Darf ein Christ zürnen?

Darf ein Christ zürnen?

 

Abbildung 1 Ein Zornesausbruch gleicht „wilden Wellen des Meeres, die ihre eigene Schande ausschäumen.“ – Judas 1,13b (Foto am 5. Februar 2007 Agia Napa Südzypern).

 Ist Zornesausbruch Sünde?

 

Im „Meyers Neues Lexikon“ finden wir folgende Definition des Wortes `Zorn`:

Zorn, leidenschaftlicher und heftiger Unwille über etwas, das als Unrecht empfunden wird oder den eigenen Intentionen und Wünschen zuwiderläuft. Zorn äußert sich in Miene, Wort oder Handlung und richtet sich meist gegen eine bestimmte Person.“

 

Nun, die Frage, ist Zornesausbruch Sünde oder darf ein Christ zürnen, stellt sich für einige Christen aufgrund von zwei Aussagen des Neuen Testamentes.

Erstens: Wenn Jesus zornig wurde und durfte, warum nicht auch seine Nachfolger, denn er ist ja  ihr Vorbild im Verhalten? Bei dieser Argumentation versucht man den Zorn zu qualifizieren – man spricht vom göttlichen oder heiligen Zorn. Dabei ist es sehr bedenklich, das ein Mensch (Christ) sich anmaßt göttlich oder heilig zürnen zu können. Oft wird das Zornesverhalten von Jesus mit der Tempelreinigung in Verbindung gebracht (Joh 2,13ff). Doch dort wird nicht von Jesu Zorn, sondern seinem Eifer (gr. ζήλος – z¢los) um das Haus seines Vaters gesprochen. Und dies ist ein anderer Begriff und wird von den neutestamentlichen Autoren nicht nur in negativem, sondern auch in positivem Sinne verwendet. So sagt Paulus: „Ich eifere um euch (Korinther)  mit göttlichem Eifer (ζήλοςz¢los).“ (2Kor 11,2).

Steht irgendwo in den Schriften des Neuen Testamentes in Bezug auf einen Menschen geschrieben: „Ich zürne dir mit göttlichem Zorn?“ Nein, natürlich nicht. In Markus 3,5 heißt es allerdings von Jesus im Zusammenhang der Heilung der verdorrten Hand eines Mannes am Sabbat: „Und er sah sie (seine Gegner) an mit Zorn (gr. οργής org¢s).“ Jesus ist also heftig unwillig geworden über seine Gegner. Auch fügt der Evangelist Markus hinzu, dass Jesus sehr betrübt wurde über die Herzenshärte der Pharisäer. weil sie so hartnäckig an ihrer eigenen Überlieferung festhielten und dabei das schwerwiegendere im Gesetz (Barmherzigkeit und Nächstenliebe) sträflich übergingen. Zorn und Traurigkeit stand Jesus im Gesicht. Die Vergeltung, das Gericht an seinen Gegnern übte er jedoch nicht aus. Er wandte sich dem Kranken Menschen zu. Kein einziges Mal hatte Jesus in seinem Menschsein seinen Zorn als `Vergeltungsmaßnahme`, als `Rache` angewendet.

Doch in Offenbarung 6,16 lesen wir über ihn: „Und sie (die Gottlosen) sagen zu den Bergen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem, der auf dem Thron sitzt und vor dem Zorn (gr. οργήςorg¢s) des Lammes (das ist Jesus Christus).“ Jesus, als Menschen,- und Gottessohn hat von seinem Vater die Vollmacht übertragen bekommen zu richten (Joh 5,22) und daher auch das Recht und die Fähigkeit gerecht, heilig und göttlich zu zürnen, das heißt zu Vergelten.

Bibelstellenverzeichnis, die den legitimen Zorn Gottes (sein Vergeltungsrecht) hervorheben: Joh 3,36;  Röm 1,18;  Eph 5,6; Kol 3,6;  1Thess 1,10; 2Thess 2,16; Hebr 3,11 u.a.m.

 

Zweitens:  Die zweite Aussage, welche zu Missverständnissen geführt hat, finden wir in Epheser 4,26,- im griechischen steht dort: „ὀργίζεσθε καὶ μὴ ἁμαρτάνετε· ὁ ἥλιος μὴ ἐπιδυέτω ἐπὶ [τῷ] παροργισμῷ ὑμῶν.“ Es gibt folgende Übersetzungsvarianten:

Elbf: „Zürnet und sündiget (dabei) nicht!  Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn.“ Das in Klammern gesetzte (dabei) ist eine grammatische Hinzufügung und verleit der Übersetzung einen bestimmten Akzent. Es steht jedoch so nicht im griechischen Text.

LÜ 84 und Interlinear: „Zürnet und sündiget nicht.“ Diese beiden Übersetzungen sind gleich und auch eindeutig. `zürnen` kann mit `sündigen` gleichgesetzt werden. Beides soll man nicht tun. Doch der zweite Teil der Aussage: „Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, macht deutlich, dass Zorn im Verhalten des Christen vorkommen kann. In diesem Fall drängt der Apostel Paulus darauf, ihn so bald wie möglich abzulegen. Ich denke, dass sich diese Aussage des Apostels Paulus eher als Warnung anhört. Sie bietet keinen Grund für die Rechtfertigung des zornigen Verhaltens eines Christen. Daher ist die zweite Hälfte des Verses eher ein praktischer Hinweis für den Fall, dass man dem Zorn, also dem Vergeltungsdrang Raum gegeben hat. Nach der Bewertung von Jesus ist es bereits dann Sünde, wenn man in Gedanken seines Herzens einer Tat zugestimmt hat (Mt 5,28; 15,19). Hier ist Kontrolle und Selbstbeherrschung der emotionalen Regungen gefragt.

 

Um jedoch mehr Sicherheit für das Verstehen dieser Aussage zu bekommen, wollen wir noch  andere Bibelstellen als Belege heranziehen.

  • Im gleichen Kapitel des Epheserbriefes (4, 31) schreibt Paulus: „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn (οργήςorg¢s) sei  ferne (weggenommen) von euch, samt aller Bosheit.“ Das „alle“ oder „jede“ macht doch deutlich, das jede Art oder Umfang von diesen genannten Dingen gemieden, bzw. nicht zugelassen werden sollen, eingeschlossen der Zorn.
  • In Kolosser 3,8 schreibt Paulus: „Nun aber legt alles von euch ab: Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, unanständige Rede“. Wenn schon unanständige Rede Sünde ist, wie viel mehr der Zorn oder Zornesausbrüche, die in der Regel von bösen, verletzenden Worten begleitet werden und die von Vergeltung, Rache nehmen, motiviert sind.
  • Im Zusammenhang der Empfehlungen an Eltern sagt der Apostel in Epheser 6,4: „Macht eure Kinder nicht zornig, sondern erzieht sie in der Furcht und Ermahnung des Herrn.“ Oder: „reizt eure Kinder nicht zum Zorn“. Unangemessene Erziehungsmethoden bewirken in den Kindern Rachegefühle und wenn sie diese wegen ihrer Schwachheit an den ihnen überlegenen Vätern nicht ausüben können, wenden sie diese Vergeltungsreaktionen an Schwächeren an. In diesem Bereich versündigen sich Eltern an ihren Kindern und stehen in der Verantwortung ihre Schuld einzusehen und den Kindern zu helfen mit ihren Emotionen sorgfältig umzugehen.
  • Jakobus schreibt in seinem Brief  (1,19-20): „(…) Jeder Mensch aber sei langsam zum Reden und langsam zum Zorn, denn der Zorn eines Mannes (eines Menschen) bewirkt vor Gott keine Gerechtigkeit.“ Niemand kann also sein Zornesverhalten vor Gott rechtfertigen, denn in Römer 12,19 warnt Paulus: „Rächt euch selber nicht, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn (Gottes). Denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Hier wird eindeutig der zentrale Inhalt des Zornes beschrieben, nämlich: Vergeltung im Sinne der Rache. Dies , so der Apostel, steht nur Gott zu und er stützt sich dabei auf Gottes Aussage in 5Mose 32,35; ebenso Hebr 10,30). Die Geschichte über die Rachegedanken und Worte von David in 1Samuel 25,2-39, der fest entschlossen war sich an dem boshaften und geizigen Nabal zu rächen, ist eine deutliche Mahnung an die Christen. Eine sehr eindrückliche Episode aus dem Neuen Testament erhellt unser Thema und gibt Antwort auf unsere Fragestellung. Es ist die Reaktion der zwei Jünger – Jakobus und Johannes, welche wegen der ablehnenden Haltung der Samariter zu Jesus, bereit gewesen wären an diesen Dorfbewohnern grausame Vergeltung zu üben. Der Evangelist Lukas schreibt: „Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. Als aber das die Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. Er aber wandte sich um und bedrohte sie. Und sie gingen in ein anderes Dorf.“ (Lk 9,52-56). Jesus selbst ließ sich nicht provozieren, als der Diener des Hohenpriesters Hannas ihn ins Gesicht schlug. Er ließ aber diese ungerechte Handlung nicht unbeantwortet, sondern redete dem Mann ins Gewissen. Der Evangelist Johannes schreibt: „Als er so redete, schlug einer von den Dienern, der dabeistand, Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? Jesus antwortete ihm: Habe ich übel geredet, so beweise, dass es übel ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?“ (Joh 18,22-23). Dies ist eine angemessene Reaktion auf zugefügtes Unrecht.  Was Jesus lebte, das lehrte er auch. „Ihr habt gehört, daß den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. Wer aber tötet, wird dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder zürnende seinem Bruder, wird dem Gericht verfallen sein.“ (Mt 5,21-22).

Durch diese klaren Aussagen des NT wird deutlich:

Der Zorn (Rache/Vergeltung in Gedanken, Worten und Taten)  gehört nicht zum Christsein.

 

Wenn also ein Christ das Zürnen aus seiner früheren Vergangenheit als sündhafte Gewohnheit noch nicht abgelegt hat, soll er durch die Erkenntnis der Schrift und durch die Kraft des Heiligen Geistes eine klare Entscheidung treffen, wenn nötig sogar vor Zeugen und ihn, den Zorn ablegen, sich davon absagen und dafür der Liebe Gottes Raum schaffen.

Wenn es bei einem Christen doch mal vorkommt, das er sich zu einem Zornesausbruch mit Vergeltungsreaktionen hinreißen läßt, soll er sich nach Epheser 4,26 so schnell wie möglich davon distanzieren, bzw. den angerichteten Schaden wieder gut machen, in dem er bei Gott und der betreffenden Person um Vergebung bittet.

Abbildung 2 Das ruhige Meer gleicht einem Menschen in dessen Herzen der Friede Gottes herrscht, es gleicht einem Menschen, dessen Herz in Gott ruht. Agia Napa auf Südzypern (Foto am 7. Januar 2006).

Das Vakuum muß mit anderen geistlichen Eigenschaften ausgefüllt werden. In 1Korinther 13 lesen wir: „Die Liebe rechnet das Böse nicht an.“

Die Liebe ist Langmütig, sie hat also langen Atem, sie äußert sich im geduldigen ertragen.

Aber die Liebe ist auch aktiv. Sie kann mehr, als nur ertragen. „Vergeltet nicht Böses mit Bösem, noch Scheltwort mit Scheltwort“. Wenn ich den, dem ich zürnen (vergelten) wollte, freundlich aber auch entschieden zurechtweise, ihm die Schuld nicht nachtrage, dann bleibe ich in der Liebe.

Die völlige Liebe Christi, als Frucht des Heiligen Geistes, schließt den Zorn als Racheaktion völlig aus.

Eine Quelle kann nicht gleichzeitig süßes und salziges Wasser geben.

Wer seinen nächsten, aber auch seinen Feind segnet, der hat den Zorn besiegt !

 

 

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