APOKALYPSIS: Der MenschenSohn in der Mitte der sieben goldenen Leuchter

1.4 Der Menschensohn in der Mitte der  sieben goldenen Leuchter

Johannes schreibt: „Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune, die sprach“ (Offb 1,10).

Johannes befand sich im Geist am Tag des Herrn (gr. ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ – en t¢ kyriak¢ ¢mera – (am (dem) Herrn (gehörenden) Tag` (Dativ). Diese Bezeichnung ist einmalig, doch es ist naheliegend, dass es sich um den ersten Tag der Woche handelt. Dagegen weist die Formulierung: `der Tag des Herrn` (Genetiv) auf den letztem Tag (Joh 6,39.40.44.54), bzw. den Gerichtstag  hin (1Thes 5,2; 2Thes 2,2; 2Petr 3,10). Hier  aber geht es um den Wochentag an dem Jesus von den Toten auferstanden ist (Mt 28,1; Joh 20,1.19. 26; Lk 24,36). Neben der Versammlung an den Sabbaten (im jüdischen Kontext), trafen sich die Gläubigen unter Leitung des Ap. Paulus auch in der Diaspora am ersten Tag der Woche (Apg 20,7; 1Kor 16,1). Und bis heute heißt der erste Tag der Woche im griechischen Kulturraum nicht Sonntag, sondern `kyriak¢ `, genau wie in Offb 1,10.. Insgesamt gesehen, wurde von der Ostkirche die lateinische Bezeichnung für den `Sonntag` nicht übernommen.

Die Bemerkung `im Geist`, meint nicht im eigenen Geist des Johannes, denn dies käme einer Einbildung oder Halluzination gleich. Diese Aussage meint `im Geiste Gottes, im Heiligen Geist`. Der Vergleich mit folgenden Texten legt dies nahe (Offb 2,7.11.17.29; 3,6.13.22;  21,10;  22,17; Hes 37,1).

Johannes hört hinter sich eine gewaltige Stimme wie von einer Posaune. Es handelte sich nicht um einen undefinierbaren lauten Ton, sondern um Worte mit klarem Auftrag (so auch in Offb 4,1; Jes 58,1). Trotzdem werden wir an den gewaltigen Posaunenton auf dem Berg Sinai erinnert (2Mose 19,16+19).  Allerdings war hier dieser Ton die gewaltige Stimme dessen, der einem Menschensohne glich. Johannes wendet sich um und sieht (und hört) die Stimme, „die sprach: Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea!“ (Offb 1,11). Johannes bekommt einen doppelten Auftrag, alles was er sieht (und hört) in ein Buch zu schreiben und an die sieben namentlich genannten Gemeinden zu senden.

Man stelle sich das Ganze als ein Rundschreiben vor, es galt allen, enthielt aber auch direkte und aktuelle Hinweise an die zu der Zeit bestehenden Gemeinden. Dieser Auftrag setzte voraus, dass  Johannes  trotz Verbannung die Möglichkeit zum schreiben hatte und Kontaktpersonen zum Festland hin. Es entsteht nicht der Eindruck, dass er eingekerkert war, sondern relative Bewegungsfreiheit hatte, Die Tradition von der `Apokalypsishöhle` und das Johanneskloster stammen aus dem Mittelalter (Ende des 11. Jh.).

 

„Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und inmitten der Leuchter einen, gleich (ähnlich) einem Menschensohn“ (Offb 1,12b-13a).

Abbildung 5 Der Menschensohn in der Mitte der sieben goldenen Leuchter (Zeichnung von J.S. 24. Dezember 2020).

Als erstes fällt der Blick des Johannes auf sieben goldene Leuchter, Diese Leuchter sind mit Sicherheit von dem einen siebenarmigen goldenen Leuchter aus der Stiftshütte abgeleitet (2Mose 25,31ff). Dort wird der gr. Begriff `λυχνίαν – lychnian` verwendet, der uns auch aus den Gleichnis Jesus vertraut ist (Mt 5,15). Diese Leuchter sind eher  im Kreis angeordnet und nicht auf einer geraden Linie. Für diese Annahme sprächen folgende Texte:  Offb 2,1: „in der Mitte“; Offb 4,3.4.6;  5,11; Mk 3,34: „die um ihn im Kreise saßen“). In dem Bild des Menschensohnes erkennt Johannes eindeutig Jesus den Herrn und das Haupt der Gemeinde (Offb 1,17a). Als Jesus auf Erden war, sprach er von sich als dem Menschensohn, wahrscheinlich in Anlehnung an Daniel 7,13-14 und 1Mose 3,15. Insgesamt kommt diese Bezeichnung mehr als 80 Mal vor (Mk 10,45; Lk 19,10 u.a.m.). Diese Standesbezeichnung behält er auch nach seiner Erhöhung (Mt 24,27.30.37.39;  25,31;  Apg 7,56). Er ist (er wandelt) in der Mitte der sieben goldenen Leuchter und zu allen pflegt er geistliche Beziehung.

Das Aussehen des Menschensohnes

  1. Er war bekleidet mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand, und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel“ (Offb 1,13b).

Das lange Gewand und der goldene Brustgürtel (nicht Hüftgürtel) weisen ihn aus als Hohenpriester, denn diese Bekleidung ist identisch mit der in 2Mose 28,4 für den Hohenpriester  Aaron vorgeschriebenen Bekleidung. In Offb 1,13b beschreibt das gr. Wort `ποδήρη – pod¢r¢` das bis zu den Füßen reichende Obergewand des Menschensohnes. Das gleiche Wort `pod¢r¢` in 2Mose 8,4.31;  29,5 (LXX) wird ausschließlich für das Obergewand des Hohenpriesters Aaron verwendet. So wird deutlich, dass der Menschensohn priesterlichen Dienst versieht und dieser war und ist vielseitig (Joh 17,1ff;  1Tim 2,5;  Hebr 7-8;  12,24).

Der goldene Brustgürtel, mit dem der Menschensohn umgürtet war, erinnert an den mit Goldfäden bestückten Gürtel bei Aaron aus 2Mose 28,4. Der Priesterdienst von Jesus schließt auch richterliche Funktionen ein (Joh 5,22-23.27;  1Petr 4,17;  2Kor 5,10;  Offb 19,11). Jesus ist in Person die Wahrheit und die Gerechtigkeit (Joh 14,6; 1Kor 1,30).

  1. „sein Haupt aber und die Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee“ (Offb 1,14a).

Das erinnert an die Vision, die der Prophet Daniel sah und weist auf die Würde, Autorität und Erhabenheit des Höchsten hin (Dan 7,9-10; 3Mose 19,32;  Spr 20,29). Weiße Wolle, weiß wie Schnee steht auch für Reinheit (Jes 1,18). Weiß steht auch für Gerechtigkeit (Offb 20,11).

  1. „und seine Augen wie eine Feuerflamme,“ (Offb 1,14b).

Augen, die alles durchdringen und sehen (Offb 5,6;  Sach 3,9;  4,10;  1Sam 16,7;  Ps 11,4; Jer 23,14;  Jes 66,2;  Mt 9,4;  Lk 22,60-61). Niemand vermag sich vor seinem Blick verbergen. Aber auch niemand wird von ihm übersehen.

  1. „und seine Füße gleich glänzendem Erz, als glühten sie im Ofen,“ (Offb 1,15a). Andere übersetzen mit `Golderz`. Die Elbf. 1871 übersetzt mit `Kupfer`. Das gr. Wort `χαλκολιβάνῳ – chalkolibanö` ist ein zusammengesetztes Wort. `chalkos` ist eindeutig  Kupfer. Der Zusatz  `libanö` beschreibt wie das Kupfer aussieht. Die Bedeutung des Wortes `Libanon` ist `der/die Weiße`.  Auch das hebräische Wort `Laban` (auch als Name bekannt) meint `weißer`. So könnte das zusammengesetzte Wort als leuchtendes, glänzendes Kupfer übersetzt werden. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass es wie im Ofen (Kamin) glühend aussah  Der Brandopferaltar war mit Kupfer überzogen, die Geräte für den Altar waren aus Kupfer gefertigt (2Mose 27,2-3). Das Waschbecken war auch aus Kupfer geferigt (2Mose 30,18). Ebenso waren die Füße (Untersetzer) der fünf Säulen am Eingang der Stiftshütte aus Kupfer angefertigt (2Mose 26,37). Das Kupfer wird wie `glühend / glänzend im Ofen` beschrieben. Es war nicht glühend flüssig, es sah so glänzend aus. Das glänzende Kupfer könnte demnach für das Leiden und den Opfertod des Chrustzs stehen. Es entspräche dem `geläutert sein` im Glutofen des Leidens (Jes 48,10;  Hebr 2,9-10;  5,7). Im Gegensatz zu den Füßen des Bildes aus Daniel 2,33 ,welche aus Eisen und Ton waren, geht es hier um Lauterkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit (vgl. auch mit Dan 10,6). Die Füße sind nicht nur zum stehen, sondern auch zum gehen bestimmt. Auf Jesus trifft in vollkommenem Maße zu was in Jes 52,7 geschrieben steht; „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König!“ Doch der Gedanke aus Psalm 7,8;  110,1 könnte da auch mitschwingen, begründet mit Offb 19,15.
  2. „und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser,“ (Offb 1,15b).

Die Insel Patmos ist relativ klein und so wird Johannes des Öfteren die Meeresbrandung gehört haben. Daher passt dieser Vergleich (5Mose 4,36;  Hebr 12,26-27; wenn schon von den Engeln gesagt wird, dass sie mit starker Stimme redeten, wie viel mehr von Jesus;  Offb 14,9.18;  Mt 27,46.50). Wenn er im Gericht reden wird, verstummt vor ihm jeder Mund (Mt 22,12).

  1. „und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, “ (Offb 1,16a).

Später erklärt Jesus das Geheimnis der sieben Sterne, in dem er sagt: „es sind Engel der sieben Gemeinden“ (Offb 1,20).

  1. „und aus seinem Mund ging ein zweischneidiges, scharfes Schwert hervor,“ (Offb 1,16b).

Das Bild mag erschrecken, doch Gott benutzt diese von Menschenhand gefertigten Waffen als Anschauungsmaterial, um die Wirksamkeit des Wortes Gottes und seiner Aussprüche hervorzuheben. An dieser Stelle wird für Schwert der gr. Begriff `ῥομφαία  – romfaia`` verwendet mit dem Zusatz `δίστομος ὀξεῖα – distomos oxeia – zweischneidiges, durchdringendes, zerteilendes, scharfes` (Offb 2,12.16; ähnlich auch in Offb 19,15). In Hebr 4,12 wird die vielseitige Wirksamkeit des Wortes Gottes ebenfalls mit einem alles durchdringenden, zerteilenden Schwertes beschrieben. Nach Eph 6,17 ist das Schwert des Geistes `τὴν μάχαιραν τοῦ πνεύματος – t¢n machairan tou  pneumatos`  (ein anderer Begriff für Schwert)  der Ausspruch Gottes – ῥῆμα θεοῦ – r¢ma theou`. Mit dieser göttlichen Waffe kämpfte Jesus gegen den Satan und siegte (Mt 4,4-11). Damit kein Missverständnis entsteht, erklärte Jesus, was diese geistliche Waffe (das Wort des Evangeliums) bewirken wird (Mt 10,34-36; vgl. dazu auch Lk 12,51). Ebenso wird damit die richterliche Funktion des Wortes Gottes (des Wortes Jesu) symbolisiert. So sagte Jesus: „Wer mich verachtet und nimmt meine Worte (ῥῆμata) nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort (logos), das ich geredet habe, das wird ihn richten am letzten Tage.“ (Joh 12,48). Dass Menschen zum Teil auch im Namen Gottes das Schwert in die Hände nahmen, ist Verrat am Evangelium von Jesus Christus.

  1. „und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.“ (Offb 1,16c).

Diese und ähnliche Beschreibungen gibt es auch an anderen Stellen (Mt 17,2;  Lk 9,29;   Offb 21,23). Der Vergleich ist verständlich, da niemand mit bloßem Auge direkt in die Sonne schauen kann. Die Strahlkraft Jesu übersteigt die der Sonne bei weitem (Apg 26,13; Joh 8,12).

Jesus – der Erste und der Letzte und der Lebendige

Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war (ward, wurde) tot, und siehe, ich bin lebendig von (in die) Ewigkeit(en)  zu (der) Ewigkeit(en) und habe die Schlüssel des Todes und des Hades .(Offb 1,17-18).

Im Augenblick des Anschauens des Menschensohnes fällt Johannes zu seinen Füßen und ist wie tot (vgl. 5Mose 9,19 mit Hebr 12,21 – Mose;  Jes 6,5 – Jesaja;  Mt 17,6.  Lk 9,32 – Petrus, Jakobus und Johannes;  Apg 22,7 – Saulus). Als Jesus noch unter den Jüngern war, lag Johannes bei den Mahlzeiten in unmittelbarer Nähe zu Jesus. Die Begegnung des auferstandenen, verherrlichten und erhöhten Christus mit Johannes im Geist, löst eine unerklärliche Furcht und ein Bewusstsein der Nichtigkeit und Ohnmacht aus. Ganz zu schweigen, wie es den römischen Soldaten erging bei der Erscheinung des Engels in Lichtglanz. Auch sie fielen nieder und waren wie tot. Jene hatten keinen Zuspruch bekommen. (Mt 28,2-8). Jesus legte seine Rechte auf Johannes und sprach ihm zu:

„fürchte dich nicht“.

Was für ein Zuspruch! Diese Ermutigung kommt in der Schrift mehr als 300 Mal vor. Wie oft hat Jesus dies seinen Jüngern zugesprochen (Mt 8,26;  10,26.28.31;  Joh 6,20;  Mt 14,27;  17,7;  28,10). Dieser Zuspruch ist nicht als Empfehlung ausgesprochen worden, er steht im Imperativ, wörtl.: „nicht fürchte dich“ Dann begründet Jesus seinen Zuspruch mit:

„Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“.

 Was wir bereits in den Versen 4 und 8 über das Selbstzeugnis Gottes  erkannt haben – das bezieht Jesus hier auf sich selbst. Dies tut er mit jener Bestimmtheit, die uns aus seiner Selbstbezeugung aus den Evangelien vertraut ist (Joh 8,24.28.58;  13,13.19;  Lk 24,39). Er und der Vater sind eins, sie bilden eine Wesenseinheit. Als Sohn des Vaters ist Jesus der immer Währende Seiende, in dem nach dem Willen des Vaters ewiges, immer währendes Leben ist (Joh 5,26).

„und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in die Ewigkeiten der Ewigkeiten“.

Als Sohn des Menschen starb Jesus und wurde wieder lebendig am dritten Tag. Mit seiner Auferstehung in einem neuen unverweslichen und unvergänglichen Körper lebt er  „ in die Ewigkeiten (Plural.) der Ewigkeiten“ Mit dem `Plural` unterstreicht Jesus sein unendliches Sein, es gleicht einem Kreis, der kein Ende hat.

Abbildung 6 Golgatha und das leere Gartengrab erinnern an den Tod und die Auferstehung von Jesus (Zeichnung von J.S 2020).

Abbildung 6 Golgatha und das leere Gartengrab erinnern an den Tod und die Auferstehung von Jesus (Zeichnung von J.S 2020).

In der Regel bilden in der apostolischen Verkündigung das Sterben von Jesus und seine Auferstehung den Mittelpunkt. (Apg 2,29-34;  Apg 4,10;  Röm 8,34;   1Kor 15,3-5;  2Kor 5,15;  1Thess 4,14).

 

„und habe die Schlüssel des Todes und des Hades“.

Nachdem Jesus gesagt hat wer er ist, was und wie er ward und wer er in alle Ewigkeiten sein wird, macht er klar, was er hat, nämlich die Schlüssel (Schlüsselgewalt) des Todes und des Hades. Dies spricht von seinem Sieg über den Tod (das Sterben) und damit auch von der Vollmacht andere aus dem Tod herauszuführen. Physischer Tod tritt ein wenn der Geist des Menschen seinen Körper verlässt (Lk 23,46;  Apg 5,5.10;  7,59;  12,23). Tod = Übergang in einen anderen Zustand und entsprechend in einen anderen Existenzbereich. Während der Tod in biblischen Texten in gewissem Sinne personifiziert wird,  ist `tot sein` ein Zustand, den ein Mensch von sich aus (Ausnahme ist Jesus – Joh 10,17-18) nicht ändern kann (Ps 90,3;   104,27).

Was meint Jesus aber  mit `Hades`? In den deutschen Übersetzungen wird dieser Begriff gelegentlich auch mit `die Hölle, das Totenreich` wiedergegeben. In folgenden Texten kommt der griechische Begriff `ὁ ᾅδης – o ad¢s` vor; Offb 1,18;  6,8;  20,13.14;  Mt 11,23;  16,18;  Lk 10,15;  16,23;  Apg 2,27.31. Demnach ist der Hades:

  • Der krasse Gegensatz zu Paradies (Lk 16,22ff;  23,43.46).
  • Er ist als Zustand (und Ort) unüberbrückbar zum Paradies hin (Lk 16,26).
  • Er ist ein Herrschaftsbereich der Finsternis (Mt 16,18: „Pforten, Tore des Hades“ ).

Jesus war im Tod, aber war er auch im Hades? Ist es nicht in Psalm 16,8-11 durch diesen Begriff angedeutet? Immerhin hat er die Schlüsselgewalt (die Macht) auch über den Hades (Offb 20,13-14;  Joh 5,27-29). Er wird alle aus dem Tod (Totenreich) herausrufen. Nachdem Jesus in seinem letzten Ausruf seinen Geist in die Hände seines Vaters übergeben hatte, trat sein physischer Tod ein. Sein Leichnam wurde in eine Felsenhöhle gelegt, aus der er am dritten Tag auferstanden ist. Es ist also müßig darüber zu spekulieren, ob er in dieser Zeit den Toten (Geistern im Gefängnis) das Evangelium gepredigt hätte (1Petr 3,19).  Den Sieg über den Tod und das Totenreich errang er ja erst mit seiner Auferstehung.

Das Geheimnis der sieben Sterne und der sieben goldenen Leuchter

Schreibe nun, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird! (Offb 1,19).  

Ein zweites Mal wird Johannes von Jesus aufgefordert zu schreiben. Hier wird bestätigt, dass es Gottes grundsätzliche Absicht war, dass seine Worte aufgeschrieben werden sollten (Joh 20,30;  Mt 4,4ff;  2Mose 31,18;  17,14). Johannes soll aufschreiben,

  • was er bereits gesehen (und auch gehört) hat – den erhöhten Menschensohn in seiner Herrlichkeit und Vollmacht;
  • was da ist – die sieben Gemeinden, deren gegenwärtigen Zustand, wie Christus sie bewertet ;
  • und was danach geschehen wird – die Voraussagen für die Gemeinden, deren geistlichen Kampf, die Bewährung in den Prüfungen und Versuchungen, sowie deren Aussicht beim überwinden.
  • Ebenso soll Johannes die Entfaltung der feindlichen Mächte in ihrer bildhaften Darstellung aufschreiben und den endgültige Sieg Gottes durch Christus bei dessen Wiederkunft.

 

Was das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner Rechten gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter betrifft: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden  (Offb 1,20).

Zunächst gehen wir der Frage nach: Was oder wen symbolisieren die sieben Sterne in (auf) der Rechten des Menschensohnes? Nach der Zuordnung, die Jesus vornimmt, symbolisieren Sterne Boten, gr. `ἀγγέλοουςangelous`. Der im Deutschen verwendete Begriff `Engel` wird in der Bibel in mindestens fünffacher Hinsicht verwendet. In dieser Studie betrachten wir nur zwei, bzw. drei Zuordnungen.

Erste Zuordnung: Als himmlische Geistwesen, welche von Gott zu verschiedenen Diensten ausgesandt werden (Zum Dienst an den Kindern des Reiches: Mt 18,10-11; Hebr 1,6.14;  Apg 12,11;  27,23; und um die Strafgerichte Gottes auszuführen: 1Mose 19,1ff;  Apg 12,23; Offb 16,1ff). Der Dienst der Engel an den Gläubigen vollzieht sich in der Regel im verborgenen, sozusagen hinter den Kulissen, nicht über eine Vermittlung durch Menschen, sondern immer im direkten Auftrag von Gott, dem Vater oder dem Sohn (Offb 22,16). Da ihr Dienst in den bildhaften Darstellungen der Offenbarung oft zum Einsatz kommt, gibt es eine Auslegung, wonach es sich bei den Sternen (Engeln) in der Rechten des Menschensohnes um tatsächliche himmlische Geistwesen handelt.

 

Bei dieser Zuordnung gibt es allerdings auch Schwachpunkte. Erstens: Bei allen anderen Diensten und Einsätzen der Engel in der Offenbarung werden die Engel nur als Engel bezeichnet. In Offb 1,16.20 jedoch zunächst als Sterne, die Engel (Boten) darstellen, also anders kombiniert.  Zweitens: Die übliche Reihenfolge bei der Übermittlung göttlicher Botschaften ist: Gott der Vater – Jesus der Sohn (oder Heiliger Geist) – Engel (oft, aber nicht immer) – Propheten (Apostel) – das Volk (die Gemeinde). In der Offenbarung ist die Reihenfolge: Jesus – Engel – Johannes – Gemeinden (Offb 1,1: „Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss; und indem er (sie) durch seinen Engel sandte, hat er (sie) seinem Knecht Johannes kundgetan, der das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt hat, alles, was er sah“. Offb 1,4: „Johannes an die sieben Gemeinden“. Offb 22,16:„Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen für die Gemeinden.“ Diese Botschaft des Engels an die Gemeinden übermittelte letztlich Johannes  und zwar in schriftlicher Form. Drittens: Der Aufruf zur Umkehr kann nur an Menschen gerichtet werden, nicht an die heiligen Engel. Dass ein oder mehrere Engel für die sieben Gemeinden im Hintergrund Dienst versehen haben, ist jedoch unbestritten.

Zweite Zuordnung: Eine weitere Deutung wäre, dass es sich bei den Engeln um Gemeindeleiter handelt. Solch eine Zuordnung könnte abgeleitet werden, weil Gott zu allen Zeiten bestimmte Menschen beauftragt hatte seine Botschaft an andere Menschen zu übermitteln. Der Begriff `angelos ` wird auch auf Propheten angewendet (2Chr 36,15-16; ebenso Jes 44,26). Der Vergleich von Maleachi 3,1 mit Mt 11,10;  Mk 1,2 und  Lk 7,27 weist auf  Johannes den Täufer hin. In Lukas 9,52 sandte Jesus Boten (angelous) voraus. Und in Matthäus 10,5 sendet Jesus seine Jünger, damit sie  ev-angel-isieren). Und daher gibt es auch die Ansicht, dass die `angelous ` die jeweiligen Gemeindeleiter  symbolisieren könnten. Immerhin hatte Jesus selbst Leitungsdienste in der Gemeinde eingesetzt. Das markanteste Beispiel ist die Beauftragung von Petrus mit dem Hirtendienst (Joh 21,15-17). Der Ap. Petrus, als Mitältester, ermahnt und ermutigt die Ältesten der Gemeinden in der Diaspora zum  vorbildlichen Hirtendienst (1Petr 5,1-4). Ebenso tut es der Ap. Paulus im Abschiedsgespräch mit den Ältesten der Gemeine Ephesus (Apg 20,28;  dazu auch 1Tim 3,1-5). Leitung durch verschiedene Gabenträger  in der Gemeinde ist ein fester Bestandteil für die Stabilität und das gesunde geistliche Wachstum der Gläubigen (Eph 4,11ff). Doch auch diese Zuordnung scheint nicht einwandfrei aufzugehen. Zum einen, weil das so genante `Ein Mann` Leitungssystem nicht der neutestamentlichen Gemeindepraxis entsprach. Damit hätte Jesus den Trend der Entwicklung jener Zeit legitimiert, was unwahrscheinlich ist (3Joh 1,9). Zum  anderen, Jesus wendet sich zwar in der `Du-Form` an den jeweiligen Engel (Boten) der Gemeinde, meint jedoch die ganze Gemeinde. Bereits Zion und Jerusalem ist die Verkünderin `ev-angel-izomenos` der Frohen Botschaft (Jes 40,9). In der Vision von Offb 21,12 sind auf den 12 Toren 12 Engel postiert und die Erklärung dazu, sie stehen für die 12 Stämme der Israeliten. Auch später heißt es immer wieder: „was der Geist den Gemeinden sagt“. Daher kann unter dem Symbol des Engel-Boten auch die ganze Gemeinde gemeint sein.

Dritte Zuordnung: Fixsterne erfüllen zum Beispiel die Funktion als natürliche Wegweiser (1Mose 1,16-18; Ps 136,9). Doch bereits seit 1Mose 15,5 stehen Sterne symbolhaft auch für Menschen des Volkes Gottes. So verhieß Gott Abraham:  „so zahlreich sollen deine Nachkommen sein“. Und am Ende der vierzigjährigen Wanderung erinnerte Mose das inzwischen zahlreich gewordene Volk an jene Verheißung Gottes (5Mose 1,10; 10,22). Nach 1Mose 37,9 stehen Sterne auch symbolhaft für die Erzväter. In Psalm 147,4 steht: „Er zählt die Zahl der Sterne, er ruft sie alle mit Namen“. Und in Daniel 12,3 lesen wir: „Und die Verständigen werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“ Die Leuchtkraft  der Gerechten vergleicht Jesus sogar mit dem Glanz der Sonne (Mt 13,43). Doch bereits jetzt sind sie durch Jesus das Licht der Welt (Joh 8,12;  Mt 5,14).  Und an die Philipper schreibt Paulus: „Ihr seid, Gottes Kinder, ohne Makel mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht, unter dem ihr scheint als Lichter in der Welt,“ (Phil 2,15).

Der 12 Sternenkranz in Offenbarung 12,1 symbolisiert in Verbindung mit Offb 21,12-14 sowohl die 12 Stämme Israels als auch die 12 Apostel des Lammes. Damit wäre auch die Verbindung zwischen dem alt- und neutestamentlichem Volk Gottes als  geistliche Einheit bestätigt. Siehe auch (Hebr 11,12: „Darum sind auch von dem einen, dessen Kraft schon erstorben war, so viele gezeugt worden wie die Sterne am Himmel“). Damit wird deutlich, Sterne symbolisieren das gesamte Volk Gottes.

Beeindruckend ist, dass diese Sterne in der Rechten Hand des Menschensohnes festgehalten werden. Die Rechte des Herrn steht für seine Stärke und Wirksamkeit. So spricht der Herr durch den Propheten Jesaja 41,10: „fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ (vgl. Jes 48,13). Der gute Hirte Jesus sagte: „und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ (Joh 10,28-29; vgl. dazu auch Jes 49,16: „Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet“). Damit wird durch das Symbol der Sterne in der Rechten des Menschensohnes der Aspekt hervorgehoben, dass die Gemeinden als Ganzes (Leitungsdienste eingeschlossen) in Jesu Hand  geborgen sind. Sie werden von ihm festgehalten, geprägt und in seiner Vollmacht zum Dienst in dieser finsteren Welt beauftragt. Diese Zuordnung scheint zutreffender zu sein. Dadurch wird der Dienst und Auftrag der Gemeinden nach außen hin hervorgehoben.

 

„und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden“ (Offb 1,20c).

 

Wie Jesus selbst erklärt, symbolisieren die sieben goldenen Leuchter:

  • vordergründig sieben historische Lokalgemeinden in der damaligen römischen Provinz Asia. Diese sieben Gemeinden sind in einer bestimmten geographischen und wohl auch inhaltlichen Reihenfolge beschrieben und zwar im Uhrzeigersinn.
  • Sie stehen auch für alle Gemeinden jener Epoche, denn überall zeichneten sich ähnliche Entwicklungen ab.
  • Sie stehen für die Gemeinde aller Zeiten, denn durch die Zahl 7 wird die Vollständigkeit ausgedrückt (Mt 16,18;  Eph 1,23;  4,4). Durch das Symbol der Leuchter wird das Innenleben der Gemeine betont, die Anberung Gottes und die Gemeinschaft untereinander.
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