1.4 Der Menschensohn in der Mitte der sieben goldenen Leuchter
Johannes schreibt: „Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune, die sprach“ (Offb 1,10).
Johannes befand sich im Geist am Tag des Herrn (gr. ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ – en t¢ kyriak¢ ¢mera – (am (dem) Herrn (gehörenden) Tag` (Dativ). Diese Bezeichnung ist einmalig, doch es ist naheliegend, dass es sich um den ersten Tag der Woche handelt. Dagegen weist die Formulierung: `der Tag des Herrn` (Genetiv) auf den letztem Tag (Joh 6,39.40.44.54), bzw. den Gerichtstag hin (1Thes 5,2; 2Thes 2,2; 2Petr 3,10). Hier aber geht es um den Wochentag an dem Jesus von den Toten auferstanden ist (Mt 28,1; Joh 20,1.19. 26; Lk 24,36). Neben der Versammlung an den Sabbaten (im jüdischen Kontext), trafen sich die Gläubigen unter Leitung des Ap. Paulus auch in der Diaspora am ersten Tag der Woche (Apg 20,7; 1Kor 16,1). Und bis heute heißt der erste Tag der Woche im griechischen Kulturraum nicht Sonntag, sondern `kyriak¢ `, genau wie in Offb 1,10.. Insgesamt gesehen, wurde von der Ostkirche die lateinische Bezeichnung für den `Sonntag` nicht übernommen.
Die Bemerkung `im Geist`, meint nicht im eigenen Geist des Johannes, denn dies käme einer Einbildung oder Halluzination gleich. Diese Aussage meint `im Geiste Gottes, im Heiligen Geist`. Der Vergleich mit folgenden Texten legt dies nahe (Offb 2,7.11.17.29; 3,6.13.22; 21,10; 22,17; Hes 37,1).
Johannes hört hinter sich eine gewaltige Stimme wie von einer Posaune. Es handelte sich nicht um einen undefinierbaren lauten Ton, sondern um Worte mit klarem Auftrag (so auch in Offb 4,1; Jes 58,1). Trotzdem werden wir an den gewaltigen Posaunenton auf dem Berg Sinai erinnert (2Mose 19,16+19). Allerdings war hier dieser Ton die gewaltige Stimme dessen, der einem Menschensohne glich. Johannes wendet sich um und sieht (und hört) die Stimme, „die sprach: Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea!“ (Offb 1,11). Johannes bekommt einen doppelten Auftrag, alles was er sieht (und hört) in ein Buch zu schreiben und an die sieben namentlich genannten Gemeinden zu senden.
Man stelle sich das Ganze als ein Rundschreiben vor, es galt allen, enthielt aber auch direkte und aktuelle Hinweise an die zu der Zeit bestehenden Gemeinden. Dieser Auftrag setzte voraus, dass Johannes trotz Verbannung die Möglichkeit zum schreiben hatte und Kontaktpersonen zum Festland hin. Es entsteht nicht der Eindruck, dass er eingekerkert war, sondern relative Bewegungsfreiheit hatte, Die Tradition von der `Apokalypsishöhle` und das Johanneskloster stammen aus dem Mittelalter (Ende des 11. Jh.).
„Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und inmitten der Leuchter einen, gleich (ähnlich) einem Menschensohn“ (Offb 1,12b-13a).

Abbildung 5 Der Menschensohn in der Mitte der sieben goldenen Leuchter (Zeichnung von J.S. 24. Dezember 2020).
Als erstes fällt der Blick des Johannes auf sieben goldene Leuchter, Diese Leuchter sind mit Sicherheit von dem einen siebenarmigen goldenen Leuchter aus der Stiftshütte abgeleitet (2Mose 25,31ff). Dort wird der gr. Begriff `λυχνίαν – lychnian` verwendet, der uns auch aus den Gleichnis Jesus vertraut ist (Mt 5,15). Diese Leuchter sind eher im Kreis angeordnet und nicht auf einer geraden Linie. Für diese Annahme sprächen folgende Texte: Offb 2,1: „in der Mitte“; Offb 4,3.4.6; 5,11; Mk 3,34: „die um ihn im Kreise saßen“). In dem Bild des Menschensohnes erkennt Johannes eindeutig Jesus den Herrn und das Haupt der Gemeinde (Offb 1,17a). Als Jesus auf Erden war, sprach er von sich als dem Menschensohn, wahrscheinlich in Anlehnung an Daniel 7,13-14 und 1Mose 3,15. Insgesamt kommt diese Bezeichnung mehr als 80 Mal vor (Mk 10,45; Lk 19,10 u.a.m.). Diese Standesbezeichnung behält er auch nach seiner Erhöhung (Mt 24,27.30.37.39; 25,31; Apg 7,56). Er ist (er wandelt) in der Mitte der sieben goldenen Leuchter und zu allen pflegt er geistliche Beziehung.
Das Aussehen des Menschensohnes
- „Er war bekleidet mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand, und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel“ (Offb 1,13b).
Das lange Gewand und der goldene Brustgürtel (nicht Hüftgürtel) weisen ihn aus als Hohenpriester, denn diese Bekleidung ist identisch mit der in 2Mose 28,4 für den Hohenpriester Aaron vorgeschriebenen Bekleidung. In Offb 1,13b beschreibt das gr. Wort `ποδήρη – pod¢r¢` das bis zu den Füßen reichende Obergewand des Menschensohnes. Das gleiche Wort `pod¢r¢` in 2Mose 8,4.31; 29,5 (LXX) wird ausschließlich für das Obergewand des Hohenpriesters Aaron verwendet. So wird deutlich, dass der Menschensohn priesterlichen Dienst versieht und dieser war und ist vielseitig (Joh 17,1ff; 1Tim 2,5; Hebr 7-8; 12,24).
Der goldene Brustgürtel, mit dem der Menschensohn umgürtet war, könnte an die goldene Brusttasche des Aaron aus 2Mose 28,4.15.29-30; 29,5 erinnern. In jener goldenen Brusttasche befanden sich die Lose für die Rechtsprechung. Der Priesterdienst von Jesus schließt auch richterliche Funktionen ein (Joh 5,22-23.27; 1Petr 4,17; 2Kor 5,10; Offb 19,11). Jesus braucht jedoch keine Lose (Licht und Recht) denn er ist in Person die Wahrheit und die Gerechtigkeit (Joh 14,6; 1Kor 1,30).
- „sein Haupt aber und die Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee“ (Offb 1,14a).
Das erinnert an die Vision, die der Prophet Daniel sah und weist auf die Würde, Autorität und Erhabenheit des Höchsten hin (Dan 7,9-10). Weiße Wolle, weiß wie Schnee steht auch für Reinheit (Jes 1,18). Weiß steht auch für Gerechtigkeit (Offb 3,4.5; 4,4; 7,9,13; 20,11).
- „und seine Augen wie eine Feuerflamme,“ (Offb 1,14b).
Augen, die alles durchdringen und sehen (Offb 5,6; Sach 3,9; 4,10; 1Sam 16,7; Jer 23,14; Jes 66,2; Mt 9,4; Lk 22,60-61). Niemand vermag sich vor seinem Blick verbergen. Aber auch niemand wird von ihm übersehen.
- „und seine Füße gleich glänzendem Erz, als glühten sie im Ofen,“ (Offb 1,15a). Andere übersetzen mit `Golderz`. Die Elbf aus dem 19. Jh. übersetzt mit `Kupfer`.
Das gr. Wort `χαλκολιβάνῳ – chalkolibanö` ist ein zusammengesetztes Wort. `chalkos` ist Kupfer, `libanö` klingt wie das Räucherwerk Weihrauch. (Mt 10,9: Kupfer; Mt 2,11; Offb 8,3-5: Weihrauch). Die Füße (Untersetzer) der fünf Säulen am Eingang der Stiftshütte waren aus Kupfer angefertigt (2Mose 26,37). Das Kupfer wird als `glühend im Ofen` als reines Metall beschrieben. Es war nicht glühend flüssig, es sah so glänzend aus. Das glänzende Kupfer könnte für geläutert sein im Glutofen des Leidens stehen (Jes 48,10; Hebr 2,9-10; 5,7). Im Gegensatz zu den Füßen des Bildes aus Daniel 2,33 ,welche aus Eisen und Ton waren, geht es hier um Lauterkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit (vgl. auch mit Dan 10,6). Die Füße sind nicht nur zum stehen, sondern auch zum gehen bestimmt. Auf Jesus trifft in vollkommenem Maße zu was in Jes 52,7 geschrieben steht; „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König!“ Doch der Gedanke aus Psalm 7,8; 110,1 könnte da auch mitschwingen, begründet mit Offb 19,15.
- „und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser,“ (Offb 1,15b).
Die Insel Patmos ist relativ klein und so wird Johannes des Öfteren die Meeresbrandung gehört haben. Daher passt dieser Vergleich (5Mose 4,36; Hebr 12,26-27; wenn schon von den Engeln gesagt wird, dass sie mit starker Stimme redeten, wie viel mehr von Jesus; Offb 14,9.18; Mt 27,46.50). Wenn er im Gericht reden wird, verstummt vor ihm jeder Mund (Mt 22,12).
- „und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, “ (Offb 1,16a).
Später erklärt Jesus das Geheimnis der sieben Sterne, in dem er sagt: „es sind Engel der sieben Gemeinden“ (Offb 1,20).
- „und aus seinem Mund ging ein zweischneidiges, scharfes Schwert hervor,“ (Offb 1,16b).
Das Bild mag erschrecken, doch Gott benutzt diese von Menschenhand gefertigten Waffen als Anschauungsmaterial, um die Wirksamkeit des Wortes Gottes und seiner Aussprüche hervorzuheben. An dieser Stelle wird für Schwert der gr. Begriff `ῥομφαία – romfaia`` verwendet mit dem Zusatz `δίστομος ὀξεῖα – distomos oxeia – zweischneidiges, durchdringendes, zerteilendes, scharfes` (Offb 2,12.16; ähnlich auch in Offb 19,15). In Hebr 4,12 wird die vielseitige Wirksamkeit des Wortes Gottes ebenfalls mit einem alles durchdringenden, zerteilenden Schwertes beschrieben. Nach Eph 6,17 ist das Schwert des Geistes `τὴν μάχαιραν τοῦ πνεύματος – t¢n machairan tou pneumatos` (ein anderer Begriff für Schwert) der Ausspruch Gottes – ῥῆμα θεοῦ – r¢ma theou`. Mit dieser göttlichen Waffe kämpfte Jesus gegen den Satan und siegte (Mt 4,4-11). Damit kein Missverständnis entsteht, erklärte Jesus, was diese geistliche Waffe (das Wort des Evangeliums) bewirken wird (Mt 10,34-36; vgl. dazu auch Lk 12,51). Ebenso wird damit die richterliche Funktion des Wortes Gottes (des Wortes Jesu) symbolisiert. So sagte Jesus: „Wer mich verachtet und nimmt meine Worte (ῥῆμata) nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort (logos), das ich geredet habe, das wird ihn richten am letzten Tage.“ (Joh 12,48). Dass Menschen zum Teil auch im Namen Gottes das Schwert in die Hände nahmen, ist Verrat am Evangelium von Jesus Christus.
- „und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.“ (Offb 1,16c).
Diese und ähnliche Beschreibungen gibt es auch an anderen Stellen (Mt 17,2; Lk 9,29; Joh 8,12; Offb 21,23). Der Vergleich ist verständlich, da niemand mit bloßem Auge direkt in die Sonne schauen kann. Die Strahlkraft Jesu übersteigt die der Sonne bei weitem (Apg 26,13).
Jesus – der Erste und der Letzte und der Lebendige
Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war (ward, wurde) tot, und siehe, ich bin lebendig von (in die) Ewigkeit(en) zu (der) Ewigkeit(en) und habe die Schlüssel des Todes und des Hades .(Offb 1,17-18).
Im Augenblick des Anschauens des Menschensohnes fällt Johannes zu seinen Füßen und ist wie tot (vgl. 5Mose 9,19 mit Hebr 12,21 – Mose; Jes 6,5 – Jesaja; Mt 17,6. Lk 9,32 – Petrus, Jakobus und Johannes; Apg 22,7 – Saulus). Als Jesus noch unter den Jüngern war, lag Johannes bei den Mahlzeiten in unmittelbarer Nähe zu Jesus. Die Begegnung des auferstandenen, verherrlichten und erhöhten Christus mit Johannes im Geist, löst eine unerklärliche Furcht und ein Bewusstsein der Nichtigkeit und Ohnmacht aus. Ganz zu schweigen, wie es den römischen Soldaten erging bei der Erscheinung des Engels in Lichtglanz. Auch sie fielen nieder und waren wie tot. Jene hatten keinen Zuspruch bekommen. (Mt 28,2-8). Jesus legte seine Rechte auf Johannes und sprach ihm zu:
„fürchte dich nicht“.
Was für ein Zuspruch! Diese Ermutigung kommt in der Schrift mehr als 300 Mal vor. Wie oft hat Jesus dies seinen Jüngern zugesprochen (Mt 8,26; 10,26.28.31; 14,27; 17,7; 28,5.10). Dieser Zuspruch ist nicht als Empfehlung ausgesprochen worden, er steht im Imperativ, wörtl.: „nicht fürchte dich“ Dann begründet Jesus seinen Zuspruch mit:
„Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“.
Was wir bereits in den Versen 4 und 8 über das Selbstzeugnis Gottes erkannt haben – das bezieht Jesus hier auf sich selbst. Dies tut er mit jener Bestimmtheit, die uns aus seiner Selbstbezeugung aus den Evangelien vertraut ist (Joh 8,24.28.58; 13,13.19; Lk 24,39). Er und der Vater sind eins, sie bilden eine Wesenseinheit. Als Sohn des Vaters ist Jesus der immer Währende Seiende, in dem nach dem Willen des Vaters ewiges, immer währendes Leben ist (Joh 5,26).
„und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in die Ewigkeiten der Ewigkeiten“.
Als Sohn des Menschen starb Jesus und wurde wieder lebendig am dritten Tag. Mit seiner Auferstehung in einem neuen unverweslichen und unvergänglichen Körper lebt er „ in die Ewigkeiten (Plural.) der Ewigkeiten“ Mit dem `Plural` unterstreicht Jesus sein unendliches Sein, es gleicht einem Kreis, der kein Ende hat.

Abbildung 6 Golgatha und das leere Gartengrab erinnern an den Tod und die Auferstehung von Jesus (Zeichnung von J.S 2020).
Abbildung 6 Golgatha und das leere Gartengrab erinnern an den Tod und die Auferstehung von Jesus (Zeichnung von J.S 2020).
In der Regel bilden in der apostolischen Verkündigung das Sterben von Jesus und seine Auferstehung den Mittelpunkt. (Apg 2,29-34; Apg 4,10; Röm 8,34; 1Kor 15,3-5; 2Kor 5,15; 1Thess 4,14).
„und habe die Schlüssel des Todes und des Hades“.
Nachdem Jesus gesagt hat wer er ist, was und wie er ward und wer er in alle Ewigkeiten sein wird, macht er klar, was er hat, nämlich die Schlüssel (Schlüsselgewalt) des Todes und des Hades. Dies spricht von seinem Sieg über den Tod (das Sterben) und damit auch von der Vollmacht andere aus dem Tod herauszuführen. Physischer Tod tritt ein wenn der Geist des Menschen seinen Körper verlässt (Lk 23,46; Apg 7,59). Tod = Übergang in einen anderen Zustand und entsprechend in einen anderen Existenzbereich. Während der Tod in biblischen Texten in gewissem Sinne personifiziert wird, ist `tot sein` ein Zustand, den ein Mensch von sich aus (Ausnahme ist Jesus) nicht ändern kann (Ps 90,3; 104,27; Joh 10,17-18).
Was meint Jesus aber mit `Hades`? In den deutschen Übersetzungen wird dieser Begriff gelegentlich auch mit `die Hölle, das Totenreich` wiedergegeben. In folgenden Texten kommt der griechische Begriff `ὁ ᾅδης – o ad¢s` vor; Offb 1,18; 6,8; 20,13.14; Mt 11,23; 16,18; Lk 10,15; 16,23; Apg 2,27.31. Demnach ist der Hades:
- Der krasse Gegensatz zu Paradies (Lk 16,22ff; 23,43.46).
- Er ist als Zustand (und Ort) unüberbrückbar zum Paradies hin (Lk 16,26).
- Er ist ein Herrschaftsbereich der Finsternis (Mt 16,18: „Pforten, Tore des Hades“ ).
Jesus war im Tod, aber war er auch im Hades? Ist es nicht in Psalm 16,8-11 durch diesen Begriff angedeutet? Immerhin hat er die Schlüsselgewalt (die Macht) auch über den Hades (Offb 20,13-14; Joh 5,27-29). Er wird alle aus dem Tod und Totenreich herausrufen. Nachdem Jesus in seinem letzten Ausruf seinen Geist in die Hände seines Vaters übergeben hatte, trat sein physischer Tod ein. Sein Leichnam wurde in eine Felsenhöhle gelegt, aus der er am dritten Tag auferstanden ist. Es ist also müßig darüber zu spekulieren, ob er in dieser Zeit den Toten (Geistern im Gefängnis) das Evangelium gepredigt hätte. Den Sieg über den Tod errang er ja erst mit seiner Auferstehung.
Das Geheimnis der sieben Sterne und der sieben Leuchter
Schreibe nun, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird! (Offb 1,19).
Ein zweites Mal wird Johannes von Jesus aufgefordert zu schreiben. Hier wird bestätigt, dass es Gottes grundsätzliche Absicht war, dass seine Worte von Anfang an aufgeschrieben werden sollten (Joh 20,30; Mt 4,4ff; 2Mose 31,18; 17,14). Johannes soll aufschreiben,
- was er bereits gesehen (und auch gehört) hat – den Menschensohn in seiner Vollmacht;
- was da ist – die sieben Gemeinden und deren gegenwärtigen Zustand;
- und was danach geschehen wird – die Voraussagen für die Gemeinden, deren geistlichen Kampf, die Bewährung in den Prüfungen und Versuchungen, sowie deren Aussicht beim überwinden. Ebenso soll Johannes die Entfaltung der feindlichen Mächte in ihrer bildhaften Darstellung aufschreiben und den endgültige Sieg Gottes durch Christus bei dessen Wiederkunft.
Was das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner Rechten gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter betrifft: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden (Offb 1,20).
Zunächst gehen wir der Frage nach: Was oder wen symbolisieren die sieben Sterne in der Rechten des Menschensohnes? Nach der Zuordnung, die Jesus vornimmt, symbolisieren Sterne Boten, gr. `ἀγγέλοους – angelous`. Dieser Engel wird in der Bibel in mindestens fünffacher Hinsicht verwendet. In diesem Text kommen jedoch nur zwei Zuordnungen in Frage.
- Als himmlische Geistwesen. welche von Gott zu verschiedenen Diensten ausgesandt werden (Mt 18,10-11; Hebr 1,6.14; Apg 12,11; 27,23). Sie kommen sehr oft zum Einsatz in den bildhaften Darstellungen der Offenbarung (Offb 1,1; 8,6; 22,16). Daher gibt es eine Auslegung, wonach es sich bei den Sternen (Engel) in der Rechten des Menschensohnes um tatsächliche himmlische Geistwesen handelt. Allerdings lässt sich diese Reihenfolge: Jesus beauftragt Johannes, Johannes schreibt an einen für die Ortsgemeinde zuständigen (himmlischen) Engel und der Engel soll sich für die Gemeinde einsetzen, aus anderen Texten der Schrift nicht bestätigen. Dagegen ist die Reihenfolge: Gott der Vater – Jesus der Sohn (oder Heiliger Geist) – (manchmal) durch die Vermittlung der Engel – Propheten (Apostel) – das Volk (die Gemeinde) überall gegenwärtig (Offb 1,1.4; 2,1; 22,16): „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen für die Gemeinden.“ Und dieses Zeugnis des Engels wurde durch Johannes an die Gemeinden übermittelt.
- Mit dem Begriff werden Menschen bezeichnet, die von Gott beauftragt werden eine Botschaft an andere Menschen zu übermitteln (2Chr 36,15-16 – die Propheten; vgl. Mal 3,1 mit Mt 11,10; Mk 1,2 und Lk 7,27 – Johannes der Täufer; Lk 9,52 – Jesus sandte Boten voraus; Mt 10,5 – Jesus sendet seine Jünger, damit sie ev-angel-isieren). Als Überbringer der (guten) Botschaft, sind sie auch Boten.
Bereits seit 1Mose 15,5 und 5Mose 1,10 stehen Sterne symbolhaft auch für Menschen des Volkes Gottes. Nach 1Mose 37,9 stehen Sterne symbolhaft für die Erzväter. In Daniel 12,3 werden die, welche viele zur Gerechtigkeit weisen mit leuchtenden Sternen verglichen. Daher können die sieben Sterne in der Rechten des Menschensohnes durchaus auch Älteste der Gemeinden symbolisieren. Der 12 Sternenkranz in Offb 12,1 symbolisiert in Verbindung mit Offb 21,12-13 die Apostel des Lammes. So ist auch der Zusammenhang zwischen den sieben Sternen und den sieben Gemeinden in den Sendschreiben deutlich erkennbar.
Hier Begründungen aus den früheren Schriften:
- Jesus selbst hat Leitungsdienste in der Gemeinde eingesetzt. Das markanteste Beispiel ist die Beauftragung von Petrus mit dem Hirtendienst (Joh 21,15-17).
- Der Ap. Petrus, als Mitältester ermahnt und ermutigt die Ältesten der Gemeinden zum vorbildlichen Dienst. (1Petr 5,1-4).
- Ebenso tut es der Ap. Paulus im Abschiedsgespräch mit den Ältesten der Gemeine Ephesus (Apg 20,28; dazu auch 1Tim 3,1-5).
- Leiterschaft durch verschiedene Dienst- und Gabenträger in der Gemeinde ist ein fester Bestandteil für die Stabilität und das gesunde geistliche Wachstum der Gläubigen (Eph 4,11 und folgende).
- Auch der Autor des Hebräerbriefes hebt die Bedeutung des Dienstes der Gemeindeleiter hervor (Hebr 13,17).
Doch die Leiter sind nicht für sich selbst da, sondern für die Gemeinde und bilden mit ihr damit eine Einheit.
Beeindruckend ist, dass diese Sterne in der Rechten Hand des Menschensohnes festgehalten werden. Die Rechte des Herrn ist auch die Wirkende. So spricht der Herr durch den Propheten Jesaja 41,10: „fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ (vgl. Jes 48,13). Die sieben Sterne in seiner Hand drücken Geborgenheit und Sicherheit aus, aber auch Mitverantwortung und Mitwirkung. So wendet sich auch Jesus nicht nur an die Leiter der Gemeinden, denn letztlich sind alle Gläubigen in der Hand des Vaters und des Sohnes festgehalten. Der gute Hirte Jesus sagte: „und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ (Joh 10,28-29; Jes 49,16). Auch der Ap. Paulus hebt diesen Zusammenhang im Grußwort an die Philipper hervor: „Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Dienern“ (Phil 1,1) .
Einshub: Um den Zusammenhang zwischen den sieben Engeln und den sieben Gemeinden (sowie die sieben Sendschreiben) besser zu verstehen sollten wir die Johannesschriften und besonders den 3. Johannesbrief sorgfältig lesen. Johannes, der bereits die zweite und dritte Generation der Christen erlebte, muss sich neben verschiedenen Strömungen, welche die Gemeinde bedrohen, auch noch mit einem herrschsüchtigen Gemeindeleiter auseinandersetzen.
- Er schreibt einen Brief an eine Ortsgemeinde und die Überbringer des Briefes werden von diesem Gemeindeleiter, Diotrephes, abgewiesen. Er verwehrte auch den anderen Gemeindegliedern die Aufnahme derer, welche den Brief überbracht hatten. Dies bekommt Johannes mit.
- Darauf schreibt er den 3. Johannesbrief, der an Gajus adressiert ist. Dieser Gajus ist geliebt, anerkannt von der Gemeinde und hat ein gutes Zeugnis als treuer gastfreundlicher Mitarbeiter. Er hatte die Gesandten aufgenommen.
- Johannes lobt und ermutigt die Treue eines weiteren Mitarbeiters Namens Demetrius, der „hat ein gutes Zeugnis von jedermann und von der Wahrheit selbst“.
- Johannes plant persönlich diese Gemeinde zu besuchen und unter anderem den Diotrephes zurechtzuweisen. Dieser Brief zeigt zusätzlich die Gründe für die Spannungen in den Gemeinden.
„und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden“ (Offb 1,20c).
Wie Jesus selbst erklärt, symbolisieren die sieben goldenen Leuchter:
- vordergründig sieben historische Lokalgemeinden in der damaligen römischen Provinz Asia. Diese sieben Gemeinden sind in einer bestimmten geographischen und wohl auch inhaltlichen Reihenfolge angeordnet und zwar im Uhrzeigersinn.
- Sie können jedoch auch für die Gesamtgemeinde jener Epoche stehen, denn überall zeichneten sich ähnliche Entwicklungen ab.
- Sie können aber auch für die Gemeinde aller Zeiten stehen, denn durch die Zahl 7 wird die Vollständigkeit ausgedrückt (Mt 16,18; Eph 1,23; 4,4).
Fortsetzung folgt
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