Ausarbeitung von Paul Schüle 2914.10.30
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
In der Literatur und den Filmen kursieren verschiedene Versionen über Jesus,
seinen familiären Stand und seine Nachkommen. Da diese Geschichten spektakulärer sind als die nüchternen Erzählungen der neutestamentlichen Autoren, werden sie schnell aufgenommen und weitererzählt. Natürlich hatte Jesus eine Familie in die er hineingeboren wurde und in der er aufgewachsen ist. Folgende Aufzeichnungen und Erklärungen der Evangelientexte sollen dem Hörer (Leser) helfen, sich ein eigenes und klareres Bild über Jesus und seine Familie zu machen.
Nach außen hin unterschied sich diese nicht allzu sehr von den normalen jüdischen Familien seiner Zeit. Auch rechtlich gesehen sind alle Erfordernisse des Gesetzes für diese Familie erfüllt. Trotzdem erkennt man da Spannungen in den innerfamiliären Beziehungen.
- Eine Spannung zunächst zwischen Josef und Maria, welche sich erst durch das direkte Eingreifen Gottes löst.
- Eine (vermutete) Spannung zwischen Josef und Jesus, doch er nahm diese Herausforderung und Verantwortung als Stiefvater an und kam damit wohl gut zurecht.
- Eine Spannung zwischen Maria und Jesus, weil die Mutter immer wieder bei ihrem Sohn Einfluss nehmen will. Erst unter dem Kreuz wird diese endgültig behoben oder gelöst.
- Und nicht geringe Spannungen zwischen den Brüdern und Jesus, die sich erst nach seiner Auferstehung lösten.
Die failiären Beziehungen Jesu sind sehr vielschichtig und vielseitig. Wir wollen uns die Mühe machen und die Familie in der Jesus aufgewachsen ist näher kennenlernen.
Im griechischen wird für Familie das Wort `οικος – oikos – Haus` verwendet. Doch wird der Begriff Haus auch in weiterem Sinne gebraucht, wie zum Beispiel: `Haus David`, oder `Haus Israel`, oder `Haus Gottes`. Der Begriff `Haus` schloß oft auch das ganze Hausgesinde mit ein. Natürlich wird auch das von einer Familie bewohnte Gebäude `Haus` bezeichnet. So hatten die Eltern von Josef ein Haus in Betlehem und später hatte Josef selber ein Haus in Nazaret.
Josef stammte nicht nur aus Betlehem, er war ein Nachkomme aus dem Hause David, war also `Davidide (Lk 2,4). Die Stammbäume oder Ahnentafeln (auch Geschlechtsregister genannt) wurden damals sorgfältig überliefert, besonders bei denen, die, wie Josef, königliche Wurzeln hatten (Mt 1,1-17; Lk 3,23-38).
Maria seine Verlobte war Verwandte von Elisabeth, der Frau des Priesters Zacharias. Dieses Ehepaar waren nachweißlich aus dem Hause Aaron (Lk 1,5). Somit gibt es auch für Maria eine verwandschaftliche Beziehung zum Hause Aaron, weil sie eine Verwandte der Elisabeth ist (Lk 1,36). Doch der Stammbaum in Lukas lässt den Schluss zu, dass Maria väterlicherseits ebenfalls aus dem Hause Davids stammte, allerdings nicht über die königliche Linie des Salomo, sondern über Nathan, einen älteren leiblichen Bruder Salomos (Lk 3,23.31; 2Sam 5,14; 1Chr 3,5; Röm 1,1-2). Doch juristisch zählte die Linie des Mannes, also des Josef. Damit stammen beide aus angesehenen und hochgeachteten Familien.
Josef ist von Beruf Baumeister (Häuserbauer), die griechische Bezeichnung für den Beruf von Josef ist `Τεκτονος – Tektonos`, und findet in dem deutschen `Architekt` seine faktische Fortsetzung. Daher ist er nicht an die Landwirtschaft oder Viehzucht in Betlehem seinem Stammesgebiet gebunden und kann sich dort niederlassen, wo es ausreichend Bauauftäge gibt.
Die Residenzstadt des Herodes Antipas Sephoris, lag nur etwa 5 Kilometer von Nazaret entfernt, dort gab es genug Arbeit für fähige Bauarbeiter wie Josef.
Maria ist dem Josef verlobt und sie warten auf den geeigneten Termin für die Hochzeit. Beide werden von Gott überrascht, Maria wurde durch die Kraftwirkung Gottes und des Heiligen Geistes schwanger bevor Josef, ihr anvertrauter Mann sie heimholte, das heißt heiratete (Mt 1,18; Luk 1,35).
Nachdem sich aber bei Josef die Spannung, durch das Eingreifen Gottes in einem Traum gelegt hatte, holte er sie zu sich nach Hause. Dabei hebt Matthäus hervor: „er erkannte sie nicht, d.h. er hatte mit Maria in der Zeit dieser ersten Schwangerschaft keinen geschlechtlichen Umgang „bis sie einen Sohn geboren hatte und nannte seinen Namen Jesus“ (Mt 1,25). Beachten wir die zeitliche Begrenzung der Zurückhaltung von Josef. In Lukas 2,7 wird betont, daß Maria ihren Sohn den Erstgeborenen gebar, das heißt logischerweise; daß sie später noch Söhne bzw. weitere Kinder geboren hatte. Im Vergleich dazu wird Jesus der Einziggeborene des Vaters genannt. Für Maria ist Jesus nur der Erstgeborene, nicht der Einziggeborene. Es lohnt sich die Texte genauer zu lesen. Erst nach der Geburt Jesu hatten Josef und Maria Geschlechtsverkehr miteinander und aus diesen Beziehungen sind noch mindestens sechs Kinder gezeugt und geboren worden. Wenn wir die Texte so versteht, dann ist die Auffassung – Maria sei nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben – hinfällig.
Schon als Kind nahm Jesus zu an Weisheit Alter und Gnade bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Bei dem Passahbesuch in Jerusalem hatte Jesus sich als 12-jähriger sebstständig gemacht zum Leidwesen seiner Eltern (Lk 2,48). Doch auch diese Spannung löste sich auf, denn er unterordnete sich seinen Eltern. Bis zu seinem öffentlichen Auftreten ist uns aus den Evangelien nichts weiteres über die Familie berichtet worden.
In Johannes 2,12 lesen wir von Jesus: „Darnach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder, seine Jünger und blieben nicht lange dort.“ Hier in der Anfangszeit sind seine Familienangehörigen in seiner unmittelbaren Nähe. Doch nach der anfänglichen Euforie und möglicherweise auch etwas Stolz über ihren ältesten Bruder, kommt die Ernüchterung. Während er sich zu Hause in Nazaret in das familiäre Gefüge gut eingefügt hatte, beschreitet er nun einen Sonderweg und sein ganzes Verhalten wirkt auf sie ungewöhnlich, ja sogar anstößig. In Matthäus 12,46 wird berichtet, dass sich seine Brüder und seine Mutter in seine Tätigkeit einmischen wollen: „Da er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden“. Er ging ihnen zu weit, sie wollten ihn halten und wie Markus im Paralellbericht ergänzt sagten sie: „Er ist von Sinnen“ (Mk 3,21). Auch hier wird die Spannung in der Beziehung der Brüder zu Jesus sehr deutlich herausgestellt. In Johannes.7,3 mischen sich die noch ungläubigen und auch unzufriedenen Brüder Jesu in seine Pläne ein: „Da sprachen seine Brüder zu ihm: zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger sehen was du tust. Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch öffentlich (anerkannt) werden.“ Doch Jesus handelt nur nach der Anweisung seines himmlischen Vaters, nicht weil er seine Brüder durch sein Verhalten ärgern will.
Erst nach der Auferstehung glaubten seine Brüder an ihn, als den Christus, wie der Vergleich von Joh 7,5 mit Apg 1,14 und 1Kor 15,7 deutlich machen: „Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Es liegt nahe, dass der Jakobusbrief und der Judasbrief von den zwei Brüdern (bzw. Halbbrüdern) Jesu geschrieben wurden (Jak 1,1; Judas 1). In Apostelgeschichte 15,13 und Galater 2,9 ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jakobus der Bruder Jesu gemeint, denn Jakobus, der Jünger Jesu und Bruder des Johannes lebte zu dieser Zeit nicht mehr, er starb den Märtyrertod bereits um das Jahr 44 n. Chr. (Apg 12,2).
In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazaret verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns (Baumeisters) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? Und sie ärgerten sich über ihn.“ Für die Mitbewohner von Nazaret ist Jesus in der Zeit vor seinem öffentlichem Auftreten nicht sonderlich aufgefallen. Er war einer unter seinen Geschwistern.
Die Auffassung, wonach die oben genannten Brüder und Schwestern von Jesus aus einer früheren Ehe des Josef stammten, entbehrt jeder biblischen Belege und scheint genauso unlogisch, ja sinnlos zu sein. Maria war Jungfrau, aber nach der Geburt ihres erstgeborenen Sohnes Jesus pflegte sie ein normales eheliches Leben mit Josef und gebar noch mindestens weitere sechs Kinder.
In 1Korinther 9,5 spricht Paulus von den „Brüdern des Herrn“ und zwar, daß sie verheiratet waren, dort lesen wir: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“
Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass Jesus selbst eine Familie gründete. Er unterhielt sich zwar oft auch mit Frauen, doch blieb er dabei unbefangen und zurückhaltend. Filmszenen, in denen gezeigt wird, wie Jesus nach seiner Auferstehung Maria Magdalena in die Arme schließt, ist ein Fantasieprodukt von Menschen. In den Texten der Evangelien wird das Verhalten von Jesus gegenüber Maria ganz anders beschrieben: „Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Joh 20,17). Von einer Umarmung oder in die Arme schließen der Maria aus Magdala ist im Text gar keine Rede.
Daß Josef der Mann von Maria später nicht mehr erwähnt wird hängt möglicherweise damit zusammen, daß er zur Zeit der Wirksamkeit Jesu nicht mehr lebte.
Die Bezeichnung `Bruder` unter den Israeliten (aber auch allgemein im Orient) hat natürlich auch allgemeine Bedeutung, wie die Stellen aus Apg 13,38; Apg 23,5 nahelegen.
Die Bezeichnung `Brüder` unter den Christen hat ihren tiefen Grund in der geistlichen Geschwisterbeziehung zu einander durch den Glauben an Jesus (Mt 12,48-50). In dieser geistlichen Dimension der neuen Familie Gottes lebte Jesus, so lesen wir von seiner Reaktion auf die Anmeldung der Familienangehörigen: „Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,48-50).
Jesus verlor also keinen Gedanken und unternahm nichts zur Gründung einer Familiendynastie. Sein ganzes Bestreben galt der Errichtung des Reiches Gottes in dem die neue geistliche Familie Gottes aufgebaut wird.
Doch dort wo es um leibliche Bruderschaft geht, wird die verwandtschaftliche Beziehung deutlich herausgestellt, auch oft durch eine Zuordnung. so achte man auf die Betonung:
„Er, seine Mutter und seine Brüder“ (Joh 2,13);
„seine Brüder“ Joh 7,5;
„mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14);
die „Brüder des Herrn“ 1Kor 9,5.
In der Tat wird uns hier eine einmalige Familienzusammensetzung vorgestellt, wie es sie bis dahin noch nicht gab. Doch können wir viel daraus lernen:
- Was den Umgang der Eheleute untereinander betrifft, eine gute Partnerschaft.
- Die Verantwortung des Ehemannes für seine Frau.
- Die Verantwortung für seine Kinder.
- Zusammenarbeit bei der Verwirklichung des Planes Gottes.
- Auch die Geduld von Jesus und behutsamer Umgang mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, der sich durch klare aber doch liebevolle Korrekturen auszeichnete.
Glückselig, wer zu diesem Haus (Familie) Gottes gehört, in dem Jesus der Erstgeborene ist !
In der Literatur und den Filmen kursieren verschiedene Versionen über Jesus,
seinen familiären Stand und seine Nachkommen. Da diese Geschichten spektakulärer sind als die nüchternen Erzählungen der neutestamentlichen Autoren, werden sie schnell aufgenommen und weitererzählt. Natürlich hatte Jesus eine Familie in die er hineingeboren wurde und in der er aufgewachsen ist. Folgende Aufzeichnungen und Erklärungen der Evangelientexte sollen dem Hörer (Leser) helfen, sich ein eigenes und klareres Bild über Jesus und seine Familie zu machen.
Nach außen hin unterschied sich diese nicht allzu sehr von den normalen jüdischen Familien seiner Zeit. Auch rechtlich gesehen sind alle Erfordernisse des Gesetzes für diese Familie erfüllt. Trotzdem erkennt man da Spannungen in den innerfamiliären Beziehungen.
- Eine Spannung zunächst zwischen Josef und Maria, welche sich erst durch das direkte Eingreifen Gottes löst.
- Eine (vermutete) Spannung zwischen Josef und Jesus, doch er nahm diese Herausforderung und Verantwortung als Stiefvater an und kam damit wohl gut zurecht.
- Eine Spannung zwischen Maria und Jesus, weil die Mutter immer wieder bei ihrem Sohn Einfluss nehmen will. Erst unter dem Kreuz wird diese endgültig behoben oder gelöst.
- Und nicht geringe Spannungen zwischen den Brüdern und Jesus, die sich erst nach seiner Auferstehung lösten.
Die failiären Beziehungen Jesu sind sehr vielschichtig und vielseitig. Wir wollen uns die Mühe machen und die Familie in der Jesus aufgewachsen ist näher kennenlernen.
Im griechischen wird für Familie das Wort `οικος – oikos – Haus` verwendet. Doch wird der Begriff Haus auch in weiterem Sinne gebraucht, wie zum Beispiel: `Haus David`, oder `Haus Israel`, oder `Haus Gottes`. Der Begriff `Haus` schloß oft auch das ganze Hausgesinde mit ein. Natürlich wird auch das von einer Familie bewohnte Gebäude `Haus` bezeichnet. So hatten die Eltern von Josef ein Haus in Betlehem und später hatte Josef selber ein Haus in Nazaret.
Josef stammte nicht nur aus Betlehem, er war ein Nachkomme aus dem Hause David, war also `Davidide (Lk 2,4). Die Stammbäume oder Ahnentafeln (auch Geschlechtsregister genannt) wurden damals sorgfältig überliefert, besonders bei denen, die, wie Josef, königliche Wurzeln hatten (Mt 1,1-17; Lk 3,23-38).
Maria seine Verlobte war Verwandte von Elisabeth, der Frau des Priesters Zacharias. Dieses Ehepaar waren nachweißlich aus dem Hause Aaron (Lk 1,5). Somit gibt es auch für Maria eine verwandschaftliche Beziehung zum Hause Aaron, weil sie eine Verwandte der Elisabeth ist (Lk 1,36). Doch der Stammbaum in Lukas lässt den Schluss zu, dass Maria väterlicherseits ebenfalls aus dem Hause Davids stammte, allerdings nicht über die königliche Linie des Salomo, sondern über Nathan, einen älteren leiblichen Bruder Salomos (Lk 3,23.31; 2Sam 5,14; 1Chr 3,5; Röm 1,1-2). Doch juristisch zählte die Linie des Mannes, also des Josef. Damit stammen beide aus angesehenen und hochgeachteten Familien.
Josef ist von Beruf Baumeister (Häuserbauer), die griechische Bezeichnung für den Beruf von Josef ist `Τεκτονος – Tektonos`, und findet in dem deutschen `Architekt` seine faktische Fortsetzung. Daher ist er nicht an die Landwirtschaft oder Viehzucht in Betlehem seinem Stammesgebiet gebunden und kann sich dort niederlassen, wo es ausreichend Bauauftäge gibt.
Die Residenzstadt des Herodes Antipas Sephoris, lag nur etwa 5 Kilometer von Nazaret entfernt, dort gab es genug Arbeit für fähige Bauarbeiter wie Josef.
Maria ist dem Josef verlobt und sie warten auf den geeigneten Termin für die Hochzeit. Beide werden von Gott überrascht, Maria wurde durch die Kraftwirkung Gottes und des Heiligen Geistes schwanger bevor Josef, ihr anvertrauter Mann sie heimholte, das heißt heiratete (Mt 1,18; Luk 1,35).
Nachdem sich aber bei Josef die Spannung, durch das Eingreifen Gottes in einem Traum gelegt hatte, holte er sie zu sich nach Hause. Dabei hebt Matthäus hervor: „er erkannte sie nicht, d.h. er hatte mit Maria in der Zeit dieser ersten Schwangerschaft keinen geschlechtlichen Umgang „bis sie einen Sohn geboren hatte und nannte seinen Namen Jesus“ (Mt 1,25). Beachten wir die zeitliche Begrenzung der Zurückhaltung von Josef. In Lukas 2,7 wird betont, daß Maria ihren Sohn den Erstgeborenen gebar, das heißt logischerweise; daß sie später noch Söhne bzw. weitere Kinder geboren hatte. Im Vergleich dazu wird Jesus der Einziggeborene des Vaters genannt. Für Maria ist Jesus nur der Erstgeborene, nicht der Einziggeborene. Es lohnt sich die Texte genauer zu lesen. Erst nach der Geburt Jesu hatten Josef und Maria Geschlechtsverkehr miteinander und aus diesen Beziehungen sind noch mindestens sechs Kinder gezeugt und geboren worden. Wenn wir die Texte so versteht, dann ist die Auffassung – Maria sei nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben – hinfällig.
Schon als Kind nahm Jesus zu an Weisheit Alter und Gnade bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Bei dem Passahbesuch in Jerusalem hatte Jesus sich als 12-jähriger sebstständig gemacht zum Leidwesen seiner Eltern (Lk 2,48). Doch auch diese Spannung löste sich auf, denn er unterordnete sich seinen Eltern. Bis zu seinem öffentlichen Auftreten ist uns aus den Evangelien nichts weiteres über die Familie berichtet worden.
In Johannes 2,12 lesen wir von Jesus: „Darnach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder, seine Jünger und blieben nicht lange dort.“ Hier in der Anfangszeit sind seine Familienangehörigen in seiner unmittelbaren Nähe. Doch nach der anfänglichen Euforie und möglicherweise auch etwas Stolz über ihren ältesten Bruder, kommt die Ernüchterung. Während er sich zu Hause in Nazaret in das familiäre Gefüge gut eingefügt hatte, beschreitet er nun einen Sonderweg und sein ganzes Verhalten wirkt auf sie ungewöhnlich, ja sogar anstößig. In Matthäus 12,46 wird berichtet, dass sich seine Brüder und seine Mutter in seine Tätigkeit einmischen wollen: „Da er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden“. Er ging ihnen zu weit, sie wollten ihn halten und wie Markus im Paralellbericht ergänzt sagten sie: „Er ist von Sinnen“ (Mk 3,21). Auch hier wird die Spannung in der Beziehung der Brüder zu Jesus sehr deutlich herausgestellt. In Johannes.7,3 mischen sich die noch ungläubigen und auch unzufriedenen Brüder Jesu in seine Pläne ein: „Da sprachen seine Brüder zu ihm: zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger sehen was du tust. Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch öffentlich (anerkannt) werden.“ Doch Jesus handelt nur nach der Anweisung seines himmlischen Vaters, nicht weil er seine Brüder durch sein Verhalten ärgern will.
Erst nach der Auferstehung glaubten seine Brüder an ihn, als den Christus, wie der Vergleich von Joh 7,5 mit Apg 1,14 und 1Kor 15,7 deutlich machen: „Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Es liegt nahe, dass der Jakobusbrief und der Judasbrief von den zwei Brüdern (bzw. Halbbrüdern) Jesu geschrieben wurden (Jak 1,1; Judas 1). In Apostelgeschichte 15,13 und Galater 2,9 ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jakobus der Bruder Jesu gemeint, denn Jakobus, der Jünger Jesu und Bruder des Johannes lebte zu dieser Zeit nicht mehr, er starb den Märtyrertod bereits um das Jahr 44 n. Chr. (Apg 12,2).
In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazaret verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns (Baumeisters) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? Und sie ärgerten sich über ihn.“ Für die Mitbewohner von Nazaret ist Jesus in der Zeit vor seinem öffentlichem Auftreten nicht sonderlich aufgefallen. Er war einer unter seinen Geschwistern.
Die Auffassung, wonach die oben genannten Brüder und Schwestern von Jesus aus einer früheren Ehe des Josef stammten, entbehrt jeder biblischen Belege und scheint genauso unlogisch, ja sinnlos zu sein. Maria war Jungfrau, aber nach der Geburt ihres erstgeborenen Sohnes Jesus pflegte sie ein normales eheliches Leben mit Josef und gebar noch mindestens weitere sechs Kinder.
In 1Korinther 9,5 spricht Paulus von den „Brüdern des Herrn“ und zwar, daß sie verheiratet waren, dort lesen wir: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“
Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass Jesus selbst eine Familie gründete. Er unterhielt sich zwar oft auch mit Frauen, doch blieb er dabei unbefangen und zurückhaltend. Filmszenen, in denen gezeigt wird, wie Jesus nach seiner Auferstehung Maria Magdalena in die Arme schließt, ist ein Fantasieprodukt von Menschen. In den Texten der Evangelien wird das Verhalten von Jesus gegenüber Maria ganz anders beschrieben: „Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Joh 20,17). Von einer Umarmung oder in die Arme schließen der Maria aus Magdala ist im Text gar keine Rede.
Daß Josef der Mann von Maria später nicht mehr erwähnt wird hängt möglicherweise damit zusammen, daß er zur Zeit der Wirksamkeit Jesu nicht mehr lebte.
Die Bezeichnung `Bruder` unter den Israeliten (aber auch allgemein im Orient) hat natürlich auch allgemeine Bedeutung, wie die Stellen aus Apg 13,38; Apg 23,5 nahelegen.
Die Bezeichnung `Brüder` unter den Christen hat ihren tiefen Grund in der geistlichen Geschwisterbeziehung zu einander durch den Glauben an Jesus (Mt 12,48-50). In dieser geistlichen Dimension der neuen Familie Gottes lebte Jesus, so lesen wir von seiner Reaktion auf die Anmeldung der Familienangehörigen: „Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,48-50).
Jesus verlor also keinen Gedanken und unternahm nichts zur Gründung einer Familiendynastie. Sein ganzes Bestreben galt der Errichtung des Reiches Gottes in dem die neue geistliche Familie Gottes aufgebaut wird.
Doch dort wo es um leibliche Bruderschaft geht, wird die verwandtschaftliche Beziehung deutlich herausgestellt, auch oft durch eine Zuordnung. so achte man auf die Betonung:
„Er, seine Mutter und seine Brüder“ (Joh 2,13);
„seine Brüder“ Joh 7,5;
„mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14);
die „Brüder des Herrn“ 1Kor 9,5.
In der Tat wird uns hier eine einmalige Familienzusammensetzung vorgestellt, wie es sie bis dahin noch nicht gab. Doch können wir viel daraus lernen:
- Was den Umgang der Eheleute untereinander betrifft, eine gute Partnerschaft.
- Die Verantwortung des Ehemannes für seine Frau.
- Die Verantwortung für seine Kinder.
- Zusammenarbeit bei der Verwirklichung des Planes Gottes.
- Auch die Geduld von Jesus und behutsamer Umgang mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, der sich durch klare aber doch liebevolle Korrekturen auszeichnete.
Glückselig, wer zu diesem Haus (Familie) Gottes gehört, in dem Jesus der Erstgeborene ist !
In der Literatur und den Filmen kursieren verschiedene Versionen über Jesus, seinen familiären Stand und seine Nachkommen. Da diese Geschichten spektakulärer sind als die nüchternen Erzählungen der neutestamentlichen Autoren, werden sie schnell aufgenommen und weitererzählt.
Folgende Aufzeichnungen und Erklärungen der Evangelientexte sollen dem Leser helfen, sich ein eigenes und klares Bild über Jesus und seine Familie zu machen.
Einleitung
Natürlich hatte Jesus eine Familie, in die er hineingeboren wurde und in der er aufgewachsen ist. Nach außen hin unterscheidet sich diese nicht allzu sehr von den normalen jüdischen Familien seiner Zeit. Denn auch rechtlich gesehen sind alle Erfordernisse des Gesetzes für die Legalität dieser Familie erfüllt. Trotzdem erkennt man Spannungen in den innerfamiliären Beziehungen:
- eine Spannung zwischen Josef und Maria, welche sich erst durch das Eingreifen Gottes löst;
- eine (vermutete) Spannung zwischen Josef und Jesus, doch Josef nimmt die Herausforderung (Verantwortung als Stiefvater) an und kommt wohl gut damit zurecht;
- eine Spannung zwischen Maria und Jesus, bei der die Mutter sich immer wieder in die Angelegenheiten ihres Sohnes einmischen will. Erst unter dem Kreuz wird diese Spannung endgültig behoben oder gelöst;
- und nicht geringe Spannungen zwischen den Brüdern und Jesus, die sich erst nach seiner Auferstehung lösten.
Die familiären Beziehungen Jesu sind sehr vielschichtig oder vielseitig. Wir wollen uns die Mühe machen und die Familie in der Jesus aufgewachsen ist näher kennenlernen.
Im Griechischen wird für Familie das Wort `οiκος – oikos – Haus` verwendet. Doch der Begriff `Haus` wird auch in weiterem Sinne gebraucht, wie zum Beispiel: `Haus David`, oder: `Haus Israel`, oder: `Haus Gottes`. Der Begriff `Haus` schließt nicht nur die Großfamilie, sondern meist auch das ganze Hausgesinde (Dienerschaft) mit ein. Natürlich wird auch das, von einer Familie bewohnte Gebäude als `Haus` bezeichnet. So hatten die Eltern von Josef ein Haus in Bethlehem und später hatte Josef selber ein Haus in Nazareth.
1. Die Herkunft von Josef
Josef stammt nicht nur aus Bethlehem, er ist ein Nachkomme aus dem Hause David, also ein `Davidide (Mt 1,20: „Josef, Sohn Davids,“; Lk 2,4: „Es ging aber auch Josef von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa, in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war“). Die Stammbäume oder Ahnentafeln (gr. γενεαλογίας – genealogias) wurden damals sorgfältig überliefert, besonders von denen, die wie Josef, königliche Wurzeln hatten (Mt 1,1-17). Der Evangelist Matthäus führt den Stammbaum Jesu von Abraham über den Stammvater Juda, dann über den König David und seinen Thronfolger Salomo bis Josef. Es ist die sogenannte Königslinie. Der unmittelbare Vater von Josef heißt Jakob (Mt 1,15b-16: „Mattan aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Josef, den Mann Marias, von welcher Jesus geboren wurde, der Christus“). Der griechische Begriff `ἐγέννησεν – egennisen `, bedeutet in diesem Zusammenhang `er zeugte`. Es geht dabei um die physische Aktivität der Männer (Väter) und zwar nur bis Josef. An der Zeugung von Jesus hat Josef keinen Anteil.
2. Die Herkunft von Maria
Für Maria, die Verlobte von Josef, ist die Herkunft nicht so leicht auszumachen, da es für ihre Abstammung im Vergleich zu Josef, nur indirekte Hinweise gibt. Durch den Vergleich der Texte aus Lukas 1,5 mit 1,36 hat Maria einen verwandschaftlichen Bezug zum Hause Aaron, also zum Stamm Levi. Denn sie ist eine Verwandte (gr. συγγενίς – syngenis) von Elisabet, der Frau des Priesters Zacharias und die Beiden sind nachweislich aus dem Hause Aaron. Wahrscheinlich jedoch ist, dass der verwandschaftliche Bezug von Maria zum Hause Aaron nur durch ein Elternteil gegeben ist – eher durch die Mutter). Und könnte es sein, dass der Stammbaum bei Lukas die Linie ihres Vaters darstellt? Wir wollen dieser Frage nachgehen. Der Autor des Hebräerbriefes bestätigt die menschliche Herkunft von Jesus aus dem Stamm Juda, wenn er schreibt: „Denn es ist ja offenbar, dass unser Herr aus Juda hervorgegangen ist“ (Hebr 7,14). Und der Apostel Paulus engt die menschliche Herkunft von Jesus noch mehr ein, wenn er in Römer 1,3 schreibt: „der geworden ist (γενομένου – γenomenou) aus dem Samen Davids nach dem Fleisch“. Damit wird (wenn auch nur indirekt) auch die blutsmäßige Herkunft von Maria aus dem Hause Davids bestätigt. Ähnlich schreibt er auch über die menschliche Herkunft von Jesus in Galater 4,4: „γενόμενον ἐκ γυναικός – γenomenon ek gynaikos – geworden von/aus einer Frau“. Der Apostel Paulus gebraucht wohl bewusst das Verb `geworden` anstelle `geboren`, weil es umfassender das `Werden` des Menschensohnes in Maria beschreibt und somit wird (wenn auch nur indirekt) die Beteiligung eines Mannes ausgeschlossen.
In Lukas 3,23 lesen wir: „Und er selbst, Jesus, war ungefähr dreißig Jahre, als er anfing, und war Sohn, wie man dachte, Josefs, des Eli, des Mattat (…)“. Jesus wurde allgemein für einen Sohn Josefs gehalten (Joh 1,45; Lk 4,22), was rein formal-juristisch auch stimmte. Dieser klärende Einschub des Lukas, macht jedoch auch deutlich, dass Jesus de facto nicht Sohn des Josef, sondern Sohn der Maria war (vgl. dazu auch Lk 1,31-33). Da man jedoch Frauen (Töchter) in die Stammeslinie nicht einzufügen pflegte, liegt es nahe, dass Lukas die Stammeslinie von Jesus zurück, nicht über Maria, sondern über Josef, den gesetzlichen Vater von Jesus, mit Eli verbindet und weiter zurück über Nathan, den leiblichen Bruder von Salomo bis David und schließlich bis Adam zurückführt (1Chr 3,5; 14,4; Lk 3,23-36). So dass wir zum Ergebnis kommen, dass Maria auch aus dem Hause David stammte eben über die Stammeslinie ihres Vaters „Eli“.
Wir stellen fest, dass Lukas im Gegensatz zu Matthäus, den von ihm beschriebenen Stammbaum in umgekehrter Richtung aufschrieb. Er muss dabei nicht wie Matthäus formulieren: „Eli zeugte Josef (den Mann Marias)“, sondern nur: „der (Josef) des Eli, des Mattat (…)“. In der Regel wurde darunter auch die blutsmäßige Abstammung verstanden, doch bei der Formulierung des Lukas: „Jesus war, wie angenommen wurde, Sohn des Josef, des Eli, des Mattat“ wird der Moment der ausdrücklichen Zeugung vermieden und gibt Raum zu einer nicht Blutsmäßigen Zuordnung – von Josef (als Schwiegersohn) zum Vater der Maria (dem Eli). Auffallend ist auch, dass sich beide Stammeslinien um die Zeit nach der Babylonischen Gefangenschaft durch die Personen Schealtiel und Serubbabel kreuzen (Mt 1,12; Lk 3,27). Beide Linien liegen demnach eng beeinander und gehen auf David zurück.
Wir kommen daher zu dem Ergebnis, dass die Zuordnung der Lukanischen Stammesliste den Vorfahren der Maria, durch die oben genannten Textaussagen unterstützt wird. Somit war Jesus als `Mensch` leiblicher Sohn der Maria und gesetzlicher Sohn von Josef in jeder Hinsicht Nachkomme und Sohn Davids (Lk 1,31-33; Mt 1,1; 9,27; 12,23; 15,22; 20,30; 21,15).
ANMERKUNG: Es könnte auch die Situation bestanden haben, dass die Eltern von Maria (und ihrer Schwester Salome) keine Söhne gehabt haben, dann wäre die Anordnung für die Erbtöchter in Kraft getreten, wie es in 4Mose 36,1-13 beschrieben wird. In diesem Fall wäre es nahe liegend, dass Maria einen Mann aus ihrer nächsten Verwandtschaft heiratet. Diese mögliche Situation würde den oben angeführten Überlegungen nicht widersprechen. Pfarrer E. Moderson schildert ausführlich diese mögliche Situation in seinem Buch „Widersprüche in der Bibel?“ 1954, 26. Allerdings würden dadurch neue Fragen aufgeworfen und für deren Beantwortung gibt es in den Evangelientexten (außer Lk 2,4-5) keinerlei Hinweise. Wir wissen nur von Josef, dass er Erbrecht in Bethlehem hatte, was durch die Einschreibung in Listen, wegen der Ermittlung des Steuersolls durch die römischen Behörden bestätigt wird.
3. Josef heiratet Maria
Josef ist von Beruf Häuserbauer, gr. `τεκτόνος – tektonos`, daher ist er nicht an die Landwirtschaft oder Viehzucht in Bethlehem, seinem Stammesgebiet, gebunden und kann sich dort niederlassen, wo es ausreichend Bauaufträge gibt.
Nazareth liegt nur acht Kilometer entfernt von der ehemaligen Residenzstadt des Vierfürsten Herodes Antipas – Sephoris. Maria ist mit Josef verlobt und sie warten auf den geeigneten Termin für die Hochzeit. Beide werden von Gott überrascht, Maria wird durch die Kraftwirkung des Heiligen Geistes schwanger, bevor Josef, ihr anvertrauter Mann, sie heimholt-heiratet (Mt 1,18; Lk 1,31-35).
Nachdem sich bei Josef die Spannung durch das Eingreifen Gottes in einem Traum, gelegt hat, holt er Maria zu sich nach Hause. Aber er erkannte sie nicht, d.h. er hatte mit Maria in der Zeit dieser ersten Schwangerschaft keinen geschlechtlichen Umgang (Mt 1,25) „bis sie einen Sohn geboren hatte und nannte seinen Namen Jesus“. Beachten wir die zeitliche Begrenzung der Zurückhaltung von Josef. In Lukas 2,7 wird betont, dass Maria ihren Sohn den Erstgeborenen gebiert, das heißt logischerweise; dass sie später noch Söhne bzw. weitere Kinder gebiert und zwar von Josef. Denn nach der Geburt Jesu hatten Josef und Maria ganz normalen geschlechtlichen Umgang miteinander und aus diesen Beziehungen sind noch mindestens sechs Kinder gezeugt und geboren worden. Wenn wir die Texte so verstehen, dann ist die Auffassung, Maria sei nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben, hinfällig.
4. Jesus im Kreis seiner Familie
Schon als Kind nimmt Jesus zu an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Bei dem Passabesuch in Jerusalem macht Jesus sich als 12-jähriger zum Leidwesen seiner Eltern selbstständig (Lk 2,48). Doch auch diese Spannung löst sich auf, denn Jesus ordnet sich seinen Eltern unter und bis zu seinem öffentlichen Auftreten ist anzunehmen, dass Jesus wie auch Josef, den Beruf als Häuserbauer ausübte und dass er als Erstgeborener in der Familie besondere Verantwortung trug.
In Johannes 2,12 lesen wir von Jesus: „Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder, seine Jünger und blieben nicht lange dort.“ Hier in der Anfangszeit seines Wirkens sind seine Familienangehörigen in seiner unmittelbaren Nähe. Doch nach der anfänglichen Euphorie und möglicherweise auch etwas Stolz über ihren ältesten Bruder, kommt die Ernüchterung. Während er sich zu Hause in Nazareth in das familiäre Gefüge gut eingeordnet hatte, beschreitet er nun einen Sonderweg und sein ganzes Verhalten wirkt sich auf seine Familienangehörigen ungewöhnlich, ja sogar anstößig aus. In Matthäus 12,46 (Mk 3,20-21) wird berichtet, dass seine Brüder und seine Mutter sich in seine Tätigkeit einmischen: „Da er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden“. Er geht ihnen zu weit, sie wollen ihn halten und wie Markus im Parallelbericht ergänzt sagen sie: „Er ist von Sinnen“ (Mk 3,21). Auch hier wird die Spannung in der Beziehung der Brüder zu Jesus sehr deutlich dargestellt.
In Johannes.7,3 mischen sich die noch ungläubigen und auch unzufriedenen Brüder Jesu in seine Pläne ein: „Da sprachen seine Brüder zu ihm: zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger sehen was du tust“. Doch Jesus handelt nur nach der Anweisung seines himmlischen Vaters, nicht weil er seine Brüder ärgern will. Erst nach der Auferstehung glaubten seine Brüder an ihn als den Christus, wie der Vergleich von Joh 7,5 mit Apg 1,14 und 1Kor 15,7 deutlich macht: „Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14).
Es liegt nahe, dass der Jakobusbrief und der Judasbrief von den zwei Brüdern (Halbbrüdern) Jesu geschrieben wurden (Jak 1,1; Judas 1,1). In Apostelgeschichte 15,13 und Galater 2,9 ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jakobus, der Bruder Jesu gemeint, denn Jakobus, der Jünger Jesu und Bruder des Johannes lebte zu dieser Zeit nicht mehr, er starb den Märtyrertod bereits um das Jahr 44 n. Chr. in Jerusalem (Apg 12,2).
In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazareth verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns (Häusererbauers) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? Und sie ärgerten sich über ihn.“ (vgl. auch Mk 6,3). Den Bewohnern Nazareths fällt Jesus in der Zeit vor seinem Auftreten nicht sonderlich auf. Er war einer unter seinen Geschwistern. Die Auffassung einiger Christen, wonach die oben genannten Brüder und Schwestern von Jesus aus einer früheren Ehe des Josef stammten, basiert auf keinen biblischen Belegen und scheint zudem unlogisch, ja sogar absurd zu sein.
In 1Korinther 9,5 spricht Paulus von den „Brüdern des Herrn“ und zwar, dass sie verheiratet waren: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die anderen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“
5. Jesus gründet die Familie Gottes
Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass Jesus selbst eine eigene Familie gegründet hätte. Im Bereich der Ehelosigkeit war Jesus nicht mal ein Sonderfall. Im Gegenteil, es gab vor und zur Zeit von Jesus einige Männer, die wegen besonderer Lebensaufgaben ehelos geblieben sind. Jesus selbst bestätigt, dass etliche sich freiwllig um des Reiches Gottes willen für die Ehelosigkeit entschieden haben (Mt 19,11-12). Seinen Zuhörern waren diese Personen bekannt. Der Prophet Elia und Elisa, sogar der Priestersohn Johannes der Täufer, ebenso einige Zeitgenossen aus der Gruppe der Essener (in Qumran) waren nicht verheiratet. Jesus ist zwar Baumeister in seinem Beruf, doch für sich baute er kein eigenes Haus. In Kapernaum wohnt er in der Regel bei seinen Verwandten (Jakobus und Johannes sind seine Cousins, weil Salome ihre Mutter die Schwester von Maria ist – Joh 19,25; Mk 15,40; 16,1), oder hält sich im Hause des Petrus auf (Mt 8,14). Er selber bezeugt, dass der Menschensohn im Vergleich zu den Füchsen und Vögeln nichts habe, worauf er sein Haupt hinlege (Mt 8,20; Lk 9,58). Er unterhält sich zwar oft auch mit Frauen, doch bleibt er dabei unbefangen. Zum Ende seines irdischen Lebens musste er nur die Fürsorge für Maria seine Mutter klären (Joh 19,25-27).
- Nein, Jesus hatte keine natürliche Familie gegründet. Er kam in diese Welt wegen seiner Braut und zukünftigen Frau – der Gemeinde. Von Johannes dem Täufer wird Jesus als Bräutigam bezeichnet (Joh 3,29). Und Jesus scheut es nicht, sich selbst als Bräutigam zu bezeichnen (Mt 9,15). Die apostolische Sicht war eindeutig: Die Gemeinde bildet den Leib des Christus, bei dem er selbst das Haupt ist (Eph 5,22-32). Er, der Mitschöpfer und Stifter der natürlichen Ehe hier auf Erden, bewahrt sich auf für die himmlische (geistlichen) Hochzeit mit seiner Gemeinde: „Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet.“ (Offb 19,7; 2Kor 11,2).
- Jesus wird zwar dem Fleische nach von Maria als Menschensohn geboren, doch behält er den Status als Sohn Gottes auch in seinem Menschsein („ich bin Gottes Sohn“ Joh 10,36).
- Durch ihn werden nur Kinder im göttlich-geistlichen Sinne geboren (Joh 1,12; 3,3-7; Eph 5,26; 1Joh 4,7; 1Petr 1,3.23 – Er ist das lebendig machende Wasser/Wort des Lebens). Hebr 2,13: »Siehe da, ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.« (Jesaja 8,18). Sein ganzer Dienst weist auf einen besonderen Auftrag von Gott hin. Er wurde geboren, um stellvertretend für alle zu sterben und dadurch geistliche Nachkommen zu haben.
Auch nach seiner Auferstehung denkt, redet und handelt Jesus eindeutig im geistlichen Sinne des Reiches Gottes und bereitet seine Jünger und Jüngerinnen auf sein Hingehen zum Vater vor. Im Text des Johannesevangeliums wird diese Vorbereitung im Gespräch mit Maria aus Magdala wie folgt beschrieben: „Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater (…)“ (Joh 20,17). Der dort verwendete Begriff meint berühren (vgl. Mt 8,15; 9,20.29; 20,34). Das drückt aus, dass Maria Jesus berühren oder anfassen wollte. Aber Jesus verweigert ihr dies in dieser Situation. Nicht dass das Berühren seines auferstandenen Körpers generell nicht erlaubt wäre (Joh 20,27), aber jetzt nicht, sondern „gehe hin und sage es meinen Brüdern“. Bei einer weiteren Begegnung kurze Zeit danach gewährt er mehreren Frauen seine Füße zu umklammern: „Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder.“ (Mt 28,8-10).
Die Bezeichnung `Bruder` unter den Israeliten (aber auch allgemein im Orient) hat natürlich auch allgemeine Bedeutung, wie die Stellen aus Apostelgeschichte 13,38; 23,5 nahelegen.
Die Bezeichnung `Brüder` unter den Christen hat ihren tiefen Grund in der geistlichen Geschwisterbeziehung zu einander durch den Glauben an Jesus (Mt 12,48-50; Mk 3,35). In dieser geistlichen Dimension der neuen Familie Gottes denkt und lebt Jesus.
Folgende Szene spielte sich in einem Haus in Kapernaum ab, als seine Familienangehörigen nach ihm fragten: „Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mt 12,48-50). Jesus verliert also keinen Gedanken daran und unternimmt nichts zur Gründung einer Familiendynastie. Sein ganzes Bestreben gilt der Errichtung des Reiches Gottes, in dem die neue geistliche Familie Gottes aufgebaut wird. Damit stellt Jesus die Zugehörigkeit zur geistlichen Familie Gottes über die Zugehörigkeit zu einer natürlichen Familie, die nur eine vorübergehende Stiftung ist (Mk 12,25).
Doch dort, wo es um leibliche Bruderschaft geht, wird die verwandtschaftliche Beziehung deutlich herausgestellt, auch oft durch eine Zuordnung. man achte auf die Betonung:
- „Er, seine Mutter und seine Brüder“ (Joh 2,13);
- „seine Brüder“ (Joh 7,5);
- „mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14);
- die „Brüder des Herrn“ (1Kor 9,5).
In der Tat wird uns hier eine einmalige Familienzusammensetzung vorgestellt, wie es sie bis dahin noch nicht gab. Doch wird können daraus viel lernen über:
- den Umgang der Eheleute miteinander,
- die Verantwortung des Ehemannes für seine Frau,
- die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder,
- die Aufgabenteilung in der Familie,
- die Geduld und den behutsamen Umgang der Kinder mit ihren älter werdenden Eltern,
- die Zusammenarbeit bei der Verwirklichung des Planes Gottes.
Glückselig, wer zu diesem Haus (Familie) Gottes gehört, in dem Jesus der Erstgeborene ist!
Weitere Details zur Herkunft und der Familie von Jesus gibt es auf der Seite: http://gottesgeheimnis.net/2017/01/08/unterwegs-mit-jesus-kapitel-1-die-kindheit-von-jesus/