die Kunde von der neuen Lehre durch Paulus hat sich schnell herumgesprochen, nicht zuletzt auch durch Lydia und ihre Hausgenossen. Hier draußen vor den Toren einer römischen Stadt, beginnt Jesus seine Gemeinde zu bauen. Doch der Feind ließ nicht lange auf sich warten. Seine Methoden sind raffiniert; hier arbeitet er nicht mit einem frontalen Zusammenstoß, sondern durch trügerische, scheinbare Wahrheit. Lukas fährt in seinem Bericht fort: „Es geschah aber, als wir zur Gebetsstätte gingen, dass uns eine Sklavin begegnete, die hatte einen Geist, einen Python, welche mit ihrer Wahrsagerei ihren Herren viel Gewinn einbrachte (16,16). „Diese folgte Paulus und uns nach, schrie und sagte: Diese Menschen sind Knechte Gottes des Höchsten, welche euch den weg der Rettung verkünden (16,17). Nun tritt wieder eine Frau in den Blickpunkt der Apostel, doch hier geht es um eine von einem Dämon besessene Magd/Sklavin, die im Dienste ihrer Herren durch Wahrsagerei viel Geld einbrachte.

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Der böse/unreine, ja dämonische Geist, der durch diese Magd redete wird von Lukas namentlich benannt.  Wilfrid Haubeck schreibt als Erklärung zu dieser Bezeichnung: „Griechisch ΠυθωνΠυθω (Pytho/Delphi) war der Name der Gegend am Südabhang des Parnassos-Massivs in Phokis, in der die Stadt Delphi mit dem Tempel und Orakel des Delphischen Apollo lag. Python war der nach einer Legende in der Gegend Pytho hausende und mit dem dortigen Orakel verbundene Drache, der von Apollo erlegt wurde, vgl. auch Pythia (Apollopriesterin), die in Delphi Orakelsprüche erteilte“ (W. Haubeck: 1997, S. 762). Hier erkennen wir deutlich, wie sich Dämonen den populären Götzendienst zu Nutzen machen.

Es stellt sich gerade hier die Frage, was Wahrheit eigentlich ist und warum Paulus sich nicht über diese für ihn kostenlose Werbung freut? Hierzu lässt sich Folgendes festhalten:

  1. Wahrsagen ist dämonisch und von Gott verboten (3Mose 20,27; 5Mose 18,9ff).
  2. Hier handelt es sich keineswegs um Werbung für Gott, sondern um Mißbrauch des  Gottesnamens.
  3. Ebenso wurden hier Informationen zum Zwecke von Gelderwerb weitergegben. Denn für die Eigentümer der Sklavin war diese Tätigkeit eine nicht geringe Geldeinnahmequelle.
  4. Der Pythongeist wollte die Philipper nicht auf den lebendigen Gott hinweisen, sondern auf eine Gottheit, die in Philippi verehrt wurde und daher war es auch eine Irreführung der Menschen. Winfried Elliger schreibt dazu: „Gerade im makedonisch-thrakischen Raum ist der Begriff „Höchster Gott“ nichts Außergewöhnliches. Hier scheint sich der Kult des theos hypsistos in der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts besonders stark ausgebreitet zu haben. Eine in der Nähe Philippis gefundene Inschrift mit der Nennung des höchsten Gottes ist in die Jahre zwischen 38 und 45 n. Chr. zu datieren, also in die Zeit kurz vor dem Erscheinen des Paulus in Makedonien. Mit dem theos hypsistos könnte demnach sehr wohl eine solche nicht genau definierte synkretistische Gottheit gemeint sein“ (W. Elliger: 1998, S. 34).
  5. Auch Jesus bedroht die Dämonen und verbietet ihnen, ihn zu nennen und zu offenbaren (Lk 4,41). Auch dort werben die Dämonen keineswegs für Jesus, sondern umgekehrt  weg von Jesus und lenken die Aufmerksamkeit auf sich und ihre Künste.

Zur Wahrheit gehört also nicht einfach dem Buchstaben entsprechend richtig gesagt oder getan, sondern aus welcher Motivetion, aus welchem Grund und zu welchem Zweck oder Ziel etwas gesagt oder getan wird.

Nachdem die Sklavin ihr Geschrei viele Tage lang wiederholt hatte, „wurde Paulus unwillig (aufgebracht – ihm tat es weh) und wandte sich um zu dem Geist und sagte: Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, aus ihr auszufahren; und er fuhr aus zur selben Stunde“ (Apg 16,18). Hier werden die Vollmacht und die Autorität des Apostels, die ihm Jesus verliehen hatte, deutlich. An der Reaktion der Herren der Magd, wird die bindende Macht der Geldgier (Habsucht) deutlich. Nach Kolosser 3,5b ist „Geldgier Götzendienst“).

Die Herren (der Magd) ergriffen Paulus und Silas und schleppten sie auf den Marktplatz vor die Oberen (gr. αρχονται archontai). Und führten sie hin zu den Stadtrichtern und sagten: Diese Menschen versetzen unsere Stadt in Erregung, sie sind Juden und verkünden Sitten, die uns nicht erlaubt ist anzunehmen noch auszuüben, weil wir Römer sind“ (16,19b-21).

Lukas nennt uns hier zwei Bezeichnungen für Stadtbehörden von denen die: „Gr. Στρατηγοι – Stadtrichter, entspricht der römischen Bezeichnung Duumviri. In der Regel waren die Stadtrichter in den Kolonien die beiden höchsten Beamten und vertraten die Stelle der Konsuln. Außerdem gehörte zu ihrem Kompetenzbereich die Oberaufsicht über die städtische Verwaltung wie auch die Gerichtsbarkeit. In dieser Funktion wenden sich die aufgebrachten Philipper an die Duumvirn“ (Winfried Elliger: 1998, S. 25).

An diesem Tag warten die Gläubigen der jungen Gemeinde am Fluss vergeblich auf Paulus und Silas. Die Apostel  sind hier die aktiv Handelnden, ihre Begleiter Timotheus und Lukas werden nicht angegriffen, obwohl mindestens Lukas dabei war, wie das  (Wir gingen zur Gebetsstätte, 16,16a) deutlich macht. An Paulus und Silas wird deutlich, wie Christen sich in solchen Situationen verhalten können. Es entsteht kein Handgemenge, sondern die beiden werden ergriffen und zum Marktplatz (Forum) geschleppt. Der Weg dorthin ist nicht weit und schon bald stehen die beiden vor den Stadtrichtern. Sie werden der Unruhestiftung angeklagt, da sie Sitten verkünden würden, die für die Römer unannehmbar seien; obendrein seien sie Juden. Der Unterschied zwischen Römern und Juden wird hier betont, anscheinend war man in Philippi auf die Juden nicht gut zu sprechen. Anders als in den vorhergehenden und nachfolgenden Fällen, werden die Apostel hier in Philippi von Römern verklagt, nicht von Juden. Im Gegensatz dazu nehmen die römischen Beamten in den meisten, in der Apostelgeschichte erwähnten, Fällen eine recht objektive, manchmal sogar pro-christliche Haltung ein (Apg 13; 18; 22; 26). Die Kläger zerren Paulus und Silas auf das Forum zu den Stadtoberen (Archontai), die dort residieren und tragen ihre Anklage vor. Dort bekommen sie Unterstützung und sie gemeinsam gehen zur obersten Instanz, den Stadtrichtern (Strategoi). Weil sie von Anfang an bewusst lautstark ihre Anklage wiederholen, kommt es auch zum Volksauflauf auf dem Forum. Sie

werden von den Bürgern der Stadt unterstützt: „und sogleich stand die Menge gegen sie (die Apostel) auf, wahrscheinlich mit lauten Rufen, so dass sich die Stadtrichter zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen. Um die Angelegenheit so schnell wie möglich zu Ende zu bringen und den Anklägern sowie dem Volk einen Gefallen zu tun, befehlen die Richter, den zwei Juden die Kleider herunterzureißen und sie mit Ruten zu schlagen. Diesen Befehl führten die Gerichtsboten  (gr. ραβδουχοι – Rutenträger) aus (vgl. V. 22c mit 26+28). Paulus und Silas erhalten viele Rutenschläge. Aus Vers 33 kann man schließen, dass sie übel zugerichtet wurden. Doch die meisten der Beteiligten mussten wissen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, denn es fand kein Verhör statt, wie bei Römern üblich war und es gab keine Verteidigungsmöglichkeit für die Angeklagten. Natürlich kann hier die Frage gestellt werden, warum Paulus sich nicht als römischer Bürger zu erkennen gab, wie er es später vor der Auspietschung in Jerusalem getan hatte? Die einzige plausible (wenn auch nicht logische) Antwort darauf kann sein, dass sie in der Situation vom Heiligen Geist zum Schweigen ermutigt wurden. Jesus hat seinen Jüngern besonders für Verfolgungszeiten und bei Verhören, ausdrücklichen Beistand durch den Heiligen Geist zugesagt. Dieser Beistand beschränkt sich jedoch nicht allein auf das `weise im Reden und Antworten`, sondern auch im Schweigen (Mt 10,19-20). Jesus selbst verteidigte sich auch nicht immer, sondern konnte auch Schweigen (Joh 19,9;  Mt 26,63). Denken wir daran, dass auch das Schweigen eine Antwort, also eine sehr deutliche Reaktion bedeuten kann. Bei der Steinigung in Lystra hatte Paulus sich ebenfalls nicht verteidigt. Gott hatte in Philippi noch Großes vor und so leitete er seine Diener durch seinen Geist weise durch Leiden zur Herrlichkeit. Paulus und Silas werden ohne ordentliches Gericht ins Gefängnis geworfen. Lukas nennt uns einen weiteren Beamten der Stadt, den Gefängniswärter. Er übernimmt die Gefangenen von den Liktoren und sperrt sie gemäß der Anweisung der Stadtrichter „in das innerste Gefängnis und schloss ihre Füße fest in den Block“. Paulus und Silas waren nun gefangen, aber die Sklavin war frei von den Fesseln der finsteren Macht. Ihre eigenen Herren hatten diese Veränderung in Philippi publik gemacht; die Befreiung der Sklavin wurde somit zum Stadtgespräch. Wo der Heilige Geist am Wirken ist, da gewinnt Gott an geistlichem Territorium. Der Tag ging zu Ende, in der Stadt herrschte wieder Ruhe.

Mitternachtsgottesdienst im Gefängnis

Um Mitternacht jedoch weckt Gott die Bewohner von Philippi plötzlich durch ein starkes Erdbeben auf. Auch der Gefängniswärter fährt aus dem Schlaf. Was war geschehen?

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Lukas berichtet, was er am Tage danach von den Aposteln mitbekam: „Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten (lobsangen) Gott. Und die Gefangenen hörten sie (hörten ihnen zu). Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab“ (Apg 16,25-26). Ungefähr zwölf Stunden verbrachten die Apostel im Gefängnis, ohne Linderung ihrer Schmerzen, ohne die Möglichkeit, die Wunden zu waschen oder verbinden. Das Blut trocknete an und jede Bewegung verursachte noch größere Schmerzen. Doch sie hielten durch, denn Gott war mit ihnen und sie litten um des Evangeliums willen. Auch waren sie nicht allein, sondern die Hausgemeinde, jetzt unter der Leitung von Timotheus und Lukas betete für sie, so wie es auch die Jerusalemergemeinde tat, während Petrus gefangen war (Apg 12,5). Dann gegen Mitternacht war es soweit, die Apostel rangen sich durch zum Gebet und Lobgesang für Gott. Lukas betont auch noch, dass die Gefangenen sie hörten, bzw. ihnen zuhörten. Was für ein Zeugnis der Gnade Gottes für Menschen im Gefängnis. Das war der bedeutende Mitternachtsgottesdienst in einem Gefängnis, der später Tausende Gefangene, die  wegen Christus und seinem Wort in den Gefängnissen einsitzen mussten, ermutigte das gleiche zu tun. Und dies war wohl auch der Auslöser für Gott die seismischen Kräfte geordnet in Bewegung zu setzen. Der Chaos, welcher in der Regel durch starkes Erdbeben angerichtet wird, ist allgemein bekannt, aber auch wunderbare Bewahrungen in den Trümmern sind nicht selten. Hier werden die Grundfesten des Gefängnisses erschüttert, doch kommt es nicht zu einem Einsturz der Mauern oder Decken. Lediglich die Türen springen aus ihren Verankerungen und die Fußfesseln, bzw. die Holzklammern, welche in den Wänden befestigt waren bersten oder springen heraus. Ein Erdbeben, das frei macht, Gott sind die Naturkräfte untergeordnet. Christus sagte: „Mir ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,16). Das Lob Gottes war bei den Aposteln sehr konkret. Nachdem sie von ihrer Situation wegsahen und auf die Werke Gottes in dieser Stadt hinschauten, erkannten sie Gottes Handschrift und gewannen Vertrauen und Glauben.

Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen“ (Apg 16,27). Neben dem Wortlaut des Textes, kann der Leser sich auch eine Vorstellung über das Gef#ngnis machen. Die sogenannten städtischen Gefängnisse waren von einer Mauer umgeben.. Dadurch war das Gefängnisgelände komplett von der übrigen Stadt abgerigelt (Apg 12,10). Der Gefängniswärter wohnte mit seiner Familie, die auch die Dienerschaft einschloß, in einem Haus auf dem Gefängnisgelände. Der Gefängniswärter haftete mit seinem Leben für die Sicherung/Verwahrung der Gefangenen. Der Gefängniswärter trug Waffen.

Die zweite Hausgemeinde in Philippi entsteht

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Das Leben und der Tod liegen oft sehr nahe beieinander, so auch im Falle vom Gefängnisaufseher in Philippi. In der Annahme, dass die Gefangenen bereits auf der Flucht wären, entschloss sich der Gefängnisaufseher selbst das Leben zu nehmen, hätte da nicht der aufmerksame Paulus eingegriffen.

In Paniksituationen handeln Menschen häufig unüberlegt mit unübersehbaren Folgen. Die Menschen damals glaubten unter anderem auch an eine `Göttin der Rache – dike – δικη`. Jesus jedoch rächt nicht die Ungerechtigkeit an seinen Boten, sondern sucht weitere Menschen in dieser Stadt zu retten – was für ein Gott!

Gott hatte schon lange die Regie übernommen und nun verwirklicht er seine Pläne durch seine Diener. Zuerst leistete er Maßarbeit, da die Türen des Gefängnisses aufsprangen, die Fesseln der Gefangenen sich lösten (V. 26), die Decken aber nicht einstürzten. Auch flohen die übrigen Gefangenen nicht. Deutlich sah Paulus aus der dunklen Gefängniszelle, was sich draußen abspielte. Er reagierte sofort, um das Leben von Menschen zu retten und zu erhalten. In dieser Situation zeigt sich deutlich, wie genau Paulus die Gebote Jesu lebte (Mt 5,43-48: „Liebt eure Feinde“) und später auch lehrte (Röm 12,20f: „Rächt euch selber nicht“). Lukas konzentriert sich hier auf den Kerkermeister, über den Gott seine Gnade ausgebreitet hatte. Und der Heilige Geist gibt dem Paulus augenblicklich den Einblick in die gefährliche Lebenssituation des Gefängnisaufsehers. „Paulus aber rief laut: Tu dir nichts (Böses) an; denn wir sind alle hier!“ (Apg 16,28). Diese Worte haben dem Mann das physische Leben gerettet. Auch die übrigen Gefangenen sind überwältigt von diesem ungewöhnlichen Wirken Gottes in der Nacht. Höchstwahrscheinlich haben sie auch im Gefängnis mitbekommen, was sich draußen in der Stadt in den letzten Tagen ereignet hatte und sicher auch die Einkerkerung dieser zwei Männer, dann ihr Lobgesang und das plötzlich darauffolgende Erdbeben mit präzisem Ablauf. Auch ihnen wird nicht danach gewesen sein, wegzulaufen, sind sie doch in der Gegenwart dieser Männer Gottes ebenso in Furcht geraten. Wenn Gott wirkt, dann gewinnt er an allen Frontabschnitten, so auch hier. „Da forderte der Aufseher ein Licht (Fackeln) und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. Und er führte sie heraus und sprach: (Liebe) Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?“ (Apg 16,29-30). Gott offenbart sich dem Gefängnisaufseher plötzlich in einem Augenblick. Dieser sieht auf einmal alles ganz klar. Er hatte zwar die Befehle der Stadtrichter ordnungsgemäß ausgeführt, doch blieb auch ihm nicht verborgen, dass diese Männer nichts unrechtes getan haben. Dazu kommt, dass auch bis zu ihm die Kunde von der neuen Lehre mitbekommen und ebenso die Machtvolle Befreiung der Magd in aller Öffentlichkeit. Dann das plötzliche Erdbeben, das Ungewöhnliche, dass die Gefangenen keinen Versuch zur Flucht machten. Er ist einfach überwältigt von so vielen ungewöhnlichen, ja übernatürlichen Ereignissen. Nun beginnt Gott an einer weiteren Befreiung zu wirken. Während er sie nach draußen führt, stellt er ihnen die wichtigste Frage seines Lebens: „Was muß ich tun, um gerettet zu werden“. Der bis dahin heidnischgeprägte Mann wusste wohl nur von der Aussage der Magd, dass diese Männer den Weg der Rettung verkündigen, doch den Bezug zum wahren Retter kannte er nicht. Diesen Bezug stellen die Apostel her: „Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig (gerettet werden)“ (Apg 16,31)! Nun versieht der Aufseher Pflegedienst an den zerschundenen Aposteln: „Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen (Apg 16,33). Das heißt, er nahm sie in sein Haus, führte sie in seine Waschräume, wusch ihnen ihre verwundeten Rücken, salbte sie mit Öl, verband ihre Wunden, kleidete sie wahrscheinlich neu ein, wusch ihre von Blut befleckten Gewänder und führte sie in den Wohnraum seines Hauses. Dort hörte er mit allen Familienangehörigen, sowie dem Hauspersonal der Botschaft des Evangeliums zu. „Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren“ (Apg 16,32). Deutlich wird hier unterstrichen, dass alle die im Hause waren, das Wort des Herrn hörten. Es war also ein Nachtgottesdienst unter Fackelbeleuchtung. Im Anschluß an die Predigt der Apostel, wünschten alle getauft zu werden – „Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen“. In den Häusern oder Villen der reichen Stadtbewohner oder römischer Beamten wurden bei Ausgrabungen häufig Badeanlagen mit Bassins entdeckt. In solch einem Becken wurden auch der Aufseher und seine Hausbewohner getauft. Im Anschluß an die Taufe wurde gefeiert: „und (er) führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war“(Apg 16,34). Mehrere Aspekte werden hier hervorgehoben:

  • Gastfreundschaft – er führte sie in sein Haus;
  • Mitteilen, „brich dem Hungrigen dein Brot“ – er deckte ihnen den Tisch;
  • Freude – die Wiederhergestellte Beziehung zu Gott durch Jesus Christus löst große Freude aus.

Nur der Geist Gottes vermocht es, diesen Mann von seiner Verlorenheit zu überzeugen. Der Götterglaube war nur Täuschung und konnte die Menschen in Philippi nicht wirklich freimachen. In diesen Tagen offenbarte sich der lebendige Gott einer ganzen Stadt. Dennoch können die Wunder und Zeichen, die Gott aus Gnaden einzelnen Menschen, einer Stadt oder einem ganzen Volk gibt, das Wort des Evangeliums nicht ersetzen, denn es ist eine Kraft Gottes, die da rettet Juden und Griechen (Röm 1,16). Deswegen sagten sie ihm das Wort des Herrn mit allen in seinem Haus (16,32). Ob die Aufforderung zum Glauben am Anfang oder am Ende der Verkündigung stand, sie musste erfolgen: Glaube an den Herrn Jesus und du wirst gerettet und dein Haus (16,31).

Dies ist die Entstehungsgeschichte einer weiteren Hausgemeinde in Philippi; diesmal entsteht die Gemeinde unter ganz besonderen Voraussetzungen. Gott ist in seinen schöpferischen Fähigkeiten unbegrenzt vielfältig, insbesondere dort, wo es noch keine traditionelle Formen und Normen gibt. Dies ist eine Frucht der Leidensbereitschaft der Jünger Jesu.

Das juristische Nachspiel und Abschied von Philippi

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Die Stadtrichter hatten ab Mitternacht keinen ruhigen Schlaf mehr. In ihrem Hang zum Aberglauben mussten sie zwangsweise zu dem Schluß gelangen, dass es zwischen dem Erdbeben und ihrem unordentlichen Strafverfahren am Vortag einen Zusammenhang geben muß. Die Stadtrichter sind an diesem Morgen sehr beunruhigt, treffen jedoch eine klare Entscheidung. Sie schicken die Rutenträger zum Gefängniswärter mit der Anweisung, Paulus und Silas freizulassen.

Als es aber Tag geworden war, sandten die Stadtrichter die Amtsdiener und ließen sagen: Lass diese Männer frei! Und der Aufseher überbrachte Paulus diese Botschaft: Die Stadtrichter haben hergesandt, dass ihr frei sein sollt. Nun kommt heraus und geht hin in Frieden! Paulus aber sprach zu ihnen: Sie haben uns ohne Recht und Urteil öffentlich geschlagen, die wir doch römische Bürger sind, und in das Gefängnis geworfen, und sollten uns nun heimlich fortschicken? Nein! Sie sollen selbst kommen und uns hinausführen! Die Amtsdiener berichteten diese Worte den Stadtrichtern. Da fürchteten sie sich, als sie hörten, dass sie römische Bürger seien, und kamen und redeten ihnen zu, führten sie heraus und baten sie, die Stadt zu verlassen“ (Apg 16,35-39).

Die Aussage des Paulus macht unter anderem deutlich, dass auch Silas das römische Bürgerrecht besaß. Paulus spricht hier nicht mit Arroganz, auch nicht aus Verägerung, sondern mit geistlicher Weisheit und Mut. In der Öffentlichkeit hätte leicht der Eindruck entstehen können, die Gefangenen hätten sich losgekauft (was gängige Praxis war Apg 24,26) und wären heimlich davongeschlichen. Dies hätte der neuen christlichen Gemeinde geschadet. Auch Jesus hat den Juden gesagt: „Ich habe in aller Öffentlichkeit gesprochen zu der Welt (…) und im Verborgenen habe ich nichts gesprochen“ (Joh 18,20). Paulus lag viel daran, dass das Evangelium nicht den Beigeschmack einer unlauteren, undurchsichtigen Lehre erhielt und dass seine Verkündiger nicht den Eindruck erweckten, mit verdeckten, unlauteren Methoden eine neue Sekte gründen zu wollen. Aus Paulus spricht also keineswegs Stolz oder Beleidigtsein, nein, er denkt an den künftigen Status der jungen Gemeinde und deren Anerkennung bei den römischen Behörden. Die höchsten Beamten der Stadt erschrecken, als sie hören, dass Paulus und Silas römische Bürger sind, denn römische Bürger durften nicht ohne ordentliches Gerichtsverfahren geschlagen oder gar verurteilt werden. Außerdem hatten römische Bürger das Recht, Berufung einzulegen, sogar bei der höchsten Instanz, dem Kaiser. Nun bemühen sich die Stadtrichter, Paulus und Silas mit guten Worten zu verabschieden. Die Apostel wurden in aller Öffentlichkeit und vor den Augen der Bevölkerung von den Stadtrichtern aus dem Gefängnis abgeholt und verabschiedet. Dies war eine öffentliche Rehabilitation und musste zwangsläufig zum Stadtgespräch geworden sein.

Paulus ist bereit zu gehen, aber nicht ohne zuvor die Gemeinde gesehen zu haben. Die Gläubigen sollen aus seinem eigenen Munde hören, was Gott in der Nacht gewirkt hatte.

„Da gingen sie aus dem Gefängnis und gingen zu der Lydia. Und als sie die Brüder gesehen und sie getröstet hatten, zogen sie fort“ (Apg 16,40). Es gab also noch mal eine Art Abschiedsgottesdienst bei dem Paulus und Silas ihre Erfahrungen erzählen, die Geschwister trösten und ermutigen. Sie nehmen Abschied und ziehen weiter in Richtung Amphipolis. Aus dem Textzusammenhang geht hervor, dass Lukas in Philippi geblieben ist. Diese Gemeinde, welche unter so viel Schmerzen geboren wurde, wird der Apostel noch des öfteren besuchen und ihr später mehrere Briefe schreiben.

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