Die Frage nach dem Antichristen ist bald zweitausend Jahre alt. Manche Christen sind der Meinung, dass er bald kommen oder erscheinen werde. Andere wiederum meinten in bestimmten führenden Persönlichkeiten der letzten Jahrhunderte den Antichristen erkannt zu haben – die Liste der genannten Kandidaten ist lang und unterstreicht das große Interesse an diesem Thema. Es ist nicht die Absicht, hier Namen zu nennen oder verschiedene Positionen einander gegenüberzustellen. Vielmehr geht es darum, die Texte für sich sprechen zu lassen und die Kriterien zu erkennen, anhand derer eine Prüfung der Geister vorgenommen werden kann. Wie in allen anderen Themenbereichen, machen wir uns auf die Suche nach Texten, die zu der Frage nach dem Antichristen Auskunft geben können.
Wenn der Antichrist im Zusammenhang der Ausbreitung des Reiches Gottes in dieser Welt so eine bedeutende Rolle einnimmt, dann müsste doch der, gegen den dieser auftritt, dazu einiges gesagt haben. Und in der Tat spricht Jesus oft und offen über dieses Thema. Die Begriffsbezeichnung `Antichrist` (gr. antichristos) ist eine Übertragung in die lateinischen und slawischen Sprachen und keine Übersetzung des Wortinhaltes. Während `Christos` Gesalbter bedeutet, kann die Vorsilbe `anti` mit `gegen`, oder auch `anstelle` übersetzt werden. Ein Antichrist ist daher jemand der sich gegen Christus stellt, auflehnt, oder es ist jemand, der sich an die Stelle Christi stellt oder setzt. Letzteres kann sich auf zweierlei Weise zeigen: Der sich direkt und offenkundig als der Christus ausgibt, oder der sich verdeckt, in einer Art schleichenden Entwicklung, den Platz, der allein Christus gebührt, einnimmt.
Jesus sagte voraus; „Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen.“ (Mt 24,5). Im gleichen Kapitel nennt Jesus einige Merkmale oder Verhaltensweisen und Auswirkungen der sogenannten Christusse, dazu sagt er: „Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus!, oder: Da!, so sollt ihr’s nicht glauben. Denn es werden falsche Christusse (gr. pseudochristoi) und falsche Propheten (gr. pseudoprof¢tai) aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, sodass sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten. Siehe, ich habe es euch vorausgesagt. Wenn sie also zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste!, so geht nicht hinaus; siehe, er ist drinnen im Haus!, so glaubt es nicht. Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen (vom Aufgang bis zum Niedergang), so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.“ (Mt 24,23-27).
Nach der Liste und Bewertung von Prof. Roger Liebi werden allein im jüdischen Kontext mehr als fünfzig Messiasse gezählt und keiner von ihnen ist in Bethlehem geboren. Die Gesamtzahl der Pseudochristusanwärter geht weltweit in die Tausende. Und jede von ihnen ist verführerisch und verderblich, denn immer gibt es Menschen, welche ihnen nachfolgen. Dabei sind die offensichtlichen Gegner Christi für die Gläubigen leicht zu erkennen. Schwieriger ist es, die `anstelle Christi` zu erkennen, da deren Wirkungsstrategie oft verdeckt ist und ihre Entwicklung sich schleichend unter den Gläubigen ausbreitet. Zu dieser Gruppe gehören die, von denen Jesus prophezeite: „Seht euch vor vor den falschen Propheten (gr. pseudoprof¢tai), die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ (Mt 7,15-16).
Das Erkennungsmerkmal ist nach seinen Worten: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“. Da Jesus selbst die falschen Christusse und falsche Propheten in einem Atemzug nennt (Mt 24,5.23), ist zwischen diesen beiden Personengruppen eine große Ähnlichkeit. Die Taktiken und Methoden sind ähnlich und das Ziel ist das Gleiche, nämlich die Menschen zu verführen und die Gläubigen an Christus von der Wahrheit abzubringen.
Johannes, Jünger und Apostel des Herrn, der die Bezeichnung `Antichrist` ausdrücklich und mehrmals verwendet, schreibt nach etwa sechzigjährigem Bestehen der Gemeinde Christi: „Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen aufgetreten; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist. 19 Von uns sind sie ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, würden sie wohl bei uns geblieben sein; aber sie blieben nicht, damit sie offenbar würden, dass sie alle nicht von uns sind. Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen und habt alle das Wissen.“ (1Joh 2,18-20).
Jahre vorher hörten die Gläubigen vom Auftreten des Antichristen. Nun war er da und zwar in vielfacher Ausführung. `Der Antichrist` (hier mit bestimmtem Artikel und in der Einzahl), ist demnach als Sammelbegriff für alle antichristlichen Geister zu verstehen, die sich in und durch bestimmte Personen manifestieren. Die Zeitangabe „die letzte Stunde“ (hier nicht mathematisch, sondern qualitativ) ist von Johannes aufgrund des Auftretens vieler Antichristen ermittelt worden. Diese `Stunde` deckt die gesamte Periode bis zur Wiederkunft Christi ab. Der Apostel betont weiter, dass diese `Viele` ursprünglich mit dabei waren. Weil sie jedoch die Gemeinde verlassen haben und nun zentrale Wahrheiten über die Person Jesu leugneten, war ein Hinweis, dass sie von Anfang an nicht wirklich dabei waren.
Und in den Versen 22-23 ergänzt Johannes: „Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. 23 Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater.“ Hier wird der Antichrist als der Lügner bezeichnet. Der Vater und der Sohn sind eine göttliche Wesenseinheit (Joh 10,30-36). Doch niemand kommt zum Vater, außer durch den Sohn, so das Zeugnis des Vaters (Joh 14,6; Mt 17,5).
Und in 1Joh 4,1-3 ergänzt Johannes: „Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten (gr. pseudoprof¢tai) ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt. (1Joh 4,1-3). Zuerst kommt das Warnschild: „glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister“ (1Kor 12,10).
Der Kern der Irrlehre ist die Leugnung der Menschwerdung des Gottessohnes (lat. Inkarnation). Ergänzend dazu noch 2Joh 1,7: „Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist.“ Johannes bezeichnet den Antichristen als Verführer (gr. planos). Was sich für unsere Ohren als etwas planmäßiges, geordnetes anhört, bedeutet im Griechischen eindeutig irreführend, bzw. in die Irre Führender also Verführer. Merken wir wie Johannes auch die Verführer in der Mehrzahl unter dem Oberbegriff „der Verführer“ zusammenfasst. Dazu gebraucht er hier den Begriff Verführer und der Antichrist als Synonyme.
Folgendes wird durch diese Texte deutlich:
- Auch bei Johannes sind Antichristen und `pseudo`, bzw. falsche Propheten wie auch bei Jesus in einem engen Zusammenhang genannt.
- Geister wirken in und durch Menschen, dies trifft sowohl auf den Geist Gottes zu, wie auch auf alle und verschiedene böse Geister.
- Die Gläubigen sind aufgefordert, aber auch befähigt, Geister, die durch Menschen wirken, durch Prüfung zu unterscheiden.
- Der antichristliche Geist wird besonders deutlich an der Ablehnung des Christus erkannt und zwar, des Christus, der als Gottes Sohn ins Fleisch gekommen ist, also Mensch wurde. Dabei ist es gleich schwerwiegend, ob jemand dem Christus seine Göttlichkeit oder seine Menschlichkeit leugnet.
- Auch jeder Geist, der Jesus Christus nicht bekennt, ist ebenfalls nicht von Gott, sondern gehört in die Kategorie des Antichrists- gegen Christus.
- Nach den Worten des Johannes kommt der Antichrist nicht erst irgendwann in der Zukunft, die noch vor uns liegt. Das `er kommt` wurde bereits der ersten Gemeindegeneration gesagt. Doch schon zum Ende des 1. Jahrhunderts war der Antichrist (antichristliche Geist) in großem Umfang durch viele Menschen als falsche Propheten wirksam. Die Auseinandersetzungen im zweiten und dritten Jahrhundert endeten keineswegs mit dem Konzil von Nizäa im Jahre 325. Dieser Geist wirkt bis heute weltweit und wird endlich von Christus entmachtet werden. Doch auch die Gläubigen können ihn entlarven und ihm wirksam widerstehen.
Diese gottfeindliche und christusgegnerische Bewegung begann schon in der Zeit, als Jesus noch ein Kind war. „Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte.“ (Mt 2,16). Damit lehnte sich Herodes bewusst gegen Christus auf, von dem er Kenntnis hatte, wie seine Frage an die Schriftgelehrten „wo der Christus geboren werden sollte“ verrät (Mt 2,4).
Diese antichristliche Bewegung setzte sich fort unter der damaligen Führung Israels. Sie hatten beschlossen: Wer ihn als den Christus bekennen würde, aus der Synagoge ausgeschlossen würde (Joh 9,22). Wenig später lesen wir: „Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.“ (Joh 11,53; Mk 14,1; Mt 26,59). Diese antichristliche Haltung der religiösen und politischen Machthaber jener Zeit erwähnten die Gläubigen in ihrem Gebet, indem sie aus dem zweiten Psalm zitierten: „du hast durch den Mund unseres Vaters David, deines Knechtes, durch den Heiligen Geist gesagt (Psalm 2,1-2): »Warum toben die Heiden, und die Völker nehmen sich vor, was vergeblich ist? Die Könige der Erde treten zusammen, und die Fürsten versammeln sich wider den Herrn und seinen Christus.« Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels, zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt haben, dass es geschehen sollte.“ (Apg 4,25-28). Die Wendung: „wider den Herrn und seinen Christus“, unterstreicht die Bewusste Auflehnung gegen Jesus Christus.
Diese antichristliche Einstellung attestierte Stephanus dem Hohen Rat; „Ihr, halsstarrig und unbeschnitten an Herzen und Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter, so auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die zuvor verkündigten das Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.“ (Apg 7,51-53).
Und Paulus schreibt an Timotheus (welcher sich zu der Zeit in Ephesus aufhielt) etwa um die Mitte der fünfziger Jahre: „Denn schon haben sich einige abgewandt und folgen dem Satan.“ (1Tim 5,15). Wie treffend: einige haben bereits den Glauben an Christus verlassen und folgen dem Satan nach, dies ist doch die Tätigkeit des Verführers Und in seiner Abschiedsrede an die Ältesten in Ephesus im Frühjahr des Jahres 58 sagte er: „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher eingesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines eigenen Sohnes! 29 Ich weiß, dass nach meinem Abschied grausame Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. Und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her, Darum wacht.“ Dies bedeutet, dass die Verführung sowohl von außen als auch von innen kommen wird.
Auch Petrus hat in seinem zweiten Brief zu diesem Thema deutliche Aussagen gemacht: „Es waren aber auch unter dem Volk falsche Propheten, wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren einführen und verleugnen den Herrn, der sie losgekauft hat; die werden über sich selbst herbeiführen ein schnelles Verderben. 2 Und viele werden ihnen folgen in ihren Ausschweifungen; um ihretwillen wird der Weg der Wahrheit verlästert werden. 3 Und aus Habsucht werden sie euch mit erdichteten Worten zu gewinnen suchen. Das Urteil über sie wirkt seit Langem, und ihr Verderben schläft nicht.“ (2Petr 2,1-3). Wie oft haben sich diese Prophetischen Worte in der Geschichte erfüllt. Dass der Name Gottes und des Christus durch solch verdorbene Lebensführung gelästert wurde ist nachvollziehbar. Aufgrund all dieser Aussagen kann in dem falschen Propheten aus Offb 13,11-18 der Lügner, Verführer und Antichrist in all den verschiedenen Ausprägungen gesehen werden.
Seither hat sich diese Geistesbewegung verzweigt, ausgebreitet und ist wirksam sowohl von außen als auch von innen der Gemeinde des Herrn und diese wird sich fortsetzen bis der Herr kommt. Und mit seiner Ankunft wird er diesen Gottfeindlichen und christusgegnerischen Mächten ein Ende bereiten.
Schlussfolgerung:
Offensichtlich geht mit der Ausbreitung des Evangeliums auch die Gegenoffensive des antichristlichen Geistes einher und spitzt sich zum Ende hin noch mehr zu. Der Geist des Antichrists begann seine Wirksamkeit seit den Tagen von Jesus, er setzte sich fort in und durch viele und verschiedene Menschen und Menschengruppen, auch mit Hilfe von unterschiedlichen religiösen und ideologischen Systemen. Doch der Gipfel seiner Wirksamkeit ist noch nicht erreicht. Christen müssen wachsam sein, um nicht den verführerischen Machenschaften der christusfeindlichen Mächte als Beute zum Opfer zu fallen.
Aber Christus wird das letzte Wort haben und als Sieger hervorgehen, wie der Apostel schreibt: „Darum hat ihn (den Christus) auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,9-11).
Aktualisiert am 21. Oktober 2024