3.3 Jesus lässt sich in Kapernaum nieder
(Bibeltexte: Mt 4,13-16; 9,1; Joh 2,12; Mk 1,16)
Der Evangelist Johannes schreibt im Anschluss an den Besuch im Galiläischen Kana: „Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nicht viele Tage dort. (Joh 2,12). Der Evangelist Matthäus berichtet ausdrücklich den Umzug nach Kapernaum und zwar mit einer prophetischen Begründung:
(…) und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am Galiläischen Meer liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das Galiläa der Heiden, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.« (Mt 4,13-16).
Wir sehen es als sinnvoll und logisch an, dass das Hinabgehen von Jesus nach Kapernaum, wie es der Evangelist Johannes in Kapitel 2 Vers 12 beschreibt, bereits wenige Tage nach dem offiziellen Wegzug aus Nazaret erfolgte (Mt 4,12). Im Kontext jener Zeit ist es auch leicht verständlich, dass er nicht allein loszog, sondern von seiner Mutter und seinen Brüdern begleitet wurde. An dieser Stelle wollen wir betonen, dass das Hinabgehen nach Kapernaum in Lukas 4,16 nicht identisch ist mit dem offiziellen Umzug von Jesus, wie ihn uns der Evangelist Matthäus beschreibt (Mt 4,12-16). Denn zu dem Zeitpunkt der Vertreibung aus Nazaret hat Jesus schon viele Wunder in Kapernaum getan (Lk 4,23 „Wie große Dinge haben wir gehört in Kapernaum geschehen, tu so auch hier“). Beachten wir auch, dass er dorthin umzieht, wo ein Teil seiner jetzigen und zukünftigen Jünger wohnt, Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, auch der Zolleinnehmer und spätere Evangelist Matthäus, der in Kapernaum seine Wirkungsstätte hatte (Mt 9,9; Mk 2,14; Lk 5,27).
„Kapernaum (aramäisch: Kafr Nahum = Dorf von Nahum) war eine größere Fischerstadt am Nordwestufer des Sees Genesaret. Die großen Handelsrouten – von Damaskus nach Cäsarea Maritima – führten viele Angehörige fremder Völker durch diesen Teil Israels.“ (Keener 1998, 66).
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Jesus wählt Kapernaum zu seinem Ausgangspunkt für die Verkündigung des Reiches Gottes durch die Frohe Botschaft (= Evangelium). Diese Stadt wird später „seine“ Stadt genannt (Mt 9,1). Im Vergleich dazu wird Nazaret als seine Vaterstadt (gr. patri,da – patrida) bezeichnet, oder die Stadt wo er erzogen wurde (Lk 4,16.23). Dies begründet zusätzlich unsere Annahme, dass die Vertreibung aus Nazaret nach Lukas 4,29, nicht mit dem freiwilligen und bewussten Umzug, wie ihn der Evangelist Matthäus in 4,12-16 beschreibt, gleichzusetzen ist.
Der Umzug ist nach Matthäus heilsgeschichtlich zu werten, denn das von den (Juden in Jerusalem) verachtete Galiläa der Heiden bekommt in Gottes Plan einen besonders hohen Stellenwert zugeteilt. Die Stammesgebiete der Nachkommen von Sebulon und Naftali im südöstlichen Galiläa (Jos 19,10-16; 32-39) grenzten an den See Genezaret und den Jordan. Nach der Eroberung Samarias, der Hauptstadt des Nordreiches im Jahre 721/722 durch die Assyrer, wurden in diesen Gegenden viele Menschen aus anderen Kulturen und Sprachen angesiedelt. Daher lebten dort, wie auch im übrigen Galiläa zur Zeit von Jesus viele Nichtjuden. Nach der Prophetie des Jesaja ist sogar das Gebiet jenseits des Jordan in das Missionsfeld von Jesus eingeschlossen. Tatsächlich berichten die Evangelisten von mehreren Besuchen und Diensten östlich des Sees Genezaret, wo überwiegend Nichtjuden lebten. Aus den Berichten über Befreiungen von Dämonen besessener Menschen können wir den starken Einfluss des Heidentums unter den Juden in dieser Region ableiten (Mk 1,34.39; 6,13). Daher wird dieses Volk, das dort wohnte, als in der Finsternis wandelnde und im Schatten des Todes lebende Volk, beschrieben. Dies sagt aus, dass Jesus als das wahre Licht dieser Welt dort beginnt, wo es am Dunkelsten ist (Joh 1,5.9; 8,12). Es ist ein Galiläer der in Galiläa mit der Verkündigung des Reiches Gottes beginnt.
Zu beachten ist auch die Aussage: „Er kam und wohnte in Kapernaum“ oder „ließ sich nieder in Kapernaum.“ (Mt 4,13). Der griechische Begriff `katw,khsen – katök¢sen` bedeutet `sich niederlassen, wohnen`. Dieser Begriff kommt auch in Matthäus 2,23 vor, wo Josef nach Nazaret kommt und sich dort niederlässt, nachdem er mit Jesus und Maria aus Ägypten zurückgekehrt war (Mt 2,23).
Jesus unternimmt von Kapernaum aus seine Reisen und kehrt im Laufe seines Dienstes immer wieder nach Kapernaum zurück. Folgende Texte belegen, dass Jesus sehr stark mit dieser Stadt verbunden war.
- „Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum und es wurde bekannt, dass er im Hause ist.“ (Mk 2,1).
- „Nachdem er alle seine Worte vollendet hatte vor dem Volk, ging er hinein nach Kapernaum.“ (Lk 7,1).
- „Als er aber nach Kapernaum hineinging, kam zu ihm ein Zenturio.“ (Mt 8,5).
- „Und eingestiegen in das Boot, kamen sie an das jenseitige Ufer des Sees, nach Kapernaum.“ (Joh 6,17).
- „Als sie aber nach Kapernaum kamen.“ (Mt 17,24).
- „Und sie kamen nach Kapernaum und als er in das Haus kam, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg verhandelt?“ (Mk 9,33).
Einer Rückkehr nach Kapernaum ging immer ein vorheriges Weggehen aus dieser Stadt voraus. Jesus wird darum öfter und länger in „seiner Stadt“ gewesen sein, als dies die Evangelisten berichten. Im Bereich dieses Ortes geschehen die meisten seiner Taten (Mt 11,23f). Kapernaum ist der Ausgangspunkt für Missionstätigkeit von Jesus. Er ist oft in der Stadt und in der Synagoge, in den Häusern der Jünger und auch anderer Familien.
Obwohl er Baumeister war, baute oder besaß er dort kein eigenes Haus. Bei einer Gelegenheit sagte er: „Der Menschensohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege.“ (Mt 8,20; Lk 9,58). Wenn er seinen Jüngern auf den Weg die Anordnung gab (Mk 6,10): „Wenn ihr in ein Haus kommt, da bleibt, bis ihr weitergeht“, so wird er selber sich an diese Regel gehalten haben. Auf die Frage des Petrus: „Siehe, wir haben alles verlassen“, antwortet Jesus: „Wer verlässt Häuser, Vater, Mutter, Kinder (…), der wird es hundertfach wieder empfangen.“ (Mt 19,29). Diese Hinweise geben Grund zur Annahme, dass er gerne die Gastfreundschaft seiner Jünger und Freunde angenommen hat. Es ist möglich, dass er immer wieder in Kapernaum im Haus der Familie des Zebedäus gastliche Aufnahme findet. Begründen ließe es sich auch damit, dass die Frau des Zebedäus, Salome, eventuell die Schwester der Mutter von Jesus ist, wie ein Vergleich von Mt 27,56 mit Mk15,40 und Mk.16,1 sowie Joh 19,25 nahe legt (siehe auch Mt 20,20; Mk 10,35-40). Wir können also annehmen, dass Jesus keinen eigenen Haushalt führte. Die notwendigen Bindungen und Verpflichtungen hätten seine kurzen aber sehr intensiven Dienstjahre stark und unnötig eingeengt.
Fragen / Aufgaben:
- Was waren die Gründe für die Niederlassung in Kapernaum?
- Wie begründen wir, dass der offizielle Umzug von Nazaret nach Kapernaum dem Hinabgehen nach Kapernaum in Lukas 4,31 voranging?
- Nenne inhaltliche Schwerpunkte in der Prophetie des Jesaja (Jes 8,23; 9,1).
- Was für Vorteile bot die Stadt Kapernaum für den Dienst von Jesus?
- Suche nach Material über die Stadt Kapernaum.
- Bist du schon oft umgezogen?
- Welche Bedeutung hat unser Wohnsitz für unseren geistlichen Dienst?