Inhaltsverzeichnis
- 1 Kapitel 3: Jesus in Galiläa
- 1.1 Mit dreißig aus- und weggezogen
- 1.2 Jesus auf einer Hochzeit – Freude in Fülle
- 1.3 Jesus lässt sich in Kapernaum nieder
- 1.4 Jesus beginnt seinen Verkündigungsdienst in Kapernaum
- 1.5 Berufung der ersten vier Jünger und der Fischfang des Petrus
- 1.6 Jesus vollbringt Wunder und Heilungen in Kapernaum
- 1.7 Das Missionskonzept von Jesus
- 1.8 Jesus beruft Levi/Matthäus in Kapernaum
- 1.9 Jesus beruft zwölf Jünger
- 1.10 Die acht Seligpreisungen
- 1.10.1 Zeit und Ort der Berglehre (Seligpreisungen)
- 1.10.2 Liste der Seligpreisungen
- 1.10.3 Die 1. Seligpreisung
- 1.10.4 Die 2. Seligpreisung
- 1.10.5 Die 3. Seligpreisung
- 1.10.6 Die 4. Seligpreisung
- 1.10.7 Die 5. Seligpreisung
- 1.10.8 Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (Mt 5,7).
- 1.10.9 Die 6. Seligpreisung
- 1.10.10 Die 7. Seligpreisung
- 1.10.11 Die 8. Seligpreisung
- 1.11 Wie verhält sich Jesus zum Gesetz?
- 1.12 Das 6. Gebot – Töte nicht
- 1.13 Das 7. Gebot – brich nicht die Ehe
- 1.14 Das Gebot – Schwöre nicht falsch
- 1.15 Das Gebot der Nächsten- und Feindesliebe
Kapitel 3: Jesus in Galiläa
Mit dreißig aus- und weggezogen
Warum verlässt Jesus seine Vaterstadt Nazareth?
Als Jesus vom Jordan nach Galiläa zurückkehrt, kommt er in Begleitung seiner ersten Jünger, als erstes nach Nazareth in seine Heimatstadt. Aber dort hält er sich nicht mehr lange auf, Vielleicht ist der Entschluss, von Nazareth wegzuziehen, bereits schon früher gereift und hat sich am Jordan gefestigt. Die Gründe für den Wegzug können vielseitig gewesen sein:
- Die Stadt Nazaret war ein kleiner, unbedeutender Ort. Er war sehr gut geeignet, dass Jesus dort sozusagen im Verborgenen aufwachsen konnte. Für den Beginn seines öffentlichen Wirkens und als Ausgangsbasis war er ungeeignet.
- Die Nazarener kannten Jesus von seiner Kindheit und wären ein Hindernis gesesen für seinen Dienst, wie der spätere Besuch in seiner Heimatstadt deutlich macht (Lk 4,16ff).
- Die Tatsache, dass ein Prophet in seiner Heimatstadt nichts gilt, wurde von Jesus selbst bezeugt (Joh 4,44).
- Die leiblichen Brüder von Jesus glauben in der Anfangszeit noch nicht an ihn als den Messias (Joh 7,5) und wären in Nazaret für seinen Dienst eher ein Hindernis gewesen (Mk 3,21).
- Die familiäre und auch räumliche Loslösung von Maria seiner Mutter ist zusätzlich wichtig gewesen, wie die Episode in Kana kurz darauf zeigt (Joh 2,5). Ähnlich der spätere Versuch seiner Familienangehörigen, ihn in Schranken zu weisen (Mk 3,21). Sehr stark war damals der Einfluß der Mutter auf ihren Sohn.
- Nicht zuletzt war sein Wegzug aus Nazaret heilsgeschichtlich begründet (Mt 4,12-16).
So verlässt Jesus ganz bewusst seine Heimatstadt Nazaret, in der er seine Kindheit und sein Erwachsenwerden erlebte und wird erst viele Monate später hier einen Besuch abstatten (Lk 4). Wie wir aus Johannes 2,1 erfahren, hatte Jesus und seine Familie eine offizielle Einladung zu einer Hochzeit im Galiläischen Kana (Joh 2,1ff). Nachdem wir uns im nächsten Abschnitt mit den zeitlichen Aspekten des Umzugs beschäftigt haben, begleiten wir Jesus nach Kana und anschließend hinab nach Kapernaum.
Die zeitliche Einordnung des Umzugs
Aus Matthäus 4,12 und Markus 1,14 geht hervor, dass Johannes der Täufer recht bald nach der Versuchung von Jesus in der Wüste und vor dessen Rückkehr nach Galiläa, gefangen genommen wurde. Der Evangelist Johannes erwähnt die Versuchungsgeschichte von Jesus nicht. Aus Johannes 4,1-3 erfahren wir, dass Johannes der Täufer nach der Versuchung von Jesus noch eine längere Zeit in der Jordangegend in Freiheit wirkte und taufte. Zwischen der Versuchung von Jesus und der Gefangennahme des Täufers liegt also die Zeit der ersten Wirksamkeit von Jesus in Galiläa und Judäa. In dieser Zeit besucht er zum ersten Mal nach seinem öffentlichen Auftreten Jerusalem und wirkt anschließend in Judäa (Joh 2 und 3).
Die Synoptiker berichten insgesamt nur von einem Jerusalembesuch von Jesus und zwar anlässlich seiner Passion.
Das Wort `Synopse` bedeutet Zusammenschau. Die drei Evangelisten, Matthäus, Markus und Lukas haben eine ähnliche Schau und Aufbau ihrer Berichte, deshalb werden sie die `synoptischen` Evangelien bezeichnet – Griechisch: `συνόψις – synopsis – das Ganze zusammen sehend`. Johannes hat eine andere Zielsetzung und wiederholt nur selten Ereignisse, welche die Synoptiker aufgezeichnet haben Alle Evangelisten haben Zielgruppen vor Augen; Matthäus: Juden; Markus: Heidenchristen; Lukas: griechisch-römische Bildungsbürger (Theophilus Lk, 1,1-3) und Johannes: Christen aus dem griechischen Kulturkreis.
Entgegen den Synoptikern erwähnt der Evangelist Johannes mindestens drei Passahfeste (Joh 2,13; (5,1?) 6,4; 12,1) und fünf Besuche in Jerusalem (Joh 2: 5: 7: 11: 12). Die Synoptiker berichten von nur einer Rückkehr von Jesus aus Judäa nach Galiläa, Johannes dagegen von drei (Joh 1; 4; 5). Demnach ist der Satz: „Als er aber gehört hatte, dass Johannes überliefert worden war, entwich er nach Galiläa (…)“ (Mt 4,12), chronologisch erst nach dem ersten Jerusalembesuch von Jesus einzuordnen (Joh 4). Da in den synoptischen Berichten Jesus nur einmal von Judäa nach Galiläa kommt, schrieben sie diese Aussage aus thematischen Gründen gleich zu Beginn auf (Mt 4,12; Mk 1,14; Lk 4,14).
Es ist auch für uns, die wir diese Texte verfassen, eine Herausforderung, die relativ vielen synoptischen Berichte und Ereignisse aus der Wirksamkeit von Jesus in Galiläa, in die etwa dreieinhalb Jahre dauernde Wirksamkeit von Jesus, chronologisch einzuordnen. Da Johannes uns keine exakte Chronologie und Dauer der Wirksamkeit von Jesus gibt, kann die Erwähnung von mindestens drei Passahfesten (Joh 2; (5,1?) 6; 12) auch als Mindestzahl angesehen werden.
Die von uns erstellte Chronologie ist darum auch nur ein Vorschlag, wie Texte chronologisch gelesen werden können, um so einen umfassenderen und geordneteren Überblick über das Leben und den Dienst von Jesus zu erhalten.
Fragen / Aufgaben:
- Was waren die Gründe für den Wegzug aus Nazaret?
- Wie begründen wir, dass der offizielle Umzug von Nazaret nach Kapernaum dem Hinabgehen nach Kapernaum in Lukas 4,31 voranging?
Jesus auf einer Hochzeit – Freude in Fülle
(Bibeltext: Joh 2,1-12)
Auf dem Weg hinab nach Kapernaum besucht Jesus das Galiläische Kana. Aus folgenden Gründen ordnen wir den Bericht vom Besuch einer Hochzeit in Kana hier ein:
- Es ist der Anfang der Zeichen, die Jesus tat (Joh 2,11).
- Gleich danach geht er hinab nach Kapernaum (Joh 2,12; ähnlich in Mt 4,13).
Jesus ist mit seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Jüngern auch zur Hochzeit eingeladen. So berichtet der Evangelist Johannes:
Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nur wenige Tage dort. (Joh 2,1-12 – LÜ 2017).
Es scheint mehrere Orte Namens Kana gegeben zu haben. Bereits bei der Landverteilung wird ein Ort Namens Kana erwähnt und zwar im Grenzgebiet des Stammes Asser (Jos 19,28). Jenes Kana liegt etwa acht Kilometer südöstlich von Tyrus im heutigen Libanon. Seit der Kreuzfahrerzeit bis Ende des 16. Jh. wurde Chirbet Kana (Ruine Kana), 14 Kilometer nördlich von Nazaret, als das biblische Kana anerkannt. Es liegt auf einem Ruinenhügel am Nordende der Battof-Ebene (Asochis-Ebene). Grabungen/Vermessungen aus dem Jahre 1982 ergaben, dass der Ort bereits im 12. Jh. v. Chr. besiedelt war. Auf dem Ruinenhügel wurden 31 Wasserzisternen entdeckt.
Den Israelreisenden, die Nazaret besuchen, zeigt man heute mit Vorliebe das Dorf Namens Kafr Kenna, als den Ort des Weinwunders. Er liegt etwa acht Kilometer nordöstlich von Nazaret entfernt, auf dem Weg nach Tiberias. Seit die Franziskaner Ende des 19. Jh. in dem Ort eine Kirche errichteten (auszugsweise aus „Auf den Spuren Jesu“ Gerhard Kroll 1988, 79).
Dadurch wurde der Pilgerstrom hierher gelenkt. Unzählige Tonkrüge werden in diesem Dorf hergestellt und an Pilger und Touristen verkauft. Der Ruinenhügel Kana steht so gut wie nicht mehr in den Reiseangeboten der Anbieter für Israelreisen.
Das Wunderzeichen in Kana ist in einen besonderen Rahmen eingefasst. In Johannes 2,1 heißt es: „Aber am dritten Tag war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa“. Wie schon oben erwähnt sind Zeitangaben im Johannesevangelium oft weiter zu fassen. So ist hier nicht der dritte Tag in Folge gemeint, sondern der dritte Tag der Woche.
Der übliche Wochentag für die Hochzeit war meist in der Wochenmitte – konkret eine Jungfrau heiratete man am Mittwoch, eine Witwe am Donnerstag (Edersheim 1979, 344).
Es war aber auch der Dienstag als Hochzeitstag beliebt, da Gott am dritten Schöpfungstag zweimal gesagt hatte: „Es ist gut“ (1Mose 1,10-12). Hochzeitsfeiern fanden spätestens am Sabbatbeginn (Freitagabend) ihr Ende.
Warum Jesus nach Kana kommt, könnte mehrere Begründungen haben:
- Zum einen ist es sein ausgesprochener Plan in so vielen Städten und Dörfern Galiläas wie nur möglich zu predigen (Mk 1,38-39).
- Zwei seiner Jünger kommen aus Kana: Nathanael (vgl. Joh 1,45 mit 21,2) und Simon der Eiferer (Mt 10,4; Lk 6,15). Es könnte sich also auch um eine Einladung von Nathanael gehandelt haben.
- „Jeder jüdische Rabbi hätte die Einladung zu einer Hochzeit angenommen.“ (Edersheim 1979, 355).
- Noch ein Grund könnte eine vermutete Verwandtschaftsbeziehung Marias zur Hochzeitsfamilie gewesen sein, denn nicht nur Jesus, als bereits bekannter Rabbi, sondern die ganze Familie war eingeladen. Maria scheint bei der Familie des Gastgebers „zu Hause“ zu sein und ergreift darum später die Initiative.
Seit Beginn des öffentlichen Auftretens von Jesus (Taufe, Versuchung, erste Jünger am Jordan) wird Josef von den Evangelisten nicht mehr erwähnt, daher liegt die Vermutung nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lebte.
In Kana wirkte Jesus sein erstes Zeichen, wörtlich: „Dies ist der Anfang der Zeichen“. In Apostelgeschichte wird diese Reihenfolge bestätigt mit den Worten: „Zu tun und zu lehren“ (Apg 1,1f). Das Tun, die Tat ist vorangestellt. Jesus beginnt seinen Dienst mit einer Tat, mit einem Wunder. In der Beziehung von Jesus zu seiner Mutter Maria ist zu diesem Zeitpunkt eine Veränderung eingetreten. Nach der Taufe am Jordan und dem Verlassen seiner Familie in Nazaret unterstellt sich Jesus ausschließlich der Leitung seines himmlischen Vaters.
Aus der Sicht des Evangelisten Johannes ist dies auch nicht verwunderlich – bezeichnet sich Jesus selbst im übertragenen Sinn doch auch als Bräutigam der Braut (Joh 3,29; Offb 19,7), das ist die Gemeinde.
Jesus macht im Laufe des Festes Wasser zu Wein. Wenn wir das nahe liegende Hohlmaß (μέτρητας – metr¢tas = hebräisch: bath) der Stadt Sepphoris als Einheit zu Grunde legen, dann wird bis zu 660 Liter Wasser zu Wein. Man sollte aber auch bedenken, dass zu solchen Hochzeitsfesten meist sehr viele Menschen eingeladen wurden und die Feiern oft mehrere Tage andauerten.
Schon hier wird deutlich: der Vater im Himmel und Jesus wollen schon beim ersten Wunder reichlich geben. Trotz mancher Bedenken – Jesus gab den Wein zur Freude des Festes. Doch zu Recht dürfen wir hinter diesem ersten Wunder weitere Botschaften von Jesus suchen. Der Evangelist Johannes verwendet das Wort Zeichen `σημείον – s¢meion` häufig. Die Zeichen sind Hinweise auf den Messias in seinen vielschichtigen Eigenschaften und Diensten. Jesus der reichlich im Bereich der irdischen Dinge gibt – wird sicher noch reichlicher im Bereich der geistlichen Dinge geben. Jesus, der aus irdischen Engpässen während einer Hochzeitsfeier heraushilft, wird sicher auch im Bereich der geistlichen Engpässe heraushelfen. Der Bedarf wird über die Maßen gedeckt.
Neben der Fülle und der Freude wird der tiefere Sinn dieses Wunders in der Bedeutung des Weines in der Bibel zu suchen sein. So ist Wein im Alten Testament u.a. positiv mit Freude verbunden (z.B. Ps 104,15; Pred 9.7) – allerdings genauso häufig steht er für Not und Gericht (z.B. Ps 75,9; Spr 20,1).
Der Weinstock, die Reben, der Traubensaft und der Wein spielen in der Heilsgeschichte eine besondere Rolle:
- 1Mose 14,18-19 „Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn (den Abraham).“
- 1Mose 49,11-12 „Er wird seinen Esel an den Weinstock binden und seiner Eselin Füllen an die edle Rebe. Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut.“
- 2Mose 29,40 „Und zu dem einen Schaf einen Krug feinsten Mehls, vermengt mit einer viertel Kanne zerstoßener Oliven, und eine viertel Kanne Wein zum Trankopfer.“ Ähnlich auch in 4Mose 28,7.
- Jes 5,1 „Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.“
- Joh 6,51-55 „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. Da stritten die Juden untereinander und sagten: Wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben? Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohns esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken. Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank.“
- Mt 26,26-29 „Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich von neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.“ (Vgl. auch Lk 22,18).
Neben der Teilnahme von Jesus an der menschlichen Freude einer Hochzeit und der Demonstration der Großzügigkeit, hat das Weinwunder in Kana eine geistliche Dimension. Es weist auf das Dienstende von Jesus hin – auf das letzte AT-Passah-Mahl und erste NT-Abendmahl das Jesus mit seinen Jüngern gehalten, bzw. eingeführt hat. Die Jünger scheinen den noch sehr verschlüsselten Hinweis auf den Messias zu verstehen, denn von ihnen heißt es: „Und seine Jünger glaubten an ihn“ – als den Messias! (Joh 2,11).
Die Anrede an seine Mutter: `γύναι – gynai ` „Frau was [habe] ich mit dir [zu tun]“ (Joh 2,4) war in Bezug auf die Wortwahl „Frau“ in keiner Weise unhöflich (siehe Joh 19,26). Allerdings macht Jesus hier deutlich, dass Maria in Bezug auf Jesus nicht mehr nur in der Kategorie der Mutter-Sohn Beziehung denken darf, auch wenn dieser sich so lange Maria ganz normal unterordnete. Die eckigen Klammern im Zitat verdeutlichen die sehr knappen Worte, die Jesus hier aussprach. Die Aussage: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ verdeutlicht, dass Jesus seine „Mission“ im Detail kennt. Seine Mutter versteht dieses sehr knappe Gespräch positiv und gibt darum entsprechende Anweisung an die Diener (hier Diakonoi): „Was er euch sagt, das tut“. Wie schön das Verhalten von Maria – sie lenkt die gesamte Aufmerksamkeit von sich weg und hin auf Jesus. Und Jesus gibt den Tischdienern eine sehr ungewöhnliche Anweisung. Diese ist zweiteilig:
- „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser“. Anscheinend ist nicht nur der Wein ausgegangen, sondern auch die vorhandenen Wasservorräte in den steinernen Krügen. Und sie füllten sie bis oben, also randvoll. Noch geschah nichts ungewöhnliches.
- „Schöpft nun und bringt es dem Speisemeister“. Dieser war für das gesamte Fest verantwortlich, wie sein griechischer Titel `αρχιτρικλίνος – architriklinos` deutlich macht, also der oberste Chef über den Bereich Versorgung. Die Diener schöpften und brachten es dem Speisemeister. Dieser kostet den Wein, nicht wissend, woher er ist und staunt nicht wenig über dessen hervorragende Qualität. Die Diener, selbst noch voller Staunen über dieses Wunder, scheinen ihrerseits auch noch Freude daran zu haben, ihrem Vorgesetzten die entsprechenden Informationen vorerst nicht mitzuteilen. Warum denn auch, sie werden doch gar nicht gefragt. Nachdem jedoch der Speisemeister den Bräutigam kontaktiert hatte, mussten wohl die Diener den Gesamten Vorgang erzählt haben. Jesus handelt sehr weise – er bezieht Menschen (die Diener, den Speisemeister, den Bräutigam) in das Heilsgeschehen mit ein. Er lässt sie teilhaben nicht nur an seinen Gaben, sondern auch an deren Austeilung.
Das wichtigste Ergebnis dieser Offenbarung des Messias durch sein schöpferisches Handeln an diesem Tag ist – „seine Jünger glaubten an ihn“. Es ist noch nicht das Vollmaß des Glaubens, aber der klare und eindeutige Beginn des Vertrauens in diesen Mann, den der Täufer Johannes so eindrücklich dem Volk am Ufer des Jordan als Messias bezeugt und vorgestellt hatte.
Von Kana aus zieht Jesus hinab nach Kapernaum. Schon seit der Abreise von Nazaret wird er von seiner Familie und seinen Jüngern begleitet, die mit ihm nun auch nach Kapernaum weiterwandern. In Kapernaum nimmt Jesus seinen Wohnsitz, wie oben beschrieben. Johannes macht hierzu eine Zeitangabe: „Danach zog Jesus hinab nach Kapernaum, er seine Brüder, seine Mutter und seine Jünger und blieb nicht viele Tage daselbst“ (Joh 2,13). Nicht viele Tage, kann heißen, etwa 10 Tage (vgl. Apg 1,5). Es fällt beim Evangelisten Johannes auf, dass er mit dem überleitenden Wort „danach“ nicht auf einen lückenlosen chronologischen Bericht hinweist, sondern einen weiteren Bericht oder Abschnitt einleitet (vgl. dazu den Übergang von 4,43 zu 5,1). So kann auch hier zwischen 2,12 und 2,13 ein längerer Zeitraum liegen – in diesem Fall die gesamte erste Wirkungsperiode in Galiläa mit regelmäßiger Rückkehr nach Kapernaum. Hier wird lediglich der erste kurze Aufenthalt in Kapernaum unterstrichen, welcher etwa 10 Tage dauerte. Während dieser Zeit wirkte Jesus die ersten der in den synoptischen Evangelien beschriebenen Wunder.
Fragen / Aufgaben:
- Forsche nach Informationen über die Stadt Kana?
- Beschreibe die Hochzeitsfeier im jüdisch-kulturellen Umfeld. Die freie Wahl auf Seiten des Mädchens war eher selten 1Mose 24,8. Liebeshochzeiten waren eher ungewöhnlich im AT – aber wir finden sie: 1Mose 29,20; 34,3; Ri 14,1.2; 1Sam 18,20).
- Wer war zu der Hochzeit eingeladen? Welche Stellung hat hier Maria? Wie war ihr Verhältnis zu Jesus?
- Ist das Eingreifen von Maria in die Notsituation und ihre vermittelnde Rolle in diesem Fall ausreichender Grund für ihre Stellung in manchen Kirchen als Vermittlerin?
- Warum wird dieses Wunder als Zeichen so hervorgehoben? Welche Ableitung dürfen wir für unsere Festbesuche wagen?
- Wie erklären wir die Reaktion der Jünger auf dieses Zeichen?
Jesus lässt sich in Kapernaum nieder
(Bibeltexte: Mt 4,13-16; 9,1; Joh 2,12; Mk 1,16)
Der Evangelist Johannes schreibt im Anschluss an den Besuch im Galiläischen Kana: „Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nicht viele Tage dort. (Joh 2,12). Der Evangelist Matthäus berichtet ausdrücklich den Umzug nach Kapernaum und zwar mit einer prophetischen Begründung:
(…) und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am Galiläischen Meer liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das Galiläa der Heiden, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.« (Mt 4,13-16).
Wir sehen es als sinnvoll und logisch an, dass das Hinabgehen von Jesus nach Kapernaum, wie es der Evangelist Johannes in Kapitel 2 Vers 12 beschreibt, bereits wenige Tage nach dem offiziellen Wegzug aus Nazaret erfolgte (Mt 4,12). Im Kontext jener Zeit ist es auch leicht verständlich, dass er nicht allein loszog, sondern von seiner Mutter und seinen Brüdern begleitet wurde. An dieser Stelle wollen wir betonen, dass das Hinabgehen nach Kapernaum in Lukas 4,16 nicht identisch ist mit dem offiziellen Umzug von Jesus, wie ihn uns der Evangelist Matthäus beschreibt (Mt 4,12-16). Denn zu dem Zeitpunkt der Vertreibung aus Nazaret hat Jesus schon viele Wunder in Kapernaum getan (Lk 4,23 „Wie große Dinge haben wir gehört in Kapernaum geschehen, tu so auch hier“). Beachten wir auch, dass er dorthin umzieht, wo ein Teil seiner jetzigen und zukünftigen Jünger wohnt, Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, auch der Zolleinnehmer und spätere Evangelist Matthäus, der in Kapernaum seine Wirkungsstätte hatte (Mt 9,9; Mk 2,14; Lk 5,27).
„Kapernaum (aramäisch: Kafr Nahum = Dorf von Nahum) war eine größere Fischerstadt am Nordwestufer des Sees Genesaret. Die großen Handelsrouten – von Damaskus nach Cäsarea Maritima – führten viele Angehörige fremder Völker durch diesen Teil Israels.“ (Keener 1998, 66).
Jesus wählt Kapernaum zu seinem Ausgangspunkt für die Verkündigung des Reiches Gottes durch die Frohe Botschaft (= Evangelium). Diese Stadt wird später „seine“ Stadt genannt (Mt 9,1). Im Vergleich dazu wird Nazaret als seine Vaterstadt (gr. patri,da – patrida) bezeichnet, oder die Stadt wo er erzogen wurde (Lk 4,16.23). Dies begründet zusätzlich unsere Annahme, dass die Vertreibung aus Nazaret nach Lukas 4,29, nicht mit dem freiwilligen und bewussten Umzug, wie ihn der Evangelist Matthäus in 4,12-16 beschreibt, gleichzusetzen ist.
Der Umzug ist nach Matthäus heilsgeschichtlich zu werten, denn das von den (Juden in Jerusalem) verachtete Galiläa der Heiden bekommt in Gottes Plan einen besonders hohen Stellenwert zugeteilt. Die Stammesgebiete der Nachkommen von Sebulon und Naftali im südöstlichen Galiläa (Jos 19,10-16; 32-39) grenzten an den See Genezaret und den Jordan. Nach der Eroberung Samarias, der Hauptstadt des Nordreiches im Jahre 721/722 durch die Assyrer, wurden in diesen Gegenden viele Menschen aus anderen Kulturen und Sprachen angesiedelt. Daher lebten dort, wie auch im übrigen Galiläa zur Zeit von Jesus viele Nichtjuden. Nach der Prophetie des Jesaja ist sogar das Gebiet jenseits des Jordan in das Missionsfeld von Jesus eingeschlossen. Tatsächlich berichten die Evangelisten von mehreren Besuchen und Diensten östlich des Sees Genezaret, wo überwiegend Nichtjuden lebten. Aus den Berichten über Befreiungen von Dämonen besessener Menschen können wir den starken Einfluss des Heidentums unter den Juden in dieser Region ableiten (Mk 1,34.39; 6,13). Daher wird dieses Volk, das dort wohnte, als in der Finsternis wandelnde und im Schatten des Todes lebende Volk, beschrieben. Dies sagt aus, dass Jesus als das wahre Licht dieser Welt dort beginnt, wo es am Dunkelsten ist (Joh 1,5.9; 8,12). Es ist ein Galiläer der in Galiläa mit der Verkündigung des Reiches Gottes beginnt.
Zu beachten ist auch die Aussage: „Er kam und wohnte in Kapernaum“ oder „ließ sich nieder in Kapernaum.“ (Mt 4,13). Der griechische Begriff `katw,khsen – katök¢sen` bedeutet `sich niederlassen, wohnen`. Dieser Begriff kommt auch in Matthäus 2,23 vor, wo Josef nach Nazaret kommt und sich dort niederlässt, nachdem er mit Jesus und Maria aus Ägypten zurückgekehrt war (Mt 2,23).
Jesus unternimmt von Kapernaum aus seine Reisen und kehrt im Laufe seines Dienstes immer wieder nach Kapernaum zurück. Folgende Texte belegen, dass Jesus sehr stark mit dieser Stadt verbunden war.
- „Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum und es wurde bekannt, dass er im Hause ist.“ (Mk 2,1).
- „Nachdem er alle seine Worte vollendet hatte vor dem Volk, ging er hinein nach Kapernaum.“ (Lk 7,1).
- „Als er aber nach Kapernaum hineinging, kam zu ihm ein Zenturio.“ (Mt 8,5).
- „Und eingestiegen in das Boot, kamen sie an das jenseitige Ufer des Sees, nach Kapernaum.“ (Joh 6,17).
- „Als sie aber nach Kapernaum kamen.“ (Mt 17,24).
- „Und sie kamen nach Kapernaum und als er in das Haus kam, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg verhandelt?“ (Mk 9,33).
Einer Rückkehr nach Kapernaum ging immer ein vorheriges Weggehen aus dieser Stadt voraus. Jesus wird darum öfter und länger in „seiner Stadt“ gewesen sein, als dies die Evangelisten berichten. Im Bereich dieses Ortes geschehen die meisten seiner Taten (Mt 11,23f). Kapernaum ist der Ausgangspunkt für Missionstätigkeit von Jesus. Er ist oft in der Stadt und in der Synagoge, in den Häusern der Jünger und auch anderer Familien.
Obwohl er Baumeister war, baute oder besaß er dort kein eigenes Haus. Bei einer Gelegenheit sagte er: „Der Menschensohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege.“ (Mt 8,20; Lk 9,58). Wenn er seinen Jüngern auf den Weg die Anordnung gab (Mk 6,10): „Wenn ihr in ein Haus kommt, da bleibt, bis ihr weitergeht“, so wird er selber sich an diese Regel gehalten haben. Auf die Frage des Petrus: „Siehe, wir haben alles verlassen“, antwortet Jesus: „Wer verlässt Häuser, Vater, Mutter, Kinder (…), der wird es hundertfach wieder empfangen.“ (Mt 19,29). Diese Hinweise geben Grund zur Annahme, dass er gerne die Gastfreundschaft seiner Jünger und Freunde angenommen hat. Es ist möglich, dass er immer wieder in Kapernaum im Haus der Familie des Zebedäus gastliche Aufnahme findet. Begründen ließe es sich auch damit, dass die Frau des Zebedäus, Salome, eventuell die Schwester der Mutter von Jesus ist, wie ein Vergleich von Mt 27,56 mit Mk15,40 und Mk.16,1 sowie Joh 19,25 nahe legt (siehe auch Mt 20,20; Mk 10,35-40). Wir können also annehmen, dass Jesus keinen eigenen Haushalt führte. Die notwendigen Bindungen und Verpflichtungen hätten seine kurzen aber sehr intensiven Dienstjahre stark und unnötig eingeengt.
Fragen / Aufgaben:
- Was waren die Gründe für die Niederlassung in Kapernaum?
- Wie begründen wir, dass der offizielle Umzug von Nazaret nach Kapernaum dem Hinabgehen nach Kapernaum in Lukas 4,31 voranging?
- Nenne inhaltliche Schwerpunkte in der Prophetie des Jesaja (Jes 8,23; 9,1).
- Was für Vorteile bot die Stadt Kapernaum für den Dienst von Jesus?
- Suche nach Material über die Stadt Kapernaum.
- Bist du schon oft umgezogen?
- Welche Bedeutung hat unser Wohnsitz für unseren geistlichen Dienst?
Jesus beginnt seinen Verkündigungsdienst in Kapernaum
In diesem Abschnitt wollen wir die zeitlichen und auch inhaltlichen Aspekte betrachten. Denn beide Aspekte sind vom Text her vorgegeben.
Der zeitliche Aspekt – wann begann Jesus mit der Verkündigung?
(Bibeltext: Mt 4,17; Lk 3,23)
Gleich im Anschluss an die Niederlassung von Jesus in Kapernaum, heißt es bei Mstthäus: „Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Denkt um, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“ (Mt 4,17). Hier ist also der eigentliche Beginn des Verkündigungsdienstes von Jesus beschrieben. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Beginns seiner Lehrtätigkeit ist berechtigt und eine Zeitbestimmung ist hier lohnend, ja sogar wichtig. Der Evangelist Lukas gibt das Alter von Jesus an und zwar zum Zeitpunkt des Beginns seines öffentlichen Dienstes. So schreibt er: „Und er selbst, Jesus, war ungefähr dreißig Jahre alt, als er auftrat (…).“ (Lk 3,23). Auch Johannes der Täufer beginnt seinen Dienst (als Priestersohn) mit etwa dreißig Jahren. Ursprünglich hatte Gott für die Priester als Dienstbeginn für das öffentliche Amn der Priester, das Alter von dreißig Jahren festgesetzt (4Mose 4,3.23.30.35.39.43.47) und ihr aktiver amtlicher Dienst endete mit fünfzig Jahren. Daher nehmen wir an, dass Johannes und Jesus, entsprechend der ursprünglichen Anforderung, mit dreißig Jahren ihren öffentlichen Dienst begannen. Übrigens war dieses Alter eines von drei Voraussetzungen, um im Hohen Rat (Synedrium) Mitglied zu werden. Ungefähr (gr. ώσεί, – ösei) dreißig in Lukas 3,23 bedeutet, knapp dreißig. Der Historiker Lukas scheint zu unterscheiden zwischen darunter, genau und darüber. Aufgrund der Vergleiche der zeitlichen Angaben in seinen zwei Berichten, kann man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sagen, dass Jesus bei seinem Dienstbegeginn noch nicht ganz dreißig Jahre alt war. (Siehe Exkurs „Zeitangaben“ im Anhang).
Ausgehend von der Zeitangabe des Lukas in Kapitel 3,1ff: „Im fünfzehnten Jahr der Regierung des Tiberius Caesar“, beginnt Johannes mit seiner Tauftätigkeit – frühestens im Herbst 28 oder spätestens im Frühjahr 29 n. Chr.. Tiberius trat seine Herrschaft am 19. August des Jahres 14 n. Chr. an. Rechnet man 14 volle Jahre nach vorne, kommt man in den Sommer des Jahres 28 n. Chr. Das fünfzehnte Jahr des Tiberius begann also am 19. August 28 n. Chr..
Für den Beginn der Tauftätigkeit des Johannes müssen auch die jahreszeitlichen, bzw. die klimatischen Verhältnisse in Palästina berücksichtigt werden. Gut möglich, dass Jesus etwa ein halbes Jahr später sich von Johannes im Jordan taufen ließ und nach etwa zwei Monaten in Kapernaum öffentlich mit der Verkündigungstätigkeit begann. Der sechsmonatige Altersunterschied zwischen Johannes und Jesus, welcher von dem Engel Gabriel so deutlich unterstrichen wird, könnte in diesem Zusammenhang als Anhaltspunkt gewertet werden (Lk 1,26).
In der Apostelgeschichte 13,25 macht der Apostel Paulus Jahre später eine interessante und aufschlussreiche Zeitangabe im Zusammenhang der Wirksamkeit des Johannes. Er sagt: „Als aber Johannes seinen Lauf erfüllte, sprach er: was ihr meint, dass ich sei, bin ich nicht, sondern siehe, es kommt einer nach mir“. Die Aussage „seinen Lauf erfüllte“, meint nicht das Ende seines Dienstes generell, sondern den Höhepunkt seiner Berufung, denn zum Zeitpunkt dieser Aussage war Jesus noch nicht getauft (Mt 3,11; Lk 3,16; Joh 1,20). Der Höhepunkt im Dienst von Johannes war, den Messias Jesus dem Volk Israel bekannt zu machen (Joh 1,31). Daher kann man die Zeit zwischen Frühling bis Spätsommer des Jahres 29 n. Chr. für den Beginn des öffentlichen Auftretens von Jesus annehmen.
Fragen / Aufgaben:
- Wann begann Jesus seinen öffentlichen Dienst?
- Wie alt war Jesus zu Beginn seines Dienstes?
- Spielte das Alter eine Rolle für den Dienst von Jesus?
- Welche Etappen oder Vorbereitungen benötigst du noch, um guten Dienst im Reich Gottes tun zu können?
Das Hauptthema der Verkündigung von Jesus
(Bibeltexte: Mt 4,17; Mk 1,15)
Inzwischen ist Jesus kein Unbekannter mehr. Seine öffentliche Taufe und das Zeugnis über ihn durch Johannes den Täufer am Jordan haben ihn in kurzer Zeit weithin bekannt gemacht. Der Evangelist Lukas schreibt: „(…) und die Kunde von ihm ging aus in die ganze Umgegend.“ (Lk 4,14b). Das Hauptthema und der Hauptinhalt der Predigten von Jesus lautete: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Denkt um und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,15). Das griechische Wort `,ευανγέλιον – evangelion` bedeutet gute Nachricht, frohe Botschaft. Die Begriffe „Reich Gottes“ (Lukas 32 mal) und „Reich der Himmel oder Himmelreich“ (Matthäus 31 mal) sind austauschbar und ergänzen einander. Matthäus hat mit Vorliebe den Himmelreichsbegriff verwendet und definiert damit das Reich Gottes nicht nur als vom Himmel kommend, sondern auch als nicht von dieser Welt. Christus ist gekommen die Herrschaft Gottes in dieser Welt aufzurichten. In seiner Person bricht die Herrschaft Gottes ganz real an. Diese anbrechende Herrschaft Gottes wird als die Frohe Botschaft verkündigt und gelebt. In jedem Wort und jeder Tat von Jesus offenbart sich Gottes Herrschaft.
Auffallend sind die Unterschiede und das Gleichbleibende (Kontinuität und Diskontinuität), wenn wir die Qualität des Reiches Gottes, offenbart im historischen Israel, mit der Qualität des Reiches Gottes, offenbart in Jesus, vergleichen. Beide Reiche sprechen von dem gleichen Bundesgott JAHWE und dem einen Heilsplan, darum kann man auch von dem einen Reich Gottes, dem einen Heilsbund Gottes sprechen. Doch auch die Unterschiede wollen wir sehen. Das Reich Israel ist zeitlich und auch räumlich begrenzt und der Qualität nach oft physisch-materieller Natur. Das Reich Gottes, das Jesus persönlich verkörpert und verkündigt, ist jedoch ein ewiges, himmlisches, göttliches Reich (Lk 1,31-33) also nicht von dieser Welt (Joh 18,36), nicht materiell physisch. Es wirkt sich aber sehr positiv und heilsam auf das Materielle/Physische (Schöpfung/Mensch) aus (Lk 17,21; Röm 14,17).
Dieses göttliche Reich kann nur der erfahren, der in dieses Reich eingeht, indem er umdenkt. In Johannes 3,3.5 sagt Jesus, dass nur durch eine Geburt von oben, bzw. Geburt durch Wasser (Wort Gottes) und Geist (Gottes Geist), kann ein Mensch das Reich Gottes sehen oder erfahren.
Für `denkt um` steht im griechischen das Verb `,μετανοίτε – metanoite` und meint eine Veränderung, bzw. Umkehr im Denken. Von Kindheit an wird der Mensch durch seine gefallene Natur in seinem Denken negativ beeinflusst und geprägt. Bereits bei Kindern bemerken wir, wie ungehemmt das Innere nach außen dringt. Sie geben sich, wie sie sind, mal ganz lieb, freundlich mitteilsam und ein andermal können sie sich sehr boshaft bis brutal benehmen. Erwachsene Menschen lernen im Laufe der Zeit ihr wahres Inneres zu verbergen. Dieses verformte Denken wirkt sich negativ auf das Verhalten und das Handeln aus. Durch verschiedene Einflüsse im Elternhaus, durch die jeweiligen gesellschaftlichen Ideologien, religiöse Prägungen, wird das Menschliche Denken geformt.
Gerade hier in der Schaltzentrale des Menschlichen Herzens setzt Jesus an. Überdenken, umdenken, aber in welche Richtung?
Jesus verwendete mehr als drei Jahre, um durch Predigt, Lehre, Gleichnisse, Beispiele, Bilder, sowie durch konkrete Handlungen, Menschen den Wert und die Notwendigkeit der NEUE Denkweise zu erklären. Denn „Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein.“ (Lk 16,16). In dieser Frohbotschaft wird der Wille Gottes offenbart, denn er will das alle Menschen gerettet werden (1Tim 2,4). Dies wird möglich durch den Glauben an Jesus den Gesalbten und Gesandten Gottes (Joh 3,16-17).
Fragen / Aufgaben:
- Was war der Hauptinhalt der Verkündigung von Jesus zu Beginn seines Dienstes?
- Warum spielt das Umdenken, die Umkehr eine so große Rolle in der Botschaft von Jesus?
- Welchen Unterschied siehst du zwischen dem Reich für Israel und dem Reich Gottes, das in Jesus angebrchen ist?
- Auf was legst du in deinem Zeugnis für Jesus wert?
- Bist du im biblischen Sinne schon umgekehrt? Gelingt es dir seitdem weiterhin umzukehren, wenn du etwas falsch gedacht, gesagt oder gemacht hast?
Berufung der ersten vier Jünger und der Fischfang des Petrus
(Bibeltexte: Mt 4,18-22; Mk 1,16-20; Lk 5,1-11)
Die Berichte der Evangelisten Matthäus und Markus über die Berufung der ersten vier Jünger ähneln sich sehr. Der sich anschließende Fischfang des Simon Petrus wird nur vom Evangelisten Lukas beschrieben. Letzterer nennt jedoch so viele ergänzende Details, dass der Eindruck sich festigt – es handelt sich um dasselbe Tagesereignis am See Genezaret. In der folgenden Tabelle sind die Texte aller drei Evangelisten aufgeführt:
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Folgender Ablauf der Ereignisse dieses Tages am Ufer des Sees von Genezaret ist vorstellbar.
Jesus geht morgens am See entlang. Da sieht er Simon und Andreas, wie sie ein ihre Wurfnetze in den See werfen, sie waren nämlich Fischer (Mt 4,18). Zum Fischfang wurden verschiedene Netzarten verwendet (Schleppnetze, Stellnetze, Wurfnetze), je nach den Gegebenheiten des Fischens.
Mit dem Wurfnetz (gr. αμφιβληστρον – amphibl¢stron) konnte man vom Ufer aus oder im flachen Wasser fischen. Es handelte sich dabei um ein kreisrundes Netz, das drei bis fünf Meter im Durchmesser hatte. An den Rändern waren Gewichte angebracht und in der Mitte eine Schnur, mit der man den Netzrand nach dem Wurf ins seichte Wasser, zusammenzog. Somit waren die Fische im Netz eingeschlossen. Die Netze wurden wahrscheinlich mit Seil oder Schnur aus Flachs, Papyrus oder Hanf geflochten. Weil sie (Petrus und Andreas) gerade in dieser Nacht auf offener See nichts fingen (Lk 5,5), ist das morgendliche Fischen am Ufer mit Wurfnetzen verständlich.
„Die meisten Menschen im jüdischen Palästina ernährten sich von Weizen, Gerste und Salzfisch, die [regionale] Küche kannte daher viele Fischsoßen. Unter den Fischen im See Gennesaret fand sich eine besonders große Karpfenart; zur Haltbarmachung wurde der Fisch getrocknet oder eingelegt. Die Fischer waren eine der ökonomischen Hauptstützen Galiläas und hatten, gemessen am Durchschnitt, ein gutes Auskommen; jedenfalls ging es ihnen wesentlich besser als den vielen Kleinbauern im riesigen Römischen Reich“ (Keener 1998,67).
Dieses Bruderpaar ruft Jesus in seine Nachfolge. Es fällt auf, dass der Evangelist Matthäus Simons Beinamen `Petrus` hinzufügt. Damit erinnert er an die erste Begegnung von Simon mit Jesus am Jordan. Dort erhielt er ja diesen Bei- oder Zunamen, der seine Identität und seinen Charakter neu prägen sollte (Joh 1,42).
„Der Ruf in die Nachfolge unterscheidet sich erheblich vom Jüngerleben der anderen Rabbis. Es ging nicht um die korrekte Überlieferung von Schrifttexten, ihre Auslegung oder die viel diskutierten Lehren der Schrift! Auch sollte nicht ein schon erwählter Lebensstil verfeinert werden, sondern der Ruf bedeutete ein völlig neues Lebenskonzept. Die Jünger der Rabbiner und auch des Johannes des Täufers folgten ihren Meistern, um zu lernen. Jesus wollte Jünger der Tat – Jünger die sich aktiv an seinem Werk beteiligten = als Menschenfischer arbeiten“ (Edersheim 1979, 475).
Die sofortige Nachfolge ist nicht so ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass die Beteiligten
- sich am Jordan kennen lernten
- Jesus nach Galiläa begleiteten
- Jesus bei dessen Umzug von Nazaret nach Kapernaum begleiteten,
- Das erste Wunder in Kana erlebten und Jesus deshalb schon ihr Vertrauen genoss (Joh 1,35-41; 2,1.12).
Αuch dieses Bruderpaar ruft Jesus in seine Nachfolge. Auffallend dabei ist, dass nach der jüdischen Tradition sich junge Männer einen bestimmten Rabbi aussuchten um dann von ihm zu lernen und seiner Schriftauslegung zu folgen – nicht so bei Jesus, er ruft, bzw. beruft, wen er will (Joh 15,16). Die Annahme, dass die von Jesus Berufenen von so niedriger sozialer Rangstufe waren, so dass sie von keinem Rabbi angenommen wurden, findet kaum eine Bestätigung in der Schrift. Petrus, Andreas, Johannes und Jakobus waren mit ihren Familie wirtschaftlich so gut gestellt, dass sie Tagelöhner anstellen konnten (Mk 1,20). Sie hatten also einen einträglichen Beruf und ihr festes soziales Netz (der Vater wird verlassen!) aufgegeben. Die sofortige Bereitschaft dieser Brüder lässt sich ebenfalls damit erklären, dass sie Jesus bereits von den Erlebnissen am Jordan her kennen und ihm vertrauen. Johannes und Andreas waren schon dort Jünger vom Täufer (Joh 1,35ff). Übrigens gehört Andreas und Johannes zu den ersten zwei, welche Jesus „nachgelaufen“ sind (Joh 1,37-40). Das offensichtlich gewachsene Vertrauen der ersten berufenen Jünger zeigt ihre Messiaserwartung und ihre Schlichtheit im Glauben. Dennoch stand dieser Glaube in einem auffälligen Gegensatz zur Kultur und Denkweise der Zeitgenossen, die immer betonten, dass das Gebot Vater und Mutter zu ehren, einen so drastischen plötzlichen Wechsel verbieten würde. Doch auch Gideon, Elisa und Jeremia wurden in einer beschäftigten Phase ihres Lebens von Gott in den Dienst gerufen – Gott hat ein besonderes Augenmerk für fleißige und eigentlich ausgelastete Menschen!
Der Evangelist Lukas unterstreicht, dass sich viele Menschen zu Jesus am Seeufer versammeln und er in Simons Boot steigt und ihn auf seine Bitte hin ein wenig vom Lande wegrudert (Lk 5,3-4). Jesus lehrt sitzend im Boot, die Menschen stehen am Ufer aneinander gedrängt. Die Lehre des Rabbi Jesus ist vollmächtig und alle können ihn gut hören, denn die Akustik ist im ansteigenden Gelände des Uferbereichs besonders gut. Nach der Botschaft von Jesus kommt die Tat, oder der Beweis des vollmächtigen Redens. Gott hat seine Pläne und dazu nutzt er die Verlegenheit der Fischer und ihren Misserfolg. Unsere menschlichen Grenzen sind sehr oft der Beginn des Handelns Gottes.
Jesus sagt zu Petrus: „Fahre hinaus auf die Tiefe des Sees und lasst eure Netze hinunter, oder: werft eure Netze aus“. In der Reaktion des Petrus schwingen Töne des Unverständnisses, der Besserwisserei, aber auch des Vertrauens mit: „Meister, wir haben die ganze Nacht gefischt (gearbeitet) und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.“ (Lk 5,5). Einige Wunder wirkt Gott, ohne dass ihn jemand darum bittet, da sie ein unbedingter Teil seines souveränen Planes sind. Diese Wunder sind notwendig für das Reich Gottes.
- Gott zeigt durch sie seine Überlegenheit im Vergleich zur menschlichen Begrenztheit
- Durch diese Wunder wird die Messianität von Jesus bekr#ftigt
- Gott zeigt dadurch seine Güte und Fürsorge, Jesus übernimmt die Verantwortung für seine Diener – sie müssen mit ihren Familien nicht ohne Brot und Fisch bleiben.
Der Evangelist berichtet weiter, dass durch den reichen Fang beide Boote mit Fischen gefüllt wurden (Lk 5,7b). Wer Jesus nachfolgt, kann die Sorge um die tägliche Nahrung ihm überlassen. Jesus braucht Menschen, die bereit sind ihre Routine für ihn zu verlassen und das Evangelium zu allen Menschengruppen zu bringen. Der Glaubensgehorsam von Simon Petrus ist geradezu beispielhaft. Gilt dies nicht auch für Jünger heute!
„Ein Fischer vertraut einem Rabbi zwar in religiösen Dingen, aber sicher nicht in seinem eigenen Erfahrungsbereich, der Fischerei“ (Keener 1998, 324).
„Doch mit Jesus im Boot und auf seinen Befehl hin, müssen viele Fische gefangen werden“ (Edersheim 1979, 476).
Am Ende der Begebenheit sind nicht nur die Junger, sondern auch die ganze Volksmenge Zeugen der göttlichen Vollmacht von Jesus. Petrus ist überwältigt – seine Aussage: „Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch (Mann)“, macht deutlich, dass er erst hier seinen menschlichen Zerbruch und geistlichen Aufbruch erlebt. Der Ruf zur Nachfolge wird erst hier von Jesus ausdrücklich ausgesprochen. Menschen mit dieser Selbsterkenntnis und Selbsteinschätzung sind brauchbar für Jesus – andere mögen begabter und hoffnungsvoller sein – doch Menschen nach einem Bruch, einer Krise, einem ehrlichen und offenem Bekenntnis sind die „ersten“ im Mitarbeiterteam.
Im Text heißt es: „Und als sie die Boote an Land zogen, verließen sie alles und folgten ihm nach“. Diese Lebensentscheidung ist so wichtig und herausragend, dass die Evangelisten mühelos den weiteren Verbleib der vielen gefangenen Fische übergehen. Ihre Absicht war nicht der jeweils lückenlose und detaillierte Bericht der Wunder und Heilungen von Jesus, sondern die Darstellung der Wirkung die jeweils davon ausgingen. Nicht das Wunder steht im Vordergrund, sondern die Auswirkung: was Gott damit erreicht hat. So offenbarte sich das Reich, die Herrschaft Gottes in und durch die Person von Jesus.
„Die Vermehrung von Nahrung und Tieren, die Jesus hier vollbringt, hat alttestamentliche Vorbilder“ (Nahrung: 2Mose 16,13; 2Kön 4,1-7.42-44; Tiere 2Mose 8,3.13.20; 10,13; Keener 1998, 324).
Die Wendung „von nun an wirst du Menschen fangen“ ist eine prophetische Voraussage auf den bevorstehenden Dienst als Apostel und Evangelist, beginnend noch unter der Leitung und Begleitung von Jesus (Mt 10; Joh 21,1-15) und später am Pfingsttag in Jerusalem (Apg 2-6), der sich fortgesetzt hatte in Judäa (Apg 10-11), Samarien (Apg 8) und über die Landesgrenzen hinweg (Gal 2,11).
Fragen / Aufgaben:
- Warum verbindet Jesus die Berufung der ersten Jünger mit einem Fischfangwunder?
- Wie erklärst du die sofortige Bereitschaft der ersten vier Jünger, Jesus nachzufolgen?
- Was erlebt Petrus bei dieser Begegnung?
- Wie reagierst du, wenn du in deinem Beruf Misserfolge hast?
- Wie und wann bist du Jesus nachgefolgt?
Jesus vollbringt Wunder und Heilungen in Kapernaum
(Bibeltexte: Mk 1,21-28; Lk 4,31-37)
Jesus befreit einen Besessenen in der Synagoge
Sowohl der Evangelist Markus als auch Lukas haben die Befreiung des Besessenen und die folgende Heilung der Schwiegermutter Simons in übereinstimmender Reihenfolge überliefert. Der Evangelist Matthäus überliefert die Befreiung nicht und Lukas schildert beide nach dem Besuch in Nazaret. Hier folgen wir dem Bericht des Evangelisten Markus:
Und sie gingen hinein nach Kapernaum; und alsbald am Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Und sie entsetzten sich über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie die Schriftgelehrten.
Und alsbald war in ihrer Synagoge ein Mensch, besessen von einem unreinen Geist; der schrie: Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes! Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! Und der unreine Geist riss ihn hin und her und schrie laut und fuhr aus von ihm. Und sie entsetzten sich alle, sodass sie sich untereinander befragten und sprachen: Was ist das? Eine neue Lehre in Vollmacht! Er gebietet auch den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm! Und die Kunde von ihm erscholl alsbald überall in das ganze Land um Galiläa. (Mk 1,21-28).
Wie wir gesehen haben, fand die Berufung der ersten Jünger an einem Werktag statt und zwar am Ufer des Sees. Die Geschichte von der Befreiung eines von einem Dämon besessenen Menschen jedoch ereignete sich an einem Sabbat im Rahmen eines Synagogengottesdienstes in Kapernaum. Das häufig gebrauchte Wort „sofort/sogleich“ bei Markus bezieht sich auf den Sabbat, nicht auf das Geschehen am See. In den Evangelien finden wir Berichte über Austreibungen von Dämonen oder unreinen Geistern zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten. Geistlich bewertet ist dies ein trauriges Zeugnis für das Volk Israel zur Zeit von Jesus. Denn besessen werden Menschen nicht, durch falsche Ernährung und schon gar nicht durch das Einhalten der Gebote Gottes (lies 5Mose 18,9-15). Es gibt auch unter den Zeitgenossen von Jesus die Praxis der Dämonenaustreibung – Exorzismus genannt (Mt 12,24-28) wobei gar nicht sicher ist, ob sie erfolgreich waren. Es gibt verschiedene Stufen des Besessenseins. Ab dem Sündenfall von Adam und Eva befinden sich alle Menschen unter dem Einfluss böser Mächte. Dabei sind sie je nach Umfeld, unterschiedlicher Umstände und Lebensführung geschützter oder auch ungeschützter diesem Einfluss ausgesetzt.
- Wer zu Wahrsager/innen oder Besprecher/innen geht, um sich die Zukunft voraussagen zu lassen, steht unter einem bestimmten Maß von Einfluss böser Mächte.
- Wer selber besprochen, gewahrsagt oder andere okkulte Praktiken aktiv ausgeübt hat, steht direkt unter der Macht von Dämonen.
- Der Einzug eines Dämons in das Herz (den Geist) eines Menschen vollzieht sich oft langsam, wie bei Judas Iskariot: „Aber der Satan fuhr in Judas, der Iskariot genannt wurde und aus der Zahl der Zwölf war. Und er ging hin und besprach sich mit den Hohenpriestern und Hauptleuten, wie er ihn an sie überliefere.“ (Lk 22,3-4).
Es ist für Jesus selbstverständlich am Sabbat in die Synagoge zu gehen. Synagogen waren Gemeinschaftszentren, Orte des Gebets und des Schriftstudiums. Wenn sich durchreisende Lehrer in der Stadt aufhielten, luden die Synagogenvorsteher sie gewöhnlich zur Lesung ein, vor allem am Sabbat. Dort wurde erst stehend der hebräische (Gesetzes)-Text gelesen, dann ins Aramäische übersetzt, anschließend wurde der Text sitzend besprochen. Natürlich nutzt Jesus die Gelegenheit zur Lehre – ja bald wurde dies ihm zur Gewohnheit (Lk 4,16; Joh 18,20). Seine Lehre unterscheidet sich von anderen Lehrern durch Vollmacht und Kraft. Seine Lehre ruft bei den Zuhörern, die sich damals an der Schriftauslegung aktiv beteiligen durften, Verwunderung und Staunen hervor.
- Jesus war die Wahrheit in Person und sprach die Wahrheit (Joh 14,6; 18,37).
- Jesus sprach über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens und Sterbens; über die Ewigkeit. Er verlor sich nicht in Nebensachen
- Jesus lehrte klar und mit System
- Jesus nutzte viele lebendige Vergleiche und Illustrationen
- Jesus liebte die Zuhörer und leitete sie zum Vater
- Jesus sprach mit Autorität/Vollmacht direkt im Namen des Vaters – er brauchte keinen anderen Rabbiner als Autorität zu zitieren (Hendriksen 1975, 63).
Ein Besessener im Raum wird bis dahin wahrscheinlich nicht als solcher wahrgenommen worden sein. Oft verhalten sich diese Menschen ruhig und werden erst bei der Begegnung mit Jesus oder seinen Aposteln – oft auch im Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums – aggressiv. Hier einige Hinweise zu Dämonen im NT:
- Im NT finden wir fast keine Details zur Herkunft, Natur, Eigenschaft oder Gewohnheit der Dämonen. Es gibt keine theoretische Abhandlung oder Lehre über Dämonen im NT. In einem sehr bildlichen Abschnitt (Mt 12,43) spricht Jesus von Dämonen „die dürre Stätten durchwandern.“ In der Begebenheit von Gadara Lk 8,31 erbitten die Dämonen, nicht in den `άβυσςον – abysson – Abgrund` als letzten Aufenthaltsort fahren zu müssen. Die Kontrolle über Menschen offenbart sich z.B. durch: Schreien oder zu Boden/ins Feuer zerren. Allerdings lesen wir nichts von gleich bleibenden eindeutigen Kennzeichen. Bei allen Erzählungen bildet Jesus – der sich erbarmt und heilt – und nicht der Dämon das Zentrum. Deutlich wird, dass Dämonen zur unsichtbaren Welt gehören, dass sie sich selbst nicht sichtbar machen (außer durch Störungen bei Menschen). Damit sind viele Schauermärchen hinfällig. Damit gibt es „einen kaum drastischeren Kontrast der Berichte des NT zu den Ansichten und Praktiken beschrieben in den rabbinischen Schriften“ (Edersheim 1979, II 776).
- Im Neuen Testament ist der Dämon ein böses Wesen, das zum Reich des Satans gehört. Die Zerstörung des Werkes Christi ist sein Ziel. Doch Christus herrscht auch über diesen Bereich, sodass der lebendige Glaube an Jesus ein hinreichender Schutz ist.
- Das NT berichtet nirgends, dass magische Riten von Dämonen befreien. Die Befreiung wird als geistlicher und ethischer Prozess beschrieben.
- Nach dem Neuen Testament ist die Tätigkeit der Dämonen stark begrenzt – im Gegensatz zur babylonischen Ansicht, die davon ausgingen, dass überall und ständig Dämonen an jeder Ecke, an jedem Fluss, auf Berggipfeln – mal als Schlangen – mal als Vögel auf Opfer lauerten. Vom Zahnschmerz bis zur Eifersucht … alles wurde den Dämonen zugeschrieben. Wir finden ca. 80 Hinweise auf Dämonen im Neuen Testament. In 11 Fällen wird der Unterschied zu einer Krankheit deutlich gemacht (Mt 4,24; 8,16; 10,8; Mk 1,32.34; 6,13; 16,17.18; Lk 4,40.41; 9,1; 13,32; Apg 19,12). Die Besessenheit war deutlich nicht nur ein mentales Phänomen (Mt 9,32.33; 12,22). In zwei Fällen wird sie von einem stark verworrenem Zustand begleitet (Mt 8,28 und Apg 19,13f). In nur einem Fall erinnert das Geschehen an Epilepsie (Mt 17,15) oder wird ausdrücklich von der so genannten Mondsucht unterschieden (Mt 4,24). Die Unterscheidung zwischen dämonischer Ursache oder allgemeiner Ursache für eine Krankheit wird gemacht (Mt 12,22; 15,30). Der Schwerpunkt der Erwähnung im Neuen Testament liegt auf der erfolgreichen Heilung – sodass dieses Thema weniger ein Thema ist, dass Angst und Schrecken verbreitet.
Besessenheit von Gläubigen können wir ausschließen – auch sonst ist Zurückhaltung geboten. Erfahrene Seelsorger berichten von vielen seelischen Krankheiten und wenigen Besessenen im Rahmen ihres Gemeindedienstes. Nach der Beichte von okkulten Praktiken – darf es ein Lösen im Namen von Jesus geben.
Beachten wir die Aussage des unreinen Geistes, der bei Lukas auch Dämon genannt wird: „Ha, was uns und dir, Jesus, Nazarener“? Bist du gekommen uns zu vernichten? Ich weiß wer du bist, der Heilige Gottes!“ Griechisch: `πνεύμα δαιμονίου ακαθάρτου – pneuma daimoniou akathartou` wörtlich: Geist des unreinen Dämons. Die Dämonen haben ein bestimmtes Maß an Kenntnissen
- über Gott,
- über den Menschen,
- über sich selbst,
- über andere Dämonen
- und über ihre Zukunft.
Jesus ist gekommen, damit er die Werke des Teufels nicht nur bekämpfe, sondern damit er sie zerstöre (1Joh 3,8). So lesen wir weiter: Jesus fuhr ihn an/bedrohte ihn/gebot ihm mit den Worten: „Verstumme und fahre aus von ihm“. Worte eines unreinen Menschen können viel Schaden anrichten, darum unterbricht Jesus das Reden des Dämons. Er verbietet ihm zu sprechen. Er macht ihn stumm. Pure Lüge geht von Dämonen aus, auch wenn sie Richtiges sagen. „Der (Teufel) ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.“ (Joh 8,44).
- Mit ihren Aussagen lenken die Dämonen die Aufmerksamkeit der Menschen von Jesus weg und ziehen diese auf sich;
- In keinem Fall ist es ihre Absicht, für Jesus Werbung zu machen oder ihm gar zu Huldigen.
Das Ergebnis dieser Heilung war: „Und die Kunde von ihm ging sogleich aus überall in der ganzen Umgebung Galiläas.“ (Mk 1,28; Lk 4,37). Obwohl er nur eine Person von einem unreinen Geist befreit, ist allen klar: ab jetzt müssen auch andere unreine Geister weichen! Die Herrschaft Gottes ist in der Person von Jesus angebrochen.
Fragen / Aufgaben:
- Wie kommen Menschen in dämonische Besessenheit?
- Wann und wie äußern sich von Dämonen besessene Menschen? Beschreibe ihren Zustand und ihre Äußerungen.
- David ist der einzige im AT, durch dessen Dienst Menschen von Dämonen (wenn auch nur zeitweise 1Sam16,23) befreit wurden. Wie beurteilst du die Austreibungen von Mt 12,24-28; Apg 19,13-17?
- Hattest du schon mal Kontakt mit von Dämonen belasteten Menschen? Wie müssen wir heute mit solchen Fällen umgehen?
Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus vom Fieber
(Bibeltexte: Mt 8,14-15; Mk 1,29-31; Lk 4,38-39)
Im Markus- und Lukasevangelium lesen wir, dass Jesus zuerst die Synagoge besucht und dann das Haus von Simon betritt. Im Matthäusevangelium wird die Reihenfolge andersherum dargestellt.
Und sobald sie aus der Synagoge hinausgingen, kamen sie mit Jakobus und Johannes in das Haus Simons und Andreas. Die Schwiegermutter Simons lag fieberkrank danieder und sofort sagen sie ihm von ihr. Und er trat zu ihr, ergriff sie bei der Hand und richtete sie auf; und das Fieber verließ sie, und sie diente ihnen. (Mk 1,29-31).
Der Evangelist Markus nutzt wieder sein Lieblingswort `ευθύς – eythys – sofort/sobald`, um den schnellen Handlungsfortschritt zu betonen. Dieses Wort wird auch für `gerade` gebraucht (Apg 9,11).
Sofort, nachdem sie aus der Synagoge heraus gehen, eilen sie geradwegs zum Haus Simons. Hier wird deutlich: Simon Petrus besitzt in Kapernaum ein Haus und sein Bruder Andreas wohnt bei ihm oder ist gar Miteigentümer. Wir wissen jedoch auch, dass Petrus mit seinem Bruder Andreas aus Betsaida stammt (Joh 1,44). Vielleicht siedelten beide im Zuge der Heirat mit einem Mädchen aus Kapernaum dorthin um. Andere Ausleger gehen, davon aus, dass die Familie dort ein Haus hatte und Simon seine verwitwete Schwiegermutter in der Familie aufgenommen hatte (Keener 1998, 214).
Dafür können allerdings auch wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein. Auf jeden Fall bilden die beiden Brüder Jakobus und Johannes (Söhne des Zebedäus) mit Simon und Andreas eine Art Fischereikooperative (Lk 5,10). Jesus kommt ins Haus seiner Nachfolger und findet eine gute Aufnahme – mit allen orientalischen Implikationen, d.h. man lässt es an nichts fehlen, so dass er sich in jeder Weise willkommen fühlt. Jesus macht sich bewusst abhängig von der Gastfreundschaft der Menschen. So sorgt der Vater im Himmel für seinen Sohn auf Erden! Von den Jüngern begleiten ihn nur Jakobus und Johannes – andere Jünger werden noch nicht erwähnt. Dies kann zusätzlich als Begründung gesehen werden, dass diese Begebenheit sich am Anfang der Wirksamkeit von Jesus zugetragen hat – wahrscheinlich vor der offiziellen Berufung der weiteren Jünger.
Nun ist Jesus im Haus und wird über die Krankheit, bzw. das hohe Fieber der Schwiegermutter informiert. Im Gebiet des Sees Genesaret gab es im Bereich der Jordanmündung bis ca. 1930 Malaria. (Wilken, Erich. 1953). Übrigens wird uns im NT der Name und Details von Simons Frau nicht mitgeteilt (siehe auch 1Kor 9.5). Der Evangelist Lukas ergänzt, dass die Hausbewohner Jesus angesichts des hohen Fiebers um Hilfe bitten. Bei der Heilung der Schwiegermutter, geht Jesus ähnlich vor, wie bei dem Besessenen vorher. Dort fährt er den Geist an, hier bedroht er das Fieber, bzw. gebietet dem Fieber zu weichen. Das Wort `επετίμησεν – epetim¢sen – anfahren, bedrohen oder gebieten`, setzt konkrete Worte der Bedrohung voraus, die uns nur bei der Heilung des Besessenen überliefert werden: „verstumme und fahre aus von ihm“- hier wird jedoch keine Aussage von Jesus überliefert.
Die Evangelisten Markus und Matthäus vermerken, dass Jesus die Patientin an der Hand nimmt. Markus fügt hinzu, dass er sie aufrichtet. Dies geschieht im Gegensatz zu manchen frommen Zeitgenossen, die es – so weit möglich – vermieden eine Frau (noch dazu eine remde) zu berühren, um sich nicht zu verunreinigen (Keener 1998, 90).
Lukas nennt ein typisches ärztliches Detail (Hendriksen 1978, 268): das „sich über den Patienten beugen.“
Weiter bedroht Jesus das Fieber und dies weicht dann tatsächlich spontan und vollständig. Matthäus ergänzt: „Er berührte ihre Hand und das Fieber verließ sie.“ So wird deutlich: Jesus richtet die Schwiegermutter in übernatürlicher Weise auf. Die griechische Verbformen in diesem Satz unterstreichen die punktuelle Heilung (Aorist) und das andauernde Dienen (Imperfekt). Sobald diese auf den Beinen steht, beginnt sie den selbstverständlichen Gastgeberpflichten nachzukommen. Als älteste Frau im Haus geht sie mit bestem Beispiel voran, um so zu zeigen, dass sie sehr wohl weiß, was alles zu tun ist, damit der Gast sich willkommen fühlt. So wird sie im weiteren Sinne die erste weibliche christliche Diakonin (Tischdienerin) von Jesus Christus (Edersheim 1979, 486).
Was für ein köstliches Mahl wird sie wohl bereiten nach dem Ende des Sabbats am Samstag Abend – selbst wenn die Speisen karg gewesen wären – die Freude der Anwesenden über die beiden Heilungen, über die „Vollmacht“, über die Beweise des anbrechenden Gottes Reiches war groß. Weiter ist zu bedenken, dass das Dienen der Frau bei Tisch vor Männern, die nicht zur Familie gehörten, „verpönt war“ (Strack Billerbeck 1982, 480), um sie nicht an den Aufenthalt unter Männern zu gewöhnen. Doch Jesus setzt solchen frauenfeindlichen Regeln eine offene Freiheit entgegen.
Mit diesen beiden Heilungen beginnt Jesus sowohl im öffentlichen Bereich (Synagoge) als auch im privaten Bereich (Simons Haus) seinen Dienst und richtete mit diesen sozialdiakonischen Handlungen Gottes Herrschaft auf.
Fragen / Aufgaben:
- Beschreibe die Umstände und familiären Verhältnisse des Petrus.
- In welcher Weise bringst du Jesus mit „nach Hause“?
- Nenne biblische Personen die als „krank“ geschildert werden.
- Wie geht Jesus mit Krankheit um?
- Welche Erfahrungen mit Gott hast du in Krankheitsfällen gemacht?
Jesus predigt und heilt am Abend in Kapernaum
(Bibeltexte: Mt 8,16.17; Mk 1,32-34; Lk 4,40-41; Jes 53,4)
Der Evangelist Lukas schreibt:
Und als die Sonne untergegangen war, brachten alle ihre Kranken mit mancherlei Leiden zu ihm. Und er legte die Hände auf einen jeden und machte sie gesund. Von vielen fuhren auch die bösen Geister aus und schrien: Du bist der Sohn Gottes! Und er bedrohte sie und ließ sie nicht reden; denn sie wussten, dass er der Christus war. (Lk 4,40-41). Und der Evangelist Markus ergänzt: „Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür.“ (Mk 1,33b).
Nach dem Ende des Sabbats wurde Simons Haus und Hof zu einer überfüllten Heilungsstation für Kranke in Kapernaum, da die Notleidenden kaum mit ihrer Not warten konnten bis es endlich Abend geworden war.
HINWEISS: Das Ende des Sabbats festzulegen war und ist für die Juden nicht einfach. Abgesehen davon, dass die Dämmerung sich nach Jahreszeit und Standort verändert, gibt es verschiedene Weisungen der Halacha, des Religionsgesetzes. Sie besagt, dass der Sabbat am Freitagabend vor Sonnenuntergang beginnt und am Samstagabend mit dem Nachtbeginn endet. Um ganz sicher zu gehen, verlangt die Halacha, den Sabbat am Freitag etwas früher zu beginnen und am Samstag etwas später als beim Anbruch der Nacht zu beenden. Das Sabbat-Ende wurde definiert: Die Sonne steht mit sieben Grad und fünf Bogenminuten unter dem Horizont. Dazu addiere man sicherheitshalber drei Minuten, und sämtliche Ungenauigkeiten sind ausgeglichen. So verläuft die Grenze der Nacht in der jüdischen Welt je nach Standort verschieden. Einigkeit herrscht nur in der Frage des Bezugsortes der Tabelle für die verschiedenen Orte und Daten: Jerusalem. Während des Sabbats ist es den Gläubigen nicht erlaubt, ein Feuer zu entfachen. Da es aber der Freude und dem Frieden des Sabbats abträglich sein könnte, wenn die Menschen lichtlos durch Dämmerung und Nacht gingen, wurde schon vor langer Zeit eine einfache Lösung gefunden und zur religiösen Pflicht erhoben: das Ritual des Kerzenanzündens vor der Dämmerung. Über den korrekten Zeitpunkt für das Anzünden der Kerzen ist man sich in der jüdischen Welt einig: 18 Minuten vor dem vorausberechneten Sonnenuntergang. Eine klare Sache, wenn man die Korrekturen für arithmetische Rundungsfehler, atmosphärische Brechungseffekte, lokale meteorologische Bedingungen und eventuelle Gangfehler der Hausuhr vernachlässigt. Doch in der Regel brennen die Kerzen rechtzeitig und tragen ihr warmes Licht über die Grenze der Nacht. Eine praktikable einfache Regel für den Beginn lautete: Der Sabbat geht zur Neige, wenn am Samstagabend die ersten drei Sterne am Himmel zu sehen sind. |
Jesus heilte „viele“ (Mk 1,34) oder gar „alle“ (Mt 8,16). Es gab keine unheilbaren Fälle – auch war es für niemand zu spät – niemand war unveränderlich dem Tod geweiht. Der Evagelist Markus betont, dass Jesus viele und verschiedene Kranke heilte. Dabei wird deutlich der Unterschied zwischen Besessenen und anderen Leidenden gemacht. Der Evangelist Lukas schildert wie von einem Arzt zu erwarten ist: die Kranken werden von Nahestehenden gebracht, liebevoll wird jeder einzelne von Jesus empfangen, den Patienten werden die Hände aufgelegt und sie werden geheilt. Weder hier noch an anderen Stellen wird von Massenheilungen gleichzeitig berichtet, immer legt Jesus einzelnen Kranken die Hände auf, oft mit einer konkreten Frage verbunden: „was willst du, dass ich dir tun soll“ oder; „glaubt ihr, dass ich das tun kann?“ (Mk 10,51; Mt 9,28). Auch Lukas unterscheidet deutlich die Besessenen von anderen Kranken. Die Dämonen lies er dabei nicht reden, da er keine Worte (auch keine Werbung) von Seiten seines Erzfeindes: Satan hören wollte. Auf die Frage warum, die unreinen Geister Jesus als Gottes Sohn und Christus erkennen und ihn offenbaren, oder offenbaren wollen, könnte man antworten:
- Sie bangten sich besonders um ihr aktives Fortbestehen („Bist du gekommen uns zu quälen ehe es Zeit ist“ – Mt 8,29). Denn dieser Befreiungsdienst von Jesus kündigte das Ende der Herrschaft des Bösen an.
- Sie wollten Jesus sadistische Handlungen unterstellen (uns zu quälen) um ihn in Schwierigkeiten zu bringen – möglichst in einer Art, die seine Mission zum Scheitern bringen würde.
- Jesus wusste um die zwei Stufen seines Dienstes: vor der Auferstehung in Niedrigkeit und nach der Auferstehung in Herrlichkeit – er wollte hier keine voreilige Vermischung der beiden Abschnitte. Wenn er sogar seinen Jüngern angeordnet hatte, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei, um wie viel weniger wollte er sich durch die Dämonen publizieren lassen (Mt 16,20).
- auch wenn die Dämonen Richtiges sagen, verherrlichen sie nur sich selbst („wir wissen“) und schaden Jesus, darum müssen sie (außer in einem Fall – Mt 8,28-32; Lk 8,30) in der Gegenwart von Jesus schweigen.
Eine wichtige Regel im Befreiungsdienst heute sollte beachtet werden: Keine Diskussionen mit den unreinen Geistern, denn alles, was sie sagen, sagen sie zu ihrem eigenen Vorteil. Sie vertuschen die Wahrheit, oft mit sogar richtigem und frommem Gerede.
In diesen Heilungen sieht der Evangelist Matthäus, inspiriert vom Heiligen Geist, die Erfüllung einer alttestamentlichen Prophezeiung: „Jedoch unsere Leiden – er hat sie getragen, und unsere Schmerzen – er hat sie auf sich geladen“. (Jes 53,4). Diese Worte hatte Jesaja vor 722 v. Chr. gesprochen – doch sie gingen weit über seinen damaligen Horizont hinaus.
„In der erhaltenen rabbinischen Literatur tritt die Auslegung von Jes 53 auf den Messias erst seit dem 3. nachchristlichen Jahrhundert hervor; ihr bedeutendster Repräsentant ist hier der Prophetentargum. Neben der messianischen Auslegung geht die Deutung auf die Gerechten einher. Verhältnismäßig spät macht sich eine dritte Auffassung geltend. Diese jetzt im Judentum herrschende Auslegung hat zwar bereits in der Zeit des Origenes Vertreter gehabt, lässt sich aber für uns quellenmäßig erst seit Rabbi Schlomo ben Jizchak genannt: Raschi (gest. 1105 in Troyes) belegen … Rabbi Raschi legt die Frage von Jes 53,1 den Völkern der Welt in den Mund, die erst Israel für ein von Gott verworfenes Volk angesehen haben und nun erkennen, dass das Volk alle Leiden erduldet hat, nur um die Sünden der Weltvölker zu sühnen“ (Strack-Billerbeck1982, 481-485).
Ein weiterer Grund einmal den Studienort Raschi’s: Worms zu besuchen. Dort gibt es ein Raschi-Haus (Museum für jüdisches Leben in der Stadt).
Die Worte Jesajas klingen für uns so, als wären sie auf dem Hügel Golgatha angesichts der Schmerzen von Jesus gesprochen. Auf dem ersten Blick kann man den Eindruck gewinnen, als würde Matthäus über die Patienten von Jesus und Jesaja über das Leiden von Jesus sprechen. Doch dies ist kein Gegensatz, denn genau durch das Leiden von Jesus werden die Leidenden dieser Welt auf ewig geheilt.
Doch soll hier die Frage sehr deutlich gestellt werden: In welcher Weise trug Jesus unsere Leiden und Schmerzen:
- Wir lesen von seinem tiefen Mitgefühl und von seinem Erbarmen (Mt 9,36; 14,14; 20,34; Mk 1,41; 5,19; 6,34; Lk 7,13). Auch in manchen Gleichnissen teilt, öffnet uns Jesus sein Herz. Hier spricht kein „Externer“ kein ferner Gott, sondern Gott mit uns!
- Wir hören von seinem siegreichen Leiden für die Sünden aller Menschen, die den himmlischen Vater so sehr entehren. So war im übertragenen Sinne jeder Leidende für Jesus ein vorweggenommenes „Golgatha-Erleben.“
- Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Heilungen für Jesus nicht „leicht“ waren – genauso wenig wie der Zuspruch der Vergebung! Damit lud er de facto sowohl die Sünden, als auch das Leiden vorweg auf sich (1Petr 2,24).
In Jesaja 53,5 lesen wir: „(…) um unserer Vergehen willen (…)“. Letztlich ist jedes Leid auf die Ursünde der Menschheit: „Wir können ohne Gott leben!“ zurückzuführen. Die konkrete und direkte Verbindung zwischen Sünde und Leid/Krankheit wird uns allerdings nur selten offenbart – so sollten wir hier sehr zurückhaltend bleiben.
„Dass Jesaja den Schwerpunkt jedoch auf die körperliche Wiederherstellung in der messianischen Zeit und den Zusammenhang zwischen körperlicher und geistlicher Heilung in der jüdischen Überlieferung legt (Jes 33,24), lässt den Schluss zu, dass Matthäus hier ebenfalls an den Aspekt körperlicher Heilung denkt. Das Kommen von Jesus markiert den Beginn der messianischen Ära, da Jesus den Menschen bestimmte Wohltaten dieser Ära schon vor dem Kreuz zugänglich macht“ (Keener 1998, 91).
Dieser enge Zusammenhang zwischen geistlichem und körperlichem Heil lässt uns in tieferen Schichten der Details des Reiches Gottes blicken. Das geistliche und körperliche Heil stehen hier in einem inneren Zusammenhang. Jesus trennt geistliche und sozialdiakonische Arbeit nicht künstlich – es ist eins! Jesus kommt und bringt Hoffnung, Heilung, Leben…! Was für ein Abend! Doch denken wir daran, dass solche offensichtlichen Zuwendungen Gottes als Gnadengaben, beinhalten auch eine große Verantwortung (Lk 10,15).
Die Nachricht von den Wunderwerken in Kapernaum, erreicht auch Nazaret (Lk 4,23). Dieser Heilungsabend in Kapernaum unterstreicht die Aussage des Evangelisten Johannes, dass Jesus noch viele andere Zeichen tat, die nicht im Einzelnen aufgeschrieben wurden (Joh 20,30).
Fragen / Aufgaben:
- Heilt Jesus damals wie heute alle? – Ist dann Krankheit ein Zeichen der Herrschaft der Sünde?
- Warum ließ Jesus die Dämonen nicht reden?
- Was ist besonders beim Befreiungsdienst zu beachten?
- Warum gehören geistliches Heil und ein sich Kümmern um das Leid der Mitmenschen immer zusammen?
- Ist es wichtig eine Reihenfolgen festzulegen: zuerst geistliche Hilfe und sekundär auch sozialdiakonische Hilfe?
Das Missionskonzept von Jesus
Jesus betet am frühen Morgen außerhalb von Kapernaum
(Bibeltexte: Mk 1,35-37; Lk 4,42)
Die Evangelisten Markus und Lukas schreiben:
Und früh morgens, als es noch dunkel war, stand er auf und ging hinaus und ging fort an einen einsamen Ort und betete dort. Und Simon und die bei ihm waren, eilten ihm nach. Und da sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. (Mk 1,35-37). Als es aber Tag geworden war, ging er aus und begab sich an einen einsamen Ort und die Volksmengen suchten ihn. (Lk 4,42).
Jesus ist nicht nur ein Wundertäter, nicht nur einer der den Rabbinern seiner Zeit widerspricht. Er ist immer auch der geheimnisvolle Gottessohn, der die Einsamkeit sucht, um mit seinem Vater zu reden. Sein Herz ist bewegt von der Not der Menschen. Der Weg der Niedrigkeit (Fleischwerdung) bedarf des engen Kontaktes zum Vater – diese uns verborgene (mystische) Einheit innerhalb der dreieinigen Gottheit muss gepflegt werden. Diese Einheit ist aber auch der Ursprung für die inwendige Kraft, das Heil in Jesus und das anbrechende Gottesreich. Es ist nicht das einzige Mal, dass Jesus sich frühmorgens (wir können annehmen zwischen 3 und 6 Uhr morgens) zum Gebet zurückzieht. Der Ort des Gebets außerhalb der Ortschaft ist bewusst gewählt. Auch die Zeit, das frühe, einsame Gebet kann für manchen ein Vorbild sein.
„Bedenkt man unter welch engen Umständen Jesus wahrscheinlich mit vielen anderen Menschen in einem Haus wohnte, dann ist das freie Feld wohl der optimale Ort zum Gebet. Aus den jüdischen Schriften des 1. Jahrhunderts können wir schließen, dass in den einfachen Einraum-Häusern Galiläas 10-20 Personen lebten“ (Keener 1998, 214).
Da die Bewohner jedoch sehr früh morgens ihre Feldarbeit beginnen, musste Jesus sehr früh aufstehen um ungestört beten zu können. Doch auch diese Gebetszeit wird von Simon und anderen die nach ihm suchen gestört. Dies ist verständlich, nachdem sie die Wunder am Vorabend gesehen und erlebt haben. Für das einsame Gebet in der Abgeschiedenheit haben sie noch kein Verständnis. Von den Rabbinern aus der Pharisäerpartei sind sie öffentliches Gebet gewohnt (Mt 6,5).
Nun wäre es ja menschlich gesehen passend, hier in Kapernaum zu bleiben, doch Jesus hat noch viel vor. Andere Städte und Dörfer sollen ebenso das große Licht sehen und die wunderbare Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes hören. Später wird er nach Kapernaum zurückkehren. Auch der Evangelist Johannes unterstreicht, dass Jesus nicht lange in Kapernaum geblieben war (Joh 2,12b – „dort blieben sie nicht viele Tage“). Mit Bezug auf Apg 1,5 können wir annehmen, dass der erste Aufenthalt in der Stadt etwa zehn Tage dauerte. Doch macht er Kapernaum zu seiner Stadt und zur Ausgangsbasis seiner Missionsreisen (Mt 9,1). Alle synoptischen Evangelisten machen deutlich, dass Jesus von hier zu seiner zweiten Galiläareise aufbricht.
Fragen / Aufgaben:
- Warum suchte Jesus die Stille der frühen Morgenstunden?
- Was für eine Entscheidung traf er?
- Warum lässt er sich nicht von seinen Freunden überreden in Kapernaum zu bleiben?
- Wie hältst du es mit dem Gebet? Erzähle mal von deinem Gebetsleben!
Das planmäßiges Vorgehen von Jesus
(Bibeltexte: Mt 4,23-25; Mk 1,38-39; Lk 4,43-44)
Folgende Aussagen von Jesus machen deutlich, dass er nach einem bestimmten Plan oder Konzept vorgeht.
„Ich muss auch anderen Städten (größere Orte) das Evangelium verkündigen, denn dazu bin ich gesandt.“ (Lk 4,43). „Lasst uns anderswohin in die benachbarten Marktflecken gehen, damit ich auch dort predige, denn dazu bin ich ausgegangen. Und er ging und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus.“ (Mk 1,38-39).
Zunächst sucht Jesus die benachbarten Städte auf, zum Beispiel Betsaida und Chorazin. Dies ist im Einklang mit der Missionsstrategie, die er später seinen Jüngern verordnet (Apg 1,8): Jerusalem = E0, Judäa = E1, Samarien = E2 und das Ende der Erde = E3. E= Evangeliumskreis – dies ist eine eindrückliche Abkürzung aus der Missiologie. Jesus geht planmäßig vor, denn in seinem Dienst ist alles übersichtlich. Dieses: „Ich muss auch anderen Städten das Evangelium verkündigen“, spricht von einer klaren planmäßigen Absprache mit seinem Vater. Er ist nicht gezwungen dies zu tun, sondern er tut es freiwillig, er hat sich festgelegt, er kann nicht anders und darum: „Ich muss“.
„Er predigte in den Synagogen Galiläas“, macht erstens deutlich, dass Jesus sich der vorhandenen Einrichtungen bedient und zweitens, dass er nichts Geheimes oder Unerlaubtes tut, sondern öffentlich predigt. Dies steht im deutlichen Kontrast zum Reich-Israel Konzept der Zeloten, die heimlich eine Verschwörung gegen die Römer bilden und gegen sie gewaltsam operieren. Und so kann Jesus später bei seiner Verteidigung mit gutem Gewissen sagen: „Ich habe nicht im Verborgenen geredet.“ (Joh 18,20).
Der Hinweis: „Er trieb die Dämonen aus“, unterstreicht dass sich das Reich Gottes und damit die Herrschaft Gottes nun ausbreiten. Dieser Hinweis macht aber besonders in der Person des Gottes Sohnes deutlich, dass sich der eigentliche Kampf nicht gegen Menschen, sondern gegen die Mächte der Finsternis richtet (Eph 6,12ff). Jesus ist der, der die Vollmacht besitzt und auch ausübt.
Während der nun folgenden Rundreise kehrt Jesus immer wieder nach Kapernaum zurück.
Fragen / Aufgaben:
- Woran kann man das planmäßige Vorgehen von Jesus in seinem Dienst erkennen?
- Warum betont Jesus immer wieder: „Ich muss“? Musste er wirklich, oder konnte er auch anders? Wo und wann betont Jesus dieses „Ich muss“?
- Wie bereitest du dich auf neue menschliche oder geistliche Herausforderungen vor?
- Warum nutzt Jesus die vorhandenen Versammlungseinrichtungen? Was könnten wir davon ableiten?
- Wie breitet sich das Reich Gottes aus und woran erkennen wir es?
- Hat Gott auch für dein Leben einen Plan? Siehst du vielleicht, wenn auch mit Einschränkungen, Gottes Konzept in deinem Leben?
Jesus besucht Betsaida
Betsaida ist die Nachbarstadt zu Kapernaum. In biblischer Zeit lag die Stadt am Westufer der Jordanmündung, denn nach Johannes 12,21 lag Betsaida in Galiläa. Die späteren Weherufe von Jesus über Betsaida machen deutlich, dass Jesus diesen Ort öfters besuchte und dort viele Wunder vollbrachte (Mt 11,21; Lk 10,13). Nach den uns überlieferten Berichten der Evangelisten hielt sich Jesus mindestens dreimal in Betsaida auf (Mk 6,45; 8,22; Lk 9,10). Doch wahrscheinlich sind nicht alle Besuche dort aufgezählt, so auch der erste, von dem es lediglich heißt, dass Jesus in die benachbarten Städte ging, darunter war sicher auch das 4 km östlich liegende Betsaida. Wie der Name des Ortes schon deutlich macht (Fischhausen), beschäftigten sich die Leute mit dem Fischfang. Da drei Jünger von Jesus aus dieser Stadt kamen, war es ein zusätzlicher Grund öfters dorthin zu gehen.
Fragen / Aufgaben
- Was bedeutet der Name Betsaida und wo lag diese Stadt?
- Suche die Stellen auf, die von einem Besuch von Jesus in Betsaida erzählen und nenne sie kurz?
- Kennst du die Nachbarortschaften deiner Stadt? Gibt es auch dort Gläubige an Jesus Christus?
Jesus besucht Chorazin
Anders steht es mit der wenige Kilometer nordwestlich von Kapernaum und auf einer Anhöhe gelegenen Stadt Chorazin. Nur einmal wird sie in den Evangelien von Jesus selbst erwähnt und zwar im Zusammenhang mit den Weherufen (Mt 11,21; Lk 10,13).
Dadurch wird deutlich, dass Jesus dort viele Wunder vollbrachte und nur wenige an ihn als dem Messias glaubten. In den Jahren 1962-64 (sowie 1980-87) wurden von den Archäologen während der Grabungen Grundmauern einer Synagoge aus schwarzem Basalt freigelegt, die in das späte 3. Jahrhundert dadiert wird. Ebenso wurden verschiedene Mauerreste auf einem größeren Gelände verstreut freigelegt. Alles Hinweise, dass es sich um den Ort Chorazin handeln könnte und Jesus auch diesen Ort vielleicht sogar mehrmals besuchte und dort predigte (Mt 4,23).
Fragen / Aufgaben:
- Wo lag Chorazin und was zeichnete die Stadt aus?
- Wo wird diese Stadt in den Evangelien genannt und in welchem Zusammenhang?
Weitere Besuche in Galiläa
Auch der Evangelist Matthäus bestätigt die Tätigkeit von Jesus in ganz Galiläa. Jesus suchte den Schlüssel zu den Herzen der Menschen und ging deshalb zu den üblichen Versammlungsorten einer Kommune. Dies sind meist die Synagogen – aber auch damals schon an Marktagen die Marktplätze. Synagogen sind für alle Juden zugänglich. Niemand konnte ihm später nachsagen, dass er etwas im Geheimen getan hätte (Joh 18,20).
Hier treffen wir auf Sammelberichte von Verkündigung und Heilungen. Es ist sicher, dass die meisten Wunder, die Jesus getan hatte uns nicht berichtet werden. Die meisten die überliefert wurden, sind lokalisierbar – nur bei einigen ist der Ort des Geschehens nicht genau festzustellen. Vordergründig ging es Jesus um das Aufrichten des Reiches Gottes. Dies geschah:
- durch Wunderzeichen, griechisch: `shmei/on s¢meion` (Joh 2,11 auch bes. Joh 2,23),
- durch Lehren – die Lehre, griechisch: `dida,skwn didaskön`, war das wesentliche Mittel von Jesus bei der Aufrichtung des Reiches Gottes. Daher wird er auch immer wieder Rabbi (Lehrer) genannt. Bis heute hat die Berufsbezeichnung Lehrer im Orient hohes Ansehen.
- Durch die Verkündigung des Evangeliums. Der Begriff: `khru,sswn k¢russœn` (auch: Kerygma) bedeutet: bekanntmachen, kundmachen, ausrufen, eine wichtige Botschaft verkündigen.
Wobei bei diesen Elementen keine Rangfolge sichtbar wird, denn Jesus kümmert sich um den ganzen Menschen, da das Reich Gottes sowohl eine geistliche wie auch ein menschlich (=körperliche) Realität ist.
Und Jesus zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk (…) und es folgten ihm große Volksmengen von Galiläa und dem Zehnstädtegebiet und Jerusalem und Judäa und von jenseits des Jordans. (Mt 4,23-25).
Hier finden wir zum ersten Mal den Begriff: `euvagge,lion euangelion` Evangelium im Matthäusevangelium. Es ist das Evangelium des Königreiches (Gottes): `th/j basilei,aj t¢s basileias` (siehe auch Mt 24,14). Dieser Sammelbericht über Reisen und Dienste in Galiläa – ohne nähere Details – betont, dass Jesus große Volksmengen nachgefolgt sind:
- Von Galiläa, dem nördlichen Teil von Palästina. Josephus weist daraufhin, das Galiläa ein dicht besiedeltes Gebiet war (Jüdische Kriege III.1). Die mit Abstand größte Stadt war Sepphoris (Jüdische Kriege II,11).
- Dem Zehnstädtegebiet, griechisch: Dekapolis, dehnte sich vom Ostufer des Sees Gennesaret in Richtung Osten und teilweise Süden aus. Die Zehn Städte: Raphana, Scytopolis (westl. des Jordans), Gadara, Hippus, Dium, Pella, Gerasa/Galasa, Kanatha, (unklar: Abila, Kanata).
- Jerusalem, Judäa
- und von jenseits des Jordans (Mt 4,25). Der Begriff „jenseits des Jordan“ weist auf das Gebiet östlich des Jordans – auch auf Peräa, (Herrscher: Herodes Antipas) und die Trachonitis – Herrschaftsgebiet des Herodes Philippus.
Auch der Evangelist Lukas vermerkt, dass die Kunde von der Tätigkeit von Jesus sich überall verbreitete und Jesus gepriesen wurde (Lk 4,14-15). Folgende galiläische Städte, die Jesus besuchte, sind in den Evangelien namentlich genannt: Bethsaida, Chorazin, Kana, Nain und Nazaret.
Jesus wird mehrere Monate lang unterwegs gewesen sein, wenn es heißt: „Er predigte in den Synagogen Galiläas“, dann könnte er wochenweise von Ort zu Ort gezogen sein. Natürlich ist er und seine Jünger auf die Gastfreundschaft der Menschen angewiesen. Diese Gastfreundschaft ist jedoch eines der wesentlichen ungeschriebenen Gesetze des Orients (leider heute nicht immer aus lauterem Motiv).
Fragen / Aufgaben:
- Wo predigte Jesus das angebrochen Reich Gottes vorrangig und warum?
- Welche Formen der Verkündigung praktizierte Jesus?
- Warum waren Heilungen, Wunderzeichen und Predigten für Jesus ein wesentliches Mittel um das Reich Gottes aufzurichten? Warum waren die Zeichen/Heilungen oder die Predigten jeweils nicht nur ein untergeordnetes Mittel zum Zweck – sondern hatten jeweils in sich eine wichtige Bedeutung?
- Auf was war Jesus während seiner Wanderschaft in Galiläa angewiesen?
Jesus beruft Levi/Matthäus in Kapernaum
(Bibeltexte: Mt 9,9-13; Mk 2,13-17; Lk 5,27-32)
Folge mir nach
Der Evangelist Matthäus verbindet in seinem Evangelium die Heilung des Gelähmten (Mt 9,1-8) direkt mit der Berufung des Matthäus. Der Evangelist schreibt: „Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.“ (Mt 9,9). Der Evangelist Markus ergänzt, dass der Zollbeamte den Namen Levi zrug und Sohn des Alphäus war (Mk 2,14; ebenso Lk 5,27). Matthäus/Levi, Sohn des Alphäus, ist als Steuereinnehmer (τελώνην – telönèn) im Dienst des römischen Staates in der Stadt Kapernaum tätig.
„Manche Steuern wurden direkt an die römische Regierung abgeführt, Weg- und Importzoll hingegen (der normalerweise 2-3% betrug, konnte sich für Händler, die durch viele Gebiete zogen, jedoch rasch zu einem beachtlichen Betrag summieren) kam den Städten zugute, die ihn erhoben“ (Keener 1998, 217-218).
Hier in Kapernaum verliefen internationale Handelsrouten, die vielen Menschen ein gutes Einkommen sicherten.
Wir fragen uns zuerst: Wer war dieser Matthäus? Verfasste er das Matthäusevangelium? Hier begegnet uns wieder ein Argument des Schweigens. Nirgends wird Matthäus im Evangelium als Verfasser ausdrücklich genannt. Doch folgende Hinweise werfen Licht auf diese Person:
- Wir finden den Namen Matthäus in Mt 9,9; 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13. Der Name Levi wird in Mk 2,14 und in Lk 5,27.29 erwähnt.
- Matthäus erhielt den Ruf als emsiger Steuereinnehmer im „Galiläa der Heiden“ (Herrschaftsgebiet von Herodes Antipas) und kannte von dorther mindestens Griechisch, Lateinisch und Aramäisch. Dies wird im Evangelium deutlich. Dort finden sich auch Spuren der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta). Er kannte wohl auch weite Teile des hebräischen Textes gut. Matthäus scheint auch Zugang zu den hebräischen Schriftrollen gehabt zu haben.
- Steuereinnehmer verfassten schriftliche Berichte und kannten auch ein Kurzschriftsystem. Er könnte es also gewesen sein, der die Wunder und Predigten von Jesus notierte, wird doch dieser Name im Neuen Testament nur einer Person zugeordnet.
- In der frühen Kirchengeschichte findet sich sehr bald die Verknüpfung von Autor, Matthäus und Levi: Papias (zw. 125 und 140); .Irenäus (182-188); Origenes (210-250); Eusebius (4. Jh.) – auch in vielen Zitaten der frühen Kirchenväter. Hier kann man sich kaum vorstellen, wie der Name des ursprünglichen Autors verloren gegangen und durch einen anderen ersetzt worden sein könnte.
- Da über Matthäus/Levi kaum sonst etwas bekannt ist – ist es eher unwahrscheinlich, dass ihm solch ein in Stil und Inhalt einheitliches Werk fälschlich zugeschrieben worden wäre.
Levi scheint ein Steuereinnehmer gewesen zu sein, der Einfluss im Kreise seiner Kollegen und Freunde hatte. Hier fällt geradezu auf, dass Jesus seine Jünger bewusst aus sehr verschiedenen Berufen und Schichten herasruft. Die sofortige Bereitschaft zur Nachfolge könnte damit zu erklären sein, dass auch Levi schon die Taufe von Jesus durch Johannes am Jordan miterlebte. Zwar wissen wir nicht den genauen Zeitpunkt, wann Levi Jesus kennen lernte, doch nach Apostelgeschichte 1,22 und Lk 3,12 ist anzunehmen, dass alle späteren zwölf Jünger bei der Taufe des Johannes dabei waren, Jesus kannten und mit dem Zeugnis des Johannes über Jesus vertraut waren. Viele Tausende Menschen waren bei Johannes am Jordan, auch Zöllner, warum sollten nicht auch die späteren Jünger von Jesus dabei gewesen sein? Dies könnte eine Erklärung dafür se in, warum Levi sofort aufsteht und Jesus nachfolgt. Weiter kann man davon ausgehen, dass Levi Jesus öfter sieht und hört, als dieser in der Stadt weilt, redet und heilt und auch von der Stadt aus in der Gegend herum reist. Jesus wird öfter an seiner „Zollbude“ vorbeigelaufen sein. Dennoch ist dieser Wendepunkt, den Matthäus in sehr knappe Worte fasst tief in sein Gedächtnis eingeprägt!
So haben wir in diesem Bibelstudienkurs bis jetzt sieben namentlich genannte Nachfolger von Jesus: Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes, Philippus und Nathanael und nun auch Levi/Matthäus. Von den übrigen Jüngern sind keine individuellen Berufungsberichte überliefert. Erst später wird berichtet, dass Jesus von der Vielzahl seiner Jünger sich auf zwölf beschränkte und sie zu Aposteln machte.
Als Steuereinnehmer gehört Levi zu den geschulten Menschen. Lesen, Schreiben und Rechnen – natürlich auch die Gesetze der römischen Verwaltung sind die selbstverständliche Grundlage seines Berufes. Damit gehört er zum Mittelstand.
Jesus im Hause von Levi
Die Liebe von Jesus und seine Kraft verändern diesen Menschen augenblicklich und vollständig. Er, der „Sünder“ wird geliebt, von einem Rabbi wertgeschätzt und kaum auszudenken auch noch in die Nachfolge und Mitarbeit berufen. Jeder andere Rabbi hätte sich geschämt mit ihm auf der Straße gesehen zu werden. Er gehört zu dem Personenkreis, der normalerweise aus den religiösen Kreisen ausgeschlossen wird (Keener 1998, 326). Doch Jesus erklärt öffentlich, dass er 1. Wahl ist! Jesus glaubt, er könne ein guter Mitarbeiter sein – dieses Vertrauen macht ihn dann tatsächlich auch fähig dazu! Jemand „glaubt“ an ihn, darum glaubt auch er. Dies versetzt ihn in die erstaunliche Lage einen glatten Bruch mit der Vergangenheit zu wagen und sein ganzes Leben auf Jesus zu setzen. Der Evangelist Matthäus selbst macht keine Angaben zu den Kosten, die ihm dadurch entstanden. Wir finden keine Spur von Eigenlob im Bekehrungszeugnis! Der Evangelist Lukas fügt an, dass Levi „alles verließ.“ Er bezahlte wahrscheinlich einen höheren Preis als seine Jüngerkollegen aus dem Fischereigewerbe, die ja bei Bedarf in den familiären Betrieb zurückkehren (Joh 21,1ff). Levi verlässt alles, wahrscheinlich ohne die Chance dies einfach rückgängig machen zu können. Manche Ausleger vermuten hier, dass Levi nach diesem radikalen Bruch den Namen Matthäus (Gabe Gottes) annimmt oder sogar von Jesus bekommt (Hendriksen 1973, 422). Er kann aber auch schon immer einen Doppelnamen gehabt haben.
Übrigens: Leider werden andere Steuereinnehmer die entstandene Lücke sofort wieder geschlossen haben.
Nach seiner Berufung veranstaltet Levi ein Festessen zu Ehren des Rabbi Jesus in seinem Haus. Natürlich ist dies die „orientalische Revanche“ für den öffentlichen Erweis einer Ehrenbezeugung (Keener 1998, 327).. Er wird alles los und feiert als der Glücklichste dieser Welt (Hendriksen 1978, 303. Nicht ein Wort von Levi/Matthäus wird in den vier Evangelien überliefert. Umso deutlicher tritt seine Leistung in der Verfassung des Matthäusevangeliums hervor. Doch selbst wenn er kein Mann der Worte war, er macht damit deutlich, dass er ihm nachfolgen wird und er sich über die Berufung von Jesus freut. Die Tischgemeinschaft war ein Zeichen für eine enge, vertraute Beziehung. Orientalische Mahlzeiten sind echte Gelegenheiten, um einander besser kennen zu lernen. Wahrscheinlich sitzen/liegen die Männer in der Runde auf Teppichen mit den Füßen nach außen und mit dem Angesicht einander zugewandt. Der Ehrengast wird vom Gastgeber gebeten sich ganz oben mit Blick auf den Eingang zu legen (Lk 14,10).
Natürlich lädt Matthäus seine Arbeitskollegen ein: all die Gierigen, die Unpatriotischen, die Verräter, die Unehrlichen, die Gehassten – ja das waren sie wirklich… nicht nur in den Augen der Pharisäer. Wen sonst soll er auch einladen? Doch so wird er zur Schlüsselperson für diese „Randexistenzen“. Sie alle sollen es mitbekommen, dass er jetzt diesem neuen Lehrer nachfolgt. Sie kommen alle und sehen in Jesus wohl einen Freund. Aber für Matthäus ist klar, er muss seinen sicheren und auch einträglichen Beruf aufgeben. Die Nachfolge von Jesus fordert ihn und alle Nachfolger nach ihm immer zu einem Wagnis heraus. Natürlich verspricht Jesus für seine Diener zu sorgen, doch zunächst ist da keine Garantie, dass alles besser wird. Hier Abenteuerlust zu vermuten, ist daher eher abwegig. Levi war verheiratet (1Kor 9,5) und behält sein Haus in Kapernaum, in dem seine Familie weiterlebte. Und ebenso ist anzunehmen, dass Jesus sich in seinem Haus nicht zum ersten und letzten Mal aufgehalten hat.
Nicht Heilige – sondern Sünder
Wahrscheinlich am Ende des Festes gerade als die Gäste Haus und Hof verlassen, werden sie von Pharisäern und ihren Schriftgelehrten empfangen. Es gab an diesem Fest nichts zu bemängeln außer der Zusammensetzung der Gäste. Doch die anschließende Streitfrage offenbart die Tiefe des Konfliktes. Jesus soll Stellung nehmen zu dem Heilsweg des gesetzlichen Judentums mit den vielen meist sehr äußerlichen Forderungen. Hier sind es die Speisegesetze die eine Tischgemeinschaft mit Unreinen ausschließen. Denn als Kollaborateure verunreinigen sich Zöllner sicherlich bei ihren heidnischen Auftraggebern, allein schon wenn sie deren Häuser betreten. Die Rabbis kennen keine Vergebung der Sünden frei und ohne Vorbedingungen. Die Jünger von Jesus werden unzufrieden gefragt: „Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern“? Sie wollen Jesus attackieren, auch wenn sie sich etwas feige nur an die Jünger wenden. Sie wollen Jesus zurechtweisen, denn er verhält sich entgegen ihren Verhaltensmustern. Auch wollen sie Spott über die Jünger ausgießen: „So einer soll euer Rabbi sein?“ Das Muster ist immer aktuell: durch Ironie und Spott verunsichern! Doch für Jesus ist diese Frage ein Anlass, um sowohl den Pharisäern als auch den Steuereinnehmern seinen Auftrag bekannt zu machen. Er antwortet mit einem sehr passenden Bibelzitat, dessen Zusammenhang zu Untreue, Ehebruch und Gottlosigkeit alle Leser der Schriften kannten: „Geht aber hin und lernt, was das ist: «Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer“ (Hos 6,6) und mit einem Sprichwort: „Ich bin nicht gekommen Gerechte zur Buße (zum Umdenken) zu rufen, sondern Sünder“. Der griechische Begriff `μετανοία metanoia` bedeutet Gesinnungsänderung. Konventionen und Sitten sind Jesus nicht wichtiger, als die gute Botschaft zu Menschen zu bringen. Er ist der Arzt, der sich den „Infizierten“ nähert, hilft und heilt – doch ohne selbst von der gleichen „Seuche“ befallen zu werden. Echte Jesusjünger werden auffallen und aus dem normalen Rahmen fallen. Doch Mitmenschen werden kritisch bei ihnen nachfragen. Mit den „Gerechten“ meint Jesus die Pharisäer. Doch spielt er hier auf die reine Werkgerechtigkeit an, eine verdiente Gerechtigkeit und keineswegs die Gerechtigkeit, die von Gott ausgeht. Steuereinnehmer machen jedoch im Gegensatz zu den gerechten Pharisäern keinen Hehl aus ihrem „sündigen“ Leben. Doch Steuereinnehmer gehören zu denen, die zum Teil schon am Jordan Buße taten und sich von Johannes dem Täufer taufen ließen. So bezeugte Jesus etliche Zeit später im Rückblick: „Und alles Volk, das ihn hörte, und die Zöllner gaben Gott recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes. Aber die Pharisäer und die Lehrer des Gesetzes verwarfen für sich Gottes Ratschluss und ließen sich nicht von ihm taufen.“ (Lk 7,29-30). Die Zöllner suchen jetzt die Nähe von Jesus und hören ihm gerne zu. Damit teilen sich auch hier die Bewohner Kapernaums in zwei Lager, die einen halten sich zu Jesus und die anderen stellen sich gegen ihn. Doch der universale Heils-Ruf geht ausdrücklich an alle – nur für alle gilt das Gleiche: als Sünder = Gottferne müssen sie sich einstufen lassen. Wie aktuell!
- Äußere dich zu den wenigen Details aus dem Leben des Levi/Matthäus! Was fällt dir auf?
- Warum folgt Levi Jesus sofort nach?
- Was hast du in der Jesus-Nachfolge aufgegeben, was erhalten?
- Warum lädt Levi Jesus zu sich nach Hause ein?
- Wieso ärgern sich die Pharisäer an Jesus und seinen Jüngern? Was ist an ihrem Verhalten so anstößig?
- Sind wir bei den Meckernden oder Feiernden?
- Hast du auch schon kritische oder negative Anfragen zu deinem christlichen Lebensstil erhalten?
Jesus beruft zwölf Jünger
(Bibeltexte: Mt 10,1-4; Mk 3,13-19; Lk 6,12-16)
Eine wichtige Entscheidung
Die Berufung der zwölf Jünger erfolgte höchstwahrscheinlich noch vor der Berglehre in der Nähe von Kapernaum (Lk 6,12-14; Mk 3,13-19). Der Evangelist Matthäus berichtet nicht von der Berufung, sondern setzt sie in Mt 10,1f voraus. Inzwischen hat Jesus eine beachtliche Zahl von Jüngern, die ihm nachfolgen. Die Zwölf sollen von Jesus als feste und beständige ´μαθητές – math¢tes´ Jünger/Schüler in die Nachfolge berufen werden. Sie sind mit der Berufung Jünger/Schüler, wie die Evangelisten sie meistens auch bezeichnen. Jesus gibt ihnen zwar gleich bei der Berufung den Status der Gesandten,´απόστολος – apostolos´ Apostel, doch werden sie in der Vorbereitungszeit nur gelegentlich so bezeichnet (Mk 3,15; 6.30; Lk 6,13; 24,10; Apg 1,2.26). Nach Pfingsten bezeichnet man alle Gläubigen als Jünger. Die Zwölf werden ab dann regulär mit dem Titel Apostel bezeichnet.
Doch immer ist eine Berufung zum Dienst ein großes Wagnis. Jesus legt erst für sich allein eine Gebetsnacht auf einem Berg ein und beruft dann seine zwölf engsten Vertrauten. In dieser Nacht ringt er im Gebet und Gespräch mit dem Vater. Jesus muss auswählen – doch diese Wahl ist nicht einfach. Welche Kriterien sollen den Ausschlag geben? Er, der alles klar sah – hätte er nicht bessere aussuchen können? Hätte er nicht Judas aus Iskariot ganz außen vor lassen müssen? Wir merken sehr bald: er hat sich nicht die Besten, die Begabtesten und Angesehensten ausgesucht. Excellenz ist nicht das Kriterium von Jesus. Es ist aber auch nicht:
- Charakter
- Herkunft
- sozialer Status
- Bildung
- Motive und Erwartungshaltung.
Im Weiteren bemerken wir immer wieder, das die Jünger noch lange nicht mit dem Heils- und Reichs-Gotteskonzept, dem Lebensstil und der Lehre von Jesus konform waren.
Wie auch die zwölf Stammesväter Israels (die Söhne/Enkel Jakobs) sehr unterschiedlich, ja zum Teil gegensätzlich waren und doch das gesamte Israel repräsentieren, so wählt auch Jesus zwölf ganz unterschiedliche Männer aus. Allerdings nicht aus jedem Stamm einen Repräsentanten, denn der größte Teil der jüdischen Zeitgenossen versteht sich als Nachfahren aus dem Stamm Juda, Levi und Benjamin – die Stämme des früheren Nordreiches und des Ostjordanlandes blieben verstreut und vielfach vermischt mit anderen Völkern. Kein Wunder, dass von keinem der zwölf Jünger von Jesus die Stammeszugehörigkeit bekannt ist. Natürlich hätte Jesus die Stammeszugehörigkeit bei jedem der zwölf Jünger wissen oder erfahren können. Doch anscheinend spielte für ihn diese verwandtschaftliche Abstammung aus einem bestimmten Stamm keine Rolle. Alle Jünger waren nach Ansicht der Schriftgelehrten: theologisch ungelehrte Laien (Apg 1,11; 4,11). Keiner von ihnen hatte also vorher schon die Chance gehabt einem offiziell anerkanntem Rabbi und seiner Lehre nachzufolgen. Wir können also schon sagen, dass sie religiös gesehen alle zum „B-Team“ gehören, die es einfach nicht ins „A-Team“ geschafft haben. Auffällig ist auch, dass sie alle aus der nördlichen Region Israels stammen. Galiläa, bekannt als galil ha-gojim Galiläa der Heiden. Die Galiläer stehen damals bedingt durch das enge Zusammenleben mit der zahlreichen nichtjüdischen Bevölkerung bei der geistlichen Elite in Jerusalem nicht gerade hoch im Kurs (Joh 7,52; Apg 2,7). Jesus wählt die zwölf Repräsentanten seines neuen geistlichen Volkes wohl bewusst konträr zu menschlich gesehen nahe liegenden Wahlmethoden. Jesus ist so vollständig unabhängig von den gängigen Meinungen und investiert in diese zwölf Jünger. Elf von Ihnen werden dieses „Vertrauen“ rechtfertigen. Sie repräsentieren das Volk Gottes genau in der Brückenzeit zwischen Altem und Neuem Testament. Sie sind der innere Kern und später die Leiter des neuen Gottes Volkes: der ersten Gesamtgemeinde – Berufene aus Israel und den Nationen (Mt 10,5-6; vgl. auch Am 9,11 mit Apg 15,16 und Mt 28,19-20).
Jüngerlisten
(Bibeltexte: Mt 10,1- 4; Mk 3,16-19; Lk 6,13-16; Joh 21,1-3; Apg 1,13)
Die folgende Liste ist ein Versuch die verschiedenen Informationen über die Jüngerlisten zu ordnen:
Matthäus | Markus | Lukas | (Johannes) | Apostelgeschichte |
Simon Petrus | Simon Petrus | Simon Petrus | Simon Petrus | Petrus |
Andreas | Jakobus (Boanerges) | Andreas | Johannes des Zebedäus | Johannes |
Jakobus | Johannes (Boanerges) | Jakobus | Andreas aus Betsaida | Jakobus |
Johannes | Andreas | Johannes | Jakobus des Zebedäus | Andreas |
Philippus | Philippus | Philippus | Philippus | Philippus |
Bartholomäus | Bartholomäus | Bartholomäus | Natanael von Kana | Thomas |
Thomas | Matthäus desAlphäus | Matthäus | Thomas der Zwilling | Bartholomäus |
Matthäus, Steuereinnehmer | Thomas | Thomas | Matthäus | |
Jakobus des Alphäus | Jakobus des Alphäus | Jakobus des Alphäus | Jakobus des Alphäus | |
Thaddäus | Thaddäus | Simon genannt der Zelot | Simon der Zelot | |
Simon Kananäus | Simon Kananäus | Judas Bruder des Jakobus | Judas des Jakobus | |
Judas Iskariot | Judas Iskariot | Judas Iskariot | Judas, Sohn des Simon Iskariot |
Es fällt auf das die Liste in drei Gruppen von je vier Personen einteilbar ist. Dann sind die Namen der jeweils ersten in der Gruppe in allen Listen identisch. Manche Handschriften nennen hier auch: Lebbäus (Herz) genannt Thaddäus (Lobpreis).
ANMERKUNG: Manche Ausleger halten deshalb Thaddäus mit Judas des Jakobus für identisch und Simon Kananäus mit Simon den Zeloten. Kananäus kann die Region beschreiben, aber auch die Umschreibung für die Bewegung der Zeloten.
- Simon Petrus, Geburtsname Simon (Simeon), Sohn des Johannes (Jonas), stammt aus Betsaida, wohnt und arbeitet in Kapernaum, ist verheiratet und wird in den Jüngerlisten immer an erster Stelle genannt. Der Name Simon/Simeon erinnert an den Stammvater gleichen Namens und stammt von dem hebräischen Wort Shim’on, was „erhören“, „hörend“, „verstehend“ bedeutet. Den hebräischen Beinamen Fels = Kephas (griechisch: ´pe,troj petros) bekam er von Jesus zugesprochen und so wurde er in der Westkirche – lateinisch geschrieben – zum Petrus. Er wird insgesamt 198-mal im NT erwähnt, davon 29-mal mit dem Doppelnamen und 18-mal einfach als Simon.
- Johannes, der Sohn des Zebedäus und der Salome; Bruder des Jakobus wird am weithäufigsten im NT erwähnt. Die Familie des Zebedäus hat verwandtschaftliche Beziehung zur Familie von Jesus. Johannes ist die griechische Form des hebräischen Yochanan (יוחנן) und bedeutet „der Herr (JHWH) ist gnädig“ bzw. „der Herr sei mir gnädig“. Etwa 34-mal wird Johannes im NT erwähnt und nimmt neben Petrus in der ersten Gemeinde eine besondere Stellung ein. Johannes und Jakobus erhalten von Jesus den Beinamen: ´βοανεργές – boanerges – Donnersöhne´. Dies mag vielleicht auf ihr feuriges oder hitziges Temperament zurückzuführen sein (Lk 9,54) oder gibt Jesus ihnen damit etwas auf ihren Lweiteren Lebens- und Dienstweg. Während Jakobus als erster sein Leben vollendet – wird wohl Johannes der Jünger gewesen sein, der am längsten lebte.
- Jakobus, Sohn des Zebedäus finden wir an dritter Stelle in den meisten Listen. Dieser Name erinnert an den Stammvater Jakob (Fersenhalter-Lügner). Dies entspricht auch der Häufigkeit seiner Erwähnung im Neuen Testament. Wir finden seinen Namen 20-mal. Er gehört zum Dreierkreis, den Jesus immer wieder zu besonderen Anlässen mitnimmt. Von den Aposteln erlitt er als erster den Märtyrertod (Apg 12,2). Seine Familienangehörigen leben in Kapernaum und er arbeitet mit ihnen bis zu sejner Berufung im väterlichen Fischereiunternehmen.
- Andreas, sein Name bedeutet männlich oder mannhaft, er ist der vierte in zwei Listen, gehört chronologisch gesehen eigentlich zu den ersten zwei Jüngern, die Jesus schon seit der Begegnung am Jordan nachfolgen. Er scheint im Schatten seines viel bekannteren Bruders Simon Petrus zu bleiben. Er wird nur zwölf Mal erwähnt. Wie sein griechischer Name und auch die Episode mit den Griechen auf dem Passa-Fest in Jerusalem verraten, ist er wohl stark in der griechischen Kultur verwurzelt.
- Philippus, sein Name bedeutet Pferdefreund, er ist immer der erste im zweiten Drittel der Jüngerlisten. 15-mal wird er erwähnt und scheint eine recht aufgeschlossene Person zu sein. Er lässt sich zuerst auf Jesus näher ein und bringt auch Nathanael zu ihm. Später wird er gerne von Interessenten angesprochen. Er kommt wie Petrus und Andreas ursprünglich aus Betsaida.
- Nathanael, sein Name bedeutet: Gott hat gegeben. Er kommt aus Kana in Galiläa und ist nur im Johannesevangelium mit diesem Namen genannt (Joh.1,45.46.47.48; 21,2). Obwohl er mit diesem Namen in den übrigen Apostellisten nicht vorkommt, ist es unwahrscheinlich, dass er nicht zum Zwölferkreis gehört. In Joh 1,51 sagt Jesus zu Nathanael und den anderen gewandt (wörtlich übersetzt): „Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes hinaufsteigend und herabsteigend auf den Sohn des Menschen.“ Und in Joh. 21,2 wird er als Jünger bezeichnet. Dies können Hinweise sein, die dafür sprechen, dass Bartholomäus und Nathanael ein und dieselbe Person sind: Bartholomäus ist auch kein aramäischer Eigenname, sondern bedeutet „Sohn des Tholmai.“ Weiter spricht für diese Verbindung, dass in den Apostellisten Bartholomäus immer gleich nach Philippus genannt wird, welcher ihn zu Jesus geführt hatte.
- Thomas, sein Name stammt aus dem aramäischen te’oma (תאומא) und bedeutet „Zwilling“. Mit seinem Namen verbindet sich bis heute sein anfänglicher Zweifel oder Unglaube bzgl. der Auferstehung von Jesus.
- Levi / Matthäus der Zöllner, den Lukas in der Berufungsgeschichte Levi nennt, bekommt bei Markus die verwandtschaftliche Zuordnung „(Sohn) des Alphäus.“ Levi erinnert an den Stammvater, die Bedeutung des Namens ist unsicher, evtl.: „verbunden mit“. Matthäus ist eine aramäische Zusammensetzung aus mattath = das Geschenk, die Gabe und Jahwe.
- Jakobus des Alphäus (Sohn) zur Unterscheidung von Jakobus des Zebedäus’ Sohn. In Mk 15,40 wird er wahrscheinlich auch `του μικρού, tou mikrou` der Geringere (manche übersetzen auch: der Jüngere) genannt.
- Simon aus Kana gehörte wohl zur Gruppe der Zeloten (Euferern), den jüdischen Nationalisten. Die Zeloten (…) obwohl es sich streng genommen um keine religiöse Partei im Sinne der bisher beschriebenen Gruppen handelt. Wollte man sie mit modernen politischen Bewegungen vergleichen, könnte man die Zeloten am ehesten als Guerillero-Bewegung bezeichnen. Die Römer und unsere Hauptquelle Flavius Josephus diffamieren sie als „Räuber“.
- Thaddäus, sein Name bedeutet: Lobpreis oder großherzig, mutig, der auch ‚Judas des Jakobus’ heißen könnte und wohl wie oft üblich einen Doppelnamen führte.
- Judas Iskariot „Mann aus Kiriot?“, der Jesus hernach verriet, übergab, auslieferte, verkaufte, bildet in allen Listen den Abschluss. Der Name ist abgeleitet von jadah = loben, preisen. Judas folgt Jesus ohne Unterbrechung, auch als viele andere gehen, bleibt er dabei. Es ist wohl zwecklos zu spekulieren, warum Jesus Judas auswählte. Jesus teilt es uns nicht mit. Er wird im Rückblick vom Evangelisten Johannes als Dieb bezeichnet (Joh 12, 6), er verwaltete die gemeinsame Kasse. Judas ist der Jünger, der Reue zeigte, jedoch nicht umkehrte, obwohl die Gnade des Vaters auch ihm galt.
Diese zwölf wählte Jesus als aktiven und ständigen Schülerkreis, um sie dann später zum Predigt- und Heilungsdienst auszusenden. Er schweißt sie in ca. dreieinhalb Jahren zu einem handlungsfähigen Team zusammen, das die Basis für die Gemeinde und das Reich Gottes bilden wird. Die Kraft, Weisheit und Liebe von Jesus verwandelt ein „B-Team“ in das „A-Team“ von dem alle Teams der Kirchengeschichte sich ableiten werden.
Fragen / Aufgaben:
- Welcher aus dem Jüngerkreis fällt dir besonders auf?
- Wie beurteilst du die Auswahl von Jesus?
- Warum sind erhebliche Unterschiede in einem Team von Vorteil?
- Nenne praktische Details, was dieses Team zusammenhielt und zu einer Einheit machte!
Die acht Seligpreisungen
(Bibeltexte: Mt 5,1-12; Lk 6,20-25)
Zeit und Ort der Berglehre (Seligpreisungen)
Der Evangelist Matthäus berichtet über die Berglehre von Jesus ziemlich am Anfang seines Evangelienberichtes. Er beschreibt die Berufung der Jünger nicht wie die Evangelisten Markus und Lukas gesondert, sondern setzt sie einfach voraus. Es wäre schon ungewöhnlich, wenn Jesus seine Grundsatzrede über das Reich Gottes nicht in der Gegenwart seines kompletten Jüngerteams gehalten hätte. So lesen wir in Matthäus 5,1-2: „Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie (…).“
Der Evangelist Lukas nennt erst die Details der Berufung der Zwölf und berichtet gleich danach auszugsweise aus der Berglehre. So kann die Berglehre von Jesus zeitlich ungefähr in die erste Hälfte der ersten Dienstperiode in Galiläa eingeordnet werden – das wäre ca. Herbst 29 n. Chr. Die lange kirchliche Tradition im Heiligen Land sieht den Ort der Berglehre im Nordwesten von Kapernaum, an der Stelle, wo heute die Kirche der Seligpreisungen steht. Dort finden wir weniger einen Berg, sondern eher eine flach abfallende Anhöhe, von der man über Kapernaum und dann weit über den See Gennezaret schauen kann.
Er merkt weiter an, dass Jesus vorher die ganze Nacht betete und am frühen Morgen aus der Vielzahl seiner Jünger, zwölf ausrählte und zu Aposteln berief. Es gibt einige Hinweise, dass Jesus viel mehr Jünger hatte, als uns bekannt sind (Joh 4,1; Lk 6,17; 19,37). Es ist möglich, dass aus dieser Vielzahl später einige zu den siebzig gehörten.
Auf dem vom Evangelisten Lukas beschriebenen ebenem Platz, setzt sich Jesus in die Mitte seines Jüngerkreises und spricht zu ihnen. Doch offensichtlich konnte auch das ganze Volk mithören. Der Evangelist vermerkt auch, dass von verschiedenen Gegenden Menschen gekommen waren, um ihn zu hören und um von ihren Krankheiten geheilt zu werden.
Der Evangelist Matthäus unterbricht die anfängliche Reihenfolge der Taten von Jesus mit den Details aus der Berglehre. In ihr fasst er das geistliche Programm des anbrechenden Reiches Gottes zusammen.
Die Berglehre von Jesus bildet eine Schatzkammer von lauter kostbarer Perlen. Acht davon sind in den sogenannten Seligpreisungen eingefasst. Wir machen uns nun auf die Suche und Entdeckung dieser geistlichen Schätze.
In der folgenden Tabelle sind alle acht Seliogpreisungen aufgelistet wie sie uns die Evangelisten Matthäus und Lukas aufgeschrieben haben. Dabei werden wir feststellen, dass Lukas zu dem auch noch Weherufe aufgeschrieben hat und damit werden die Aussagen von Jesus vollständiger.
Fragen / Aufgaben:
- Suche in einem Bibelatlas, wo in etwa die sogenannte Bergpredigt von Jesus gehalten wurde.
- An wen richtet Jesus seine Berglehre?
- Welche Evangelisten haben in ihren Berichten die Berglehre aufgezeichnet?
- Warum beschreibt der Evangelist Matthäus die Zusammenfassung einiger wichtiger Reichsgottesinhalte gleich am Anfang seines Evangelienberichtes?
- Aus welchen Lehrbereichen besteht die Berglehre?
Liste der Seligpreisungen
Matthäus | Lukas |
1. Glückselig die Armen im Geiste, denn ihrer gehört das Reich der Himmel | Glückselig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes
Aber wehe euch Reichen! Denn ihr habt euren Trost dahin |
2. Glückselig die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden | Glückselig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen
Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen |
3. Glückselig die Sanftmütigen, denn sie sollen das Erdreich besitzen | |
4. Glückselig die Hungernden und Dürstenden nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden | Glückselig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden
Wehe euch, die ihr voll seid, denn ihr werdet hungern |
5. Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen | |
6. Glückselig die Reinen im Herzen, denn sie werden Gott schauen | |
7. Glückselig die Friedfertigen, denn sie sollen Gottes Kinder heißen | |
8. Glückselig die Verfolgten wegen Gerechtigkeit, denn ihnen gehört das Reich der Himmel
Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren |
Glückselig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen werden und wenn sie euch absondern und schmähen und euren Namen als böse verwerfen werden um des Sohnes des Menschen willen.
Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden, denn ebenso taten ihre Väter den falschen Propheten Freut euch an jenem Tag und hüpft! Denn siehe, euer Lohn ist groß in dem Himmel; denn ebenso taten ihre Väter den Propheten |
In den nächsten Abschnitten werden wir die acht Seligpreisungen näher betrachten.
Fragen Aufgaben:
- Stelle die Ähnlichkeiten, bzw. Ergänzungen und Unterschiede bei den Evangelisten fest.
- Welche Seligpreisung fällt dir positiv und welche evtl. negativ auf?
- Bewerte die Verschiedenheit in den Berichten.
- Warum waren und sind diese Seligpreisungen in jedem Kulturkreis immer irgendwie störend?
- Welche Seligpreisung würde in der Umsetzung deinen Alltag in Familie, Beruf und Gemeinde stark verändern?
- Welche Seligpreisung könnte für dich Priorität in der Umsetzung gewinnen?
Die 1. Seligpreisung
(Bibeltexte: Mt 5,3; Lk 6,20)
Nach dem Text des Evangelisten Matthäus beginnt Jesus seine Lehre mit: „Glückselig die Armen im Geiste, denn ihrer gehört das Reich der Himmel.“ (Mt 5,3). Nach dem Text des Evangelisten Lukas: „Glückselig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes.“ (Lk 6,20). „Aber wehe euch Reichen! Denn ihr habt euren Trost dahin.“ (Lk 6,24).
Wir entdecken zunächst gewisse Unterschiede in den Vormulierungen der beiden Evangelisten. Während im Text des Evangelisten Lukas nur allgemein die `Armen` glückselig gepriesen werden, ergänzt der Text des Evangelisten Matthäus mit `Armen im Geist`. Nach der Formulierung des Lukas wendet sich Jesus direkt an seine Jünger. Nach Matthäus sind allgemein alle angesprochen, welche die Voraussetzungen für solche Seligpreisung erfüllen oder erfüllen werden. Nach dem Text des Evangelisten Lukas hat Jesus noch als deuitlichen Kontrast einen Weheruf über die Reichen ausgesprochen.
Hätten wir nur den Bericht des Lukas, würden wir einseitig an die materiell Armen und Reichen denken. Und diese Einseitigkeit würde auch verschiedenen Aussagen der Schrift widersprechen, denn weder sind die materiell Armen automatisch glückselig oder glücklich, noch sind die Reichen wegen ihres Reichseins automatisch unglückselig. Einige der Jünger konnte man keineswegs zu den materiell Armen zählen. Doch auch die vollständigere Aussage des Matthäus „Glückselig die Armen im Geiste“ meint auch nicht einfach die geistig Schwachen oder gar geistig behinderten Menschen. Waren doch auch die zwölf Jünger geistig gesehen weder hochintelligent, noch geistig unterentwickelt.
Der griechische Begriff `πνεύμα – pneuma` wird sowohl für den Geist Gottes, als auch den Geist des Menschen verwendet. Im Text des Matthäusevangeliums geht es eindeutig nicht um den Geist Gottes, denn arm sein im `Geiste Gottes`, oder `geistlich` arm sein, wäre nicht im Sinne von Jesus. Doch was meint Jesus denn mit `arm im Geiste`? Unserer Erkenntnis nach geht es hier um eine bewusste und reale, auf Gott bezogene oder von Gott her definierte Einschätzung des wahren Zustandes eines Menschen. Wie so oft, füllt Jesus ganz natürtliche Worte mit geistlichem Inhalt. (Joh 6,63: „Die Worte die ich zu euch rede sind Geist und sind Leben“). Ein Blick in die Psalmen und Propheten, so wie neutestamentliche Aussagen und Beispiele aus dem Erleben mit Jesus, macht es uns leicht diese Seligpreisung zu verstehen.
Der Prophet Jesaja schreibt: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: In der Höhe und im Heiligen wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen.“ (Jesaja 57,15). Oder: „Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der erzittert vor meinem Wort.“ (Jes 61,2). Der Psalmist David schreibt: „Denn du hast keine Lust am Schlachtopfer, sonst gäbe ich es; Brandopfer gefällt dir nicht. Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist (pneuma); ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ (Psalm 51,18-19). Der König David erkannte, bekannte, beugte und demütigte sich vor Gott in seinem Herzen wegen seiner Sünden (Ehebruch, Mord). Im Gegensatz dazu war die religiöse Elite zur Zeit von Jesus reich im Geiste – selbstbewusst, selbstsicher, selbstgerecht, stolz auf ihre detailierten Kenntnisse der Überlieferungen der Ältesten.
Bei dieser Seligpreisung geht es um Menschen, von denen es heißt: „Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.“ (Mt 18,4).
Es geht also darum, sich vor Gott in seinem realen Zusatand (arm, bloß, ungelehrt, unmündig, unfähig, sündig) zu erkennen, zugeben und auch bekennen. Es geht auch darum, sich vor Gott zu demütigen und in der Gegenwart der Heilgkeit Gottes den eigenen Stolz und Besserwisserei zerbrechen zu lassen. Diesen Menschen spricht Jesus Glückseligkeit zu. Beispiele: Der Zöllner: Lukas 18,13-14; Simon/Petrus: Lk 5,8. Es geht dabei nicht um angenehme Befindlichkeit oder äußeres Wohlgefühl, sondern um eine Zusage, einen Zuspruch von Jesus – er nennt solche Menschen glückselig.
Es fällt auf, dass diese Armut im Geiste von Gott nicht mit Reichtum oder anderen irdischen Werten belohnt wird. Es geht um das Teilhaben am Reich Gottes. Matthäus verwendet mit Vorliebe die Bezeichnung `Reich der Himmel`, man kann auch übersetzen mit: Königreich der Himmel (gr. `βασιλεία των ουρανών – basileia tön ouranön`). Womöglich ist diese Bezeichnung eine Anlehnung an Daniel 7,14. Offensichtlich führt Jesus in seiner Verkündigung diese Bezeichnung bewusst ein um deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht mehr um das alttestamentliche, irdische, territoiell- und zeitlich begrenzte Reich Israel oder Reich Juda geht. Diese Menschen sind Bürger, Teilhaber und Mitgestalter dieses göttlichen Reiches.
Fragen / Aufgaben:
- Jesus spricht eine Sprache, die sich von der, der Schriftgelehrten unterscheidet. Verstehen die Menschen ihn in seiner Lehre?
- Was ist zu beachten bei der Auslegung der Worte von Jesus? Wie kann man feststellen, wann etwas wörtlich gemeint ist und wann die Bedeutung des Wortes oder der Aussage im übertragenen Sinne zu verstehen sind?
- Wen meint Jesus mit den `Armen im Geiste`?
- Jesus spricht oft vom Reich Gottes oder dem Reich der Himmel. Was meint er damit? Worin unterscheidet sich das Reich Gottes, welches von Jesus gepredigt und ausgebreitet wurde, vom Reich in dem er als galiläischer Bürger lebte?
- Was bedeutet der Begriff `Glückselig`?
- Welchen Anteil können Menschen `arm im Geist` am Reich Gottes haben?
Die 2. Seligpreisung
Während in der ersten Seligpreisung ganz konkret vom Geist des Menschen die Rede ist, liegt die Betonung in der zweiten Seligpreisung auf dem Gemüt des Menschen, auf seiner Empfindungsfähigkeit. Auf der Fähigkeit bewusst emotional zu empfinden und auch zu reagieren.
Im Text des Evangelisten Matthäus lesen wir weiter: „Glückselig die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden.“ (Mt 5,4).
Es ist geradezu auffällig, dass sowohl die erste als auch die zweite Seligpreisung in der messianischen Verheißung aus Jesaja 61,1-3 enthalten ist. Dort steht geschrieben:
Der Geist des Herrn, HERRN, ist auf mir; denn der HERR hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden1 (nach LXX Armen) frohe Botschaft zu bringen, zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind, Freilassung auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen, auszurufen das Gnadenjahr des HERRN und den Tag der Rache (Vergeltung) für unsern Gott, zu trösten alle Trauernden, den Trauernden Zions Frieden, ihnen Kopfschmuck statt Asche zu geben, Freudenöl statt Trauer, ein Ruhmesgewand statt eines verzagten Geistes, damit sie Terebinthen der Gerechtigkeit genannt werden, eine Pflanzung des HERRN, dass er sich durch sie verherrlicht. (Jes 61,1-3).
Der in Matthäus 5,4 werwendete griechische Begriff `πενθούντες – penthountes` wird mit Trauernde oder Leidtragende übersetzt (πένθος – penthos -Trauer). Jesus spricht hier von Menschen, die aktiv und nachhaltig Leid tragen, Trauern über ihr Fehlverhalten. Auch diese Frohe Botschaft ist bereits im Alten Testament vorausgesagt worden. So lesen wir in Jesaja 57,18-19: „Ihre Wege habe ich gesehen, aber ich will sie heilen und sie leiten und ihnen wieder Trost geben; und denen, die da Leid tragen will ich Frucht der Lippen schaffen. Friede, Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der HERR; ich will sie heilen.“
- Dieser tiefgreifende Trost gilt allen, die über ihr eigenes Versagen, ihre eigene Sünde, ihre eigens verursachte Ungerechtigkeit Leid tragen und trauern (vgl auch 2Mose 33,4). Diesen Menschen wird Trost versprochen, Trost durch Vergebung der Schuld. Trauern ist sehr oft mit Weinen verbunden und bildet den Gegensatz zum überheblichen und oberflächlichem Gelächter. So ergänzt Lukas in seinm Text den Matthäus: „Glückselig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen.“ (Lk 6,25 vgl. dazu auch Hes 27,31).
Was Jesus hier ausspricht, setzt er später in seinem Dienst ganz praktisch um. Die Stadtbekannte Frau, die sich Jesus näherte im Haus des Pharisäers Simon, trauerte und weinte über ihr sündiges Leben. „Und siehe, da war eine Frau in der Stadt, die eine Sünderin war; und als sie erfahren hatte, dass er (Jesus) in dem Haus des Pharisäers zu Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl, trat von hinten an seine Füße heran, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen, und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes. Dann küsste sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl.“ (Lk 7,37-38). Der Trost blieb nicht aus, denn Jesus nimmt sie in Schutz vor Simon wenn er sagt: „Denn ihre vielen Sünden sind ihr vergeben“ und zu der Frau gewandt: „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!“ (Lk 7,50).
Die Verheißung des `getröstet werden` löst Jesus also schon hier und jetzt ein, doch erst in der Neuen Welt wird sie vollkommene und ununterbrochene Realität werden, so die Aussagen in dem prophetischen Buch des Jesaja und der Offenbarung des Johannes:
- Jes 25,8: „Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.“
- Offb 7,17: „(…) denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. (Offb 7,17).“
- Offb 21,4: „(…) und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid (wörtlich: Trauer) noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Was für eine Aussicht !
Fragen / Aufgaben:
- Wer sind Trauernde und Leidtragende?
- Warum ist das Leidtragen über die bewusst begangenen Sünden eine der wichtigen Voraussetzungen für die Wiedergeburt eines Menschen?
- Was beinhaltet die Verheißung des getröstet werden?
- Wann löst Jesus dieses Versprechen ein?
Die 3. Seligpreisung
„Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde besitzen (erben).“ (Mt 5,5).
Es ist nicht einfach diese Seligpreisung zu verstehen, einmal wegen dem Begriff `Sanftmut` und wegen der Verheißung `die Erde zu erben`. Wir fangeNeun hier einmal vom Ende an und fragen, was meint Jesus mit „die Erde erben“?
In den meisten Stellen der Bibel ist mit Erde unser Planet gemeint, den Gott geschaffen hat mit allem was darinnen ist (1Mose 1,1-2,24) und diese Erde gehört Gott, wie aus Psalm 24,1 deutlich und unmissverständlich hervorgeht: „Ein Psalm Davids.“ Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen.“ Die Eigentumsrechte liegen also bei Gott. An einer anderen Stelle steht geschrieben: „Der Himmel ist der Himmel des HERRN; aber die Erde hat er den Menschenkindern gegeben.“ (Ps 115,16; 1Mose 2,15). Bereits den Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob) versprach Gott ein bestimmtes Land zu geben (1Mose 12,7; 13,15.17; 17.8; 26,3; 28,13; 50,24; 32,13; Jes 34,17; 60,21). Doch das Land hat Gott dem Volk Israel unter konkreten Bedingungen zum Erbe gegeben (5Mose 4,27; 28,15-68; 31,16-21; 1Kön 6,46-53; 14,15-16; Neh 1,5-11). Mit dem Begriff Erde `gr. `γῆς – g¢s`, werden sowohl unser Planet als Ganzes sowie bestimmte begrenzte Territorien beschrieben.
Doch es gibt einige Aussagen, auch schon im Alten Testament über eine neue Erde, so lesen wir zum Beispiel in Jesaja 65,17: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“ (Jes 65,17). Oder: „Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich mache, vor mir Bestand haben, spricht der HERR, (…).“ (Jes 66,22a). Gott hat also eine neue Weltschöpfung unter der Doppelbezeichnung `Himmel und Erde` vorgesehen und vorausgesagt. Jene Vorsehung setzt die zeitweilige begrenzte Bestimmung dieser Erde voraus. Die Vergänglichkeit der jetzigen Erde hat auch Jesus vorausgesagt: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“ (Mt 24,35). Auch der Apostel Petrus, der Jesus in dessen Lehre gut und richtig verstanden hat, schreibt etwas ausführlicher vom Vergehen der jetzigen Schöpfung und beschreibt die neue Schöpfung:
Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden. Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. (2Petr 3,10-13; Jes 65,17; 66,22).
Wir haben also die Wahl mit dem Begriff Erde `gr. gh;j – g¢s` an diese materielle, zeitlich begrenzte und vergängliche Erde zu denken, an die Erde, die Gott schafft, in welcher Gerechtigkeit wohnen wird oder an beide Schöpfungen, bzw. Wohnbereiche.
Nach der Elberfelder Übersetzung heißt es: „Sie werden das Land erben“, (LÜ nicht so genau: „das Erdreich besitzen“). Diese Übesetzungsvariante könnte unnötigerweise zu einem Denken an ein `irdisches Reich` verleiten. Im Griechischen wird das Verb `erben` verwendet. Beim `erben` handelt es sich um Eigentumsrechte. In Matthäus 25,34 sagt Jesus, bzw. wird er zu denen zu seiner Rechten sagen: „ererbt das Reich“. Bei dieser Aussage geht es eindeutig um das ewige, auf die Zukunft ausgerichtete unvergängliche Erbe, das uns Jesus durch sein Erlösungswerk erworben hat. Aber gibt es bereits hier auf dieser Erde etwas zu erben? Es sieht so aus, dass die jetzige Erde von den Mächtigen dieser Welt beansprucht und verwaltet (oder auch mißbraucht) wird. Wir fragen auch, welche Bestrebungen zeigte Jesus, als er hier war? Nahm er etwas von dieser Erde, diesem seinem Land in dem er lebte in Besitz?
- Er besaß kein eigenes Haus, obwohl er Häuser-Erbauer war.
- Er beanspruchte keinen Grundbesitz in Bethlehem, der Stadt seiner Vorfahren.
- Er sprach nicht über die Wiederherstellung des Territoriums für das Volk Israel, sondern immer nur über die Menschen, die dort lebten. Auf die Frage des Pilatus hinsichtlich seiner Königswürde, sagte Jesus; „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36).
Doch wenn Gott immer noch der rechtsmäßige Eigentümer dieser Erde ist, so bezieht er auch seine Kinder jetzt in die gottgewollte Verwaltung der Erde und dessen was darinnen ist, mit ein (1Mose 2,15). Beispiele:
Auf der einen Seite verlassen seine Nachfolger ihre Häuser, ihre Heimat, ihre Boote, ihre Äcker um des Evangeliums willen (Mt 19,27-29). Gleichzeitig stellen sie ihre Häuser, Boote, Kleider, Lebensmittel und auch Geld, Gott und seinem Reich zur Verfügung (Mt 8,14; Lk 5,3; Lk 8,1-3; Joh 12,1-11; Mk 14,3; Apg 2,44.46; 4,37) und gehören zu den wahren Verwaltern dieser Erde und der irdischen Dinge. So bekommt diese Seligpreisung für die Sanftmütigen auch eine Anwendung auf das jetzt und hier. In Matthäus 19,29 hebt Jesus den Gedanken hervor, dass seine Nachfolger auch schon jetzt in dieser Zeit Anteil haben werden an all den materiell nutzbaren und erforderlichen Dingen (Äcker, Häuser etc).
Was ist Sanftmut, wie drückt sie sich aus? Es gibt sehr viel Stellen im Neuen Testament, in denen der Begriff Sanftmut als Geistesfrucht (Gal 5,23) und Charakterzug eines Christen erwähnt wird, so in Epheser 4,2; Kolosser 3,12; 1Petrus 3,4 u.a.m.). Am Beispiel von Jesus können wir deutlich erkennen, wie diese Frucht des Geistes sich ausdrückt. »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig (gr. πραῢς – praus) und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen (Fohlen), dem Jungen eines Lasttiers« (Mt 21,5; Sach 9,9). Sanftmut hat gar nichts mit zur Schau gestellten Schwäche zu tun. Jesus weiß um seine Berufung, seinen Stand und seinen Auftrag. Für den Einritt nach Jerusalem als der verheißene, wahre König Israels, benötigt er kein weißes Pferd, ein Zeichen eines Herrschers dieser Welt, sondern begnügt sich mit dem Fohlen einer Eselin. Er kommt um zu dienen, was durch das junge noch nicht benutzte und noch unerfahrene Lasttier deutlich wird. Dies ist ein klarer Ausdruck des sanftmütigen Geistes. Er selber beansprucht sanftmütig zu sein wenn er sagt:
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft (freundlich), und meine Last ist leicht. (Mt 11,28-30).
Die Sanftmütigen in Matthäus 5,5 sind also Menschen, die in der Gesinnung und Haltung ihres Meisters leben.
- Sie sind nicht stolz und keine Angeber, trotz ihrer hohen Berufung und Standes (1Kor 15,10).
- Sie sind nicht hochmütig, trotz ihrer besonderen geistlichen Befähigungen (2Kor 12,1-10).
- Sie maßen sich nichts an, was sie nicht tatsächlich sind oder getan haben (2Kor 10,13).
- Sie sind Menschen, die in rechter Art und Weise Schwachgewordene aufrichten (Gal 6,1-2; Apg 15,39).
- Es sind mutige, besonnene, auftrags- und zielbewusste Menschen, die in Extremsituationen weder in Verzagtheit fallen, noch in einen gefühlsmäßigen Überschwang und Übermut (2Kor 10,1; Apg 27,34-36).
- Es sind Menschen, welche die diesseitigen, materiellen Dinge durch Anwendung geistlicher Prinzipien richtig und sinnvoll verwenden (Apg 2,45; 11,28-30).
Fragen / Aufgaben:
- Wem gehört diese Erde rechtsmäßig?
- Was meint Jesus mit der Verheißung: „Die Erde (Land) erben“?
- An welchen Beispielen aus dem Leben von Jesus und der Apostel kann man die Geistesfrucht `Sanftmut` deutlich erkennen?
- Was schließt die Hoffnung, auf das erben eines neuen ewigen Wohnortes für die Sanftmütigen, jetzt und heute unbedingt mit ein?
Die 4. Seligpreisung
In seinen Lehren benutzt Jesus sehr oft Bilder oder wie hier existenzielle Bedürfnisse eines Menschen, um dadurch eine göttliche Wahrheit deutlich zu machen.
Glückselig die Hungernden und Dürstenden nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen gesättigt werden. (Mt 5,6).
In Psalm 33,5 lesen wir: „Er liebt Gerechtigkeit und Recht; die Erde ist voll der Güte des HERRN.“ Und von Jesus heißt es in Hebräer 1,9: „Du hast geliebt die Gerechtigkeit und gehasst die Ungerechtigkeit; darum hat dich, Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl wie keinen deinesgleichen.«
Doch um welchen Aspekt des geistlichen Lebens handelt es sich hier? Der Begriff Gerechtigkeit hat verschiedene Inhalte und wird je nach Grundgesetz unterschiedlich interpretiert und angewandt. Wie immer interessiert uns dieser Begriff im bibloischen Kontext. Der dafür verwendete griechische Begriff `dikaiosu,nh – dikaiosyn¢ ` kommt häufig vor, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament und beschreibt zum einen:
- Die Gerechtigkeit, welche aus der Erfüllung des Gesetzes kommt, zum anderen aber auch
- die Gerechtigkeit, welche aus dem Glauben kommt, bzw. dem Glaubenden an Gottes Verheißung zu- oder angerechnet wird, ohne dass eine Vorleistung (Gesetzeserfüllung) erbracht werden muß.
Gerechtigkeit ist sozusagen ein Qualitätssiegel, so die Erklärung des Apostels Paulus in Römer 4,11: „Das Zeichen der Beschneidung aber empfing er (Abraham) als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er hatte, als er noch nicht beschnitten war. So sollte er ein Vater werden aller, die glauben, ohne beschnitten zu sein, damit auch ihnen der Glaube gerechnet werde zur Gerechtigkeit.“
Auf dem Apostelkonzil in Jerusalem um das Jahr 48 n. Chr. macht Petrus sehr deutlich, dass alle Bemühungen Israels die Gerechtigkeit (Rechtssprechung, Rechtfertigung) und die damit verbundene Errettung, durch das Gesetz zu erlangen, einem schweren Joch gleicht, dass niemand tragen konnte. So lesen wir: „Warum versucht ihr denn nun Gott dadurch, dass ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsre Väter noch wir haben tragen können? Vielmehr glauben wir, durch die Gnade des Herrn Jesus selig (gerettet) zu werden, ebenso wie auch sie.“ (Apg 15,10-11).
Der Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, von der Jesus in Matthäus 5,6 spricht war also die Sehnsucht vieler aufrichtiger und ehrlicher Israeliten, die einsahen, dass sie den Vorderungen des Gesetzes nicht gerecht werden konnten und sich daher nach einer Erlösung sehnten. Dies bescheinigt der Apostel Paulus den Antiochenern in Pisidien (Apg 13,38-39): „So sei euch nun kundgetan, liebe Brüder, dass euch durch ihn (Jesus) Vergebung der Sünden verkündigt wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht werden konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt.“
Abbildung 16 Wasserfall in der Schlucht von En Gedi am Westufer des Toten Meeres. Hier können Menschen und Tiere das ganze Jahr hindurch ihren Durst löschen (Foto: Juli 1994).
Dieser Hunger und Durst also wird durch den Glauben an Jesus Christus völlig gestillt, denn er ist in Person das Brot und das Wasser des Lebens: „Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Joh 6,35; 4,14).
Wonach es Jesus selber wirklich verlangte (sein Hunger und Durst) und was ihn wirklich sättigte, war, den Willen seines Vaters zu tun (Gott in seinen Erwartungen gerecht zu werden, zu entsprechen), wie er selber zu seinen zweölf Jüngern sagte: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.“ (Joh 4,34).
- Der Wille Gottes wird durch sein Gesetz erkennbar,
- Wenn Jesus den Willen Gottes tut, erfüllt er Gottes Gesetz,
- Wenn er Gottes Gesetz erfüllt, erwirbt er Gottes Gerechtigkeit.
Da er aber immer gerecht war, erwarb er als wahrer Mensch, durch die Erfüllung des Gesetzes an unserer statt und für uns die Gerechtigkeit, die Gott akzeptiert. Daher spricht er jeden Glückselig, der nach dieser, von ihm erworbenen Gerechtigkeit, verlangt. Und in Jesaja 61,10 wird von der Freude des Gerechtfertigten vorausgesagt: „Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.“
In Titus 3,5 hebt der Apostel Paulus den Urheber unserer Rettung hervor, wenn er von Jesus schreibt: „(…) machte er uns selig (er errettete uns) – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist.“
Doch ist Jesus auch dem äußeren Menschen zugewandt. Er kümmert sich
- um die Schwachen (Witwen (Lk 7) und deren Rechte.
- Er kümmert sich um die Fremden (Ausländer, Migranten): 2Mose 23,9: „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil ihr auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seid.“ (2Mose 23,9).
- Er kümmert sich um das Rechtssystem: „Beim Richten sollt ihr die Person nicht ansehen, sondern sollt den Kleinen hören wie den Großen und vor niemand euch scheuen; denn das Gericht ist Gottes.“ (5Mose 1,17). Oder: „Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke nehmen; denn Geschenke machen die Weisen blind und verdrehen die Sache der Gerechten.“ (5Mose 16,19).
- Er kümmert sich um den wirtschaftlichen Bereich: „Rechte Waage, rechtes Gewicht, rechter Scheffel und rechtes Maß sollen bei euch sein; ich bin der HERR, euer Gott, der euch aus Ägyptenland geführt hat.“ (3Mose 19,36). Er tadelt die Ungerechtigkeit: „Aber deine Augen und dein Herz sind auf nichts anderes aus als auf unrechten Gewinn und darauf, unschuldiges Blut zu vergießen, zu freveln und zu unterdrücken“ (Jer 22,17).
- Er kümmert sich um die Verstoßenen (Behinderten, Aussätzigen),
- um die Ausgegrenzten (Zöllner und Sünder Lk 15).
Gerade in seinem himmlischen, göttlichen Reich, im Bereich seiner Gemeinde lassen sich die genannten Auswirkungen seiner Gerechtigkeit gut praktizieren (Apg 2,42-4,37).
Wer sich Jesus zuwendet, geht nicht leer aus: „Denn Christus ist des Gesetzes Ende (Vollendung, Ziel, Erfüllung); wer an den glaubt, der ist gerecht.“ (Röm 10,4). „Sind wir denn Gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“ (Röm 5,1).
Fragen / Aufgaben:
- Warum mag Jesus die Bildrede?
- Erkläre den Begriff `Gerechtigkeit` von seinem Ursprung her, aber auch von der Fülle, die ihm Jesus beimisst?
- Nenne einige Beispiele von Jesus, aber auch anderen Menschen, die ihr Verlangen nach Gerechtigkeit deutlich zum Ausdruck brachten.
Die 5. Seligpreisung
Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (Mt 5,7).
Der griechische Begriff `eleh,monej – ele¢mones, eleoj – eleos` beschreibt Menschen `des Erbarmens, des Mitgefühls und Mitleids`. Unser deutsches Wort `Barmherzigkeit` wird zusammengesetzt von Herz und Erbarmen (herzliches Erbarmen). Glückselig werden von Jesus die Menschen genannt, welche beim Anblick der Not und dem Elend der Menschen, nicht wegsehen, sich nicht abwenden, sondern sich Notleidenden in herzlicher, gütiger Zuwendung annehmen und nach ihren Möglichkeiten Hilfe leisten. In dieser Einstellung kommen Mitleid, Mitgefühl, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft deutlich zum Ausdruck.
Abbildung 17 Sonnenaufgang am See Genezaret – Gottes Gnade und sein Erbarmen sind in der Tat jeden Morgen neu (Foto: Juli 1994)
Diese Wesenszüge sind in der Haltung und der Tat des Samariters eindeutig erkennbar.
Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn (empfand er Mitleid); und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme. Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war? Er sprach: Der die Barmherzigkeit (eleos) an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen! (Lk 10,33-37).
Jesus sagt diesen Menschen Barmherzigkeit zu und auch der Apostel Paulus erwähnt einen seiner Mitarbeiter, der bewusst und unter schwierigen Umständen an dem Apostel Erbarmen übte: „Der Herr gebe Barmherzigkeit (eleos) dem Hause des Onesiphorus; denn er hat mich oft erquickt und hat sich meiner Ketten nicht geschämt, sondern als er in Rom war, suchte er mich eifrig und fand mich. Der Herr gebe ihm, dass er Barmherzigkeit finde bei dem Herrn an jenem Tage. Und welche Dienste er in Ephesus geleistet hat, weißt du am besten.“ (2Tim 1,16-18).
Eins der vielen Wesenszüge Gottes ist seine Barmherzigkeit und das was er ist, das tut er auch, so steht von ihm geschrieben: „Der HERR ist allen gütig und erbarmt sich aller seiner Werke.“ (Psalm 145,9).
Welch starke Motivation zum barmherzigen Lebensstil für die Nachfolger von Jesus !
Die 6. Seligpreisung
Die fünfte Seligpreisung lautet: „Glückselig die Reinen im Herzen, denn sie werden Gott schauen.“ (Mt 5,8). Nun spricht Jesus über die verborgene innere Welt des menschlichen Herzens und über eine Aussicht, welche die Jünger und das Volk an zwei wichtige Realitäten in ihrer Geschichte erinnern konnte.
Die erste Realität ist die Bestandsaufnahme Gottes über das Herz des Menschen. Gott sagte zu Noah nach der Sintflut: „Das Herz des Menschen ist böse von Jugend an.“ (1Mose 8,21).
Die zweite Realität ereignete sich auf dem Berg Sinai. Es waren die siebzig Ältesten Israels, die dem Herrn nahen durften und seine Herrlichkeit schauen. Von diesen heißt es: „(…) und sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie eine Fläche von Saphir und wie der Himmel, wenn es klar ist.“ (2Mose 24,10).
Jesus kommt zu den Menschen nicht mit der Rute, nicht mit den Vorderungen des Gesetzes und schon gar nicht mit den Satzungen der Ältesten. Wovon er hier sprach, öffnete praktisch jedem Einzelnen diese herrliche Perspektive. Das war Evangelium, die Frohe Botschaft ! Doch wie gelangt man dahin mit einem Herzen, das voller Unreinheit und Sünde war. Damit weckte Jesus auf der einen Seite bei seinen Jüngern innere Sehnsüchte und und auf der anderen Seite forderte er die Menschen heraus zu fragen: Wie kann das geschehen, wie kommen wir dahin?
Die Aufrichtigen unter ihnen dachten vielleicht an David, der voller Sehnsucht ausrief: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“ (Ps 42,3). Und dann zum Herrn flehte „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“ (Ps 51,12).
Abbildung 18 Im Oberlauf des Jordan ist das Wasser so klar, durchsichtig, dass man bis auf den Grund sehen kann. Jede Art von Verschmutzung des Wassers ist von der Naturschutzbehörde in Israel strengstens untersagt (Foto: Juli 1994).
Jesus sind alle Schriftaussagen über das Herz des Menschen, wie es Gott sieht und was er vorhat daraus zu machen, bekannt. Wer von den Jüngern und vom Volk die Schriften der Propheten kannte, wird sich möglicherweise erinnern an die Verheißung Gottes an sein Volk durch den Propheten Hesekiel: „Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, dass ihr in meinen Ordnungen lebt und meine Rechtsbestimmungen bewahrt und tut.“ (Hes 36,26-27).
Fragen / Aufgaben:
- Woran können wir erkennen, dass das Herz des Menschen böse ist von Jugend an?
- Warum ist es wichtig, im Menschen die Sehnsucht nach Gott zu wecken?
- Wodurch werden die Herzen gereinigt?
- Was meint Jesus mit „sie werden Gott schauen“?
Die 7. Seligpreisung
„Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.“ (Mt 5,9).
Das hebräische Wort für Frieden, welches Jesus ursprünglich verwendet hatte, lautet: `Schalom`, es ist sehr inhaltsvoll und umfasst alle Bereiche des menschlichen Wohlbefindens. Das griechische Wort für Frieden lautet: `ειρήνη – eirene` und ist in vielen Sprachen als Personenname bekannt (Irene, Irina, Irena). Dies unterstreicht den Wunsch und die Sehnsucht der Menschen nach Sicherheit, Wohlbefinden, Geborgenheit.
Abbildung 19 Plitvicerseen mit Wasserfällen, über hölzerne Gehwege und Brücken leicht zu begehen – friedliche Landschaft – ein Hauch von Frieden (Foto: Juli 1986).
Im Text wird aber ein Zusammengesetztes Wort gebraucht nämlich: `ειρηνηποιοι – eirenipoioi` und kann mit Friedensmacher, Friedenstäter, Friedensstifter übersetzt werden. Hier geht es nicht allein um Frieden zu halten, zu bewahren, sondern auch um zerstörte Beziehungen zu befrieden durch Vermittlung der Botschaft voin der Versöhnung.
Jede Art von Frieden hat eine bestimmte Qualität wie zum Beispiel:
- Zwei zerstrittene Parteien einigen sich auf der Grundlage bestimmter akzeptabler Regeln,
- Zwei Länder schließen einen freiwilligen oder auch erzwungenen Friedensvertrag und die Koexistenz ist für eine bestimmte Zeit gesichert.
- Zwei Menschen klären ihre zerrissene Beziehung und schließen Frieden,
Die friedensstiftenden Maßnahmen unter Menschen in dieser Welt sind grundsätzlich zu begrüßen, abgesehen davon, dass sie oft auf die Kosten der Schwächeren erreicht werden, oder deutliche Tendenzen zu egoistischen, eigennützigen Motiven zeigen.
Jesus unterscheidet daher zwischen dem weltlichen (typisch menschlichem) und göttlichem Frieden wenn er zu seinen Jüngern sagt: „Meinen Frieden gebe ich euch, nicht gebe ich euch wie die Welt gibt“ (Joh 14,17).
Frieden, wahren Frieden bekommt der Mensch, oder zu echtem Frieden gelangt der Mensch nur in der Person Jesu Christi: „Solches habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt, in der Welt habt ihr Bedrängnis, aber seid getrost, ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Der Friede, den Jesus in diese Welt bringt, beruht auf der Versöhnung, die Gott den Menschen anbietet:
- Versöhnung mit Gott durch Christus und dessen Heilswerk am Kreuz,
- Versöhnung der Menschen untereinander wegen Christus.
- Paulus hebt diesen göttlichen Frieden in seinem Brief an die Epheser heror: „Er (Jesus) machte Frieden“ (Eph 2,15). „Er (Jesus) ist gekommen und hat Frieden verkündigt den Nahen und den Fernen“ (Eph 2,17). Paulus wünscht den Gläubigen in Philippi: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“ (Phil 4,7).
Jesus preist nicht nur alle glückselig, die diesen von Gott gewollten und durch Christus erwirkten Frieden selbst erfahren haben, sondern sich aktiv durch Wort und Tat an der Verbreitung dieses Friedens beteiligen. Die Verheißung lautet: „Sie werden Söhne Gottes genannt werden“. Diese Ehrung bekommen sie natürlich von Gott selber zugesprochen, doch auch Menschen können sehen und erkennen, dass diese Friedensstifter ihrem Meister Jesus Christus, dem Sohne Gottes, sehr ähnlich sind im Sein und im Tun !
Fragen:
- Woher kommt Unfriede?
- Wie sieht der weltliche Frieden aus, wie erstrebenswert ist er?
- Was meint Jesus mit seinem Frieden?–––
- Was vermag der Friede Christi?
- Was tun, wenn ein Christ den Frieden verliert?
Die 8. Seligpreisung
Die achte Seligpreisung ist die längste vom Text und Inhalt, durch sie fordert Jesus die Gläubigen bis aufs Äußerste heraus.
„Glückselig die um Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihrer ist das Reich der Himmel“ (Mt 5,10).
„Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen“ (Mt 5,11).
„Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren“ (Mt 5,12).
Und Lukas ergänzt mit den Worten von Jesus: „Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden, denn ebenso taten ihre Väter den falschen Propheten“ (Lk 6,26).
Die Geschichte der Verfolgung
Die Verfolgung fing schon in der zweiten Menschen-Generation an:
- Abel wurde von seinem Älteren Bruder Kain aus Neid umgebracht (1Mose 4,1ff).
- Isaak wurde von Ismael, seinem älteren Bruder verfolgt (Gal 4,29).
- Jakob wurde von seinem älteren Bruder Esau verfolgt (1Mose 27).
- Josef wurde von seinen älteren Brüdern verfolgt (Mordanschläge, Verkauf in die Sklaverei 1Mose 37).
- Den Propheten ging es nicht besser (Mt 5,11).
- Jesus wurde von den Ältesten des Volkes verfolgt und schließlich zu Tode verurteilt.
- „…an diesem Tag erhob sich eine große Verfolgung wieder die Gemeinde in Jerusalem“ schreibt Lukas in der Apostelgeschichte 8,1.
- „Wir müssen durch viel Bedrängnisse (Trübsal) in das Reich Gottes hineingehen“ sagte der Apostel Paulus zum Abschied den Gläubigen im pisidischen Antiochia (Apg 14,22).
Jesus setzt Verfolgung voraus wie wir in Lukas 11,50-51 lesen: „Damit gefordert werde von diesem Geschlecht das Blut aller Propheten, das vergossen ist seit Erschaffung der Welt; von Abels Blut an, bis hin zum Blut des Zacharija, der umkam zwischen Altar und Tempel, …“. Mit der Bezeichnung „von diesem Geschlecht“ meint Jesus nicht nur das zu seiner Zeit antigöttliche und antichristliche Lager, sondern ALLE Menschen aller Generationen, die sich gegen Gott und sein Volk auflehnen, (vgl. auch die Aussage in Offenbarung 18,24: „… und das Blut der Propheten und der Heiligen ist in ihr gefunden worden und das Blut aller derer, die auf Erden umgebracht worden sind).
Verfolgung, – eine unausweichliche Folge der gerechten Lebensführung?!
Die Verfolgung ist notwendig für die Bewährung des Glaubens: „Aber wenn sich Bedrängnis oder Verfolgung erhebt um des Wortes Willen, so fallen sie ab“ (Mt 13,21). Oder mit einem positiven Ergebnis: „Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus“ (1Petr 1,6-7).
- Durch Verfolgung werden die Fronten klar abgesteckt, so schreibt Paulus in 2Tim 3,12 „Und alle, die fromm (gottesfürchtig) leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden“ (vgl. 2Tim 3,11; 2Kor 4,9; Röm 8,35).
Die Zusage der Glückselichkeit gilt also all denen, die in irgendeiner Form, wegen ihrer Zugehörigkeit zu Christus und wegen ihrer gerechten Lebensführung, bedrängt, verfolgt, Mißhandelt, oder gar getötet werden. Auch üble und unwahre Nachrede, falsche, bewusste lügnerische Aussagen, sind in dem Verfolgungskatalog ebenso eingeschlossen. Jesus spricht all diesen Menschen, die solches erleiden und erdulden, schon jetzt Glückseligkeit zu, ja, er fordert sogar auf zum Jubeln, was die Apostel als Vorbilder später auch tun: „Sie gingen aber fröhlich (sich freuend) von dem Hohen Rat fort, weil sie würdig gewesen waren, um Seines Namens willen Schmach zu leiden“ (Apg 5,41).
Eines Tages wird sich das Blatt wenden, dann werden die hier Verfolgten im Reich Gottes ihren Trost bekommen. Doch auch schon hier sind die Verfolgten die eigentlichen Sieger – Sieger über das Böse und bezeugen damit ihren Anteil am Reich Gottes und seiner Herrschaft!
Fragen:
- Welche Seligpreisung fällt dir positiv und welche evtl. negativ auf?
- Warum waren diese Seligpreisungen in jedem Kulturkreis immer irgendwie störend?
- Welche Seligpreisung würde in der Umsetzung deinen Alltag in Familie, Beruf und Gemeinde stark verändern?
- Welche Seligpreisung könnte für dich Priorität in der Umsetzung gewinnen?
Wie verhält sich Jesus zum Gesetz?
Die Haupttätigkeit von Jesus war das Lehren: Er lehrte in ihren Synagogen, in den Häusern oder wie hier draußen auf freiem Felde, wo sehr viele zuhören konnten. Besonders aber die Gruppe der Schriftgelehrten aus der Pharisäerpartei hörte genau hin, was er sagte, aber auch was er wann und wie tat. Sie hörten Jesus also sehr kritisch zu und suchten zum Teil bewusst, wie sie ihm Unregelmäßigkeiten in der Gesetzesauslegung oder deren Anwendung auf das alltägliche Leben, unterstellen konnten. Die Frage nach dem rechten Verständnis und der rechten Auslegung und Anwendung des Gesetzes beschäftigte wohl auch viele aufrichtig Gläubigen im Volk. Auf diesem Hintergrund greift Jesus das Thema auf und macht deutlich, wie er zum Gesetz und auch zu den Propheten des Alten Bundes steht.
- „Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Und dann wird er noch konkreter: „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist. Und nun sagt er etwas über das wie bei der Auslegung des Gesetzes und dessen Anwendung: „Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heißen im Reich6 der Himmel; wer sie aber tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel. Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertrifft, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen“(Mt 5,17-20).
Das Gesetz, die Propheten und auch die Psalmen waren fester Bestandtteil der jüdischen Bibel, wobei manchmal auch das ganze Alte Testament unter dem Oberbegriff Gesetz verstanden wurde.
Der Begriff Gesetz gr. `νομος – nomos` wird unterschiedlich gebraucht, so zum Beispiel:
- Das Gesetz Moses (Lk 2,23), oder das Gesetz des Herrn – gemeint ist dasselbe Gesetz (Lk 2,24),
- Das Gesetz Christi – „ich aber sage euch“ – es ist bindend (Gal 6,2),
- Das Gesetz des Geistes – welches lebendig macht (Röm 8,2),
- Das Gesetz des Fleisches – welches den Menschen knechtet (Röm 8,3; 7,23),
- Das Gesetz der Sünde und des Todes (Röm 8,2; 7,23),
- Das Gesetz des Verstandes (im Sinnen, in der Gesinnung, im Denken) des Menschen (Röm 7,23; Eph 4,17. 18; Lk 10,27; Kol 1,21; Hebr 4,12),
In unserem Text nimmt Jesus Bezug auf das gesamte Schriftzeugnis des Alten Testamentes.
Der im griechischen Text verwendete Begriff `καταλυσαι – katalysai`, meint auflösen und zwar im Sinne von, außer Kraft setzen, für ungültig erklären. All dies will Jesus nicht tun, sondern sein Ziel und Lebensaufgabe besteht darin, das er erstens: alle Anforderungen (Ansprüche, Erwartungen) des Gesetzes erfüllt und zweitens: alle Voraussagen, Verheißungen in und durch seine Person zur Erfüllung kommen. Der gr. Begriff `πληρωσαι – plirosai` meint `erfüllen` und zwar ganz füllen, es bleibt nichts offen, alles ist gedeckt, auf alle Fragen sind von ihm und durch ihn Antworten gegeben worden.
Jesus beruft sich auf die Schrift
Sehr oft beginnt Jesus seine Rede mit den Worten:
- „Es steht geschrieben“ (Mt 4,4. 6. 10; 21,13; 26,24).
- Jesus bestätigt, die Unzerbrüchlichkeit der Schrift: „Wenn er „die“ Götter nennt, zu denen das Wort Gottes geschah – und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden“ (Joh 10,35).
- „Auch steht in eurem Gesetz geschrieben, dass zweier Menschen Zeugnis wahr sei“ (Joh 8,17). Mit dieser Berufung auf das Gesetz, unterstreicht er die Wahrhaftigkeit seines Zeugnisses, welches durch Johannes den Täufer als zweitem Zeugen mitbekräftigt wurde.
. Jesus sagt weiter: „Denn er (Mose) hat von mir geschrieben“ (Joh 5,46; 5Mose 18,15-17). Darum beansprucht er gehört zu werdeen.
Jesus ist der beste Gesetzeslehrer (Ausleger)
- „Wenn ihr verstehen würdet, was es heißt, oder bedeutet: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer, so hättet ihr die Unschuldigen nicht verdammt“ (Mt 12,7; Hosea 6,6). Di neue Betonung bestimmter alttestamentlicher Aussagen ist bemerkenswert.
- „Ihr habt gehört, das gesagt ist ….. ich aber sage euch“ – ist keine Auflösung, sondern eine Vertiefung, bzw Erklärung der ganzen Tiefe des Inhaltes der Gebote Gottes, eben das, was Gott mit diesen Aussagen gemeint hat (Mt 5,21. 27. 33. 37. 38. 43).
In und durch die Person Jesu wird das Gesetz (die Propheten und Psalmen) erfüllt
„Damit erfüllt wird, (damit ist erfüllt), was gesagt oder geschrieben wurde“:
- „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ (2Mose 2,24; Hosea 11,1-2; Mt 2,15), Eine Prophetie, welche ihre historische Erfüllung im Auszug Israels aus Ägypten erfüllte und die sich im Leben von Jesus erfüllte und die sich in einem geistlich-übertragenm Sinne an jedem seiner Kinder erfüllt, die er aus der Slaverei der Sünde herausführt.
- Mt 13,35: „damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Psalm 78,2): »Ich will meinen Mund auftun in Gleichnissen und will aussprechen, was verborgen war vom Anfang der Welt an.«
- Mt 21,4; „Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.“
- Mt 26,56: „Aber das ist alles geschehen, damit erfüllt würden die Schriften der Propheten. Da verließen ihn alle Jünger und flohen“.(Sach 13,7).
- Joh 12,38: „damit erfüllt werde der Spruch des Propheten Jesaja, den er sagte (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?«
- Mt 8,17:„damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 53,4): »Er hat unsre Schwachheit auf sich genommen, und unsre Krankheit hat er getragen“ (Mt 8,17).
- Lk 22,37: „Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet (erfüllt) werden, was geschrieben steht (Jesaja 53,12): »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet (abgeschlossen, erfüllt).“
- Lk 24,44-45: „Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden,“
Und in der Tat stimmt die Zusammenfassung des Apostels Paulus mit Jesu Aussagen überein, wenn er an die Römer schreibt: „Denn Christus ist des Gesetzes Ende (gr. τελος – telos – Ende, Vollendung, Ziel, Erfüllung); wer an den glaubt, der ist gerecht“ (Röm 10,4).
Fragen:
- Was für eine Meinung herrschte unter dem Volk über Jesus und seine Beziehung zum Gesetz und wie korrigiert Jesus deren Denken?
- Was bedeutet das Wort auflösen und das Wort erfüllen?
- Nenne drei Beispiele, wie Schriftaussagen aus dem Gesetz, den Psalmen und Propheten sich in Jesu Leben erfüllten?
- Was bedeutet es für uns, dass Jesus das Gesetz erfüllte? Welche Bestimmung hat es heute für uns?
Das 6. Gebot – Töte nicht
Nachdem Jesus eine Grundaussage gemacht hat über seine Haltung zum Gesetz, geht er nun in die Details, greift eine Reihe von Geboten und Verboten auf und erklärt sie. Er fängt mit der sogenannten zweiten Gesetzestafel aus 2Mose 20,1-17 an.
„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist (2.Mose 20,13; 21,12): »Du sollst nicht töten«; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.
Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig;
wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig;
wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.
Darum: wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe.
Vertrage dich mit deinem Gegner sogleich, solange du noch mit ihm auf dem Weg bist, damit dich der Gegner nicht dem Richter überantworte und der Richter dem Gerichtsdiener und du ins Gefängnis geworfen werdest. Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch den letzten Pfennig bezahlt hast“ (Mt 5,21-26).
Auch hier stellen wir schnell fest, dass Jesus das Gebot zum Schutz des Lebens, viel genauer und detailierter erklärt, als es im Buch Moses beschrieben wird. Doch zunächst die Klärung des Begriffes `Mord`. Im Deutschen ist Mord absichtliche, vorsätzliche Tötung eines Menschen. Eine unbeabsichtigte Verletzung mit Todesfolge wird nicht als Mord bezeichnet und juristisch auch anders bewertet. Auch in 2Mose 21,12-25 wird ausdrücklich zwischen beabsichtigter und unbeabsichtigter Tötung unterschieden mit entsprechenden unterschiedlichen Reaktion darauf.
Doch bei Jesus beginnt Mord schon im Herzen (Mt 15,19-20). Die Vorstufen zum Mord sind Zorn, Grimm und Hass. Und dies wiegt bei Jesus schon so schwer, wie im Alten Testament die physische Tötung.
Wir denken da an Kain, der zunächst
- Neid gegenüber seinem jüngeren Bruder aufkommen ließ,
- dann folgte der Grimm/Zorn auf seinen Bruder,
- dann der Hass
- und schließlich Mord an seinem Bruder Abel, so in 1Mose 4,5-7:
„Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.“ Und Johannes ergänzt in seinem ersten Brief 3,12: „nicht wie Kain, der von dem Bösen stammte und seinen Bruder umbrachte. Und warum brachte er ihn um? Weil seine Werke böse waren und die seines Bruders gerecht.“ Und Judas der Halbbruder des Herrn schreibt: „Weh ihnen! Denn sie gehen den Weg Kains“ (Judas 11a).
Doch Gott wollte Mord verhindern und warnte Kain: „Und warum senkst du deinen Blick? Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie“ (1Mose 4,5-7). Nach pheser 4,31 sind Grimm und Zorn nebeneinandegesetzt, so auch nach 1Mose 49,6 dort sagt Jakob seinen beiden Söhnen Simeon und Levi: „Meine Seele komme nicht in ihren Rat, und mein Herz sei nicht in ihrer Versammlung; denn in ihrem Zorn haben sie Männer gemordet, und in ihrem Mutwillen (Gimm) haben sie Stiere gelähmt“ (vgl. auch 1Sam 18,8)
Die bösen Gedanken und Emotionen im Herzen eines Menschen suchen nach einer Ausdrucksform und dies ist zunächst das Wort (Du Nichtsnutz, Taugenichts, zu nichts zu gebrauchen, aus dir wird nie was; Du Narr, Dunnkopf, Blödmann), welches über die Lippen geht, dann bei günstiger Gelegenheit folgt die Tat. Beleidigungen, Verletzungen schlimmster Art auch durch Rufmord sind alltägliche Ausdrucksweise in unserer Gesellschaft (leider auch nicht selten unter Christen). Stünden entsprechende Waffen zur freien Verfügung, würde es bei uns noch zu viel schlimmeren physischen Vrletzungen mit Todesfolge kommen.
Doch geht es Jesus nicht einfach nur um Aufklärung oder Bestandsaufnahme, sondern um Vorbeugung, denn dies ist ja der eigentliche Sinn aller Verbote im Gesetz des Mose. Jesus zeigt den Weg, auf dem Schlimmeres verhindert werden kann und bereits zerbrochenes wieder hergestellt wird – nämlich durch Versöhnung mit dem Geschädigten. Dies ist auch die Voraussetzung zu einer geordneten Beziehung mit Gott.
Fragen:
- Warum fängt Jesus mit der Auslegung des 6. Gebotes an?
- Welche neue Qualität zeigt Jesus, mit dem „Ich aber sage euch“, in den Geboten Gottes auf ?
- Wie bewertet Jesus den Zorn, Grimm und Hass des Menschen?
- Was ist der Unterschied zwischen Totschlag und Mord und wie begründet Gott diese Unterscheidung?
- Um was geht es Jesus vorrangig, um die Beurteilung und Bestrafung der Übertretung des Gebotes, oder um die Vorbeugenden Maßnahmen?
Das 7. Gebot – brich nicht die Ehe
(Mt 5,27-32; 2Mose 20,14; 3Mose 20,10-13)
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2Mose 20,14): „Du sollst nicht ehebrechen. (μοιχεύσεις-moicheuseis). Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.
- Wenn dich aber dein rechtes Auge zum Abfall verführt, so reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.
- Wenn dich deine rechte Hand zum Abfall verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre.
Es ist auch gesagt (5Mose 24,1): »Wer sich von seiner Frau scheidet (απολύση-apolyse), der soll ihr einen Scheidebrief (αποστάσιον-apostasion) geben.
Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, (Unzucht gr.πορνεία – porneia) der macht (verursacht), dass sie die Ehe bricht;
- und wer eine Geschiedene heiratet, der bricht die Ehe“ (Mt 5,27-32).
Auch bei diesem Gebot wollen wir zunächst die für dieses Thema relevanten griechischen Begriffe klären.
- μοιχεία – moicheia – Ehebruch (Ehebruch lag damals erst dann vor, wenn einer der Ehepartner den Ehebund durch sexuelle Untreue, brach).
- πορνεία – porneia – Unzucht (der Begriff wird verwendet, um verschiedene Arten von sexuellen Entgleisungen zu beschreiben).
- απολύση – apolyse – er (der Mann) löst (die Frau) von (sich) los, er scheidet sie von sich. Im jüdischen Kontext wurde die Ehe vom Mann geschieden. Der Mann löst, bzw. schickt seine Frau von sich weg und gibt ihr die Scheidungsurkunde, den Scheidungsbrief in die Hand.
- γάμος – gamos – Heirat, Hochzeit, Ehe. Daher die Fachbegriffe `monogamie – Einehe` und polygamie-Vielehe`.
- αποστάσιον – apostasion – Scheidungsurkunde, Scheidebrief.
Nach dem Buchstaben des Gesetzes war Ehebruch erst dann vollzogen, wenn die Tat vollbracht wurde, d.h. einer der Partner buchstäblich fremd ging und dies stand unter Todesstrafe. Jesus stellt den Ehebruch jedoch schon dann fest, wenn ein Mensch in seinen Gedanken das Begehren (epithymia) gewollt und bejaht hat. Damit wird das Gebot nicht einfach verschärft, sondern er vereinfacht die Einhaltung das Gebotes in seiner ganzen Tiefe. Denn es ist doch leichter den ersten Gedanken abzuwehren, als noch kurz vor der Tat umzukehren. Ein Streichholz zu löschen, ist sehr einfach, doch wenn das Haus erst in Flammen steht, dann ist es in den mesten fällen zu spät. Um die Vorbeugende Maßnahmen geht es bei Jesus, welche er durch draßtische Zuspitzungen unterstreicht. Das Ärgernis des rechten Auges und der rechten Hand, ist von Jesus nicht willkürlich so betont. Die rechte Seite des Menschen, also der rechte Fuß, die rechte Hand, das rechte Ohr und natürlich auch das rechte Auge, werden vom Menschen bevorzugt zur Ausführung von Handlungen gebraucht. Das Ärgernis (skandalon) ist so was wie ein Anstoß, Hindernis, das einen Menschen zu Fall bringen kann, oder eine Art Verführung, Verlockung, Falle, in der sich ein Mensch verfängt. Diese gilt es zu erkennen und dem muß energischer Wiederstand geleistet werden. Es geht um sich zurückhalten von einer Bejahung in Gedanken, Worten oder gar der Ausführung.
- Achtgeben auf die Füße: Jes 58,13;
- Achtgeben auf die Augen: Ps 119,37;
- Achtgeben auf die Hände: Jes 33,15..
Dass Jesus diese Aussagen nicht wörtlich/buchstäblich gemeint hat, macht das Verhalten der Jünger und der ersten Christengeneration deutlich, denn an keiner Stelle der geschichtlichen Beschreibungen über die Missstände in den ersten Gemeinden hat man sich die Augen oder die Hände ausgerissen.
Doch Jesus spricht noch einen anderen Aspekt des Ehebruchs an. Wer seine Frau entlässt, der setzt sie der Gefahr oder auch der Versuchung aus sich mit einem anderen Mann zu verheiraten. Und dadurch wird diese Ehe auch in ihrer sichtbaren und fassbaren Gestallt zerbrochen. Der Mann, der sie zu sich nimmt, macht sich ebenfalls des Ehebruchs schuldig. Es ensteht also eine Kettenreaktion von Übertretungen des Gebotes Gottes und die Folgen sind oft verheerend, besonders für Kinder. (Mir ist bewusst, dass der Abschnitt mit der Entlassung einer Frau mittels eines Scheidungsdokuments von hartherzigen und liberalen Auslegern im Judentum oft zu unrechtsmäügen Scheidungen geführt hat und Jesus womöglich diese lieberale, sogar vom Gesetz nicht gedeckte Scheidungspraxis anprangerte).
Eine deutliche Einschränkung oder zugeständnis zur rechtsmäßigen Scheidung macht Jesus, wenn er sagt, dass wegen oder im Falle von Unzucht, also wegen Treuebruchs eines Partners in der Ehe, der andere das gesetzliche Recht hätte, sich zu trennen, ohne dass es dann ihm, so wäre die Logik, als Ehebruch angerechnet wird wenn er wieder heiratet.
Weitere Aspekte der Ehefragen werden in Matthäus 19,3-12 von Jesus aufgegriffen und erläutert: „Da traten Pharisäer zu ihm und versuchten ihn und sprachen: Ist’s erlaubt, dass sich ein Mann aus irgendeinem Grund von seiner Frau scheidet? Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen: Der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau und sprach (1.Mose 2,24): »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden „ein“ Fleisch sein«? So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern „ein“ Fleisch1. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden“ (Mt 19,3-6)!
Hier macht Jesus deutlich, dass es überhaupt nicht darum geht, wie man im Falle eines Falles seine Frau entlassen könnte, um eine neue Beziehung eizugehen, sondern im Vordergrund steht die ursprüngliche Ordnung Gottes, nämlich `ein` Mann und `eine` Frau und das für`s ganze Leben.
Das Zugeständnis des Mose (eigentlich das Zugeständnis Gottes durch Mose im Gesetz), wurde nur wegen der Hartherzigkeit der jüdischen Männer gegeben. Gott verhieß jedoch seinem Volk das harte Herz herauszunehmen und ihm ein fleischernes, also ein weiches, empfindsames, lebendiges Herz zu geben (Hes 11,19). Das heißt, es soll immer zuerst die Wiederherstellung der zerbrochenen Ehebeziehung durch Versöhnung und Vergebung angestrebt werden.
Im Alten Testament wird die Beziehung Gottes zu Israel mit einem Ehebündnis beschrieben. Gott ist eigentlich der Betroffene, der Betrogene, Hintergangene, dem Israel die Treue nicht gehalten hatte. Sie liefen ihm immer wieder davon (Jes 50,1-2;
Jer 3,1. 8-20). Gott gab also im Gegensatz zu den natürlichen Ehegepflogenheiten dem Volk Israel immer wieder die Möglichkeit zur Rückkehr durch Einsicht und Buße.
Die Botschaft Gottes ist klar, trotz der Untreue seiner Frau (Israel/Juda) ist sein Arm nicht zu kurz, dass er nicht helfen oder erretten könnte? Und er ruft sie zurück und verspricht sie wieder anzunehmen.
So stellt Jesus die Ehe wieder in Gottes Licht und unter Gottes Schutz. Seine Gedanken sind, Gedanken der Versöhnung, der Wiederherstellung, auch im Falle der Untreue. Dafür aber gab Jesus sein neues Verständnis zur Ehe. Gesetz wird nicht nur erfüllt, wenn die Ehe nicht gebrochen wurde, sondern Gesetz wird erfüllt, wenn die Ehe gepflegt, erhalten, oder wieder erneuert wird, so dass dadurch der göttliche Ehegedanke und Plan Gottes mit seinem Sohn und der Gemeinde reflektiert und geehrt wird.
Fragen:
- Warum ist die Ehe von Gott durchs Gesetz geschützt worden?
- Warum hat dann Gott durch Mose den Israeliten erlaubt mittels eines Scheidebriefes sich von ihren Frauen zu scheiden?
- Was war der ursprüngliche Gedanke und Plan Gottes mit dem Menschen in Bezug auf die Ehe?
- Welche Schwierigkeiten entstehen bei einer Scheidung?
- Siehst du deine Ehe an als ein Geschenk von Gott?
Das Gebot – Schwöre nicht falsch
(Mt 5,33-37)
Die Praxis des Schwörens ist uralt und wurde generell zur Bekräftigung und Beglaubigung einer Aussage gemacht. Ein Gelübde ist auch ein feierliches Versprechen, doch ohne Schwur (1Mose 28,20; 31,13 – Jakobs Gelöbnis/Gelübde). Gott selbst schwor Abraham einen Eid: „und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont,
will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel …“ (1Mose 22,16-17). Wenn aber Menschen schworen, dann nahmen sie immer Bezug auf eine, dem Schwörenden höhergestellte Person, oder gar Bezug auf Gott. So lesen wir in Hebräer 6,16: „Die Menschen schwören ja bei einem Größeren, als sie selbst sind; und der Eid (gr. όρκος – orkos) dient ihnen zur Bekräftigung und macht aller Widerrede ein Ende“. Der Schwur trug also dazu bei, dass ein Konflikt beigelegt werden konnte, so fordert Abimelech, der König von Gerar, Abraham zu einem Schwur auf: in 1Mose 21,23 sagt er: „So schwöre mir nun bei Gott, dass du mir und meinen Söhnen und meinen Enkeln keine Untreue erweisen wollest, sondern die Barmherzigkeit, die ich an dir getan habe, an mir auch tust und an dem
Lande, darin du ein Fremdling bist“ (1Mose 21,23).
Auch Isaak und Jakob wurden zum Schwören aufgefordert (1Mose 26,26-31; 31,53-54) und sie hielten sich auch daran. So wurde das Schwören im Gesetz Moses zwar verankert, gleichzeitig aber auch vor Missbrauch gewarnt. „Ihr sollt nicht falsch schwören bei meinem Namen und den Namen eures Gottes nicht entheiligen; ich bin der HERR“ (3Mose 19,12).
Der übliche und am meisten verwendete Schwur in Israel lautete: „So wahr der HERR lebt! (Jer 12,16; Richter 8,19; Ruth 3,13;1Sam 19,6; 2Kön 2,2). Und in der Tat, wenn der Eid durch die Schwurformel mit Einbeziehung des Gottesnamens wohl überlegt ausgesprochen wurde, war es auch ein Zeugnis der Zugehörigkeit zu Gott. Gott wurde also bewusst in das Leben, den Alltag einbezogen. Doch die Eide verloren nach und nach ihren Whrheitsgehalt und damit wurde der Name Gottes mißbraucht und entheiligt. Jesus nimmt nun Bezug auf diesen Missstand: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3.Mose 19,12; 4.Mose 30,3): »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.«
Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt,
- weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;
- noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße;
- noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.
- uoch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen“ (Mt 5,33-36).
Nun leitet er eine neue Phase des Umgangs mit Worten, Versprechungen und Beteuerungen, ein. Er reduziert das Ganze auf den wahren Kern einer Aussage – Wenn JA, dann JA, wenn NEIN, dann NEIN. Damit legt er die Aussagen in die volle Verantwortung des Menschen und schützt den Namen Gottes vor Mißbrauch und damit vor einer Entheiligung. Der Gesetzgeber hebt damit nicht ein alttestamentliches Gebot auf, denn solch ein Gebot gab es nicht. Es gab schon vor der Gesetzgebung am Sinai diese allgemeine Praxis des Schwörens. Das Verbot lautete: „Ihr sollt nicht falsch schwören bei meinem Namen und den Namen eures Gottes nicht entheiligen; ich bin der HERR“ (3Mose 19,12). Das Gebot lautete: „Wenn jemand dem HERRN ein Gelübde tut oder einen Eid schwört, dass er sich zu etwas verpflichten will, so soll er sein Wort nicht brechen, sondern alles tun, wie es über seine Lippen gegangen ist“ (4Mose 30,3). So erkennen wir, dass sich Jesus wegen des Mißbrauchs dieser Alltagspraxis eine Neue Umgangsform in die zwischenmenschliche Beziehungen einführt, nämlich: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel“ (Mt 5,37). Wenn Jesus des öfteren seine Rede mit den einleitenden Worten „Wahrlich, wahrlich, (gr. αμην, αμην – amen, amen) ich sage euch“ beginnt, so ist es kein Schwur, sondern eine feierliche Hervorhebung dessen, was nun gesagt wird.
Die Praxis, ein Gelübde abzulegen, wurde auch in neutestamentlicher Zeit fortgesetzt (Apg 18,18; 21,23).
Als Petrus im Hof des Hohepriesters von den Bediensteten nach seiner Zugehörigkeit zu dem Mann aus Nazaret gefragt wurde, belegte er sich mit einem Fluch und Schwur: „Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Mt 26,74-75). Diese Erfahrung war so einprägsam, dass ihm so etwas später nicht mehr passierte. Jakobus, der Bruder des Herrn schreibt in seinem Brief: „Vor allen Dingen aber, meine Brüder, schwört nicht, weder bei dem Himmel noch bei der Erde noch mit einem andern Eid. Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt“ (Jak 5,12).
Auch in diesem Bereich will Jesus es uns leichter machen. Durch diese Neuordnung schützt und bewahrt er uns in einer demütigen Abhängigkeit zu Gott. Das stolze: „Ich schwöre dir bei …“, ist also nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich. „Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun“ (Jak 4,15).
Fragen:
- Woher kommt die Praxis des Schwörens?
- Was ist der Unterschied zwischen Schwur/Eid und einem Gelübde?
- Welche Bedeutung hatte das Schwören in der Patriarchenzeit?
- Wie lautete die gängige Formel beim Schwören in Israel? Und was verband man damit?
- Warum ändert Jesus diese jahrtausendealte Praxis? Was ist bei der neuen Anweisung Jesu neu?
- Wie viel zählt dein Wort, dein Versprechen? Kann man sich darauf verlassen?
Das Gebot der Nächsten- und Feindesliebe
(Mt 5,43-48; Lk 6,27-35)
Da dieses Gebot die grundsätzliche Beziehung zum Nächsten regelt, betrachten wir es an dieser Stelle. Im Rahmen der Berglehre ist Jesus immer noch im Bereich der zweiten Gesetzestafel, bei der Klärung der Beziehung des Menschen zu seinem Nächsten.
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist:
- »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18)
- und deinen Feind hassen.
Ich aber sage euch:
- Liebt eure Feinde
- und bittet für die, die euch verfolgen,
damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
- Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner?
- Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?
Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mt 5,43-48; Lk 6,35).
Zunächst stellen wir fest, dass es Jesus hier nicht um die Klärung oder Definition des Feindbildes geht. Dies wird von Jesus an anderen Stellen und in anderen Zusammenhängen angesprochen und geklärt. Hier geht es auch nicht um die Klärung des Gebotes der Nächstenliebe, auch zu dieser Frage nimmt Jesus später klar Bezug. Mit dem „Ich aber sage euch“ setzt er einen ganz neuen Akzent auf die Beziehung zu Menschen, die sich feindselig zu ihren Mitmenschen (auch besonders zu den Jüngern Jesu) verhalten. Es geht hier also eindeutig um Feindesliebe! Der Gedanke oder auch der Ansatz zu einer positiven Haltung gegenüber des Feindes, wenn jener in Not ist, gab es schon zur Zeit des Alten Testamentes. So lesen wir in 2Mose 23,4-5:„Wenn du dem Rind oder Esel deines Feindes begegnest, die sich verirrt haben, so sollst du sie ihm wieder zuführen. Wenn du den Esel deines Widersachers unter seiner Last liegen siehst, so lass ihn ja nicht im Stich, sondern hilf mit ihm zusammen dem Tiere auf.“ Anstatt Schadenfreude gegenüber dem Feind, ist vom Gesetz willige Hilfsbereitschaft gefordert. Auch die Geschichte mit der Speisung feindlichen Heeres mit Brot und Wasser aus 2Kön 6,19-23 macht deutlich, dass je nach Umstand dem Feind Güte entgegen gebracht wurde.
Zugrunde für die prinzipielle Neuordnung durch Jesus liegt Gottes Verhalten und Einstellung zu den sündigen Menschen, die sich passiv oder aktiv gegen ihn stellen. Nicht Gott ist der Menschen Feind, sondern der Mensch stellt sich gegen Gott und wird so zum `Feind` Gottes. Doch Gott will und sucht die Versöhnung des Menschen mit sich selbst (2Kor 5,19) „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16; Röm 5,6-8). Noch am Kreuz tat Jesus Fürbitte für seine Feinde: „Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“! (Lk 23,34; Jes 53,12). Auch Stefanus folgte seinem Herrn und bat für seine Verfolger (Feinde) Apg 7,60.
Wir erkennen dabei auch, dass es nicht nur um das Erdulden von Unrecht geht, sondern um aktives `Lieben der Feinde` welches durch Segnung, Fürbitte und sogar Wohltun, deutlich wird.
Auch der Apostel Paulus folgte seinem Herrn in Wort und Tat: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22). Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Röm 12,17-21). Auch Gott lässt die Sonne scheinen auf Böse und Gute und beweist damit seine Güte gleichermaßen gegenüber allen Menschen. Die vollkommenheit, die Jesus von seinen Nachfolgern erwartet, liegt in der Gott-ähnlichen Gesinnung. Kinder sind in der Regel das Spiegelbild ihrer Eltern. Die Ähnlichkeit der Gläubigen mit Jesus, dem eingeborenen Sohn Gottes, bezeugt auch ihre Gotteskindschaft!
Fragen:
- Wer wurde nach dem Gesetz als Feind Bezeichnet?
- Wie begründet Jesus das Gebot der Feindesliebe?
- Wie kann Feindesliebe ganz bei uns praktisch aussehen?
Εrfüllung des Gesetzes – Feindesliebe
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel“.
Auch der Evangelist Lukas überliefert diese Jesusworte: „Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen“.
Für einen aufmerksamen Bibelleser stellt sich hier die Frage, ob Jesus etwas ganz Neues einführt, oder ob diese Verhaltensnormen schon im Gesetz und in den Propheten enthalten sind?
Wir finden folgende Beispiele:
- 2Kön 6,20-23 Die Syrer in Samarien
- 1Sam 24,20 Saul und David
- Spr 25,21-22
Matthäus | Lukas |
Liebt eure Feinde
Bittet für die, die euch verfolgen, |
Liebt eure Feinde,
1. Tut wohl denen, die euch hassen, 2. Segnet, die euch verfluchen 3. Bittet für die, die euch beleidigen |