Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Vorwort
- 0.2 8.1 Jesus verlässt endgültig Kapernaum und durchzieht zum letzten Mal Galiläa und Samarien
- 0.3 8.2 Jesus sucht Mitarbeiter
- 0.4 8.3 Die Aussendung der 70/72
- 0.5 8.4 Das Urteil von Jesus über die unbußfertigen Städte
- 0.6 8.5 Die siebzig (72) kehren mit Freuden zurück
- 0.7 8.6 Jesus jubelt und lobt seinen Vater im Himmel
- 0.8 8.7 Jesus lehrt beten und bitten
- 0.9
- 0.10
- 0.11 8.9 Ein Pharisäer lädt Jesus zum Essen ein
- 0.12
- 0.13
- 0.14
- 0.15 8.11 Jesus warnt vor Habgier
- 0.16
- 0.17 8.12 Sucht Gottes Reich
- 0.18
- 0.19 8.13 Vom Warten auf das Kommen des Menschensohnes
- 0.20 8.14 Entzweiungen um Jesu willen
- 0.21 8.16 Pilatus, der Turm und der Feigenbaum
- 0.22 8.17 Heilung der verkrümten Frau am Sabbat
- 0.23 8.19 Die Bildrede über die enge Pforte und verschlossene Tür
- 0.24 8.20 Die Feindschaft des Herodes – Jesus klagt über Jerusalem
- 0.25 8.22 Gleichnisse
- 0.26
- 0.27 8.23 Selbstverleugnung und Nachfolge
- 0.28 8.26 Der ungerechte Verwalter (HUL)
- 0.29
- 0.30 8.27 Der reiche Mann und arme Lazarus
- 0.31
- 0.32 8.28 Die Ungeduld und Unglaube der Brüder von Jesus
- 0.33 8.29 Auf dem Weg durch Samaria
- 1
Vorwort
8.1 Jesus verlässt endgültig Kapernaum und durchzieht zum letzten Mal Galiläa und Samarien
(Mt 19,1; Mk 10,1; Lk 9,51)
„Und es geschah, als Jesus diese Reden vollendet hatte begab er sich von Galiläa hinweg und kam in das Gebiet von Judäa“ (Mt 19,1).
„Und er brach von dort auf und kommt in das Gebiet von Judäa und jenseits des Jordan“ (Mk 10,1).
„Es geschah aber, als sich die Tage seiner Aufnahme erfüllten, da richtete er sein Angesicht fest darauf nach Jerusalem zu gehen“ (Lk 9,51).
Jesus nimmt Abschied von Kapernaum und der Gegend um das Galiläische Meer bzw. See Gennesaret. Schon seit ihrem Besuch in Cesaräa Philippi hat er seine Jünger daraufeingestimmt, dass sie nach Jerusalem gehen werden. Den Weg dorthin nutzt er um noch mal viele galiläische Dörfer und Städte zu besuchen. Auch diesen Wegabschnitt bereitet er sorgfältig vor, indem er 70/72[1] weitere Jünger zu je zwei und zwei vor sich her sendet. Bis er jedoch die Grenze von Galiläa nach Samarien überschreitet, geschehen noch eine Reihe von Dingen, von denen besonders Lukas in den Kapitel 10 – 16 berichtet.
8.2 Jesus sucht Mitarbeiter
(Lk 9,57-62)
Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes (Lk 9,57-62).
Der Evangelist Lukas hat diesen Bericht wahrscheinlich chronologisch und auch thematisch treffend eingeordnet. Wir lesen in Joh 6,60.66 von vielen Menschen, die neben den zwölf Jüngern Jesus nachfolgen – wohin und wie lange bleibt hier aber offen. Bei der Auswahl und Berufung der Siebzig fallen einige Details auf, die wir als Kriterien für heutige missionarische Dienste übertragen können. Zurzeit von Jesus suchten sich Schüler ihre Lehrer selbst aus. Manche versuchten ihre künftigen Schüler = Jünger durch überzogene Anforderungen abzuschrecken, um so nur die würdigsten Kandidaten in ihren Schülerkreis aufzunehmen. Folgende drei Beispiele machen aber auch deutlich, dass sich sogar bei Jesus die Auswahl und Berufung weiterer Jünger nicht leicht gestaltet.
- Im ersten Fall meldet sich ein Kandidat selbst bei Jesus mit den Worten: „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Doch Jesus gibt ihm zu bedenken, dass die Nachfolge mit Verzicht und einem sehr einfachen Lebensstil verbunden ist. Jesus hat dabei insbesondere die häufigen Reisen und die schlichten bis nicht vorhandenen Übernachtungsmöglichkeiten im Sinn. Dieser unregelmäßige und anstrengende Lebensstil im Tages- und Wochenrhythmus war zudem auch mit Gefahren verbunden (vgl. 2Kor 11,26; siehe auch Mt 8,18-22; Mk 5,18-20). Das Wort weist hin auf die Mühe und die Einsamkeit, die dazugehören, wenn man dem Menschensohn nachfolgt (Bruce 1985, 136).
- Im zweiten Fall spricht Jesus selbst einen Kandidaten an. Doch dieser erwidert: „Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“ Diesem macht Jesus jedoch deutlich, dass der momentane Auftrag zum Verkündigungsdienst dringender ist, als der erbetene Aufschub. Söhne würden sich angesichts eines todkranken Vaters oder gar kurz nach dem Tod ihres Vaters nicht draußen auf der Straße aufhalten und mit einem Rabbi plaudern. Der Kandidat möchte also mit der Nachfolge warten, bis der wahrscheinlich jetzt noch gesunde Vater Hilfe und dann auch eine ordentliche Bestattung von Seiten seines Sohnes erfährt. Es ist gut möglich, dass dieser Kandidat nur eine Ausrede suchte.[2] Man kann die hinweisenden Worte von Jesus so verstehen: „Lass die geistlich Toten die körperlich Toten begraben – es gibt Leute, die keinerlei Antenne für das Reich Gottes haben, und sie können sich um Routineangelegenheiten wie Beerdigungen kümmern; aber die, die offen sind für die Forderungen des Reiches Gottes, müssen dessen Ansprüchen den ersten Platz einräumen“ (Bruce 1985,138)
- Den dritten Kandidaten spricht Jesus ebenfalls von sich aus an. Der Angesprochene ist grundsätzlich zur Nachfolge bereit, will sich jedoch zuerst von seinen Familienangehörigen verabschieden. Doch dies könnte unter Umständen länger dauern – vielleicht sogar Tage. Jesus sucht aber Nachfolger, die bereit sind sofort in den Verkündigungsdienst zu treten. Aus dem Kontext wird deutlich, dass dieser Auftrag zunächst zeitlich und räumlich begrenzt war. Jesus prägt in diesem Zusammenhang folgendes Wort: „Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist nicht geschickt (geeignet) für das Reich Gottes.“ Beim Pflügen muss man bis heute vorausschauend arbeiten, damit die Furchen nicht krumm werden. Damals war der hölzerne Pflug relativ leicht und hatte eine Spitze aus Eisen. Diese Begebenheit erinnert uns an die Berufung Elisas, der doch seinen Abschied richtig feiern durfte (1Kön 19,19-21).
- Wann bricht Jesus endgültig von Kapernaum auf in Richtung Judäa?
- Warum war es so schwierig Menschen zu finden, die für den Verkündigungsdienst bereit waren?
- Warum geht Jesus auf die verschiedenen Ausreden der Menschen ein?
- Welche Ausreden nutzen wir, um einen bestimmten Dienst nicht tun zu müssen? Was versäumen wir dabei?
- Hat Jesus etwas gegen Fürsorge und Pflege von Eltern im Alter?
- Erlebten wir Situationen in denen wir einen gewünschten Auftrag/Dienst nicht bekamen, sondern etwas ganz anderes machen mussten?
- Welche Aufgaben im Reich Gottes hast du bewusst gemacht und wie zeitintensiv/kraftintensiv waren sie?
- Magst du lieber kleine/kurze Projekte oder liebst du es an Langzeitaufgaben dran zu bleiben?
8.3 Die Aussendung der 70/72
(Lk 10,1-12)
- Danach setzte der Herr weitere zweiundsiebzig[3] Jünger ein und sandte sie je zwei und zwei vor sich her in alle Städte und Orte, wohin er gehen wollte, und sprach zu ihnen: Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte. Geht hin; siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe (Lk 10,1-3).
Wie gut, dass der Evangelist Lukas uns von diesem wichtigen Detail aus dem Dienst von Jesus berichtet. Nach der Reduzierung der Jünger in Joh 6,66 entsteht der Eindruck, dass um Jesus nur noch die zwölf Jünger geblieben sind. Dieser Bericht macht jedoch deutlich, dass es Jesus wichtig ist, ständig nach fähigen Menschen Ausschau zu halten, sie zu seinen Nachfolgern zu machen und auch zu gegebener Zeit einzusetzen.
Wir haben schon zu Beginn des Dienstes von Jesus sein planmäßiges Vorgehen festgestellt. Mit der Aussendung dieser 70 Jünger kann Jesus mehrere Ziele gleichzeitig erreichen.
1) Die Städte und Dörfer auf seiner geplanten Reiseroute werden auf sein Kommen vorbereitet – oder durch seine Jünger schon erreicht.
2) Die 70 haben eine einzigartige Gelegenheit ihre Gaben und Befähigungen während der Dienstzeit von Jesus einzusetzen und damit die Möglichkeit ihre Erfahrungen mit ihm zu reflektieren, zu analysieren und somit korrigieren zu lassen.
3) Jesus kann durch die Vorarbeit der Siebzig eventuell einige an Zeit gewinnen.
4) Jesus kann den Zwölf zeigen, wie sie in Zukunft Jünger werben, ausbilden und auch einsetzen können, denn „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter“ (Lk 10,2). Diese Aussage stimmt zu allen Zeiten!
5) Es scheint so, dass Jesus flächendeckend evangelisieren möchte und dabei keine Ortschaft auslassen will.
Die Anweisungen, welche er den Siebzig mit auf den Weg gibt, sind sehr ähnlich wie bei der Aussendung der Zwölf (Mt 10,1ff):
- Ihr seid gesandt als Lämmer mitten unter die Wölfe
Auf Nachfolger von Jesus wartet nicht ein Ruhebett – es wird Gefahren geben. Doch der Gute Hirte selbst sendet – auch angesichts scheinbar hoffnungsloser Situationen.
- Keinen Geldbeutel
Sie konnten auf ihren Geldbeutel verzichten, denn die Versorgung durch den himmlischen Vater wurde ihnen von Jesus zugesichert. Im Rahmen dieser Sendung, sollten sie weder Geld ausgeben, noch Geld einnehmen.
- Keine Tasche
Eine Tasche weckt Begehrlichkeiten bei Räubern, die es damals viele gab.
- Keine Schuhe
Um diese warme Jahreszeit[4] konnten sie auf Schuhe verzichten und barfuss gehen – dies war im Orient keine Seltenheit. Doch denken wir daran, dass Jesus selbst Sandalen trug (Mt 3,11; Joh 1,27).
- Grüßt niemand unterwegs
Diese Anweisung steht im krassen Gegensatz zu den Gepflogenheiten in Palästina. So konnte es sich hier hauptsächlich um den Faktor Zeit handeln. Denn Begrüßungen nahmen oft viel Zeit in Anspruch und waren auch oft mit einem Essen und Übernachtung verbunden. Sie sollten jedoch zielstrebig in den Ort gehen, den ihnen der Herr aufgetragen hatte.
- Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht zuerst: „Friede sei diesem Haus.“
Der hebräische Friedensgruß „Schalom“ darf ganzheitlich verstanden werden und umfasst Geist, Seele und Leib (siehe 1Mose 43,23; Ri 6,23; 19,20; 1Sam 25,6 u.v.m.). Jesus legte in diesen Gruß weitere Elemente des angebrochenen Friedensreiches hinein (Joh 14,27). In jedem Ort gibt es solche Häuser und Menschen des Friedens. Diese Häuser und Menschen können Brücken für das Evangelium sein – so sollte der Einstieg für das Evangelium in einem Ort gut gewählt werden (siehe Mt 10,13)
- Zieht nicht von Haus zu Haus, sondern bleibt dort, wo ihr zuerst einkehrt
Da die erste Gastfreundschaft, ausgedrückt durch üppiges Essen, bald der alltäglichen oft auch ärmlichen Routine weicht, dürfen sich die Gesandten auch mit kargen Verhältnissen begnügen. Später hat sowohl Petrus als auch Paulus sich danach gerichtet (Apg 9,43; 16,15).
- Esst und trinkt, was euch vorgesetzt wird, denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert
Stellt keinerlei Ansprüche, fügt euch in die Möglichkeiten der gastgebenden Familie. Seid nicht wählerisch! Da die Möglichkeit besteht, dass sie in Dörfer mit mehrheitlich nicht jüdischer Bevölkerung kommen, bedeutetet dies auch, dass die jüdischen Speisegesetze keine bindende Kraft für diese Missionare haben konnten.
- Heilt die Kranken, die in jener Stadt oder Dorf sind
Dieser Dienst war Teil ihrer Verkündigung vom angebrochenen Gottesreich. Die Jünger vollbrachten die Werke ihres Meisters.
- Sprecht dort zu den Bewohnern: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen“
Diese Verkündigung schloss die Aufforderung zur Umkehr zu Gott ein, so wie der Glaube an den Menschensohn, in dessen Vollmacht die Jünger auftraten und handelten.
- Wenn ihr abgelehnt werdet, so geht heraus auf ihre Straßen und schüttelt den Staub von euren Füßen ab über sie und sprecht: „Auch den Staub aus eurer Stadt, der sich an unsre Füße gehängt hat, schütteln wir ab auf euch. Doch sollt ihr wissen: das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Ich sage euch: Es wird Sodom erträglicher ergehen an jenem Tage als dieser Stadt“ (Lk 10,11-12; Vgl. Apg 13,51).
Die Schlußaussage von Jesus an die siebzig gilt für alle Zeiten und unter allen Umständen:
- „Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat“ (Lk 10,16).
- In welcher Periode seines Dienstes beruft Jesus die siebzig Jünger?
- Nenne den Grund dafür, dass Jesus noch weitere siebzig Jünger beruft und ausgesendet?
- Warum sollen sie immer zu zweit losziehen? Entdeckst du ein Prinzip?
- Was bedeutet die Aussage: „Siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe“ (Lk 10,3) heute?
- Welches Detail von den Dienstanweisungen fällt dir besonders auf?
- Können diese Dienstanweisungen ohne weiteres auf heute übertragen werden? Was gilt immer und was ist nur im damaligen Kontext anwendbar?
- Nach welchem Maßstab misst Jesus unsere Verantwortung für die Menschen, die seine Boten und seine Botschaft ablehnen werden?
- Wenn Jesus die Stadt Sodom nennt, was wird damit indirekt unterstrichen?
- Was drückt die Handlung „Staub von den Kleidern oder Füßen abschütteln“ aus? Wo und von wem wurde diese Anweisung von Jesus buchstäblich ausgeführt? (Siehe Kap 7,2)
8.4 Das Urteil von Jesus über die unbußfertigen Städte
(Lk 10,13-16; Vgl. Mt 11,20-24 und Mt 10,1)
Etwa drei Jahre sind seit dem Dienstbeginn von Jesus in Kapernaum vergangen (Mt 4,17). Es ist etwa Spätsommer des Jahres 32 n.Chr. und Jesus zieht Resüme, nicht über seine Tätigkeit, sondern über die Reaktion und geistlichen Stand derer, die Zeugen von vielen wunderbaren Machttaten (gr. Δυναμεις – dynameis) wurden.
- „Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wären solche Taten in Tyrus und Sidon geschehen, wie sie bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche gesessen und Buße getan. Doch es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen im Gericht als euch. Und du, Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben werden? Du wirst bis in die Hölle hinuntergestoßen werden“ (Lk 10,13-15).
Am Ende war es eine Minderheit, die von Herzen umgekehrt ist, die Mehrheit blieb verhärtet in ihrem Herzen. Die meisten haben die Gaben Gottes in Anspruch genommen, ohne den Geber anzuerkennen und ihm zu glauben. Hier war die Reaktion auf seinen Bußruf ähnlich wie auch später in Jerusalem, denn in Johannes 12,37 lesen wir: „Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn,“
Drei Städte nennt Jesus, – Chorazin, Bethsaida und Kapernaum[5], dort geschahen die meisten seiner Taten. Und Gottes Prinzip lautet: Wem viel anvertraut wurde, von dem wird auch viel erwartet oder gefordert werden (Lk 12,47-48). Dies unterstreicht Jesus, indem er als Beispiele die Städte Tyrus und Sidon nennt, welche im Vergleich weniger Kenntnis von Gott hatten und die auch ein geringeres Maß von Gottes Handeln zu ihrer Zeit erlebten. Zu seiner Zeit sagte Gott durch den Propheten Hesekiel den Sidoniern eine düstere Zukunft voraus (Hes 32,30), doch im Endgericht wird es sie nicht so hart treffen, wie die oben genannten Städte und solche, welche die Frohe Botschaft des Evangeliums abgelehnt haben.
Kapernaum wird in den Evangelien als `seine Stadt`, d.h. die Stadt von Jesus genannt (Mt 9,1). Ihr hat er sich am intensivsten zugewandt. Mindestens 5 Jünger stammten aus dieser Stadt.Die Aussage von Jesus über Kapernaum „bist du bis zum Himmel erhoben, bis zur Hölle (gr. αδης – Hadesch) wirst du hinabgestoßen werden“, bezieht sich zum einen auf ihre Einwohner und zum anderen auch auf ihren Wohnort. Und die einst so bedeutende und blühende Handelstadt Kapernaum wurde bei dem Arabersturm 640 erobert, zerstört und verlassen. Erst im 19. Jh wurde die Stadt von Archäologen wiederentdeckt und später teilweise ausgegraben. Ab dem Ende des 19 Jh kümmerten sich die Franziskaner um die Ausgrabungsstätte und umzäunten sie. Bis heute ist dieser Ort nicht mehr besiedelt worden. Auch die Städte Bethsaida und Chorazin sind seit langem nur noch unbedeutende Ruinenfelder.
Anmerkung: Auch im Text in Matthäus 11,20-24 finden wir die gleichen Weherufe von Jesus über die genannten drei Städte. Matthäus fügt diese Aussage von Jesus bewusst in einen früheren Kontext und zwar zeitlich nach der Aussendung der zwölf Jünger. Lukas jedoch lässt den Bericht über die Aussendung der zwölf Jünger völlig aus, hat dafür die Aussendung der 70 aufgezeichnet, nach welche er auch die Weherufe einfügt. Dadurch wird von den Evangelisten ein thematischer Zusammenhang deutlich gemacht. Auch ist es gut möglich, dass Jesus diese Aussage zweimal gemacht hat. Schon in Matthäus 10,15 im Zusammenhang der Aussendung der 12 Jünger belegte Jesus jene Städte mit einem ähnlichen `Wehe`, welche das Zeugnis der Jünger nicht annehmen werden. Auch bei der Aussendung der 70 widerholt er die gleiche Aussage (Lk 10,16).
Wie an vielen anderen Stellen, kommt der Dienst von Jesus als Prophet hier zum tragen. Ebenso hat auch nur er das Recht und die Vollmacht ein Urteil im voraus auszusprechen, denn nach seiner eigenen Aussage hat der Vater das gesamte Gericht dem Sohn übergeben (Joh 5,22-23).
Fragen:
- Bedenke die besondere und vielzählige Zuwendung von Jesus den Menschen in den drei genannten Städten und versuche herauszufinden, warum bei ihnen so wenig Bereitschaft zur Buße und Glauben war?
- Was ist die Folge, wenn Menschen in besonderen Zeiten der gnädigen Zuwendung Gottes nicht umkehren?
3.Was geschieht, wenn Menschen unser Zeugnis ablehnen?
- Auf welcher Grundlage kann Jesus ein so weitreichendes Urteil über die Menschen dieser Städte aussprechen?
8.5 Die siebzig (72) kehren mit Freuden zurück
Lk 10,17-20
- „Die Zweiundsiebzig (70) aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die bösen Geister sind uns untertan in deinem Namen. Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden. Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“ (Lk 10,17-20).
Wir gehen zunächst davon aus, dass Jesus die 70 Jünger im Bereich Galiläa einsetzte. Und an einen bestimmten Ort kehrten sie auch wieder zurück. Vorstellbar wäre, dass sie zwei bis drei Wochen unterwegs waren. Es war also ein zeitlich und räumlich begrenzter Missionseinsatz. Übervoll von Freude, erzählen sie nun Jesus über ihre Erfolge. Die Wendung: „auch die Dämonen sind uns untertan …“ schließt auch andere wundervolle Erfahrungen wie Heilungen von Kranken, mit ein. Auch Heute würden die meisten Christen danach fragen, wer und wie viele Menschen haben sich denn bekehrt bei der Evangelisation?
Jesus reagiert auf die Freude der Jünger über deren Missionserfolg mit einem Hinweis auf Veränderungen in der himmlischen Sphäre und einer Korrektur in der Wahrnehmung des sogenannten `Erfolges`. Von der Welt Gottes ist uns nur soviel bekannt, wie der Vater und der Sohn uns geoffenbart hat. Die hebr. Bezeichnung `Satanas` meint den Feind und Gegner, den Widersacher, der sich entgegen stellt und entgegen handelt. Es gibt noch weitere ähnliche Anspielungen auf den sogenannten `Fall Satans`, so zum Beispiel in Hesekiel 28,14-17 und Jes 14,12-15. Obwohl dort im Vordergrund von den Königen Tyrus und Babel die Rede ist, scheint doch noch ein weiterer tieferer Sinn darin verborgen zu sein, nämlich der Vorgang in der Sphäre der Engel (hebr. Cherubim). Die Bezeichnung `glänzender Cherub, Morgenstern[6]` (Jes 14,1 und Hes 28,14) sind Umschreibungen des Wesens und Charakters dieses Fürstenengels vor dem Fall. Ein Teil der Engel, welche gesündigt haben (2Petr 2,4) wurden von Gott in die Finsternis hinaus zur Hölle verstoßen.
- „Denn Gott hat selbst die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis in die Hölle gestoßen und übergeben, damit sie für das Gericht festgehalten werden.“
Dieses Ereignis liegt in der Vergangenheit und hat sich vor dem Sündenfall des Menschen zugetragen[7]. Auch Jesus spricht in der Vergangenheisform vom Fall Satans aus dem Himmel. Dies war ein plötzliches und blitzschnelles Ereignis.
Wenn Jesus in Johannes 12,31 sagt: “Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; nun (jetzt) wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden (nach draußen)“, weißt er auf eine weitere Einschränkung der Machtbefugnisse des Satans hin (vergl auch Joh 14,30 und 16,11). Diese Entmachtung des Satans ist offensichtlich im Werk Christi, in seinem Tod und Auferstehung begründet. Weitere Stellen zu diesem Thema: Offb 12,1-18 Wie auch immer die Symbolik dieses Textes gedeutet wird, gibt er uns doch einen Hinweis in die Sphäre, die Wirksamkeit und ebenso die Machteinschränkung des Feindes. „Ja, unser Widersacher der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann“ (1Petr 5,8-9). Doch die Macht des siegreichen Christus ist größer als alle Mächte der Finsternis zusammengenommen. Das ist eine gute Nachricht für alle angefochtenen Gläubigen. Doch gibt uns Jesus nicht nur die Macht Widerstand zu leisten, sondern auch die Vollmacht in seinem Namen die Werke des Teufels zu zerstören (1Joh 3,8).
Die Vergleiche mit bestimmten Tieren macht Jesus öfters in seinen Reden, das haben die Alttestamentlichen Schreiber auch schon gemacht, so in Psalm 91,13
- „Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten“ (Vgl. Mk 16,18).
Schlangen und Skorpione sind Kriechtiere, die tödliches Gift in sich tragen und wer ihnen zu nahe kommt, riskiert sein Leben. Mit der Vollmacht über diese Art von Feinden sind die Jünger von Jesus ausgestattet worden. Er erklärt gleichsam auch, dass mit diesen Feinden nicht Menschen gemeint sind, sondern es geht um Mächte der Finsternis, wie auch Paulus später in Eph 6,12ff weiter ausführt. Beachten wir auch, dass diese Vollmacht immer nur an den Namen von Jesus gebunden ist und nur in Übereinstimmung mit seinem Willen wirksam und zu Gottes Ehre eingesetzt werden kann.
Die Korrektur, welche Jesus bei den siebzig anbringt ist sehr wichtig für alle seine Nachfolger. Er legt den Schwerpunkt nicht auf das emotionale Hoch welches durch den Erfolg hervorgerufen wird, sondern ganz deutlich auf die Grund-Tatsache der himmlischen Bürgerschaft seiner Jünger. Beachten wir hier die Gegensätze,- der Satan wurde aus dem Himmel ausgestrichen, die Namen der Jünger sind dort eingeschrieben, eingraviert.
Weitere Stellen, die diese Realität beschreiben, finden wir in:
- Phil 4,3 „Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Gefährte, steh ihnen bei; sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft, zusammen mit Klemens und meinen andern Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens stehen“ (2Mose 32,32-33; Ps 69,29; Offb 3,5; 12,11; 17,8; 20,12. 13).
Fragen:
- Womit sind die siebzig bei ihrer Rückkehr beschäftigt, – was erfüllt sie?
- Wie reagiert Jesus auf das emotionale Hoch der Jünger?
- Was bewegt uns Heute nach einer Evangelisation oder Missionseinsatz?
- Welchen Einblick gibt uns Jesus über die Welt des Satans, über seinen Stand, seine Entmachtung, bzw. seine Machteinschränkung?
- Warum werden in der biblischen Offenbarung und auch besonders in den Reden von Jesus bestimmte Tiere als Anschaungsmaterial benutzt?
- Wie und in welche Richtung korrigiert Jesus seine Jünger?
8.6 Jesus jubelt und lobt seinen Vater im Himmel
Lk 10,21-24 (Mt 11,25-27)
- „In dieser Stunde jubelte Jesus im (Heiligen) Geist und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir. 22 Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand erkennt, wer der Sohn ist, als nur der Vater, und wer der Vater ist, als nur der Sohn und wem der Sohn ihn offenbaren will. 23 Und er wandte sich zu den Jüngern allein und sprach: Glückselig (μακάριοι) die Augen, die sehen, was ihr seht! 24 Denn ich sage euch, dass viele Propheten und Könige begehrt haben, zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört“ (L 1,21-24; Vgl. ‚Mt 11,25-27).
Matthäus ordnet dieses Gebet von Jesus (Mt 11,25-27) nach den Weherufen über die unbußfertigen Städte ein. Lukas etwas später, als die siebzig zurückgekehrt waren. Beide Evangelisten überliefern das Gebet fast wortgenau. Der kleine Unterschied liegt in der Zeitbestimmung. Lukas leitet ein mit: In jener Stunde` – gr. ωρα[8] – ora, Matthäus mit : Ìn jener Zeit`- gr. καιρος[9] – kairos. Dies lässt den Schluß zu, dass Jesus dieses Gebet direkt nach der Rückkehr der siebzig sprach.
Wir lernen Jesus kennen in seiner vielseitigen Gebetspaxis. Er betet bei Nacht, bei besonderen Anlässen und wie hier ganz spontan, wahrscheinlich mit erhobenem Haupt zum Himmel gerichtet. Jesus, als den Jubelnden zu erleben in seinem Dienst, ist schon etwas Besonderes. Dass er aber seine tiefe Freude und Begeisterung in die Adresse seines himmlischen Vaters zum Ausdruck bringt, ist beispielhaft. Für die Wendung `er freute sich`(so Lutherübersetzung), steht im griechischen `ηγαλλιασατο – igalliasato`, was genauer mit `er jubelte` übersetzt werden könnte. Jubel ist ein intensiver emotionaler Ausdruck und hier bei Jesus mit konkreten Worten gefüllt. Es ist ein Lobpreis auf den Vater im Himmel, den Allherrscher, der in seiner Souveränität anders oder entgegengesetzt den Gepflogenheiten dieser Welt handelt. Die `Weisen und Klugen` in dieser Welt sind Menschen, welche den Zugang zur Erkenntnis und Wissen außerhalb göttlicher Offenbarung suchen. Die Unmündigen in Gottes Augen sind Menschen, welche sich in kindlicher Abhängigkeit von Gott erkennen. Der Grund und Auslößer der Freude bei Jesus ist die Erkenntnis und Erfahrung, dass Gottes Willen und Wohlgefallen (gr. ευδοκία – eudokia) offenbar geworden sind. Einfacher ausgedrückt: der Sohn freut sich über das Handeln seines Vaters im Himmel und bejubelt ihn (Vgl. 1Kor 2,7).
Durch diese Zwiesprache mit seinem Vater zeigt Jesus auch den göttlichen Offenbarungsweg, eben wie und durch wen sich Gott mitteilt. Jesus ist allein der Wissende um die Person des Vaters und durch ihn kommt jegliche Offenbarung und Erkenntnis über den Vater im Himmel. Dies ermutigt uns um so mehr, Jesus, durch die Schriften der vier Evangelien, näher kennenzulernen.
Nach dem Gebet zum Vater, wendet sich Jesus direkt an seine Jünger, wahrscheinlich einschließlich der siebzig. Jesus kannte die Sehnsucht der Propheten und Könige in der Zeit des alten Bundes, doch mussten sich jene begnügen mit der Vorfreude, die Jünger erleben die Erfüllung aller Gottesverheißungen (Vgl. Mt 13,16; 1Petr 1,10-12). Dies ist genug Grund für ihre Glückseligkeit. Somit wird deutlich, dass die Erkenntnis um Gott und sein Handeln die wahren Grunde zur Freude und Jubel sind, nicht unsere Leistungen, unsere Erfolge oder sogar Dienste.
Fragen:
- Worüber freut sich Jesus und wie und wem gegenüber drückt er seinen Jubel aus?
- Wen meint Jesus unter dem Begriff `Weise und Kluge` und wer sind im Gegensatz dazu `Unmündige`?
- Wo liegt die Begrenzung für unser `Erkennen` und wodurch oder durch wen gelangen wir zur Gotteserkenntnis?
- Warum haben die Jünger von Jesus einen Vorteil gegenüber vielen Propheten und Königen des Alten Bundes?
8.7 Jesus lehrt beten und bitten
(Lk 11,1-13; Mt 6,9-15)
8.7.1 Jesus lehrt seine Jünger beten
- „Und es begab sich, dass er an einem Ort war und betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Unser tägliches Brot gib uns Tag für Tag und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die an uns schuldig werden. Und führe uns nicht in Versuchung“ (Lk 11,1-4; Vgl. Mt 6,9-15).
Der Evangelist Matthäus hat bekanntlich das `Vaterunser` Gebet in die Sammlung der Berglehre eingefügt. Aus dem Text des Lukas wird jedoch deutlich, dass Jesus seine Jünger das Beten lehrte auf eine konkrete Anfrage seitens eines der Jünger (Lk 11,1). Allerdings hat Lukas den Inhalt des `Vaterunser` Gebets in kekürzter Form widergegeben. In Kapitel 3, Abschnitt 7c sind wir auf den Inhalt dieses Gebets von Jesus schon eingegangen. Im Text bei Lukas erklärt Jesus durch eine nachfolgende Geschichte den Wert und Erfolg des dringlichen Bittens.
8.7.2 Mein Freund, leihe mir drei Brote
(Lk 11,5-8)
- „Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann“ (Lk 11,5-6).
Jesus ist Meister in Geschichten erzählen, in Geschichten bestimmte Aspekte zuspitzen, damit die zu mitteilende Wahrheit besser verstanden wird und im Gedächtnis haften bleibt. Diese Geschichte erzählt Jesus im Konjuktiv, nach dem Muster: stellt euch mal folgende Situation vor. Einige Details zum Kontext dieser Geschichte:
- Brot wurde damals täglich frisch gebacken und es lag an der Einstellung der Hausfrau oder anderen Umstände, ob nach dem Abendessen noch etwas übrig geblieben ist oder nicht.
- Geschlafen haben die Orientalen damals meist in einem Raum (Schlafraum) der mit Polstern oder Teppichen ausgelegt war. Nur die Reicheren hatten große Häuser mit mehreren getrennten Räumen und meistens auch mit einem großen Innenhof.
- Es ist Mitternacht und da man meist früh aufstand, war eine Schlafunterbrechung sehr unwillkommen. Obwohl der Freund diese Gepflogenheiten kennt, unternimmt er den ungewönlichen Versuch bei seinem Nachbarfreund Brote zu bekommen.
- Es fällt auf, dass er nicht für sich bittet, er hat also keinerlei direkten Vorteile.
- Die Gastfreundschaft im Orient war damals (wie heute) eine Ehrensache. Bei wem der Reisende einkehrte, dessen Namen erwähnte man im Stadttor. Und eher riskierte jemand die Freundschaft mit dem Nachbarn, als dass er seinen Gast hungrig schlafen gehen ließe.
Auf diesem Hintergrund ist auch seine dringliche, ja gar unablässige Bitte zu verstehen.
Jesus bleibt aber nicht hängen an den Gepflogenheiten seiner Landsleute, sondern zieht seine eigene Schlussfolgerung. Dabei verwendet er den Ausdruck `αναιδειαν – anaideian`, was mit Unverschämtheit oder Aufdringlichkeit übersetzt werden kann. Das Ergebnis ist eindeutig, der Freund will endlich den Ruhestörer los haben und gibt ihm die gewünschten drei Brote.
8.7.3 Bittet, sucht, klopft an
(Lk 11,9-13; Mt 7,7-11)
- „Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan“.(Lk 11,9-10).
Es erstaunt schon, dass Jesus soviel Wert auf unsere Aktivität legt. Dabei geht es um die Dinge, welche wir uns selber nicht erarbeiten und nicht nehmen können. Es geht also um Gaben, die uns zwar zur Verfügung stehen, doch werden sie uns nicht automatisch zufallen. Wer bittet,- empfängt, wer zu faul oder stolz zum Bitten ist, geht leer aus.
Bittet, sucht, klopft an, alle drei Aufforderungen stehen im Imperativ, also in der Befehlsform. Jesus sagt nicht, probiert es mal auf diese oder jene Weise aus. Auch die Reihenfolge ist bewußt gewählt und auf allen drei aktiven Schritten liegt eine konkrete Verheißung.
Und wieder fügt Jesus einen Vergleich an, diesmal aus der Vater-Sohn-Beziehung. Bezieht man den Text aus Matthäus mit ein, ergibt sich ein dreifacher Vergleich, denn welcher Vater gibt seinem Sohn anstatt:
- Brot – Stein
- Fisch – Schlange
- Ei – Skorpion
Und auf dem Hintergrund der normalen fürsorglichen Beziehung von Vätern (Eltern) zu ihren Kindern hebt er die alles überragende Güte und Fürsorge des himmlischen Vaters hervor Der Vater im Himmel gibt nur gute Gaben, denn schlechte hat er nicht. Dieses Gute vom Vater ist jedoch nicht immer dass, was wir erbitten oder erwarten. Der Schwerpunkt liegt auch nicht auf den natürlichen oder materiellen Gaben, sondern es geht ihm dabei um die Gabe des Heiligen Geistes, den Gott reichlich und ohne Maß geben will:
- „Denn der, den Gott gesandt hat (Jesus), redet Gottes Worte; denn Gott gibt den Geist ohne Maß“ (Joh 3,34).
Auch hier gilt:
- „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so wird euch dieses alles zufallen“ (Mt 6,33).
Fragen:
- Lerne das Gebet `Vater unser` auswendig. Merke dir die Ergänzungen bei Lukas.
- Bist du mal mitten in der Nacht geweckt worden, weil jemand an der Tür klingelte oder dich am Telefon sprechen wollte?
- Hast du mal einen Engpass gehabt an Lebensmitteln und dabei festgestellt, dass der Supermarkt schon geschlossen hatte?
- Wie reagierst du auf Absagen deiner Bitten?
- Kennst du Gott als einen, der zurückhaltend ist im Geben oder der großzügig gibt?
- Bittest du um die Fülle und Leitung des Heiligen Geistes?
8.8 Jesus besiegt die Macht der Dämonen
(Bibeltexte: Lk 11,14-26)
8.8.1 Jesus befreit einen dämonisch belasteten Menschen
- „Und er trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich“ (Lk 11,14).
Wie kurz sind oft die Berichte über Heilungen oder Befreuungen von dämonischer Belastung. Da wird wieder mal deutlich, es geht Jesus und auch den Evangelisten nicht um Sensationelle und detailierte Bschreibungen der Vorgänge, sondern um Tatsachen und dann auch um die Anwendung, bzw. die daraus resultierende Lehre für die Geheilten. Dabei entstehen oft auch kritische Nachfragen und spannende Diskussionen.
Der Textzusammenhang macht deutlich, dass es sich nicht um einen Stummen Geist handelt, sondern, dass der Mensch in seiner Sprache von diesem unreinen Geist gelämt wurde. Denn nachdem der Geist ausgefahren war, redete der Mensch, so dass sich das Volk verwunderte. Doch es gab etliche, die suchten eine theologische Erklärung zu der Befreiungstat von Jesus. Es war wohl der Neid, der sie hinderte Jesu Vollmacht als von Gott gegeben anzuerkennen. Stattdessen schreiben sie diese dem Beelzebul zu, dem Obersten der Dämonen. Es ist hilfreich in diesem Zusammenhang die Befreiungsgeschichte aus Matthäus 12,22-37 zu lesen. Nach der Befreiung folgen dann die gleichen Schilderungen und Erklärungen. Auch hier wird deutlich, dass Jesus in unterschiedlichen Situationen die gleichen Lehren verkündigte und oft die gleichen Beispiele verwendete.
Fragen / Aufgaben:
- Kennst du Menschen in deinem Umfeld, die Sprachbehindert sind?
- Weist du um den Grund/Ursache dieser Behinderung?
- Wie gehst du mit diesen Menschen um?
8.8.2 Wer hat die vollmacht zum Befreiungsdienst?
- „Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten. Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. (Mk 8,11) Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet und ein Haus fällt über das andre. Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen?“ (Lk 11,15-18; vgl. Mt 12,25).
In der Volksmenge gab es fast immer Menschen, welche Jesus bewusst ablehnten und offen kritisierten. Nach Matthäus 12,22ff kommen diese Kritiker aus der Gruppe der Schriftgelehrten. Aus dem Text erfahren wir, dass Jesus die Überlegungen in ihren Gedanken sah, oder erkannte. Es fällt immer wieder auf, dass Jesus auch die Entstehung und Formung der Worte sieht und aus welchen Motiven und zu welchem Zweck sie dann ausgesprochen werden. Der Evangelist Lukas erwähnt in einem Zug zwei auf den ersten Blick unterschiedliche Anfragen. In diesem Fall wird deutlich, sie versuchten ihn, indem sie ein Zeichen fordern und das Motiv ist keinesfalls ehrliches suchen nach Wahrheit, sondern eher der Neid, denn ihnen fehlt offensichtlich diese Vollmacht. Zunächst geht Jesus auf den Urheber der Vollmacht über die bösen Geister ein und erst später auf die Zeichenforderung.
In ihrer Feststellung schreiben die Kritiker die Befreiungsmacht von Jesus dem Obersten der Dämonen – Beelzebul zu. Die Herkunft des Namens stammt wohl aus einem kanaanäischen Kult (1Kön 1,2-16). Dies nimmt Jesus zum Anlass, um auf eine sehr sachliche Weise die Unsinninkeit solcher Behauptungen zu entlarfen.
Für die Juden war Beelzebul der Oberste Satan und Jesus lässt diese Bezeichnung so gelten, weil er sie kurz danach auch verwendet. Die Stärke von Jesu Argumentation liegt in den treffenden Beispielen, Gleichnissen und Geschichten. Folgende Realitäten der dämonischen Welt offenbart Jesus:
- Es gibt ein Reich oder Herrschaftsbereich Satans
- In diesem Herrschaftsbereich gibt es auch ein bestimmtes Regierungssystem in dem eine gewisse Einigkeit praktiziert wird, welche für das Bestehen unerlässlich ist
- Konkret heißt es, dass ein Dämon niemals einen anderen austreiben wird, auch wenn er stärker oder höher im Rang ist
Die Gegenfrage von Jesus: „Durch wen treiben eure Söhne sie (die Dämonen) aus“ ist nicht einfach zu verstehen. Es gab wohl im Judentum die Praxis der Dämonenaustreibung (Exorzismus). Dieser Begriff kommt aus dem griechischen und hat mit Beschwörung, bzw. Austreibung der bösen Geister zu tun. Die Praxis der Vertreibung böser Geister wird in verschiedenen Religionen durch unterschiedliche Riten praktiziert. Im christlichen Glauben immer nur im Namen von Jesus durch dazu bevollmächtigte Diener Gottes. Ein Beispiel aus der Apostelgeschichte belegt diese Praxis, in diesem Fall jedoch war es Unfug und Missbrauch des Namens von Jesus (Apg 19,13-16).
Jesus lässt seine Kritiker nicht im Unklaren – er treibt die Dämonen durch den `Geist Gottes` oder den `Finger Gottes` aus (Mt 12,28; Lk 11,20). Seinen Jüngern hat er schon zuvor diese Vollmacht gegeben, dass sie in seinem (Jesu) Namen handeln sollen.
Mit einem einprägsamen Spruch hebt Jesus das entweder oder im Dienst für ihn hervor: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ (Lk 11,23).
Fragen Aufgaben:
- Jesus sieht oder kennt die Gedanken der Menschen, was bedeutet dies für uns?
- Welchen realen Einblick gibt uns Jesus über die Sphäre der unreinen Geister-Dämonen?
- Durch wen treibt Jesus die bösen Geister aus?
- Wie sollen wir mit solch schwierigen oft undurchsichtigen Fällen umgehen?
- Lerne den Merkvers, den Jesus verwendet bei diesen Wahrheiten auswendig.
8.8.3 Die Gefahr des Rückfalls nach der Befreiung
(Bibeltext: Lk 11,24-26)
Wenn der unreine Geist von einem Menschen ausgefahren ist, so durchstreift er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet sie nicht; dann spricht er: Ich will wieder zurückkehren in mein Haus, aus dem ich fortgegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er’s gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin und nimmt sieben andre Geister mit sich, die böser sind als er selbst; und wenn sie hineinkommen, wohnen sie darin, und es wird mit diesem Menschen hernach ärger als zuvor. (Lk 11,24-26).
Niemand weiß so gut Bescheid über die Welt der Dämonen wie Jesus. Und daher kann er auch Einblick geben in das Denken und Handeln dieser menschenfeindlicher Geister. Die Betonung `wasserlose Gegenden` macht deutlich, dass jene unreinen Geister sich in der Sphäre der Ruhelosigkeit, Heimatlosigkeit und ungestillter Sehnsucht befinden. Für den Menschen, der von solchen Mächten frei wurde, ist nun die Gefahr groß, dass er wieder unter die Macht und Einflussbereich unreiner Geister kommt, es sei denn sein Lebenshaus wird vom Geist Gottes ausgefüllt. Diese Warnung galt wohl dem Menschen, der frei wurde, doch ist diese Folgeentwicklung nicht nur auf Einzelne Menschen, sondern auch auf ganze Gruppen zu beziehen (Mt 12,45). In etwas abgewandelter Form geschieht es auch bei einzelnen Personen, welche die ihnen erwiesene Gnade nicht schätzen (2Petr 2,20-22).
Einen weiteren Einblick gibt Jesus uns in die Welt und das Reich der Dämonen: Es gibt unterschiedliche Größen und Stärken in der boßhaften und unreinen Geisterwelt.
- Es gibt eine Art Zusammenarbeit zwischen den Geistern
- Sie suchen und finden einander
- Sie einigen und unterstützen sich gegenseitig, um sich das Menschenopfer gefügig zu machen
Kurz davor hat Jesus erklärt, dass der Satan mit sich selbst nicht uneins wird, weil so seine Herrschaft nicht bestehen würde (Lk 11,18). Es ist also unärlässlich für die, welche solchen Befreiungsdienst ausüben, dafür zu sorgen, dass dem Befreiten das Evangelium nahegelegt und verständlich gemacht wird, damit er durch Buße und Vergebung Gottes Kind wird und der Heilige Geist in ihm Wohnung bezieht.
Fragen / Aufgaben:
- Welchen Einblick gibt uns Jesus in die Sphäre der unreinen Geister?
- Auf welche Gefahr nach der Befreiung macht Jesus aufmerksam?
- Auf was ist beim Befreiungsdienst insbesondere zu achten?
- Auf welche Menschengruppe bezieht Jesus im weiteren Sinne die Folgeerscheinung: „Das letztere wird schlimmer als das Erste gewesen ist“?
8.8.4 Glückselig wer Gottes Wort hört und bewahrt
(Bibeltext: Lk 11,27-28)
- „Und es begab sich, als er so redete, da erhob eine Frau im Volk ihre Stimme und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, an denen du gesogen hast. (Lk 1,28) Er aber sprach: Ja, selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren“ (Lk 11,27-28).
Jesus lässt sich auch mal unterbrechen in seiner Rede von einer Frau aus der Volksmenge und geht auf deren Bemerkung ein. Das Motiv dieser Frau bleibt unklar, doch empfindet sie durchaus positiv sowohl in Bezug auf Jesus als auch auf dessen Mutter – Maria. Vielleicht wird hier auch die Verbindung von Lukas 1,48 hergestellt, wenn auch unbewusst. Auffällig auch besonders für uns im Abendland die orientalische Offenheit und Gelöstheit in Bezug auf den menschlichen Körper, die Beziehung von Säugling und Mutter, Mann und Frau. Jesus ignoriert diese Bemerkung nicht, lässt sie sozusagen im Raum stehen und lenkt die Gedanken der Zuhörer auf das Wesentlichere, nämlich: „Gottes Wort hören und bewahren“. Auch Maria ist Glückselig nicht in erster Linie weil sie Jesus geboren und gestillt hat, sondern weil es auch von ihr heißt: „Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). Damit ist sie in dieser Beziehung Vorbild und bekommt, wenn auch indirekt, Lob von Jesus.
Fragen:
- Wie gehst du damit um, wenn du in deiner Erzählung oder Rede unterbrochen wirst?
- Wie ordnest du Lob ein, das dir oder deiner Familie ausgesprochen wird?
- Welche Prioritäten setzt Jesus?
8.8.5 Jesus antwortet auf die Zeichenforderung
(Bibeltext: Lk 11,29-32)
- „Die Menge aber drängte herzu. Da fing er an und sagte: Dies Geschlecht ist ein böses Geschlecht; es fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden als nur das Zeichen des Jona. Denn wie Jona ein Zeichen war für die Leute von Ninive, so wird es auch der Menschensohn sein für dieses Geschlecht“ (Lk 11,29-30).
Mit der Antwort auf die Zeichenforderung (Lk 11,15) fällt Jesus auch ein klares Urteil über den ungläubigen und verhärteten Teil der Juden in Israel. Dies ist sehr auffällig und wird an mehreren Stellen wiederholt und bekräftigt ((Mt 12,38-45; 16,4 (Vgl. Mk 8,11-12; Lk 11,32) Mt 17,17 (Vgl. Mk 9,19; Lk 9,41) Mt 24,34 (Vgl. Mk 13,30; Lk 21,32) Mk 8,38; Apg 2,40)).
Aus dem Kontext wird deutlich, dass diese Anfrage/Forderung aus den Reihen der Pharisäer und Schriftgelehrten (Gesetzeskundigen) kam (Lk 11,42+44). Somit wjrd klar, wen Jesus mit der Bezeichnung `Arges/böses Geschlecht` in erster Linie meint. Im griechischen steht dafür die Bezeichnung `γενεα[10] πονηρα – genea ponira`. Die Glaubenden an Jesus sind aus der Gruppe des `Bösen Geschlechts`ausgenommen. Doch nicht nur viele Schriftgelehrte aus der Pharisäerpartei, sondern auch aus den Reihen der Sadduzäer und dem Kreis um Herodes, gehören zu den Zeichenforderern (Mt 12,39; Lk 23,8) und damit zu diesem `argen Geschlecht`. Bei den vielen und verschiedenen Wundern von Jesus, welche immer auch Zeichen seiner Messianität waren, drängt sich schon die Frage auf: Wie viel und was soll Jesus noch tun zum Beweis seiner göttlichen Sendung?
- Alle Arten von Krankheiten heilte er,
- Aussätzige reinigte er vollständig,
- Tote weckte er wieder zum Leben auf,
- Wasser verwandelte er in Wein (eindeutiges messianisches Zeichen),
- Brot vermehrte er (eindeutig das Zeichen des verheißenen Propheten),
- Auf dem Wasser ging er einher, wie auf festem Boden,
- Den Sturmwind stillte er plotzlich,
- Gedanken der Menschen sah und erkannte er vollkommen,
- Prophetische Aussagen wurden in seinem Leben erfüllt,
Wer damals wie heute gegen besseres Wissen sich Jesus verweigert, gehört zu diesem `argen Geschlecht`.
Jesus geht niemals auf die selbstsüchtigen und unlauteren Forderungen oder Erwartungen der Menschen ein. Vielmehr tut er das, was sein himmlischer Vater ihn anwies. Und immer wieder greift er zur Schrift zurück, so auch hier (Jona 3,3-10). Dieser ungläubigen Generation soll das Zeichen des Propheten Jona gegeben werden, also etwas, was Gott für richtig und notwendig hält und auch in seinem Plan eingeschlossen ist.
Die Menschen in Ninive (Heiden und zeitweise Feinde des Volkes Israel) taten geschlossen Buße auf die Wortpredigt des Jona. Jesus bekräftigt ständig seine Lehre mit den Wunderwerken des Vaters und ihm wird nicht geglaubt. Daraus folgt ein höheres Maß an Verantwortung. In zweierlei Hinsich ist Jona ein Zeichen, welches auf Jesus hinweist (Mt 12,38-41). Zum einen seine scheinbare Niederlage (drei Tage in des Fisches Bauch) und zum anderen sein Erfolg (Tagespredigt und die Niniviten bekehrten sich zu Gott). Mit den Worten: „Hier ist mehr als Jona“ wird die überragende Person von Jesus und auch sein unübertroffener, vollmächtiger Verkündigungs,- und Heilungsdienst hervorgehoben.
Sehen wir uns einmal die Parallelen, Unterschiede und Gegensätze von Jona und Jesus näher an:
Jona | Jesus |
Jona bekommt von Gott den Auftrag nach Ninive zu gehen
|
Jesus wird von seinem Vater in diese Welt gesandt |
Jona ist ungehorsam und flieht | Jesus gehorcht und geht |
Jona ist drei Tage/Nächte im Bauch des großen Fisches | Jesus ist drei Tage/Nächte mitten in der Erde |
Jona wird auf Gottes Geheiß wieder zum natürlichen Leben befreit | Jesus wird von seinem Vater von dem körperlichen Tod zum geistlich/köperlichen ewigen Leben auferweckt |
Jona predigt Untergang, die Niniviten bekehren sich geschlossen zu Gott | Jesus predigt Rettung, der größte Teil des Volkes lehnt ihn jedoch ab |
Jona erfüllt einen lokalen Auftrag (Stadt Ninive) mit zeitlichem Erfolg | Jesus erfüllt den allumfassenden Auftrag seines Vaters (Rettungsbotschaft für die ganze Welt) mit Langzeitauswirkungen |
Zur Bekräftigung führt Jesus noch ein weiteres Ereignis aus der Geschichte Israels an. Den Besuch der Königin von Saba, die vom äußersten der Erde kam, um Salomos Weisheit zu hören (1Kön 10,1ff; 2Chron 9,3ff). Und damit legt er eine große Verantwortung auf die Menschen (Generation) seiner Zeit, welche trotz besseres Wissen sich ihm und seiner Rettung größtenteils verweigerten.
Fragen:
- Wer sind die Menschen, welche immer wieder ein besonderes Zeichen von Jesus fordern und wie nennt Jesus sie?
- Wo erkennen wir auch in unserer Zeit, dass traditionelle Religiosität Eifersucht, Neid und Status, einer echten Buße und kindlichem Glauben im Wege stehen?
- Warum geht Jesus nicht auf die Zeichenforderung ein?
- Woran wird Jesus die Verantwortung des Menschen messen am Jüngsten Tag?
- Nenne einige Vergleiche und Unterschiede zwischen Jona und Jesus.
Lk 11,33-36
- „Niemand zündet ein Licht an und setzt es in einen Winkel, auch nicht unter einen Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit, wer hineingeht, das Licht sehe. Dein Auge ist das Licht des Leibes. Wenn nun dein Auge lauter ist, so ist dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. So schaue darauf, dass nicht das Licht in dir Finsternis sei. Wenn nun dein Leib ganz licht ist und kein Teil an ihm finster ist, dann wird er ganz licht sein, wie wenn dich das Licht (der Blitz) erleuchtet mit hellem Schein“ (Lk 11,33-36).
Schon in Matthäus 5,15-16 und Lukas 8,16 verwendet Jesus das Bild/Gleichnis vom Licht und wendet es dort im Kontext an. Der griechische Begriff für Licht heißt `φως[11], φοτεινος – fos, foteinos` und wird grundsätzlich positiv verwendet. Licht ist bis in unsere Zeit eins der am schwierigsten erklärbaren Elemente. Bis heute haben die Wissenschaftler keine eindeutige und umfassende Definition für Licht gefunden. Doch Licht hat Auswirkungen und daraus können wir einiges ableiten:
- Licht, wenn es auch noch so gering ist, vertreibt die Finsternis,
- Licht erzeugt, oder durch Licht entsteht Leben,
- Licht wärmt,
- Licht macht Gegenstände erkenntlich,
- Licht ist immer der Finsternis überlegen,
8.9 Ein Pharisäer lädt Jesus zum Essen ein
Lk 11,37-54
- „Als er noch redete, bat ihn ein Pharisäer, mit ihm zu essen. Und er ging hinein und setzte sich zu Tisch. Als das der Pharisäer sah, wunderte er sich, dass er sich nicht vor dem Essen gewaschen hatte“ (Lk 11,37-38).
Mitten in das Gespräch fragt ein Pharisäer, ob Jesus mit ihm essen würde? Und Jesus willigt ein, obwohl er weiß, dass ihm unangenehme Gespräche bevorstehen. Auslöser dafür war die Verwunderung des Pharisäers über den Umstand, dass Jesus vor dem Essen das Waschen der Hände unterlassen hatte. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Jesus aus provozierender Absicht dieses Ritual unterlassen hatte. Eher ist der Umstand, dass er gar keine schmutigen Hände hatte und kein Bedarf am waschen bestand. Kaum vorstellbar, dass Jesus absichtlich mit schmutzigen Händen jemand berührt hätte oder sich an den gedeckten Tisch gesetzt hätte.Denn auch bei anderen Gelegenheiten ignorierte er die jüdischen Vorschriften der Ältesten, so bei Heilungen am Sabbat.
Wie auch in anderen Fällen so auch hier kommt es Jesus nicht darauf an nur wegen Einhaltung von Sitten, Gebräuchen oder Tradiditon, ein Ritual ohne Grund einzuhalten.
Der Pharisäer konnte jedoch seinen Unwillen nicht verbergen und hat es Jesus spüren lassen. Dies nimmt Jesus zum Anlaß, um auf die eigentlichen Missstände jener Gruppe hinzuweisen.
Folgende Bereiche nennt Jesus hier:
- Einforderung des Zehnten von Gräßern und Gewürzen – Dill und Kümmel
- Das äußere der Becher (Kelche) und Schüsseln (Schalen, Tablets) wird peinlich genau rein gehalten. Was aber Jesus beanstandet, ist das Innere des Herzens bei den Pharisäern – es ist nämlich voll Raubes und Schlechtigkeit (Bosheit). Nur Jesus kennt das ganze Ausmaß an Bösen Gedanken, Neid, Eifersucht, Besserwisserei, Stolz und Überheblichkeit des menschlichen Herzens.
Doch wie stellt Jesus fest, dass die Pharisäer voll von Raub sind?
- Sie Raubten die Armen aus, indem jenen Abgabe-Lasten aufgezwungen werden (Zehnter von allerlei Gewürzgräßern und Kräutern), am Gericht (rechtes Urteil) und an der Liebe Gottes (die sich immer auch dem Nächsten zuwendet) gehen sie kaltherzig vorbei (Lk 11,42).
- Durch falsche Interpretation der Schrift leiteten sie Zuwendungen der Kinder welche für die Eltern bestimmt waren, an den Tempel um (der sogenannte Korban) – und dies war Raub (Mk 7,11),
- Sie raubten Gott die Ehre und eigneten diese sich selber an (Joh 5,44),
- Auf den Marktplätzen nahmen sie gerne die ehrenvollen Begrüßungen der Leute an, so lenkten sie die Ehrerbietung der Menschen auf sich anstatt auf Gott (Lk 11,43) – auch dies ist Raub.
- In den Synagogen wetteiferten sie um die ehrenvollen ersten Sitzplätze, auch wenn jene ihnen nicht zustanden – Ehrsucht – Ellbogenmentalität (Lk 11,43).
- Ferner deckt Jesus die Heuchelei der Pharisäer auf (Vergleich mit den verdeckten Gräbern Lk 11,44).
- Auch die sogenannten Gesetzeskundigen spricht Jesus an: Mit unerträglichen Lasten belastet ihr die Menschen, selber jedoch rührt ihr diese nicht mit einem Finger (Lk 11,46).
- Ihr baut (schmückt) die Gräber der Propheten (Lk 11,47).
- Die Schlüssel zum Himmelreich (die Erkenntnis Gottes) haben sie weggenommen (Lk 11,52) – auch dies ist Raub.
Fragen:
- Aus welchen Motiven lädt dieser Pharisäer Jesus zum Essen ein?
- Warum lässt sich Jesus ohne weiteres einladen, obwohl er um die Brisanz der Fragen und Gespräche am Tisch im voraus ahnen kann oder einfach weiss?
- Warum hält sich Jesus nicht an die vorgeschriebenen Rituale der Ältesten?
- Warum deckt Jesus so schonungslos die innere verborgene Welt der Pharisäer und Schriftgelehrten auf?
- Was sind unsere Tischgespräche? Fragen zur Herstellung vom Essen, Austausch von Rezepten? Kommt es auch zu tieferen Gesprächen über die innere Welt der Gedanken und Motive?
8.10 Ermutigung zu einem ehrlichen Bekenntnis zu Gott
Lk 12,1-12
8.10.1 Sein oder Schein – Verborgenes wird offenbar
- „Unterdessen kamen einige tausend Menschen zusammen, sodass sie sich untereinander traten. Da fing er an und sagte zuerst zu seinen Jüngern: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das ist die Heuchelei. 2 Es ist aber nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. 3 Darum, was ihr in der Finsternis sagt, das wird man im Licht hören; und was ihr ins Ohr flüstert in der Kammer, das wird man auf den Dächern predigen“ (Lk 12,1-3).
Die folgenden Abschnitte scheinen eine zeitliche und thematische Fortsetzung des Vorhergehenden zu sein. Nach dem Besuch im Haus des Pharisäers, wendet sich Jesus nun zunächst wieder an seine Jünger, obwohl eine große Menschenmenge auf ihn wartet. Es ist eine Art Reflexion dessen, was sie bei jenem Besuch hörten und erlebten.
Lukas vermerkt hier die Vielzahl der Menschen, die zusammenkamen, nämlich `μυριαδων – myriadon`, das sind zehntausende[12] (hier im Plural). Dabei gehen sie miteinander keineswegs zimperlich um, im Text steht: „sie traten einander“. Jeder drängte nach vorne, dabei wurden Menschen verletzt. Doch Jesus zeigt sich hier nicht zuständig für die öffentliche Ordnung, er wendet sich zuerst an seine Jünger. Zu sehr bewegt ihn der Virus der Heuchelei, besonders deutlich erkennbar bei den gesetzestreuen Pharisäern und Schriftgelehrten. Das Bild vom Sauerteig[13] verwendet Jesus in diesem Zusammenhang, um auf die rasche und gänzliche Durchdringung des Viruses der Heuchelei in alle Lebensbereiche des Menschen hervorzuheben. Für Heuchelei benutzen die Evangelisten den Begriff `υποκρισις – ypokrisis`. Der Heuchler war dann der `υποκριτης – ypokritis`, also jemand der unter dem Richter stand, bzw. unter Gericht, oder der dem Gerichtsurteil nicht standthalten konnte. Die Heuchelei bei Bileam ist ein deutliches Beispiel dafür (Vgl. 4Mose 22,7-18; mit 2Petr 2,15-16). Mit seinen Worten lehnte Bileam den Wahrsagerlohn ab, doch in seinem Herzen begerhte er ihn und das ist Heuchelei, deshalb stand er unter dem Urteil Gottes.
Im Alltag wurde dieser Begriff im griechischen Kulturraum für die Schauspieler im Theater auf der Bühne gebraucht. Es sind Menschen, die ihr wahres Gesicht unter einer Maske verdecken und mit Stimme, Worten und Gestik die zu spielende Rolle einer Person zu immitieren versuchen. Dadurch bleibt meistens der Schauspieler in seiner eigentlichen Identität unerkannt.
Mit dieser verderblichen Unart geht Jesus sehr offen ins Gericht. Dazu verwendet er Bilder mit Gegensätzen. Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde und nichst Heimliches, was man nicht wissen werde. Ein deutlicher Hinweiss, dass alles Verborgene des Menschen und im Menschen entweder noch zu seinen lebteiten oder spätestens im Endgericht offengelegt wird. Paulus greift später diesen Gedanken in 1Tim 5,24 auf:
- „Bei einigen Menschen sind die Sünden offenbar und gehen ihnen zum Gericht voran; bei einigen aber werden sie hernach offenbar.“
Dieser sündige Hang des Menschen zum Schein (Heiligen) ist keineswegs auf die Kultur und das Leben im Judentum zur Zeit von Jesus beschränkt, sondern findet sich in allen Kulturen, besonders in religiösen Systemen und frommen Kreisen.
Fragen:
- Lukas der Arzt und Geschichtsschreiber geht grundsätzlich sehr genau mit Zahlen um. Doch hier wird es schwierig mit dem zählen. Wie gehen wir mit Zahlen um, übertreiben wir gern, oder untertreiben wir lieber, wie nahe sind wir der Wahrheit?
- Warum kümmert sich Jesus hier nicht um die öffentliche Ordnung? Ist es ihm egal, dass Menschen einander wegdrängen, oder sieht er darin nicht seinen Auftrag? Wo und wann haben wir öffentlich in eine chaotische Situation eingegriffen mit oder ohne Erfolg?
- Warum wendet sich Jesus an seine Jünger, obwohl die Gelegenheit da ist, zu einer großen Menschenmenge zu sprechen? Was unterscheidet ihn von den religiösen Führern unserer Zeit?
- Erkläre den Begriff Heuchelei anhand eines konkreten Beispiels. Wie und wodurch können wir heute diesen Virus erkennen und erfolgreich bekämpfen?
- Nenne Beispiele von Dingen, die streng geheim waren oder lange geheim gehalten wurden, aber am Ende doch an die Öffentlichkeit gelangten? Wie reagieren die Menschen darauf?
8.10.2 Wer ist zu fürchten? Wer kann den Leib töten? Wer hat die Vollmacht Leib und Seele in der Hölle verderben?
- „Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und danach nichts mehr tun können. Ich will euch aber zeigen, vor wem ihr euch fürchten sollt: Fürchtet euch vor dem, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, vor dem fürchtet euch“ (Lk 12,4-5).
Folgende Fragen stellen wir an den Text:
- Wer kann den Leib (Körper) töten, aber danach nichts mehr tun? Warum sollen die Jünger diese Töter/Täter nicht fürchten?
Antworten auf diese Frage bekommen wir aus folgenden Texten, welche auch über die Erfahrungen der ersten Christen berichten.
- Joh 16,2 „Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit.“
- Apg 12,1-2 „Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.“
- Apg 26,10 „Das habe ich in Jerusalem auch getan; dort brachte ich viele Heilige ins Gefängnis, wozu ich Vollmacht von den Hohenpriestern empfangen hatte. Und wenn sie getötet werden sollten, gab ich meine Stimme dazu.“
- Apg 7,59 „und sie steinigten Stephanus; der rief den Herrn an und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“
Die Beispiele in diesen Texten machen deutlich,- Menschen werden von und durch Menschen getötet. Dahinter steht der Einfluß und das Wirken Satans von dem Jesus sagt, dass er von Anfang an ein Lügner und Menschenmörder ist.
- Joh 8,44 „Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lügen redet, so spricht er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.“
Wen meint Jesus mit den Worten: „Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt“?
Wir haben bereits festgestellt, dass es nicht Menschen sind, die wir zu fürchten haben, auch wenn diese töten/morden. Wer ist also dann hier als der Vollmächtige gemeint, der unbedingt zu fürchten ist? Ist es der Teufel oder Gott?
Das der Teufel als Urheber von Lüge und Mord von Jesus selbst als solcher bezeichnet wird, gibt uns zunächst das Recht zu sagen, dass alles Böse letztlich in ihm wurzelt und obwohl er selbst im Hintergrund bleibt, doch offensichtlich den Menschen instrumentalisiert für seine Zwecke. Ist daraus der Schluss zu ziehen, dass er auch das legare Recht und die Vollmacht bekommen hat, nach dem töten auch zu verderben in die Hölle?
Zunächst der altgriechische Text:
- „ὑποδείξω δὲ ὑμῖν τίνα φοβηθῆτε· φοβήθητε τὸν μετὰ τὸ ἀποκτεῖναι ἔχοντα ἐξουσίαν ἐμβαλεῖν εἰς τὴν γέενναν. ναὶ λέγω ὑμῖν, τοῦτον φοβήθητε.“
Der griechische Begriff ´αποκτειναι – apokteinai´ wird mit ´töten-umbringen´ übersetzt, so in Lk 13,31; Apg 21,31; Joh 5,18; 7,1. 19. 20; 8,31. 40). In all diesen Stellen in denen dieser Begriff vorkommt, geht es um ein aktives Töten/umbringen und es ist gegen Jesus und seine Nachfolger gerichtet.
Hier die unterschiedlichen Übersetzungsvarianten:
Elberfelder ÜS: „der nach dem Töten die Vollmacht hat.“ Hier ist nicht eindeutig, wer der Tötende ist.
Neues Leben ÜS: „Aber ich sage euch, wen ihr wirklich fürchten sollt: Fürchtet Gott, der die Macht hat, Menschen zu töten und sie danach in die Hölle zu werfen.“
In dieser Übersetzung ist Gott der allein Handelnde.
Neue Genfer ÜS: „Fürchtet den, der nicht nur töten kann, sondern auch die Macht hat, in die Hölle zu werfen.“ Hier sind beide Aktionen in einer Person vereint, doch nicht eindeutig in welcher Person.
Luther ÜS. 84: „Fürchtet euch vor dem, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, vor dem fürchtet euch.“ Auch hier bleibt offen, wer getötet hat. Doch der Tötende ist gleichsam auch der Vollmächtige, um in die Hölle zu werfen.
Die Neugriechische ÜS: „Να σας πω ποιον να φοβηθειτε, το Θεο, που εχει την εξουσια να σας ριξει στην κολαση μετα το φυσικα θανατο“. Gott hat die Vollmacht nach dem physischen Tod in die Hölle zu werfen. Bei dieser Übersetzung wird Gott nicht zwangsläufig als ´Töter´des Leibes gesehen. Menschen sterben, oder werden getötet, doch nur Gott hat die Vollmacht nach eintreten des physischen Todes jemand in die Verdammnis zu werfen. Diese bunte Vielfalt bei den Übersetzungen zeigt, dass wir es nicht nur mit einem schwierigen Text zu tun haben, sondern auch, dass es unterschiedliche Sichtweisen über Gottes Wesen gibt (auch unterschiedliche Sichtweisen über das Wesen Satans und seiner Kompetenzen).
In Psalm 90,3 sagt Mose von Gott:
- „Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!“
Doch gibt es auch viele Texte und Aussagen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Gott die Vollmacht besitzt und das legale Recht hat aufgrund seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit, das physische Leben von Menschen zu beenden. Und diese Vollmacht hat er auch unter konkreten und klaren Voraussetzungen an bestimmte Institutionen übertragen. Doch Gott ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes und Tötens.
Schauen wir uns noch den Pralleltext aus Matthäus 10,28 an:
- “Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben (απολεσαι-apolesai) kann in der Hölle.“
In diesem Text ist der Bezug auf das ´Verderben in die Hölle´ als Schwerpunkt hervorgehoben. Und dieser Vollmachthabende ist zu fürchten. Der gr.Begriff ´απολεσαι-apolesai´ wird mit ´verderben´ übersetzt (Mk 1,24: „Bist du gekommen uns zu verderben?“; Jak 4,12 „Einer ist Gesetzgeber und Richter, der kann retten und verdammen“) und bezieht sich auf die vollmächtige und richterliche Vollmacht Gottes und der Person Jesu.
Fazit: Der Teufel ist also der Verursacher und der Veranlasser des tötens/Mordens. Die Menschen als seine Diener, sind Handlanger der Tötungs oder Mordtaten. Niemals hat Gott ihm dem Satan die Vollmacht erteilt über das körperliche oder auch geistliche Leben der Menschen, dies hat er sich mit List und Betrug angeeignet. Es wäre graußam und schrecklich, hätte der Teufel dieselbe Vollmacht wie Gott, er würde sie nur zu seinem eigenen Vorteil einsetzen. Es gibt keinen Hinweis im Neuen Testament, dass die Gläubigen den Teufel/Satan oder gar seine Dämonen fürchten sollen (Angst haben), schon gar nicht ehr-fürchten.
- Lk 10,18-19 „Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz (Joh 12,31). Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden“ (1Petr 5,8-9; Joh 14,1 „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!).
Immer forderte Jesus seine Jünger auf: „fürchtet euch nicht“, weil ihre Furcht/Erschrecken ausgelöst wurde durch Konzentration auf ein angebliches Gespenst (Mt 14,26; Mk 6,49). Gerade in diesem Fall will Jesus seinen Jüngern die Angst/Furcht vor dämonischen Geistern nehmen und auf den gerechten und fürsorgenden Gott ausrichten.
- Hebr 2,14-15 „Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er’s gleichermaßen angenommen, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel“ (2Tim 1,10).
Der Teufel ist entmachtet durch den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus. Dagegen gibt es viele Hinweise und Aufforderungen in der Heiligen Schrift zur Furcht Gottes (sowohl Erfurcht vor Gott als auch ein Erzittern in seiner Gegenwart: 2Mose 1,17+21; Hebr 12,21; 2Kor 5,11; Offb 14,7).
Wenn also der Teufel seiner Macht über den Tod durch Christus beraubt (entmachtet) wurde, dann hat er auch keine Vollmacht Menschen nach dem physischen Tod (wie auch immer derselbe eingetreten ist) in die Hölle zu werfen. Diese Vollmacht steht allein Gott zu, wie folgende Textaussagen deutlich machen: Mt 25,41+46; 2Thes 2,8; 2Thes 1,8-9; Offb 19,20; Joh 16,8-11; Mt 22,13; Offb 11,18.
Daher muß unser Text nicht zwingend mit: „Nachdem er getötet hat“ übersetzt werden, sondern einfach: „Nachdem getötet worden ist“, es kann hier offengelassen werden, wer den Leib getötet hat.
Fragen:
- Vor wem sollen sich die Jünger von Jesus nicht fürchten und warum?
- Vor wem ist Furcht/Erzittern und auch Ehrfurcht geboten?
- Daß der Teufel ein Lügner und Mörder ist von Anfang an ist bekannt, doch warum fällt es Christen so schwer anzunehmen, dass Gott nicht nur Leben ist, Leben geschaffen hat, sondern auch Leben beenden kann, ja auch nach dem Ende dieses Lebens freisprechen oder verdammen kann?
Das Thema wird von Jesus weitergeführt unter dem Aspekt der kindlichen Vertrauensbeziehung zum Vater im Himmel. Und wieder spricht Jesus in einem Vergleich.
- „Verkauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Groschen? Dennoch ist vor Gott nicht einer von ihnen vergessen. Aber auch die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge“ (Lk 12,6-7).
Gott kümmert sich um seine Geschöpfe und ergreift lebenserhaltende Maßnahmen. Während wir uns wenig darum kümmern, wenn uns beim waschen oder kämmen einige Haare vom Haupt fallen, sind sie bei Gott gezählt. Welche Aufmerksamkeit, was für eine Fürsorge! Darum sollen wir uns nicht fürchten vor denen, welche uns physische Gewalt antun können. Er wird dafür sorgen, dass wir von seinem Geist mit Weisheit beschenkt werden (Lk 21,15; Mk 13,11) und über uns seine Gnade wie einen Schirm ausbreiten (1Petr 4,14).
8.10.3 Das klare Bekenntnis zu Jesus
Die Nachfolge der Jünger von Jesus ist immer mit einer Herausforderung verknüpft.
- „Ich sage euch aber: Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes“ (Lk 12,8-9).
Irgendwann müssen sie, die Jünger, Farbe bekennen. Sich zu Gott im allgemeinen zu bekennen, ist fast in allen Religionen und sogar weltlichen Systemen akzeptiert, doch das Bekenntnis zur Person von Jesus Christus aus Nazaret, wird immer wieder auf Widerstand, Verachtung und sogar Verfolgung stoßen.
- Warum ist der allgemeinde Glaube und Bekenntnis zu Gott fast überall akzeptiert?
- Nenne Beispiele, wo und wann du zu einem Bekenntnis zu Jesus herausgefordert wurdest?
8.10.4 Jesus warnt vor der Lästerung des Heiligen Geistes
Lk 12,
Die Frage nach der Sünde, die zum Tode führt wird hier gestellt und beantwortet (1Joh 5,16).
- „Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tode, so mag er bitten und Gott wird ihm das Leben geben – denen, die nicht sündigen zum Tode. Es gibt aber eine Sünde zum Tode; bei der sage ich nicht, dass jemand bitten soll.
- „Jede Ungerechtigkeit ist Sünde; aber es gibt Sünde nicht zum Tode.“
- „Und wer ein Wort gegen den Menschensohn sagt, dem soll es vergeben werden; wer aber den Heiligen Geist lästert, dem soll es nicht vergeben werden. (Mt 12,32; Mk 3,28) Wenn sie euch aber führen werden in die Synagogen und vor die Machthaber und die Obrigkeit, so sorgt nicht, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in dieser Stunde lehren, was ihr sagen sollt“ (Lk 12,10-12).
- „Wenn ich aber die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.
- „Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt.
- „Aber die Pharisäer sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch ihren Obersten.
- „Aber als die Pharisäer das hörten, sprachen sie: Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebul, ihren Obersten.
- „Die Schriftgelehrten aber, die von Jerusalem herabgekommen waren, sprachen: Er hat den Beelzebul, und: Er treibt die bösen Geister aus durch ihren Obersten.
- „Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten.
- „Denn es ist unmöglich, die, die einmal erleuchtet worden sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und Anteil bekommen haben am Heiligen Geist und geschmeckt haben (Hebr 10,26; 2Petr 2,20 das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt und dann doch abgefallen sind, wieder zu erneuern zur Buße, da sie für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen.
- denn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir hinfort kein andres Opfer mehr für die Sünden, (Hebr 6,4) sondern nichts als ein schreckliches Warten auf das Gericht und das gierige Feuer, das die Widersacher verzehren wird. Wenn jemand das Gesetz des Mose bricht, muss er sterben ohne Erbarmen auf zwei oder drei Zeugen hin. Eine wie viel härtere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Bundes für unrein hält, durch das er doch geheiligt wurde, und den Geist der Gnade schmäht?
- Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der da redet. Denn wenn jene nicht entronnen sind, die den abwiesen, der auf Erden redete, wie viel weniger werden wir entrinnen, wenn wir den abweisen, der vom Himmel redet. (Hebr 2,2; Hebr 10,28)
- Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe.
- über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
- So tötet nun die Glieder, die auf Erden sind, Unzucht, Unreinheit, schändliche Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist.
- Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.
1Johannes 1,5-2,2
Fragen:
- Was sagt uns die Bibel über die verschiedenen Sündenarten? Gibt es Unterschiede zwischen den Sünden?
- Warum ist die Lästerung des Heiligen Geistes mit so einem strengen Urteil bemessen?
- Kann ein Christ, der den Heiligen Geist hat, diesen lästern?
- Wie können wir uns vor Sünden schützen? Und was ist zu tun, wenn wir gesündigt haben?
8.11 Jesus warnt vor Habgier
Lk 12,13-21 (HUL)
8.11.1 Herr, sage meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teile
- „Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat“ (Lk 12,13-15).
Jesus lässt sich immer wieder unterbrechen in seiner Rede, oder es gab mal eine Redepause und ein Zuhörer fordert Jesus heraus ihm in seinem Problem beizustehen. Es gab eine gesetzliche Regelung in der Frage des Erbrechts (5Mose 21,17) obwohl in der Anfangszeit der Geschichte Israels damit sehr individuell umgegangen wurde (1Mose 29,30; 49,3; 5Mose 21,17). Jesus hätte hier die Möglichkeit und auch Fähigkeit diese Streitsache gerecht zu klären, was er jedoch nicht tut. Nicht dass es ihm die soziale Gerechtigkeit gleichgültig wäre, sondern weil er ein neues Prinzip einführen will, dass für die Lösungen von solcherart Problemen geeigneter ist. Warum will dieser Mensch seine Sache vor dem Lehrer Jesus verhandeln? Was geht in seinem Herzen vor?
Fragen:
- Fordert er seinen Anteil von seinem Bruder aus der Not, dem Bedarf heraus, weil er darauf angewiesen ist?
- Fordert er seinen Anteil, weil dieser ihm vom Gesetz zusteht?
- Fordert er seinen Anteil aus Habgier?
Jesus wendet sich an alle Umherstehenden mit der Herausforderung: „Hütet euch von jeder Art von Habgier“. Verzichte auf dein Recht. Begnüg dich mit dem, was du hast. Denk an die Beziehung zu deinem Bruder. Was habt ihr davon, wenn ihr das Recht bekommt, aber die Beziehung verliert?
Fragen:
- Warum geht Jesus nicht auf das Anliegen dieses Menschen ein? Ist ihm die soziale Gerechtigkeit nicht wichtig?
- Was ist Habgier, durch welche weiteren Begriffe wird diese sündhafte Neigung des Menschen beschrieben?
- Welche Lösung für dieses Problem (Teilung des Erbes) bietet Jesus an?
8.11.2 Das Gleichnis vom reichen Ertrag des Feldes eines Grundbesitzers
Lk 12,16-21
- Der Grundbesitzer, was besaß er und welches Glück hatte er? Ist es so schlimm, wenn jemand viel Erfolg hat, ein gutes Gehalt bekommt, oder mal eine besondere Premie?
2.Was dachte der Grundbesitzer in seinem Herzen, welche Überlegungen stellte er an? Was für Pläne machte er? An was denken wir, wenn wir Erfolg haben?
3.Was hatte er in seinen Überlegungen falsch gemacht? Welche weiteren Möglichkeiten standen ihm offen? Was hättest du an seiner Stelle gemacht?
- Welches Urteil trifft ihn? Warum lässt Gott ihn nicht genießen, was er erwirtschaftet hat?
Wer fordert die Seele des Menschen? Wer hat Recht auf sie oder Vollmacht über Tod und Leben?
Merkspruch: So geht es dem, der Schätze sammelt für sich selbst und ist nicht reich in Gott
8.12 Sucht Gottes Reich
In diesem Abschnitt kommt Jesus auf grundlegende menschliche Bedürfnisse zurück. Es fallen die vielen parallelen Aussagen zu Mt 6,21-34 auf. Viele satte Konsumbürger fragen sich heute: Was ist lebensnotwendig? In der damaligen philosophischen Welt der Griechen gab es wie heute Denker, die Streben nach Privatbesitz als verwerflich brandmarkten. Die Kyniker versuchten das Ideal der Armut zu leben. Im Bereich des Judentums versuchten die Essener ihren gesamten Besitz brüderlich miteinander zu teilen (siehe auch Qumran-Klöster). Wie schon im Gesetz (Gen 15,7.8; Gen 49,29-32) und bei den Propheten (Obad 1,17) deutlich wird, ist Besitz auch bei Jesus nichts Verwerfliches. Jesus setzt allerdings Prioritäten, die eine Kritik an der Lebensweise seiner Jünger zu allen Zeiten enthält. Menschen und ihre Bedürfnisse sind zwar wichtig, doch Besitz über das Lebensnotwendige hinaus anzuhäufen ist sinnlos. (Keener 1998, 366)
Jüdische Weisheitslehrer veranschaulichen ihre Lehren oft anhand von Bildern aus der Natur.
Zur übermäßigen Sorge um die tägliche Nahrung
Schneller empfiehlt durch das Heilige Land zu wandern und die Versorgung der Vögel zu beobachten: „Da sieht man die Vögel unter dem Himmel hochüber fliegen, jeder ein Bild schrankenloser Freiheit und sorgloser Lebensfreude, ein fröhliches, sangreiches Geschlecht. Zumal die Sperlinge scheinen ein mächtiges Volk zu sein, zahlreich wie der Sand am Meere. Wenn ein Mensch dafür zu sorgen hätte, daß diese durch ihren notorischen Appetit berühmte Gesellschaft jahraus jahrein anständig gekleidet und selbst im dürren Sommer, wenn alle Halme verbrannt, alle Bäche versiegt sind, gespeist und getränkt werde, der würde bald in schwere Sorgen geraten und die Bevölkerungszahl dieser leichtsinnigen Freiherren des Himmels würde bedenklich zurückgehen. Der Herr Jesus mag sie auf seinen Reisen von Kind auf oft beobachtet haben. Bewundernd erkannte er die weise Hand des himmlischen Vaters, welcher keinen von ihnen vergißt… (Schneller 1925, 218
Seid nicht in Unruhe in der Suche nach immer feineren Genuss. Hier ist weniger die notwendige Unruhe gemeint, die mich bewegt Garten und Feld zu bebauen, damit ich ernten und essen kann, sondern die Unruhe nach immer feineren kulinarischen Vorlieben – wie sie typisch für eine griechisch-römische Lebensweise ist. Darüber hinaus haben Raben wie die meisten Vögel keine Möglichkeit Vorräte zu sammeln. Ihre gute Versorgung durch ihren Schöpfer darf auch Menschen hoffnungsfroh stimmen.
Zur übermäßigen Sorge um gute Kleidung
Die Sorge um schöne Gewänder betrifft natürlich den einfachen Landbewohner in anderer Weise als den verwöhnten Stadtbewohner. Viele einfache Bauern kämpfen im 1. Jahrhundert ums Überleben – weniger um schicke Kleidung. Dennoch ist Eitelkeit wohl bei allen Menschen anzutreffen. Jesus spricht besonders zu reichen Mitbürgern seiner Zeit und verweist auf die Schönheit der Lilien (griech.) – wahrscheinlich im Frühjahr. Bei der Suche nach der entsprechenden Pflanze, kann allerdings auch die weit verbreitete Anemone (anemone coronaria) in Betracht kommen (Malina 2003, 278). Die Pracht des salomonischen Hofes in einer Zeit, die später als eine nie mehr erreichte Blütezeit verstanden wurde, war nach den damaligen Maßstäben höchst eindrucksvoll.
Jesus lässt seine Aussagen über die Sorgen des Alltags in ein jüdisches Standardargument münden: Wie viel mehr! Wenn Gott dir das Gottesreich schenkt, wie viel mehr wird er dir alles zum Leben Notwendige geben. Der Segen des angebrochenen Gottesreiches schließt die Fürsorge Gottes in unserem Alltag mit ein. Jesus erwartet in den alltäglichen Dingen der Sorge um Nahrung und Kleidung einen klaren Unterschied zur Umgebungskultur. Jesus setzt voraus, dass seine Nachfolger anderen Zielen folgen. Ihr Denken, Hoffen und Planen ist von ganz anderen Dingen erfüllt. Die Liebe zu etwas deutlich Anderem ist typisch für sie. Wenn Jesusnachfolger hier nicht unterscheidbar sind – dann ist er nach seinen Worten gründlich missverstanden worden. Zum deutlich unterscheidbaren Lebensstil und Lebensinhalt lesen wir: 4Mo 23,9; 1Kön 18,21; 2Kor 6,14. Jünger Jesus sehnen sich danach, dass die Herrschaft Gottes in ihrem Leben, in ihrer Gemeinde und in ihrem Volk mehr und mehr aufgerichtet wird. Die geistlichen Segnungen sind der Inhalt des Hoffens – doch dabei werden auch die irdischen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen.
Jesus spricht die Schar seiner Nachfolger nur hier als „kleine Herde“ an. Gott hat ein besonderes Wohlgefallen am Kleinen, Geringen, Verachteten – hier sind in besonderer Weise seine Segnungen zu erwarten. Diese geringe Schar soll einerseits das Reich suchen und doch wird sie das Reich als Gabe erhalten. Dies ist kein Wiederspruch, denn so vieles im Leben der Nachfolger ist Geschenk und doch auch höchste Aktivität. Gott gibt beides das Geschenk und das Wirken (Phil 2,12-14; siehe auch Mt 7,13). Jesus nennt seinen Vater hier „eurem Vater“. Dieser Vater ist nicht geizig – sondern ein Gott der überreichen Fülle. Hier folgt ein Rat an uns heute – angesichts unserer vollen Häuser, Wohnungen, Garagen und Gemeindehäuser – verkaufe, reduziere und investiere in einen unvergänglichen Schatz. Viele Generationen von Christen haben in Deutschland mit diesen Worten gerungen – doch selten haben so wenige Christen wie in der Gegenwart diese Worte umgesetzt – kommen uns die Exzesse kommunistischer, sozialistischer oder von Kommune zu schnell in den Sinn um als Entschuldigung für einen materialistischen Lebensstil herzuhalten? Paulus merkt hierzu einiges an: 1Kor 16,2; 2Kor 8,1-9; Gal 6,10.
Fragen:
- Ist uns heute die Sorge um das ewige Leben wichtig? Wird diese Sorge von meinem Besitz verdrängt?
- Nenne Beispiele für übermäßiges Sorgen um Nahrung! Welche Lösung siehst du?
- Nenne Beispiele für übermäßiges Sorgen um Kleidung! Welche Lösung siehst du?
- Nenne biblische Beispiele für Gottes Wohlgefallen am „Kleinen“!
- Nenne himmlische Schätze (Ps 89,33; Joh 3,16; Joh 4,14; Joh 6,37; Joh 10,28; Röm 8,29.30; Röm 8,39; Röm 11,29; 2Tim 2,19; 1Petr 1,4.5)
8.13 Vom Warten auf das Kommen des Menschensohnes
Lk 12,35-48
Jesus hatte in Lk 12,13-21 das Gleichnis vom Reichen Narren erzählt. Er schloss seine Hinweise zum irdischen Sorgen an. Der Reiche hatte sein Herz und Verstand an diese Erde gehängt. Jetzt kommt Jesus mit einem starken Kontrast auf Menschen zu sprechen, die ihr Herz auf den Himmel richten. In 12,35-40 lesen wir das Gleichnis vom wachsamen Knecht und 12,41-48 vom Treuen und Untreuen Knecht. Im zweiten Gleichnis ist die Frage von Petrus eingeschlossen.
8.13.1 Gerüstet für sein Kommen
Der Kontext lehrt uns, dass nur Nachfolger von Jesus mit leichtem Gepäck dem Meister folgen können. Sie können sich auf ihn und auf die immer neue Situation besser einstellen. Viele Zeitgenossen von Jesus sehnen sich zwar nach der Erlösung und beteten täglich darum, dass sie so bald wie möglich kommen solle – doch auf der anderen Seite sind sie mit ihren alltäglichen Pflichten und Plänen so beschäftigt, dass sie jegliche Vorkehrungen für das kommende Gericht aus dem Blick verloren haben.
Wie Soldaten auf ihrem Wachposten sollen die Jesusnachfolger jederzeit zum Handeln bereit sein (2Mo 12,11). Die Lampen brennen lassen, setzte voraus, dass der Wächter wach blieb, um ständig Öl nachzugießen – auch dies ist ein Bild für das Gerüstet sein (Mt 25,3-10).
Wohlhabende Hausherren haben zurzeit von Jesus oft einen Sklaven der als Türhüter dient (Security-Personal). Dieser sorgt dafür, dass unerwünschte Personen draußen blieben. Natürlich hat dieser Türhüter zu wachen. Doch wie sollen wir warten? Nervös wie die Gemeindeglieder in Thessaloniki (2Thess 2,1.2; 3,6-12); lauwarm wie die Gemeindeglieder in Laodicea (Offb 3,14-22) oder aktiv und vertrauensvoll wie die Gemeindeglieder in Symrna (Offb 2,8-11)? Jesus verdeutlicht seine Aussage, indem er in seinem Gleichnis fortfährt. Gastmähler dauern oft bis in die Nacht hinein, doch dann bleibt man über Nacht als Gast im Haus. Dass ein wohlhabender Hausherr in der Nacht zurückreist, ist ungewöhnlich. Straßenräuber warten gerade auf solch einen Reisenden. In der Nacht den Türsklaven wach vorzufinden ist eine gute und Sicherheit vermittelnde Erfahrung (lies auch 2Petr 3,4). Diese plötzliche Prüfung ist der Kern des Gleichnisses. Den damaligen Zuhörern ist aus dem Alten Testament die Bezeichnung Knecht für die führenden Männer des Volkes wie Könige, Propheten und Gottes Männer geläufig. Sie werden von Jesus dazu gedrängt, an die mit der Aufsicht betrauten religiösen Führer ihrer Zeit zu denken (Jeremias 1998, 55). Dieser Weckruf wird auch in der ersten Gemeinde erklungen sein. Doch dann berichtet Jesus von einem Verhalten, dass sehr ungewöhnlich ist. Dass ein Herr mit seinem Sklaven isst – gut das hatte man gehört: Doch dass der Herr dem Sklaven dient – dass war ein großer Stein des Anstoßes für alle Zuhörer. Doch für Jesus ist dies eine passende Metapher, wie er die Nachfolger behandeln wird, die ihm bis zum Ende treu bleiben (Keener 1998, 367). Lukas überliefert uns hier übrigens hier im Gegensatz zu Markus die jüdische Zeiteinteilung der Nacht.
Leiter von Hauskreisen, Gruppen und Gemeinden müssen erkennen, dass ihre Berufung darin besteht Glaubensgeschwister zu dienen. Petrus will an dieser Stelle wissen, ob Jesus hier zu allen spricht oder nur zu den Nachfolgern. Jesus antwortet mit diesem Gleichnis. Wohlhabende Hausherren haben oft einen Sklaven als Verwalter eingesetzt. Dieser hochrangige Sklave ist dafür verantwortlich, dass die anderen Sklaven ihren rechtmäßigen Teil bekommen. Ein solcher privilegierter Sklave missbraucht seine Vollmacht in Abwesenheit seines Herrn. Völlerei und Trunkenheit gelten als schändliches Verhalten, nicht nur weil dies auf Kosten des Hausherrn geht. Auch Gewaltmissbrauch wird hier deutlich angeprangert. Jesus nennt eine für alle Zuhörer und Leser abstoßende Strafe mit Schändung des Leichnams. Das Gleichnis will alle Leitern zeigen, dass größeres Wissen größere Verantwortung mit sich bringt (Lies 3Mo 26,18; Amos 3,1-2; Keener 1998, 368).
Fragen:
- Wie drückt sich das Wachsam sein heute im Alltag aus?
- Auf was Warten wir als Gemeinde kurz-, mittel- und langfristig?
- Was macht uns so müde?
- In welcher Weise dient der HERR seinen wachsamen Nachfolgern?
- Welche Fallen lauern auf Leiter? Wie können sie so blind werden?
- Warum haben Leiter mehr Verantwortung? Wie können wir sie rechtzeitig daran erinnern?
Fragen:
- Der Text ist voller Bildersprache. Liste alle Bilder, Gleichnisse oder Gegenstände auf.
- Was ist der Hauptgedanke in diesen Texten?
- Welche Details-Handlungen scheinen hier ungewönlich zu sein?
- Woran, an welchen Aussagen erkennt man Gerechtes Urteil?
- Warum ist es überflüssig, ja sogar hinderlich für uns Menschen, die Zeit der Wiederkunft des Menschensohnes zu wissen?
- Worin ist wahres Glücklichsein zu finden, oder zu erleben?
- Griechische Begriffe lernen: Kardia-Herz, oikodespotis-Hausherr, oikonomos-Hausverwalter, doulos-Sklave, diakonia-Tischdienst, kyrios-HERR, aber auch Herr, amin-Amen-eine Art Schwur, anthropos-Mensch, makarios-glückselig.
- Bild: Er wird sich umgürten und ihnen dienen.
- Bild: Haus, Hausherr, Dieb, Bewachung des Hauses
Petrus mit seiner Frage,- der Herr macht deutlich, es geht alle was an.
Verantwortung für die Aufgabe, Treue, Zuverlässigkeit.
8.14 Entzweiungen um Jesu willen
Lk 12, 49-53
Diese Jesusworte sind hart, weil sie schwer zu verstehen sind. Bei den Worten ist der Zusammenhang schwer zu erkennen. Darum müssen die Worte über das Feuer, die Taufe und die Entzweiung zuerst separat untersucht werden.
Feuer auf die Erde zu werfen, ist Jesus gekommen – was meint er damit?
Wie bei fast allen in der Bibel verwendeten Gegenständen und Bildern lassen sich mit dem Begriff Feuer positive und negative Bedeutungen oder Anwendungen verbinden. In den meisten Texten weist das Bild vom Feuer auf: Vernichtung, Strafe, Qualen (Jes 33,11-16; Zef 3,8; Mt 3,12; 1Kor 3,1ff. Es wird auch für Prüfung (Läuterung durch Leid) verwendet (Jes 48,10; Petr 1,6).
Es liegt nahe, den Begriff Feuer in diesem Wort mit dem Feuer in Verbindung zu bringen, von dem Johannes der Täufer in seiner Beschreibung seines Werkes spricht. Er soll den Weg einem bereiten der mit Feuer tauft (lies Lk 3,16). Feuer und Heiliger Geist stehen hier als eng beieinander. Jesus wünscht die baldige und rasche Verbreitung der Frohen Botschaft – so eine mögliche Auslegung dieses Wortes. Die andere Möglichkeit weist daraufhin, dass nun bald das Gericht über diese Welt ergeht, wie Jesus es in Joh 12,31 erklärt (Vgl. dazu auch Joh 3,19; 9,39). Beide Auslegungsmöglichkeiten weisen daraufhin, dass Jesus sieht, wie das angebrochene Reich Gottes noch Begrenzungen unterworfen ist. Das Reich ist jetzt schon angebrochen, aber noch nicht in ihrer vollendeten Form sichtbar.
Im direkten Anschluss fügt Lukas das Wort von der Taufe ba,ptisma baptisma an, mit der Jesus sich taufen lassen muss.
Zwei Fragen stellen sich uns:
- Was war die Taufe, mit der Jesus getauft werden muss?
- Was war die Begrenzung, unter der er zu wirken hatte, bis seine Taufe stattfinden würde?
Zu 1.
Es gibt wenig Zweifel, dass Jesus in diesem Zusammenhang an seinen Tod durch die Kreuzigung denkt. Nicht allein ein schmachvoller Tod, sondern ein Tod, der die Belastung der Sünde der gesamten Menschheit trägt. Jesus schaut nach vorne und wünscht das Ende – wünscht sich ganz menschlich endlich am Ziel anzukommen. Doch – warum nennt er diesen Tod eine Taufe? Schon zu Beginn seines Dienstes war er ja am Jordan von Johannes getauft worden. Bei dieser Taufe war deutlich geworden, dass Jesus bereit ist, sich uns Sündern zu identifizieren, denn er hätte diese Taufe nicht benötigt. Jesus wollte auch gegen das Zögern von Johannes getauft werden, damit „…damit alle Gerechtigkeit erfüllt werde! (Mt 3,15). Seine Taufe im Jordan war der sichtbare Ausdruck seiner Entschlossenheit, den Willen Gottes zu erfüllen. Schon der Dienstbeginn zeigt seine uneingeschränkte Hingabe an den Willen Gottes und seine ungeteilte Freundschaft mit den Sündern. Sein Tod, die Krönung dieses Dienstes, vollendet das Tun des Willen Gottes in seinem Leben. In 1Joh 5,6 lesen wir: „Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut.“ Hier hören wir, dass er nicht durch die Wassertaufe, sondern auch die Blutstaufe/Todestaufe gekommen ist. Die Wassertaufe war nur der schwache Schatten der Todestaufe, die seinen Dienst krönt (Bruce 1985, 108).
Zu 2.
Jesus ist mit dem Geist Gottes völlig ausreichend für seinen messianischen Dienst von der Taufe bis zum Kreuz ausgestattet. Doch sein Tod und seine Auferstehung setzt eine bisher nicht dagewesene Kraft frei. Die Begrenzung, deren er sich während seines Dienstes bewusst ist, beruht darauf, dass „…der Geist noch nicht da war; denn Jesus war noch nicht verherrlicht“ (Joh 7,39).
Lukas ordnet die Jesusworte recht überraschend an. Wir lesen die Aussage, Jesus sei nicht gekommen, um Frieden auf Erden zu bringen oder zu geben, sondern Entzweiung, Zerteilung. Das griechische Wort diamerismo,j diamerismos hat etwas mit teilen, durchschneiden, zerteilen, zu tun. Der Evangelist Matthäus fügt hier das Bildwort vom Schwert ma,caira machaira ein (Mt 10,34). Dies ist ein hartes Wort für uns, wenn wir an die Botschaft der Engel von Bethlehem denken: „Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf Erden in den Menschen des Wohlgefallens“ (Lk 2,14). Lukas und Matthäus zitieren dann Jesus. Es wird Entzweiungen in den Familien geben. Erinnert dies nicht an Micha 7,6
Denn der Sohn behandelt den Vater verächtlich, die Tochter erhebt sich gegen ihre Mutter, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter; die Feinde eines Mannes sind seine eigenen Hausgenossen.
Jesus selbst suchte nicht den Konflikt. Er lehrte seinen Nachfolgern, sich nicht zu wehren oder zu rächen, wenn sie angegriffen werden (Mt 5,9). Wenn Jesus von Spannungen und Konflikten innerhalb der Familie spricht, dann aus eigener Erfahrung. Seine Familie versuchte seinen Dienst beenden, da sie dachten, er sei „…von Sinnen“ (Mk 3,21). In Joh 7,5 lesen, wir dass seine Brüder nicht an ihm glaubten. Jesus spricht hier nicht vom Zweck seines Kommens, sondern von der Wirkung. Damit wird deutlich, es geht um Zerteilen, klare Fronten schaffen, sogar durch die Familien hindurch. In keinem Fall meint Jesus ein buchstäbliches Schwert zum Blutvergießen. An anderer Stelle sagt er deutlich: “Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52). Schwert ist auch ein Bild für Gottes Wort (Eph 6,12ff und Hebr 4,12) welches die Kraft besitzt, Gedanken und sogar Motive klar voneinander zu trennen, zu teilen, zu klären und zu sortieren. Es ist gut, dass Jesus seine Nachfolger warnte, welchen Preis die Nachfolge kostet.
- Welche Bedeutungen hat das Feuer in der Bibel?
- Was könnte Jesus in unserem Text mit Feuer gemeint haben?
- Auf was weist uns das Wort von der Taufe hin. In welcher Weise hängen Taufe heute bis heute mit Leiden und dem Tod zusammen.
- Zu welchen Missverständnissen und verwerflichen Handlungen hat das Bild vom Schwert in der Kirchengeschichte geführt?
- Warum ist es so wichtig, Aussagen und Bilder der Heiligen Schrift immer im Kontext und Gesamtzusammenhang zu betrachten? Was könnte der Gesamtzusammenhang von Feuer, Taufe und Entzweiung sein?
Feuer auf die Erde zu werfen, ist Jesus gekommen, was meint er damit?
So wie fast bei allen, in der Bibel verwendeten Gegenständen und Bildern, so auch bei dem Element Feuer lassen sich positive wie auch negative Bedeutungen, oder Anwendungen ausdrücken. In den meisten Texten, in denen das Element Feuer als Bildmaterial genutzt wird, meint die Schrift ein Gericht, ja sogar Vernichtung, Strafe, Qualen (Jes 33,11-16; Zef 3,8; Mt 3,12; 1Kor 3,1ff;
Es wird aber auch für Prüfung (Leuterung) durch Leiden und Elend verwendet Jes 48,10; 1Petr 1,6).
Was bedeutet es aber in unserem Text? Wünscht Jesus die baldige und rasche Verbreitung der Frohen Botschaft, so eine Variante der Auslegung? Oder ist der Gedanke dabei, dass nun bald das Gericht über diese Welt ergeht, wie er es in Johannes 12,31 erklärt (Vgl.dazu auch Joh 3,19; 9,39)?
Kaum eine Wahrheit durch das Bild vom Feuer gegeben, kommt schon das nächste Bild mit einer Art von Taufe (βαπτισμα – baptisma), mit der Jesus sich taufen lassen muß. In diesem Zusammenhang ist es ihm bange, wenn er an den Tod durch Kreuzigung denkt. Nicht einfach den schmachvollen Tod, sondern den Tod wegen der Belastung mit der Sünde der gesamten Menschheit. Auch Jesus schaut nach vorne und wünscht Vollendung, wünscht am Ziel anzukommen.
Und gleich setzt er noch was drauf und überrascht seine Jünger mit einer weiteren scheinbar wiedersprüchlichen Behauptung. Er sei nicht gekommen, um Frieden auf Erden zu bringen oder zu geben, sondern Entzweiung, Zerteilung. Das griechische Wort ´διαμερισμον – diamerismon´ hat etwas mit teilen, durchschneiden, zerteilen, zu tun. Der Evangelist Matthäus gibt diese Stelle mit ´μαχαιραν – machairan, Schwert´, wieder (Mt 10,34). Damit wird deutlich, es geht um Zerteilen, klare Fronten schaffen, sogar durch die Familien hindurch. In keinem Fall meint Jesus ein buchstäbliches Schwert zum Blutvergießen. An anderer Stelle sagt er deutlich: “Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52). Schwert ist auch ein Bild für Gottes Wort (Eph 6,12ff und Hebr 4,12) welches die Kraft besitzt, Gedanken und sogar Motive klar von einander zu trennen, zu teilen, zu klären und zu sortieren.
- Welche bedeutungen hat das Element Feuer in der Bibel?
- Was könnte Jesus in unserem Text mit Feuer gemeint haben?
- Zu welchen Missverständnissen und verwerflichen Handlungen hat das Bild vom Schwert in der Kirchengeschichte geführt?
- Warum ist es so wichtig, die Aussagen und Bilder der Heiligen Schrift immer im Kontext und Gesamtzusammenhang zu verstehen?
8.15 Beurteilung der Zeit
Lk 12,54 – 59 (PS)
(Lk 12,54 – 59; siehe Mt 5,25.26)
Diese Worte von Jesus beziehen sich vordergründig auf die Allerweltsthemen: Wetter und Gerichtsverfahren. Jesus knüpft an folgendes Allgemeinwissen an: Eine Wolke aus dem Westen kommt von Mittelmeer und bringt häufig Regen. Ein Wind aus dem Süden bringt heiße Luft aus der Wüste. Derartige Wettervorhersagen sind nicht weiter schwierig. Jesus meint also, dass die Wahrheit seiner Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes ebenso auf der Hand liegt, wie die Wettervorhersagen. Recht aggressiv weist Jesus seine mehr und mehr ablehnende Zuhörerschaft zu Recht: „…ihr Heuchler! Sie sehen die Machttaten des Menschensohns und lehnen ihn trotzdem ab. Der Messias steht vor ihnen und sie scheinen völlig blind zu sein – sie reden lieber vom Wetter als vom RETTER im bevorstehenden Weltgericht!
Lukas fügt in seiner Sammlung von Reden, hier den Hinweis auf Gerichtsverfahren an. Er fordert seine Zuhörer auf selbst nachzudenken (V. 57) und den gesunden Menschenverstand zu nutzen. Jesus bezieht sich dazu auf die Praxis, Gläubiger, die ihre Schulden nicht zurückzahlen können, ins Gefängnis werfen zu lassen. Wer im Gefängnis sitzt, ist ganz und gar auf seine Sippe und seinen Freunden abhängig, wenn sie die Schulden nicht bezahlen ist der Gläubiger wirklich in einer schwierigen Lage. Aus V. 41ff haben wir noch die Frage im Sinn, die sich jeder Zuhörer stellen muss: Bin ich ein treuer oder untreuer Knecht der Rückkehr des Herrn? Diese Frage muss jetzt beantwortet werden – bevor es zu spät ist. Die Gerichtsmetapher weist hier im Wesentlichen auf die drängende Zeit hin. Jetzt bist du noch auf dem Weg. Auch wenn wir die Botschaft heute nicht gerne hören: Gott ist ein Richter. Wir lesen: Ps 7,12; 50,6; 58,12; Jer 11,20; Apg 10,42; Hebr 12,22.23; Jak 5,9; Offb 20,4a. Die Frage angesichts des anbrechenden Reiches Gottes ist: Bist du mit Gott versöhnt? Zu allen Zeiten waren Gerichtsverfahren unangenehme und für nicht so Einflussreiche unvorhersehbar im Ausgang. In dieser Metapher geht Jesus von einer Niederlage vor Gericht aus – wirklich ich kann nicht die kleinste Münze zu meinem Freispruch beitragen – es wird pure Gnade geschehen. Aber ich kann so viel beitragen um diesen Freispruch zu verpassen – vom Wetter zu reden, statt von der Notwendigkeit einer Entscheidung. Hier ist besonders auch Jes 1,18 mit dem ähnlichen Gerichtskontext zu beachten:
Kommt denn und lasst uns miteinander rechten! spricht der HERR. Wenn eure Sünden rot wie Karmesin sind, wie Schnee sollen sie weiß werden. Wenn sie rot sind wie Purpur, wie Wolle sollen sie werden.
- Warum ist im Leben das Gesetz von Ursache und Wirkung oft so verschleiert?
- Gott als Richter – warum ist dies Bild heute so unpopulär?
- Warum ist Jesus so fest von unserer Chancenlosigkeit im Gerichtsverfahren vor Gott überzeugt? Tun wir nicht oft so, als hätten wir durch unsere frommen Taten doch Chancen?
- Wie können wir in Alltagsgesprächen von Allerweltsthemen zum wesentlichsten Thema: Endgericht kommen? Welche Erfahrungen hast du?
- Beschreibe deine Erfahrungen vor Gericht!
- Warum ist der Gerichtsausgang nicht eine ungewisse Hoffnung?
8.16 Pilatus, der Turm und der Feigenbaum
Lk 13,1-9 (HUL)
- „Es kamen aber zu der Zeit einige, die berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte. 2 Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben? (Joh 9,2) 3 Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen“ (Lk 13,1-3).
Jesus befindet sich noch in Galiläa (wahrscheinlich im südlichen Galiläa). Und zu dieser Zeit/kairos[14] wird ihm eine Nachricht übermittelt, die unter damaligen Umständen jeden Galiläer-Eiferer herausgefordert hätte bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Maßnahmen im Sinne von Racheaktionen gegen die römische Besatzung. Wir stellen auch fest, dass zur Zeit von Jesus Gewalt mit Blutvergießen an der Tagesordnung waren. Möglich, dass die Informanten von Jesus eine Art Aufforderung zum bewaffneten Widerstand oder Aufstand gegen die Römer erwarteten. Dies entspräche sowohl ihrer als auch der gesamt jüdischen Erwartung vom Messias ihrer Tage. Wenn solch eine Erwartung schon die Jünger von Jesus hatten (Lk 24,21) wie viel mehr dann die übrigen Juden, ganz zu schweigen von den sogenannten Zeloten, den jüdischen Eiferern, von denen viele aus Galiläa kamen und die sich in den oft unzugänglichen Bergschluchten und Hölen von Galiläa aufhielten, um von dort Blitzaktionen, wie Überfälle auf römische Legionäre zu verüben.
Nun, wie geht Jesus mit solchen Nachrichten um, wie reagiert er darauf? Jesus reagiert ganz anders darauf als von ihnen erwartet wurde. Nicht nur, dass er dieses Verbrechen nicht tadelt, sondern dass er die Überbringer der Nachricht mit aller Ernsthaftigkeit auf die Notwendigkeit der Buße (Sinnesveränderung) hinweist. Fast entsteht der Eindruck, dass Jesus diese Gräueltat verharmlost. Doch wenn er sie vordergründig nicht offen tadelt, bedeutet dies noch lange nicht, dass er diese bagatelisiert. Aber er benutzt sie, um bei dieser besonderen Gelegenheit auf ein ganz anderes, viel wichtigeres Problem der Informanten hinzuweisen.
Zum gewissen Ausgleich muss gesagt werden, dass sich die römischen Statthalter normalerweise zurückhielten, was den jüdischen Opfergottesdienst betraf. Dass sie in der Regel nicht ohne Grund in die religiößen Angelegenheiten der Juden eingriffen. Auf dem Hintergrund dieser generellen Haltung der römischen Besatzer kann vermutet werden, dass es irgendeine Provokation gegeben haben musste, die für Pilatus Anlass gab zu solch grausamer Tat.[15]
Die unbedingte Sinneswandlung, von der Jesus hier spricht, bezieht sich nicht nur auf eine bestimmte Lebensanschauung, einen Lebensbereich oder einer bestimmten Sünde. Die von Jesus geforderte Sinnesveränderung betraf alle Lebensbereiche. Mit dem „Ich aber sage euch“ (Mt 5,22. 32) schärft er den Blick für den tiefen und vollkommenen Sinn des göttlichen Willens. Dieser göttliche Wille ist im Gesetz verankert, durch die Propheten vorausgesagt und in der Person von Jesus sichtbar und fassbar geworden. Dies heißt, alles was Jesus sagt und tut, ist Maßstab und Richtung für Lehre und Leben (Denken und Handeln). Auch das, was Jesus nicht tut, ist ebenfalls Richtlinie für das Verhalten seiner Jünger. Zum Beispiel fordert er nicht auf zum Aufstand gegen die Obrigkeit, zur Rebellion, sondern für die Obrigkeit zu beten und die erforderliche Steuer zu zahlen (Mt 22,21; Röm 13,1ff).
Mit der Aussage: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr auf die gleiche Weise umkommen“ meint Jesus nicht einfach gleicher Tod unter gleichen Umständen. Mit dem ´umkommen´ ist hier das ewige und endgültige Verlorengehen gemeint (2Petr 2,12; 3,9; Mt 25,46).
Und als ob es nicht schon genug wäre, setzt Jesus noch eins drauf, indem er eine andere leidvolle Geschichte erzählt.[16]
- „Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen? 5 Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen“ (Lk 13,4-5).
Immer wieder stellt sich die Frage nach den Ursachen von Katastrophen und nach der Schuld des Menschen. Inwieweit stehen Naturkatastrophen im Zusammenhang mit der Schuld und Sünde von Menschen? Bei wem ist die Schuld zu suchen, wenn ein Turm einstürzt, oder das Dach einer Halle einbricht. Wer hat mehr Schuld, wer weniger, welche Sünden sind größer, welche geringer? In diesen Texten will Jesus ausdrücklich den Blick und die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf die Perspektive, den Ausweg aus jeglicher Schuld und ewiger Verlorenheit aufzeigen. Und dieser Ausweg heißt Buße-Veränderung des Denkens und dies zieht eine Veränderung des Lebens nach sich.
Mit dem Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum wird Gottes Langmut in seinem Bemühen um den unbußfertigen Menschen deutlich.
- „Er sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. 7 Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? 8 Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; 9 vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab“ (Lk 13,6-9; vgl. auch Lk 3,9; Mt 21,19; 2Petr 3,9).
Ein unfruchtbarer, also geistlich toter Christ ist einerseits im Blickfeld der Gnade und Güte Gottes, langfristig jedoch gesehen ein Hindernis im Reiche Gottes. Es fällt jedoch auf, dass Gott diese Nachteile in Kauf nimmt, um dem Menschen immer noch und immer wieder eine weitere Chance zur Umkehr zu geben (vgl. dazu auch Offb 2-3).
- Gewalt und Verbrechen gab es zur Zeit von Jesus. Wie geht er damit um, wie ordnet er sie ein, wie reagiert er darauf? Womit reagieren wir auf die Ungerechtigkeiten in der Welt, besonders in unserer unmittelbaren Umgebung?
- Was war die Erwartung der Informanten zur Zeit von Jesus? Haben wir den Mut den düsteren Ereignissen unserer Zeit mit dem Evangelium zu begegnen?
- Gott ist gütig, geduldig und voller Erbarmen, doch gibt es bei ihm auch Grenzen? Wie lange hat es gedauert bis zu deiner Buße und Glauben an Jesus Christus? Welche bestimmte Früchte des Heiligen Geistes sind bei dir erkennbar?
Es kamen aber zu der Zeit einige, die berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen:
mehr gesündigt haben
als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben?
sondern wenn ihr nicht Buße tut,
werdet ihr alle auch so umkommen.
schuldiger gewesen sind
als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen?
sondern wenn ihr nicht Buße tut,
werdet ihr alle auch so umkommen
Unser Textabschnitt teilt sich in zwei parallele Prosa-Einheiten V. 1-5 und V. 6-9. Beide behandeln das Thema: Politik und Sinnesänderung/Buße. Beide Einheiten beziehen sich auf konkrete tragische Ereignisse, die in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Wir sehen wie 1-2 und 3-4 stufenartig erzählt wurden. 2 und 4 sind identisch und enden mit dem angekündigten Unheil.
Jesus befindet sich wahrscheinlich noch im südlichen Galiläa. Zu dieser Zeit[17] wird ihm eine außergewöhnliche Nachricht übermittelt, die unter damaligen Umständen jeden Nationalisten herausgefordert hätten, extreme Maßnahmen zu ergreifen: Pilatus habe eine Delegation mit den lokalen Opfergaben auf dem Weg zum Tempel überfallen und töten lassen. Spontane Racheaktionen gegen die römische Besatzung sind somit zu erwarten. Nachrichten über Gewalt mit Blutvergießen gehören damit leider auch zur Tagesordnung von Jesus. Für jeden der im Nahen Osten (selbst heute noch) lebt, ist nur vorstellbar, dass die Informanten von Jesus eine Aufforderung zum bewaffneten Widerstand oder gar zum Aufstand gegen die Römer erwarten. Vorstellbar wären Worte wie: „Genug ist Genug! Auf zu den Waffen und brecht die Vorherschaft der HEIDEN, der Hunde![18]“ Dies entspricht der Erwartung vieler Juden – da der Messias nach der Meinung vieler vor der Tür stehe. Solch eine Erwartung haben auch die eigentlich recht bürgerlichen Jünger von Jesus (Lk 24,21). Wie viel mehr werden jüdischen Aktivisten (siehe Klosterbewohner in Qumran) und die sogenannten Zeloten, die jüdischen Eiferern, zum Kampf agitiert haben. Die Nachricht von einem Massaker wird in solchen aufgeheizten Gerüchteküchen schnell zu zehn Massakern gesteigert, um Menschen zum Krieg aufzustacheln. Wehe, wer in solch einer Situation fragt: „Hast du deine Quelle gut geprüft!“ Es scheint so, dass der Evangelist Lukas uns mitteilt, dass es sich um solch ein Gerücht handelt – zumal Josephus, der ja gerne Pilatus in ein schlechtes – Licht stellt, uns nichts von diesem Vorfall berichtet. Von den Zeloten kommen viele aus Galiläa. Sie halten sich zurzeit von Jesus in den oft unzugänglichen Bergschluchten und Höhlen von Galiläa auf, um von dort nach Guerilla-Taktik Blitzaktionen auf römische Legionäre zu verüben.
Wie geht Jesus mit solchen Nachrichten um – wie reagiert er darauf? Sicher hat auch er dies als Test für seine Treue zum Nationalen Anliegen gesehen. Jesus reagiert auf diese Versuchung anders als erwartet. Nicht nur, dass er dieses Verbrechen nicht tadelt, sondern dass er die Überbringer der Nachricht mit aller Ernsthaftigkeit auf die Notwendigkeit der Buße (Sinnesveränderung) hinweist. Fast entsteht der Eindruck, dass Jesus diese Gräueltat verharmlost. Doch auch wenn er sie nicht offen tadelt, bedeutet dies noch lange nicht, dass er diese bagatellisiert. Aber er benutzt die Sensationsmeldung, um bei dieser besonderen Gelegenheit auf ein ganz anderes, viel wichtigeres Problem der Informanten hinzuweisen.
Die Täter dieser Mordtaten sollen nicht entschuldigt werden. Eigentlich hielten sich die römischen Statthalter meist aus allen Angelegenheiten des jüdischen Kultus heraus. Wir können sogar vermuten, dass es irgendeine Provokation vorlag, die Pilatus den Anlass zu solch grausamer Tat gab.[19]
Der unbedingte Sinneswandel, von dem Jesus hier spricht, bezieht sich nicht nur auf eine bestimmte Lebensanschauung, einen Lebensbereich oder angesichts einer bestimmten Sünde. Die von Jesus geforderte Sinnesveränderung betraf alle Lebensbereiche. Mit dem „Ich aber sage euch“ (Mt 5,22. 32) schärft er den Blick für den tiefen und vollkommenen Sinn des göttlichen Willens. Dieser göttliche Wille ist im Gesetz verankert, durch die Propheten vorausgesagt und in der Person von Jesus sichtbar und fassbar geworden. Dies heißt, alles was Jesus sagt und tut, ist Maßstab und Richtung für Lehre und Leben (Denken und Handeln). Auch das, was Jesus nicht tut, ist ebenfalls Richtlinie für das Verhalten seiner Jünger. Zum Beispiel fordert er nicht zum Aufstand gegen die Obrigkeit, zur Rebellion auf, sondern für die Obrigkeit zu beten und die erforderliche Steuer zu zahlen (Mt 22,21; Röm 13,1ff).
Die Aussage: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr auf die gleiche Weise umkommen“ wurde während der Eroberungen unter römischen Oberbefehlshaber und späteren Kaiser Titus 70 n. Chr. in tragischer Weise erfüllt. Doch Jesus meint hier nicht einfach den gleichen Tod unter gleichen Umständen. Mit dem umkommen ist hier das ewige und endgültige Verlorengehen gemeint (2Petr 2,12; 3,9; Mt 25,46).
Und als ob diese Aussage nicht schon genug wäre, erweitert Jesus die traurige Betrachtung noch weiter, indem er auf die zweite leidvolle Geschichte hinweist.[20]
Edersheim macht den Vorschlag, ob der in Frage kommende Turm nicht Teil des von Pilatus errichteten Aquädukts gewesen könnte. Pilatus hatte das Geld für dieses Bauprojekt aus dem Tempelschatz genommen (Edersheim 1979, 222). Zwar ist dies unsicher – aber dann wären die Opfer jeweils die „nationalen Helden.“ Jesus stellt ihnen gegenüber die „Sünder“ und die „Schuldner“.
Immer wieder stellt sich die Frage nach den Ursachen von Katastrophen und nach der Schuld des Menschen. Inwieweit stehen Naturkatastrophen im Zusammenhang mit der Schuld und Sünde von Menschen? Bei wem ist die Schuld zu suchen, wenn ein Turm einstürzt, oder das Dach einer Halle einbricht. Wer hat mehr Schuld, wer weniger, welche Sünden sind größer, welche geringer? In diesen Texten will Jesus mutig die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf den Ausweg aus Schuld und ewiger Verlorenheit lenken. Dieser Ausweg heißt Buße – Veränderung des Denkens und des Lebens. Bis heute wundern sich Leser im Nahen Osten, warum Jesus nicht sofort von den Zuhörern gewaltsam angegriffen wurde… wie konnte einer ,der so deutlich ein Verräter am Nationalen Anliegen ist, noch weiterreden? Der Kampf ist doch gerecht – jeder der andere Antworten hat ist doch ein VERRÄTER! Jesus attackiert damit die „gerechte Gewalt“ der Freiheitskämpfer, der Nationalisten.[21] Jesus scheint um das geistliche Wohl „der nationalen Helden“ besorgt zu sein. Ihr Heil ist ohne Umkehr in Frage gestellt. Mit dem Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum wird Gottes Langmut in seinem Bemühen um Menschen deutlich, die noch nicht zur Sinnesänderung bereit sind.
„Er sagte ihnen aber dies Gleichnis:
1. Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg,
und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. (das Problem) 2. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine.
3. Hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?
(die Lösung) 4. Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; 5. vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so grab ihn aus. |
pflanzen
Frucht suchen keine Frucht finden
Meister spricht drei Jahre Frucht suchen keine Frucht finden
ABHAUEN BODEN SCHONEN
Weingärtner spricht ein Jahr Hilfe zur Frucht Hilfe zur Frucht Frucht finden? keine Frucht ausgraben |
(Bibeltext: Lk 13,6-9; vgl. auch Lk 3,9; Mt 21,19; 2Petr 3,9).
Schon in Joel 1,7 und 1,12 werden der Feigenbaum und der Weinstock zusammen betrachtet. Feigenbäume sind in Weinbergen keine Seltenheit. Weinstock und Feigenbaum sind Symbole des Schalom / Friedens (Micha 4,4; Sach 3,10). In Jes 5,7 finden wir den tiefen Hinweis auf diesen Text. Der HERR ist der Weinbergbesitzer und sein Volk Israel der Weinberg (nicht der Baum!). Die Zuhörer von Jesus werden diesen Bezug sofort hergestellt haben, auch wenn Jesus selbst ihn hier nicht ausdrücklich herstellt. Der Feigenbaum trägt in Nahen Osten bis zu 10 Monate im Jahre Früchte. Allerdings verliert er im Winter kurz seine Blätter. Im Gegensatz zum Olivenbaum, Zum Johannisbrotbaum oder zur Steineiche fällt er dann durch seine kahlen, hervorstechenden Zweige auf. Die Wiederkehr des Saftes ist besonders deutlich zu sehen. Sein Sprossen und Durchbruch des Lebens ist Vorbote des Frühlings. Der Evangelist Lukas macht auch an anderer Stelle deutlich, dass Jesus Gleichnisse zur Offensive gegen Schriftgelehrte und die Priesterschaft nutzt (Lk 20,19) – allerdings nicht allgemein gegen das Volk. Der Besitzer des Weingartens ist besorgt über den Ertrag, er will den Weinberg erhalten, gute Früchte genießen – ihn aber nicht zerstören (anders als in Jes 5,5.6). Das Gleichnis bezieht sich also auf die Krise der Verantwortlichen im Volk Gottes und nicht auf das Volk allgemein. Somit ist das Problem in schlichter und knapper Weise umrissen.
Normallerweise wartet man bei einem Feigenbaum einige Jahre bis zur ersten Ernte. Die Frucht, die im 4. Jahr wuchs brachte man dem HERRN dar (Lev 19,24). Es ist also genug Zeit vergangen, doch die Erwartungen sind enttäuscht. In der Übertragung heißt dies, dass die Leiterschaft des Volkes Gottes genug Zeit hatte, gute Früchte hervorzubringen – wohl nach Lk 3,8 die Früchte der Umkehr/Buße. Der Weinbergbesitzer war geduldig.
Der Feigenbaum hatte nicht nur keine Frucht gebracht – er hatte auch gute Erde, Wasser und Nährstoffe beansprucht, die für andere Pflanzen von Nutzen gewesen wäre. Der Besitzer sieht die Verschwendung der Ressourcen und ordnet an, dass der Baum ausgegraben wird. Nach westlichem Verständnis wird ein Baum so abgehackt, dass ein Stumpf stehen bleibt – im Nahen Osten wird er ausgegraben. Der Baum fällt mitsamt seinem Stumpf und den Hauptwurzeln. Dies sehen wir auch in Lk 3,9, wo ja Johannes der Täufer das kommende Gericht mit folgendem Bild beschreibt: „Schon ist aber die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt..“ Dies weist auf die Beseitigung des unfruchtbaren Baumes und damit der Leiterschaft des Volkes.
An dieser Stelle finden wir eine radikale Wende. Anders als im Prototyp für dieses Gleichnis in Jes 5,5.6 finden wir hier nicht die Zerstörung, sondern ein Angebot der Gnade. Wir finden hier den in jeder Gemeindeleitung so bekannten Dialog zwischen Gericht und Gnade – was hat Vorrang? Die Barmherzigkeit bittet um Aufschub – um eine 2. Chance.
Auch der Weingärtner hat noch eine Hoffnung. Noch gibt es einen Aufschub des Gerichts – ja sogar besondere Aufmerksamkeit für den unfruchtbaren Baum (= die unfruchtbare Leiterschaft des Volkes). Der Baum soll gepflegt werden, indem die Erde bearbeitet und gedüngt wird. Der Zustand der Leiterschaft ist in den Augen von Jesus nicht hoffnungslos! Das Thema der Gnade leuchtet auf! Wir sind gar nicht so falsch, wenn wir in diesem Bild eine humorvolle Beleidung sehen: alles was die Leiter des Volkes brauchen ist Dünger (damals wie heute Biodünger: der Mist von Tieren). Noch deutlicher: Alles was sie brauchen ist ein wenig Sch…. Dies wird auch damals zum Schmunzeln angeregt haben.
Wie lange währt Gnade und Barmherzigkeit? Die hier benutzte griechische Wendung eivj to. me,llon\ eis to mellon wird wie in 1Tim 6,9 am besten mit: „zukünftig“ übersetzt. Es wird also zwischen dem Besitzer und der Weingärtner keine begrenzte Zeitspanne vereinbart. Doch eins ist klar – der Baum muss Frucht bringen, sonst wird er samt und sonders entfernt. Der Baum selbst kann sich nicht retten – die Aktionen der Gnade erfolgen von außen – der Weingärtner muss aktiv werden und den Baum retten. Doch auch der Baum muss aktiv werden – Frucht bringen. Hier die Frucht der Sinnesänderung, der Umkehr, der Buße. Das Ende dieses Gleichnisses bleibt offen – sind Früchte gewachsen? Der Zuhörer bzw. der Leser muss die Antwort geben – doch eins ist sicher: das kommende Gericht ist unausweichlich.
So ist auch ein unfruchtbarer, also geistlich toter Nachfolger von Jesus einerseits im Blickfeld der Gnade und Güte Gottes, andererseits langfristig jedoch ein Hindernis im Reich Gottes – besonders wenn er wie im Kontext des Gleichnisses ein Leiter ist. Es fällt auf, dass Gott diese Nachteile in Kauf nimmt, um Menschen immer noch und immer wieder eine weitere Chance zur Umkehr zu geben (vgl. dazu auch Offb 2-3).
- Gewalt und Verbrechen gab es zurzeit von Jesus. Wie geht er damit um, wie ordnet er sie ein, wie reagiert er darauf (Beachte auch seine Predigten!)? Wie reagieren wir auf die Ungerechtigkeiten in der Welt, besonders in unserer unmittelbaren Umgebung?
- Was war die Erwartung der Informanten zurzeit von Jesus? Haben wir den Mut den düsteren Ereignissen unserer Zeit mit dem Evangelium (Wort) und mutigen Hoffnungszeichen der Nächstenliebe (Tat) zu begegnen?
- Gott ist gütig, geduldig und voller Erbarmen, doch gibt es bei ihm auch Grenzen? Wie lange hat es gedauert, bis zu deiner Umkehr und zum Glauben an Jesus Christus gefunden hast?
- Welche Früchte der Umkehr sind in deinem Alltag/deinem Leben erkennbar?
8.17 Heilung der verkrümten Frau am Sabbat
Lk 13,10-17
- „Und er lehrte in einer Synagoge am Sabbat.Und siehe, eine Frau war da, die hatte seit achtzehn Jahren einen Geist, der sie krank machte; und sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr aufrichten. Als aber Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: Frau, sei frei von deiner Krankheit! Und legte die Hände auf sie; und sogleich richtete sie sich auf und pries Gott. Da antwortete der Vorsteher der Synagoge, denn er war unwillig, dass Jesus am Sabbat heilte, und sprach zu dem Volk: Es sind sechs Tage, an denen man arbeiten soll; an denen kommt und lasst euch heilen, aber nicht am Sabbattag. Da antwortete ihm der Herr und sprach: Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder seinen Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke? Sollte dann nicht diese, die doch Abrahams Tochter ist, die der Satan schon achtzehn Jahre gebunden hatte, am Sabbat von dieser Fessel gelöst werden? Und als er das sagte, mussten sich schämen alle, die gegen ihn gewesen waren. Und alles Volk freute sich über alle herrlichen Taten, die durch ihn geschahen“ (Lk 13,10-17).
Jesus ist wieder mal an einem Sabbat in einer der Synagogen der Juden. Es wird nicht erwähnt an welchem Ort oder Stadt er war, doch seine Tätigkeit als Lehrer wird betont.
Es wird auch mit keinem Wort erwähnt, was das Thema oder der Schwerpunkt dieser Lehreinheit war. Doch die nachfolgende Geschichte enthält eine wichtige Lektion. Zuerst bemerkt Lukas, dass Jesus aufmerksam wird auf eine Frau, die ungewöhnlich tief gebeugt stand und ihn wohl nicht ansehen konnte. Bemerkenswert ist auch, dass Frauen damals freien Zugang in die Synagoge hatten und es wohl keine Raumunterteilung zwischen Männern und Frauen gab.
Hier sehen wir Jesus, als der aktiv Handelnde, er sieht die Frau und er ruft sie zu sich, vor den Augen aller Anwesenden. Welche Aufmerksamkeit schenkt Jesus einer einzelnen Frau? Welchen Mut hat Jesus, das er den Ablauf des Gottesdienstes einfach unterbricht. Wir würden heute eher sagen oder empfehlen – warte bis der Gottesdienst zu Ende ist, dann sprechen oder beten wir mit dir. Jesus hingegen ist hier der mit Vollmacht auftritt, auch gegen die Synagogenordnung und das Gottesdienstliche Programm.
Von der Frau wird gesagt, dass sie seit achtzehn Jahren einen Geist der Krankheit hatte und dass der Satan sie solange gebunden hielt. Die meisten Krankheiten zur Zeit von Jesus waren physischer Natur, oder hatten natürliche Ursachen. Aber auch oft wird eine Krankheit oder Behinderung als vom Satan verursacht beschrieben, so war es auch hier bei der Frau, obwohl weder die Ursache noch sonstige Details dieser Krankheit erwähnt werden. Doch für uns ist es heute sehr wichtig, die Ursachen einer Krankheit herauszufinden, bevor man vorschnell jemand die Hände auflegt. Jesus kann jedoch ohne jegliche Nachfrage die Krankheit und deren Ursache erkennen und somit auch spontan und in Vollmacht handeln.
Er legt der Frau vor allen Anwesenden die Hände auf und spricht die befreienden Worte: „Frau, sei gelöst von deiner Krankheit“. Und sofort richtet sie sich auf und preist Gott.
Die Reaktion des Synagogenvorstehers ist verblüffend. Als dass er sich direkt an Jesus, den Verursacher der ´Sabbatübertretung´ gewendet hätte, tadelt er die gesamte Synagogenversammlung und weist diese auf das Sabbatgebot, bzw. die Interpretation dieses Gebotes hin. Dass er das Volk und nicht Jesus direkt anspricht ist auf dem Hintergrund der orientalischen Verhaltensweise zu erklären. Man vermied oft, besonders gegenüber hochgestellten Personen den direkten Tadel. Ein Hinweis wurde indirekt gemacht, oder durch eine Bildrede.[22]
Doch Jesus ist offen und direkt, er kümmert sich wenig oder gar nicht um die sogenannte Etikette in jener Kultur, sondern nennt dieses Verhalten eindeutig ´Heuchelei´ und den Synagogenvorsteher mit seinen Gesinnungsgenossen ´Heuchler´. Damit versucht er mit aller Deutlichkeit das grobe Missverständnis der Sabbatbestimmung bei seinen Landsleuten zu korrigieren. Deutlich macht er dies an einem Vergleich aus dem Alltag eines normalen Haushaltes. Dabei erkennen wir, dass man in jener Zeit gegenüber den Haustieren oft mehr Aufmerksamkeit, Nachsicht und Fürsorge gezeigt hat, als Menschen in Krankheit und Not (vgl. 2Mose 23,5; Lk 14,5).
Ja, Jesus richtet auf was gebeugt ist durch Sünde und Satan (auch durch eigenes Verschulden) und er stellt etwas wieder richtig, was verbogen ist.an Erkenntnis über Gott und Verständnis seines Wortes. So ist JESUS!
Das Ergebnis war schließlich doch ein wahrer Lobpreis zu Gottes Ehren.
- Wo und an welch einem Tag trug sich diese Geschichte zu?
- Was war die Hautptätigkeit von Jesus wenn er die Synagogengottesdienste besuchte?
- Warum unterbricht Jesus seine Lehrtätigkeit, hätte er nicht auch noch nach dem offiziellen Gottesdienstende handeln können?
- Schildere die Position/Verantwortung und religiöse Einstellung des Synagogenvorstehers und seine Reaktion auf das Handeln von Jesus?
- Welcher wichtige Hinweis oder Lehre/Wahrheit offenbart sich bei der Heilung am Sabbat?
- Welches sind die Kriterien zur Unterscheidung von Ursachen einer Krankheit oder geistigen Belastung eines Menschen? Welche Hilfestellung können wir heute Menschen geben in ähnlichen Situationen?
8.18 Gleichnis vom Senfkorn und Sauerteig
Lk 13,18-21
Diese beiden Gleichnisse fügt der Evangelist Lukas sozusagen zwischen sein Sondergut (Kapitel 13-16), während Matthäus sie in seine Gleichnissammlung in Kapitel 13 einfügt. Auch in diesem Fall können wir annehmen, dass Jesus diese Gleichnisse zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten erzählt hat.
8.18.1 Das Reich Gottes gleicht einem Senfkorn
- „Er aber sprach: Wem gleicht das Reich Gottes, und womit soll ich’s vergleichen? Es gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und in seinen Garten säte; und es wuchs und wurde ein Baum, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen“ (Lk 13,18-19). Und Matthäus ergänzt: „… das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter…“ (Mt 13,32).
Der Hauptgedanke in diesem Gleichnis,- Gott macht aus etwas kleinem Großes und aus wenig viel. Das Senfkorn gebraucht Jesus an anderer Stelle zum Vergleich mit der Kraft des Glaubens (Mt 17,20 – Berg; Lk 17,6 – Maulbeerbaum). „Das Samenkorn des Schwarzen Senf, einer einjährigen Pflanze mit holzigem Stamm, die sehr schnell aufschießt und eine Höhe von zweieinhalb-drei Meter erreicht. Dieser ´Baum´ ist ein beliebter Aufenthalt der Distel,- und Goldfinke, die seine ölhaltigen Samenkörer besonders gern fressen“.[23]
Der Samen des schwarzen Senfs (Brassica nigra) ist viel kleiner als der Samen des uns hier bekannten weisen oder hellen Senfsamens. Er hat einen Durchmeeser von ca. einem Millimeter, ist nur ein hundertstel Gramm schwer.
Dieser Strauch ist einjährig, wird also nicht wirklich zu einem Baum. Doch vielleicht ist hier eine Anlehnung an Hesekiel 17,22-23 und im negativen Gegensatz dazu Hes 31 und Daniel 4, wo die jeweiligen Herrscher (Pharao und Nebukadnezar) und ihre Weltreiche mit großen Bäumen vergliechen werden, die aber letztlich gefällt werden.
Das Nisten der Vögel in den Zweigen dieses Baumes deutet auf die Möglichkeiten, die schon hier im Reiche Gottes zum Schutz und Zuhause ausgebaut werden (Schutzräume). Es sind einzelne Menschen, Ehepaare, Familien, Kleingruppen und ganze Gemeinden, welche dem Suchenden Schutz und Geborgenheit bieten, ja einen Nistplatz, um sich zu entfalten und auszubreiten.
8.18.2 Das Reich Gottes gleicht dem Sauerteig
- „Und wiederum sprach er: Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen? Es gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter einen halben Zentner Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war“ (Lk 13,20-21).
Die Substanz[24] Sauerteig (Hefe) wird von Jesus in diesem Vergleich positiv verwendet. So wie Sauerteig die Fähigkeit hat eine große Menge Teig unter bestimmten Voraussetzungen schnell zu durchsäuern, so hat das Evangelium die Kradt unter der Voraussetzung, dass es verkündigt wird, ebenso die Kraft zum Durchdringen in das Bewusstsein der Menschen und sie zu verändern im Denken und Handeln. Die Formulierung: „Bis dass es ganz durchsäuert war“, deckt sich mit den Worten von Jesus aus Matthäus 24,14: „Und das Evangelium muss gepredigt werden unter allen Völkern und dann wird das Ende kommen.“
Das Evangelium hat die Kraft das Leben des Einzelnen Christen in alle seine Lebensbereiche zu durchdringen.
Fragen:
- Was will Jesus durch das Gleichnis mit dem Senfkorn deutlich machen?
- Erkläre die natürliche Wirkung des Sauerteigs und die Wahrheit dahinter.
- Nenne Beispiele, aus denen hervorgeht, dass die Bibel verschiedene Elemente, Gegenstände und Bilder für negative als auch positive Übertragungen verwendet.
8.19 Die Bildrede über die enge Pforte und verschlossene Tür
Lk 13,22-30
- „Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: 24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können“ (Lk 13,22-24; Vgl. mit Mt 7,13-14; Joh 10,1-10).
Das Thema von der schmalen Tür hat auch Matthäus im Rahmen der Berglehre aufgeschrieben. Er gebraucht jedoch das Bild vom schmalen Tor (Mt 7,13-14). Der Evangelist Lukas vermerkt, dass Jesus das Bild über die schmale Tür auf dem Weg nach Jerusalem verwendete, wahrscheinlich hält er sich noch im Grenzgebiet von Galiläa/Samarien auf. Diese Bildrede von Jesus ist eine Antwort auf die Frage eines Zuhörers. Fragen waren für Jesus immer Anlass zur Unterweisung, Klärung oder Korrektur, so auch in diesem Fall. Jesus gibt wie so oft keine direkte Antwort auf die gestellte Frage, weil damit lediglich die Neugier befriedigt worden wäre. Dafür will Jesus über das ´wie´ und ´wodurch´ ein Mensch gerettet wird, Auskunft geben.
Das Bild von der engen Pforte ist möglicherweise aus der Bauweise mancher Toreingänge in Palästina entnommen. So hatten nicht selten die Stadt,- und Hoftore noch ein kleines Törchen, welches nur von einer Person in etwas gebückter Haltung durchschritten werden konnte. Durch das Bild macht Jesus deutlich,- es bedarf der Mühe, Anstrengung, ja der Beugung, um in das Reich Gottes hineinzukommen. Ohne echte Buße und loswerden der Schuld durch Vergebung kommt niemand in das Reich Gottes hinein. Wer auf dem Weg der Frömmigkeit, Selbstgerechtigkeit und Einhaltung der Gebote Gottes versucht hineinzukommen, wird es nicht schaffen (Röm 9,32).
Im ausführlicheren Paralleltext des Mathäus kommt nach dem schmalen Tor die Fortsetzung im Bilde eines eingeengten, schmalen Weges. Auf diesem eingeschränkten Weg gibt es Bedrängnisse, ddoch er ist nicht eine Linie, sondern ein gut begrenzter und markierter Weg auf dem ein Christ sicher gehen kann. Ja, dieser Weg ist eingeschränkt, doch dies geschieht zum Vorteil des Pilgers. Er weist auf einen Lebensstil hin, der Selbssucht, Besserwisserei, Stolz und dergleichen ausschließt und von Selbstverleugnung, Selbstbeherrschung und Liebe zu Christus und seinem Wort bestimmt wird.
Nach Johannes 10,1-10 ist Jesus selbst die Tür (Tor (Pforte) als Eingang und auch der Weg (Joh 14,6) der zum ewigen Leben führt. Auf diese Weise gibt Jesus eine klare Antwort über das ´wie´ ein Mensch für das ewige Leben gerettet werden kann. Doch sagt er auch deutlich, dass es wenige sind, die es schaffen durch die schmale Tür in das Reich Gottes hineinzukommen und damit zur Rettung zu gelangen. Demgegenüber sind es viele, die mit falscher Anstrengung diesen Eingang in das Reich Gottes nicht schaffen werden.
- „Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen[25] hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu` uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? 26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. 29 Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein“ (Lk 13,25-30; vgl. auch Mt 25,11-12).
Auch bei dieser Bildrede muß beachtet werden, dass Jesu Aussage zuerst die Menschen betraf, die direkt um ihn herum standen, also seine Zeitgenossen. An diese ergeht die ernste Mahnung, denn sie haben ihn leibhaftig gesehen und gehört und die meisten von ihnen haben doch nicht geglaubt. So kann sich die Aussage: „Die Ersten werden Letze sein und Letzte die Ersten“ zuerst auf jene Menschen beziehen, die seine Zeitgenossen waren. Auch bezieht Jesus diese Aussage auf die Einladung an alle Mühseligen und Beladenen (Zöllner und Sünder) die damals in der jüdischen religiösen Gesellschaft ausgeschlossen waren. Von ihnen sagt Jesus selbst: „Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Sie antworteten: Der erste. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr“ (Mt 21,31; vgl. auch Mt 21,32).
Natürlich bezieht sich diese Aussage auch auf alle Menschen aus späteren Generationen, die auf verschiedene Weise immer Erste waren, vorne standen, bessere Chancen hatten, oder zum Beispiel schon in jungen Jahren die rettende Botschaft gehört, sie jedoch nicht angenommen haben. Jemand anders ist alt geworden, ohne von Jesus etwas gehört zu haben und kurz vor seinem Tod bekommt er noch die Chance zur Rettung, so war er im Leben immer der Letzte, nun aber ist er Erster geworden.
Die Aussage Jesu enthält aber auch eine prophetische Vorausschau wenn er sagt: „viele werden von Ost, West, Süd und Nord kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Reich Gottes ihren Platz bekommen“. Es ist ein klarer Hinweiss auf die Ausbreitung des Evangeliums unter allen Völkern. Und dass aus diesen verschiedenen Nationen Menschen den Weg ins Reich Gottes finden werden. Und daher werden die, welche ganz vorne standen und Erste waren, hinten stehen, oder gar ausgeschlossen bleiben, weil sie die Zeit (καιρος – kairos[26]) der Gnade nicht genutzt haben (vgl. auch mit Lk 19,41-42; Apg 13,46). Jesus bestätigt auch in prophetischer Rückschau die Seligkeit/Errettung der Patriarchen, der Propheten und damit auch aller Glaubenden zur Zeit des Alten Bundes (V.28).
Es ist also Faktum, dass es einmal ein ´nicht mehr möglich´ geben wird. Mit der Wendung: „Heulen und zähneknirschen“ unterstreicht Jesus den Zustand der Menschen, welche sich dann selber geißeln werden wegen der verpassten Gelegenheiten zur Rettung und denen nun das volle Ausmaß des ´keine Chance mehr´ bewusst werden wird.
- Warum gibt Jesus hier keine direkte Antwort?
- Erkläre die Bildrede Jesu von der schmalen Tür, welche allein zur Rettung führt.
- Wie lange ist diese Tür offen, wer macht sie zu und ab wann bleibt sie verschlossen?
- Wer sind die Ersten, wer die Letzten? Wo wird diese Redewendung noch heute im Gebrauch?
- Was bedeutet die Redewendung „Heulen und Zähneknirschen“?
8.20 Die Feindschaft des Herodes – Jesus klagt über Jerusalem
Lk 13,31-35
8.20.1 Ist Jesus ein Untertan von Herodes Antipas?
Da Jesus in Galiläa/Nazaret aufgewachsen ist, war er formal gesehen ein Untertan des Herodes Antipas. Jesus befindet sich noch im Grenzgebiet von Galiläa/Samarien. Die Kunde von seiner Tätigkeit ist dem Vierfürsten nicht verborgen geblieben (Mt 14,1ff; Lk 9,7-9; Mk 6,14-16).
- „Zu dieser Stunde kamen einige Pharisäer und sprachen zu ihm: Mach dich auf und geh weg von hier; denn Herodes will dich töten. 32 Und er sprach zu ihnen: Geht hin und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe böse Geister aus und mache gesund heute und morgen, und am dritten Tage werde ich vollendet sein. 33 Doch muss ich heute und morgen und am folgenden Tage noch wandern; denn es geht nicht an, dass ein Prophet umkomme außerhalb von Jerusalem“ (Lk 13,31-33).
Zunächst stellt sich hier die Frage nach der Motivation der Pharisäer? Sie sind nicht von Herodes gesandt worden, sondern handeln aus eigener Initiative. Kann es sein, dass diese kleine Gruppe von Pharisäern gegenüber Jesus gute Absichten hat und liegt ihnen wirklich daran, Jesus vor drohender Gefahr zu schützen? Denn die meisten Pharisäer hatten sich als religiöse Partei von Anfang an gegen Jesus gestellt. Schon in Kapernaum machten sie eine Verschwörung mit den Herodianern gegen Jesus (Mk 3,6). Dort ging die Initiative nicht von Herodes aus, sondern von den Pharisäern, welche ihrerseits die weltliche Macht für sich ausnutzen wollten (dies war auch später ihre Praxis).
Die bedrohliche Information „Herodes will dich töten“ birgt in sich mehr als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Aus den Textstellen über Herodes ist nicht ersichtlich, dass er beabsichtigte Jesus zu töten. Traf er sich doch früher des öfteren mit Johannes dem Täufer und unterhielt sich mit ihm gern, schützte ihn sogar vor den Nachstellungen seiner Frau Herodias. Und als ihn die Kunde über Jesu Tätigkeit erreicht (Mt 14,1ff; Lk 9,7-9; Mk 6,14-16) eignet er sich die These an: „Dieser ist Johannes der Täufer, er ist von den Toten auferstanden[27], darum wirken in ihm solche Kräfte.“ Solch eine Annahme beruhigte möglicherweise ein wenig sein belastetes Gewissen, legt aber auch nahe, dass er nicht die Absicht hat erneut gegen diesen mächtigen Propheten vorzugehen. Auch die Bemerkung: „Er begehrte (suchte) ihn zu sehen“ birgt in sich nicht zwingend eine Lebensbedrohliche Einstellung zu Jesus. Sollte er dennoch Böses beabsichtigt haben, dann wäre dies seinem wankelmütigen Charakter zuzuschreiben, bescheinigt ihm doch Jesus ein heuchlerisches Verhalten (Mk 8,15). Wie die Sache auch immer stand, Jesus durchschaut sowohl Herodes als auch die Gruppe der Pharisäer und er lässt sich nicht aus seinem Konzept bringen. Die Anweisung Jesu: „Geht hin und sagt diesem Fuchs (Füchsin-Fem.)“, ist eine starke Herausforderung an die Informanten. Jesus konnte sicher sein, dass sie niemals mit solch einer Aussage vor Herodes treten würden. Damit hätten sie sich blamiert und wahrscheinlich auch selbst geschadet. Darum gilt die Aussage von Jesus in erster Linie ihnen und erst dann auch Herodes. Bemerken wir auch den Tatbestand, dass Jesus sich mit keinem Wort bei den Pharisäern bedankt für ihre Fürsorge um seine Sicherheit, wurden doch die Informanten in solchen Fällen belohnt. Doch er lobt sie nicht, bedankt sich auch nicht bei ihnen, was unter anderen Umständen das Normale gewesen wäre. Dagegen beauftragt er sie mit einer Botschaft an den Vierfürsten. Aus diesem Verhalten können folgende Überlegungen abgeleitet werden:
- In erster Linie ist Jesus seinem Vater im Himmel unterstellt, dessen Plan er erfüllt. Nicht einmal von seiner eigenen Mutter Maria oder seinen Brüdern lies er sich dreinreden, was er zu tun hat, auch nicht von seinen Jüngern (Joh 2,4; 7, 3-6; Mt 16,23).
- Die Pharisäer werden auf ihren Mut und ihre Motivation hin geprüft. Wahrscheinlich werden sie sich hüten zu Herodes zu gehen und ihm von Jesu Reaktion berichten. Müssen sie doch mit der Missbilligung des Herodes rechnen, dass sie seine Pläne verraten haben. Und sie müssen sich selbst die ehrliche Antwort geben, wozu und aus welcher Motivation sie solche Informationen an Jesus weiterleiten.
- Alle Umherstehenden bekommen mit, wie Jesus unverholen und unerschrocken den galiläischen Herrscher charakterisiert. Herodes kann ruhig erfahren, was Jesus von ihm (und seiner Frau) denkt. Es gehörte immer auch zum Dienst der Propheten, die Herrscher auf ihren sündigen Lebensstil aufmerksam zu machen.
- Und natürlich denkt Jesus an die vielen bedürfrigen Menschen, welche in diesen drei Tagen seine Hilfe benötigen. Es sind die letzten Tage seines Dienstes in Galiläa.
Herodes bekommt noch Gelegenheit Jesus zu sehen und jene Begegnung soll in Jerusalem stattfinden.
- „Es geht nicht an, dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkomme“. Was wann mit Jesus zu geschehen hat, liegt nicht im Ermessen und auch nicht in der Vollmacht des Herodes. Auch nicht in der Beeinflussung durch die Pharisäer. Jesus selbst legt fest, wo, wann und was geschehen soll und geschehen wird.
8.20.2 Jesu klaggeruf über Jerusalem
- „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt werden, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel und ihr habt nicht gewollt! Seht, »euer Haus soll euch wüst gelassen werden. Aber ich sage euch: Ihr werdet mich nicht mehr sehen, bis die Zeit kommt, da ihr sagen werdet: Gelobt ist, der da kommt in dem Namen des Herrn!“ (Lk 13,34-35).
Es ist Spätsommer des Jahres 32, Noch wenige Tage verbringt Jesus in Galiläa um dann heimlich (nicht offen) auf dem Weg über Samarien nach Jerusalem zu gehen. Dort wird er plötzlich und unerwartet auf dem Laubhüttenfest auftreten (Joh 7).
Es fällt auf, dass Jesus die gleiche Aussage während seines letzten Jerusalemaufenthaltes gemacht hat und zwar im Zusammenhang mit den Weherufen gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer (Mt 23,37-39). Auf welche Zeit sich jedoch die prophetische Aussage bezieht: „Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden …“ ist verschlüsselt. Doch wir werden später noch auf diese Frage eingehen.
Danach setzte Jesus seinen Dienst mit Verkündugung und Heilung in dem Grenzgebiet unerschrocken fort.
- In welcher Zeit und welcher Gegend wird Jesus von den Pharisäern über die Drohung des Herodes informiert?
- Welche Motivation könnte hinter jener Informationsweitergabe durch die Pharisäer stehen? Wie gehen wir mit Informationen um die wir bekommen und die wir weitergeben?
- Nenne Zusammenhänge, Gegensätze und auch Ähnlichkeiten zwischen den Pharisäern und Herodes.
- Warum bleibt Jesus so gut wie ungerührt von der Drohung des Herodes? Was wollte er mit seiner Reaktion aussagen?
- Haben die Wehe,- und Klagerufe über Jerusalem uns auch heute etwas zu sagen?
8.21 Jesus zu Gast bei einem Obersten der Pharisäer
Lk 14,1-6
8.21.1 Jesus heilt am Sabbat einen Menschen von Wassersucht
- „Und es begab sich, dass er an einem Sabbat in das Haus eines Oberen der Pharisäer kam, das Brot zu essen, und sie belauerten ihn. Und siehe, da war ein Mensch vor ihm, der war wassersüchtig. Und Jesus fing an und sagte zu den Schriftgelehrten und Pharisäern: Ist’s erlaubt, am Sabbat zu heilen oder nicht? Sie aber schwiegen still. Und er fasste ihn an und heilte ihn und ließ ihn gehen. Und er sprach zu ihnen: Wer ist unter euch, dem sein Sohn oder sein Ochse in den Brunnen fällt und der ihn nicht alsbald herauszieht, auch am Sabbat“ Und sie konnten ihm darauf keine Antwort geben“ (Lk 14,1-6).
Wieder folgt Jesus einer Einladung zum Essen bei einem Pharisäer, dazu noch einem ihrer Obersten. Mit am Tisch sitzen auch Gesetzeskundige und andere Pharisäer. Gegenüber von Jesus ist ein Mensch, der an Wassersucht[28] leidet. Mehrere Aspekte werden in dieser Geschichte deutlich:
- Wie bei vorhergehenden Einladungen nach Hause zum Essen, ist Jesus auch hier der Ehrengast.
- Bei dieser Gelegenheit wird Jesus besonders genau beobachtet „Sie belauerten ihn“. Im Vergleich mit Lk 11,54 und 20,20 drückt der gr. Begriff ´παρατηρουμενοι´ eine auflauernde Haltung aus. Sie sind also von vornherein negativ und kritisch auf Jesus eingestellt.
- Obwohl Jesus diese Einladungen gerne annimmt, schmeichelt er nie weder den Gastgebern, noch anderen ehrwürdigen Gästen (was damals wie heute nicht nur im Orient üblich war und ist.
- Immer wieder wird deutlich, dass auch kranke Personen freien Zugang hatten zu solchen Festmählern. Es könnte sich hier aber auch um einen Verwandten des Hauses gehandelt haben.
- Bei solchen Mahlzeiten nutzt Jesus jedes Mal die Gelegenheit, um tätig zu werden (heilen) und zu lehren.
- Meistens finden diese Festmahle am Sabbat statt. Da es der Ruhetag ist, hat man genügend Zeit zum Essen und zur Gemeinschaft.
- Jesus liegt viel daran, die wahre Bedeutung des Sabbats immer wieder deutlich zu machen, nämlich ganzheitliche Widerherstellung der Beziehung des Menschen zu Gott.
Beachten wir auch, wie Jesus vorgeht. Zuerst fragt er die Anwesenden Pharisäer und Gesetzeskundigen, ob es denn erlaubt wäre am Sabbat zu heilen. Er fragt nicht weil er ihre Meinung und Einstellung nicht kennen würde, sondern um sie herauszufordern zur Korrektur ihres Denkens. Wie oft haben sie schon Jesus erlebt, dass er am Sabbat heilte und doch blieben sie unnachgiebig in ihrer Einstellung und Haltung zur Sabbatfrage. Ihr Schweigen bedeutet keineswegs, dass sie mit Jesus einverstanden sind (nach dem Motto: Schweigen bedeutet Zustimmung). Durch anfassen heilt Jesus aus eigener Initiative den Kranken und lässt ihn gehen. Damit erkennen alle, dass eine plötzliche Heilung geschehen ist. Und bevor sie irgendwie darauf reagieren konnten, führt Jesus den Vergleich an mit dem Sohn oder Ochsen eines der Anwesenden und sagt voraus, was sie in solch einer Notsitustion auch am Sabbat tun würden. Wieder folgt Schweigen, doch dieses Schweigen ist ausdrücklich ein Zeichen ihrer Unfähigkeit dem Handeln und Argumentieren Jesu etwas entgegenzusetzen. Konnte Jesus sie von ihrer Hartherzigkeit und Buchstabentöterei überzeugen? Möglich, dass sie tief in ihrem Inneren Jesus zustimmten, doch keiner hat den Mut sich offen auf die Seite von Jesus zu stellen. Auch hier gilt:
- „Sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen, als die Ehre bei Gott“ (Joh 12,43).
- Durch welche Besonderheiten zeichnen sich die Festmahle mit Jesu Beteiligung aus?
- Welchen Stellenwert haben bei uns heute die gemeinsamen Mahlzeiten?
- Was waren die Gesprächsthemen am Tisch? Was sind heute unsere Themen beim Essen?
- Ließen sich die Pharisäer von Jesus in ihrer Einstellung korrigieren? Wo müssen bei uns alte verhärtete Ansichten aufgegeben werden?
8.21.1 Wer sich selbst erhöht, der soll ernidrigt werden
Lk 14,7-11
Jesus ist immer noch im Haus des angesehenen Pharisäers. Nun ist er es, der genau hinschaut auf das Verhalten der Gäste. Jesus stellt durch seine Beobachtung fest, dass viele der Anwesenden sich nach einem bestimmten Denk,- und Verhaltensmuster aufführen.
Dieses Verhalten enspringt der Ehrsucht, Selbsgefälligkeit, Selbsterhöhung und Selbstdarstellung, ja sogar mangelndem oder fehlendem Selbstwertgefühl.
- „Er sagte aber ein Gleichnis zu den Gästen, als er merkte, wie sie suchten, obenan zu sitzen, und sprach zu ihnen: Wenn du von jemandem zur Hochzeit geladen bist, so setze dich nicht obenan; denn es könnte einer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann kommt der, der dich und ihn eingeladen hat, und sagt zu dir: Weiche diesem!, und du musst dann beschämt untenan sitzen. Sondern wenn du eingeladen bist, so geh hin und setz dich untenan, damit, wenn der kommt, der dich eingeladen hat, er zu dir sagt: Freund, rücke hinauf! Dann wirst du Ehre haben vor allen, die mit dir zu Tisch sitzen. Denn wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden“ (Lk 14,7-11; Vgl. auch Spr 25,6-7; Mt 23,6; 23,12; Lk 18,14).
Jesus nutzt in dieser Situation die Gelegenheit und lehrt aus der Praxis für die Praxis. Er kennt die natürliche Neigungen der Menschen.
- Menschen suchen ihre eigene Ehre,
- Menschen suchen ihren eigenen Vorteil,
- Menschen wollen sich ins Rampenlicht stellen oder setzen.
Doch Jesus liegt viel daran, das Denken der Menschen zu verändern. Die Grundaussage seiner Botschaft lautete: „Tut Buße“, das heißt verändert euer Denken. Und diese Aufforderung bezieht er nun auf die konkrete falsche Denk,- und Verhaltensweise seiner Zuhörer. Auch die Apostel haben zu einer Erneuerung des Denkens aufgerufen (Apg 2,37ff; Röm 12,1-2; Jak 4,6).
- Beachten wir den kulturellen Kontext und stellen fest, was war damals (ist auch heute noch) Normalität im Verhalten der Menschen?
- Wie sieht unser heutiger Kontext aus? Haben wir den Mut, missstände in Familie oder einer Gruppe offen anzusprechen?
- Welche Erfahrungen haben wir gemacht mit erniedrigt oder erhöht worden sein?
Berühmte Lehrer pflegen zurzeit von Jesus auf Festmählern häufig eine Art Vorlesung zu halten. Anschließende Diskussionen wurden von den Gästen spannend erwartet. Auch bei den antiken Schriftstellern finden wir Monologe oder Dialoge, die im Kontext von Festmählern gehalten wurden. Die soziale Rangordnung spielt während eines solchen orientalischen Banketts eine wesentliche Rolle (siehe 1Kor 11,21; Keener 1998, 375). Hinten anstellen! Solange man noch nicht weiß, wo man sitzen wird, soll man sich nicht gleich den besten Platz aussuchen, sondern den niedrigsten. Diesen Rat erteilt Jesus vor dem Hintergrund von Spr 25,6-7.[29]
Brüste dich nicht vor dem König und an den Platz der Großen stelle dich nicht! Denn besser man sagt zu dir: Komm hier herauf! – als dass man dich heruntersetzt vor einem Edlen…
Umso beglückender, wenn man dann den Ehrenplatz einnehmen darf. Gerade so, sagt Jesus ist es auch bei Gott. Wer sich niedrig einstuft, kommt zu Ehren. Der Hochmütige kommt zu Fall.
Es gab drei Lager aus Matten oder Kissen von rechts nach links in der Abstufung und jeweils in jedem Lager wieder die Abstufung. Jeder Gast liegt auf seiner linken Seite den Kopf mit der linken Hand abgestützt. Der Kopf schaute Richtung Tisch und alle Füße nach außen. Der Höchste hatte alle im Blick und keinem im Rücken. Diese Art der Tischgemeinschaft ist für die reichen Bürger der griechisch-römischen Antike belegt. Wir haben guten Grund zur Annahme, dass diese Art der Tischgemeinschaft auch in Palästina bei einflussreichen Juden üblich war. Hier eine mögliche Liegeordnung rekonstruiert nach den Aussagen aus dem 1. Jahrhundert gemäß Pliny dem Jüngeren (Malina 2003, 285)
Summo/us = höchster
Medio/us = mittlerer
Imo/us = geringster;
Mensa = Tisch
hier saß der Geringste; hier saß der Höchste
In Jesu Sirach 3,17-20 lesen wir: Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden, und du wirst mehr geliebt werden als einer, der Gaben verteilt. Je größer du bist, um so mehr bescheide dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott. Denn groß ist die Macht Gottes, und von den Demütigen wird er verherrlicht.
In Lk 14,11 wiederholt Jesus eine bekannte und eindrückliche alttestamentliche Verheißung, die vor allem mit dem Tag des Gerichts in Zusammenhang gebracht wurde:
Jes 2,12 „Denn der HERR der Heerscharen hat sich einen Tag vorbehalten über alles Hoffärtige und Hohe und über alles Erhabene, dass es erniedrigt werde.“
Hes 17,24 „Und alle Bäume des Feldes werden erkennen, dass ich, der HERR, den hohen Baum erniedrige, den niedrigen Baum erhöhe, dass ich den grünen Baum vertrocknen lasse und den dürren Baum zum Blühen bringe. Ich, der HERR, habe geredet und werde es tun.“
Hes 21,31 „Das Niedrige soll erhöht und das Hohe erniedrigt werden!“
Der Lehrer Jesus wird im weiteren Verlauf seiner Rede unhöflich, provozierend und sogar ätzend unangenehm für den Gastgeber. Er fordert den Gastgeber auf, die sozial Gleichgestellten zu übergehen und stattdessen in einem Akt der Barmherzigkeit die Bedürftigkeit und nicht den sozialen Status zu berücksichtigen. Keiner soll Gäste einladen, um sich von ihnen feiern zu lassen oder gar auf eine Rückeinladung zu spekulieren (Lies Spr 19,17).
Fragen:
- Welche Rolle spielt der soziale Status damals und heute? Aus welchem Milieu kommen deine Gäste oder die Gäste der Gemeinde?
- Warum störte Jesus diese feine Gesellschaft? Wo würde er heute stören und provozieren?
- Wie halten wir es heute mit der Sitzordnung bei Festmählern?
- Wie beurteilst du den Drang zur Gemeinschaft mit den „Schönen und Reichen?“ Gibt es so etwas auch in der Gemeinde?
- Welche Konsequenzen willst du für dich aus diesen Jesusworten ziehen? Sollen wir nicht mehr unsere Freunde einladen?
8.21.3 Wenn du ein Mittag oder Abendessen machst
Lk 14,12-14
Nun wird Jesus ganz persönlich, er wendet sich an den Gastgeber mit einer konkreten Aufforderung:
- Er sprach aber auch zu dem, der ihn eingeladen hatte: Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird. Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14,12-14).
Es fällt geradezu auf, dass Jesus die Prinzipien Gottes aus dem AT hier in ein neues Licht stellt und zur Umsetzung im Alltag auffordert. So heißt es schon bei dem Propheten Jesaja:
- „… sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag“ (Jes 58,10).
Wie weit weg entfernten sich doch die Pharisäer in ihrem Lebensstil von dem, wie Gott sich ein gerechtes und soziales Miteinander vorgestellt hatte. Wenn diese göttlichen Prinzipien nicht gelehrt und praktiziert werden, bricht sich das menschliche sündige Herz wieder seine Bahn.
- Gastfreundschaft aus Gründen des persönlichen Nutzens. Menschen erwarten und erhoffen Belohnung oder Gegenleistung für ihre Gastfreundschaft, Dies ist nicht nur orientalische Verhaltensweise. In erster Linie werden die nächsten Familienangehörigen zu Feiern oder Festen mit üppigen Mahlzeiten eingelden. Dann sind es die Freunde, dann die bekannten, welche unserem sozialen Status entsprechen. Die Behinderten fehlen gänzlich auf der Gästeliste der Pharisäer.
- Statuserhalt,- Menschen sind von sich aus nicht geneigt, mit sozial niederen Ständen Gemeinschaft zu suchen oder gar sie in ihre Häuser einzuladen. Sie suchen in der Regel immer Ihresgleichen oder auch solche, die höheren Ranges sind,
- Bequemlichkeit,- es erfordert viel Zeit und Aufwand sich mit Armen, Krüppeln, Gelähmten oder Blinden abzugeben[30]. Die Gemeinsamkeiten mit solchen behinderten Menschen sind auf den ersten Blick sehr gering. Man übersieht jedoch, dass gerade solche Menschen haben andere den gesunden Menschen unbekannte Eigenschaften oder Fähigkeiten, die für das Miteinander wertvoll sind.
- Materiell abhängiger Lebensstil raubt dem Menschen schon hier die Glückseligkeit[31] und die Belohnung in der Gotteswelt bei der Auferstehung der Gerechten.
Es wird auch deutlich, dass Jesus sich um die soziale Gerechtigkeit in seinem Volk kümmert. Und er tut etwas dafür, er prangert nicht nur unerschrocken die Missstände an, sondern zeigt deutlich auf, wie es richtig zu machen ist. Und er lenkt den Blick der Zuhörer immer wieder auf das Ende und das Ziel hin, nämlich auf die ewige Gotteswelt zu der er gerade und besonders die hier benachteiligten einlädt.
- Lassen wir uns von Jesus auf unsere falschen Gewohnheiten auch ganz persönlich ansprechen, oder ärgert es uns, wenn wir zur Veränderung aufgerufen werden?
- Ladest du gerne zu dir nach Hause ein? Nach welchen Kriterien (Gesichtspunkten) suchst du dir deine Gäste aus?
- Welche Erfahrungen hast du mit behinderten Menschen gemacht?
- Machst du dir Gedanken über die Belohnung bei der Auferstehung der Gerechten?
Lk 14,15-24
15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! (Lk 13,29) 16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! 18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. (1Kor 7,33) 21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. 22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
- Welche Vorstellung hatten die Pharisäer in Bezug auf das zu erwartende Reich Gottes?
- Jesus reagiert auf die theologische Bemerkung mit einem Vergleich. Was ist so ungewöhnlich bei diesem Gleichnis? Beachte den Kontext zur Zeit Jesu.
- Welche zuerst geladene Gruppe von Menschen ist gemeint? Warum bekommen sie keine weitere Chance mehr?
- Warum wendet sich Gott besonders Behinderten, Schwachen, ja sogar Verachteten Menschen zu? Von diesen Gruppen von Menschen scheint niemand die Einladung abgelehnt zu haben. Heißt es, dass alle Behinderten Gottes Einladung zum Heil annehmen werden?
- Du hat nun Jesus begleitet an einem Sabbat und hast ihn erlebt. Was willst du in deinem Leben verändern?
8.22 Gleichnisse
(Lk 14,15-24[32] lies auch Mt 22,1-14)
Lukas 14 und 15 sind theologische und literarische Meisterstücke der Darstellung von Gottes bedingungsloser Gnade. Der Evangelist Lukas verbindet das Zentrum seiner theologischen Absicht mit einem orientalischen Bankett. Denn so wie für Johannes dem Täufer die feurige Bußpredigt typisch war, so ist für das Jesus die provokative Ansprache während eines üppigen Abendessens typisch.
Vers 15 Als aber einer von denen, die mit zum Mahl lagen
Mit diesen knappen einführenden Worten führt uns Lukas mitten in ein abendfüllendes orientalisches Diner. Jesus liegt mit den anderen auf Kissen. Einen Tisch erwähnt der Text nicht, wäre aber vorstellbar. Der Tisch wird zwar nur viermal im Neuen Testament erwähnt – ist aber typisch für die reichere Oberschicht zu dem der gastgebende Pharisäer gehört. Einer der anwesenden Gäste eröffnet das theologische Thema, mit dem zum guten Mahl passenden Hinweis auf das große messianische Freudenmahl, wie es im Prophetenbuch Jesaja Kapitel 25,6-9 beschrieben wird.
Vers 15 …(als er) dies hörte, sprach er zu ihm: „Glückselig, wer das Brot essen wird im Reich Gottes!“
Im Jesajabuch wird das anbrechende messianische Heilszeitalter als ein großes fettes Mahl mit internationalen Gästen beschrieben. Alle werden Trost und Heil finden und gemeinsam beste Speisen essen (Hinweis für heute: endlich ohne auf Diäten achten zu müssen!). In der frühen jüdischen Literatur (z. B. 1Hennoch 62,1-16) hatte man Probleme mit Texten, die solch ein universales Heilsangebot zum Inhalt hatten. Diese Lehrer waren sich einig: die internationalen Gäste werden eingeladen, aber nur um mal so richtig abgewatscht zu werden. Keinesfalls würden sie dieses Mahl genießen. Aber die Frommen des Gottes Volkes – sicherlich die anwesenden Herren – würden zu den Genießern gehören. Jesus antwortet, ohne im Geringsten auf die strengen orientalischen Regeln der Gastfreundschaft zu achten, mit einem Gleichnis:
Vers 16 Er (Jesus) aber sprach zu ihm:
Wir haben guten Grund zur Annahme, dass der Evangelist Lukas uns hier in Form und Inhalt nahe an den unvergleichlichen Prediger Jesus heranführt. Wir lesen die Antwort von Jesus in einem Gleichnis, bestehend aus einer Einleitung, 7 kurzen Reden und dem Schluss.1
Einleitung:
Ein Mensch machte ein großes Gastmahl GASTMAHL
und lud viele ein. EINGELADENE
Jesus eröffnet, indem er eine Szene beschreibt, die seinem aktuelle Kontext sehr nahe kommt. Ein reicher, wichtiger Mann lädt Kollegen und Gleichgestellte zu einem Festmahl ein. Nach dieser ersten Einladung konnte der Gastgeber anhand der zu erwarteten Gäste bestimmen, welches Tier er zu diesem Fest schlachtet: ein Huhn für 2-4 Gäste, eine Ente für 5-8 Gäste, ein Lamm für 10-15 Gäste, einen Hammel für 15 bis 35 Gäste und ein Kalb für 35-75 Gäste. In dem Vorkühlschrankzeitalter musste natürlich alles am gleichen Tag verzehrt werden. Alle anderen Speisen – besonders die vielen Gemüsesorten – wurden vorbereitet, um dann kurz vor Beginn des Festmahles einen Diener mit der zweiten Einladung loszuschicken (so eine Art Glocke kurz vor Eröffnung des Banketts).
- Rede
Und er sandte seinen Knecht zur Stunde des Gastmahls, TUT DIES
um den Eingeladenen zu sagen: Kommt!
Denn schon ist alles bereit. AUF GRUND
Und sie fingen alle ohne Ausnahme an, ENTSCHULDIGE
sich zu entschuldigen.
Alles ist zubereitet. Ihr habt die erste Einladung akzeptiert. Die die Sonne ist untergegangen – ran an die herrlichen Speisen! Jesus legt das messianische Mahl am Ende der Tage aus – soviel ist allen Zuhörern klar. So gilt für die Zuhörer: Der Messias ist gekommen. Alles ist bereit für das anbrechende Heil. Liebe jüdischen Zeitgenossen kommt zum Mahl! Kommt zum Heil! – Doch hier kommt die unerwartete Wende.
- Rede
Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft ICH TAT DIES
und muss unbedingt hinausgehen und ihn besehen; JETZT MUSS ICH
ich bitte dich, halte mich für entschuldigt. ENTSCHULDIGE
Der Landexperte hat Land gekauft (haben viele der anwesenden Zuhörer auch getan) – jetzt will er hingehen und es besehen. Jeder Großstadtneurotiker kann hier durchblicken – wenn das nicht eine glatte Lüge ist. Nicht nur in unseren Großstädten ist gutes Land knapp – auch im Orient. Vor dem Kauf wurde jeder Quadratmeter begutachtet. Quellen, Wege, Steinwälle, Bäume wurden im Vertrag aufgenommen. Sogar der Ertrag wurde über Generationen zurück verfolgt. Heute würde so ein Typ sagen: Ich habe gerade ein Haus am Telefon gekauft und muss es jetzt am Abend noch anschauen (Da wird er aber viel sehen!) Die Aussage lautet: „Meine Immobilie ist mir wichtiger als das Fest – der Gastgeber ist mir gleichgültig!“ Auch die dürftigen Worte der Entschuldigung ändern daran nichts.
- Rede
Und ein anderer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft, ICH TAT DIES
und ich gehe hin, sie zu erproben; JETZT MUSS ICH
ich bitte dich, halte mich für entschuldigt. ENTSCHULDIGE
Der Viehzuchtexperte muss reichlich Bargeld haben. Darüber hinaus muss ein Mensch der zur Feldbearbeitung 10 Tiere benötigt, einen ungewöhnlich großen Landbesitz haben. Er hat zehn Hornochsen gekauft, wahrscheinlich als Paar gut am Joch trainiert und will diese jetzt am Abend testen. (Da wird er aber noch viel testen!) Selbst Menschen mit einer ausgesprochen Tierphobie ahnen es – der Experte hat doch sicherlich schon viele 100m Testpflügen hinter sich – denn erst danach begann die Preisverhandlung. Heute würde so ein Typ sagen: Ich habe gerade fünf Gebrauchtwagen am Telefon gekauft, jetzt will mal hingehen und schauen ob die überhaupt anspringen. Auch seine Aussage lautet: „Mein Hornvieh ist mir wichtiger als deine Party, ja sogar wichtiger als eine Beziehung mit dem Gastgeber.“ Die Entschuldigungsfloskel ändert auch daran nichts.
- Rede
Und ein anderer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet, ICH TAT DIES
und darum ??? JETZT MUSS ICH
kann ich nicht kommen. ICH KOMME NICHT
Der leidenschaftliche Bräutigam beendet seine 2. Zeile nicht! Er hat – wie wahrscheinlich alle anwesenden Zuhörer – geheiratet. Irgendwann – denn niemals gab es zwei Feste im Dorf am gleichen Abend. Wahrscheinlich war auch schon seine Honeymoon-Zeit verstrichen. Was er jetzt am Abend so dringendes tun muss, wird gemäß der orientalischen Schamkultur verschwiegen. Zumal er doch sich doch nachts wieder bei seiner Ehefrau wärmen kann. Auch die höfliche Entschuldigung fehlt. Wir gehen von einer zweimaligen Einladung aus. Da fragt man sich doch zu Recht, warum dieser Zeitgenosse die erste Einladung annahm. In der damaligen patriarchalen Gesellschaft sprachen Männer ungern über die weiblichen Glieder ihrer Familie. Seine Aussage lautet: „Mein Beschäftigung mit meiner Frau ist mir wichtiger als dein Bankett – ich komm nicht, auch wenn der Gastgeber fortan der erbittertste Feind im Dorf ist. Ja im Gegenteil, ich tue alles, damit dieses Fest der größte Reinfall wird.“
Die damaligen Zuhörer konnten die theologischen Implikationen leicht nachvollziehen: Jesus der Messias lädt ein und die Leiter der jüdischen Gemeinschaft weisen ihn mit glatten Lügen und dummen Sprüchen zurück (z. B. er isst mit den Sündern!) Dieses Fest ist keine Armenspeisung – sondern das Endzeitliche Mahl, das über Heil oder Unheil entscheidet. Es werden keine Essenspakete an die Verhinderten versandt werden. Sie müssen kommen oder alles verpassen.
- Rede
Und der Knecht kam herbei und berichtete dies seinem Herrn.
Da wurde der Hausherr zornig und
sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus HAUSHERR GEH!
auf die Straßen und Gassen der Stadt AUF DIE STRASSE
und bringe die Armen und Krüppel MACH VOLL
und Blinden und Lahmen hier herein!
Der Zorn des Gastgebers ist selbst in unserer heutigen Individual-Gesellschaft nachvollziehbar. Er ist öffentlich beleidigt worden. Aber er reagiert mit Gnade und Barmherzigkeit – nicht mit Rache. Er wendet sich an die Marginalisierten, die am Rand der Dorfgesellschaft geduldet wurden und bricht damit seine Beziehung zur Elite. Die Zöllner und Sünder Israels sind damals gemeint. Solche Menschen würden nach der Meinung vieler Zuhörer weder im Tempel und sicher auch nicht am Tisch des Messias willkommen geheißen werden. Weder der Gastgeber noch die Betroffenen verbanden soziale Verpflichtungen. Diese Eingeladenen würden sich auch nie mit einer Gegeneinladung revanchieren können. Blinde können damals nicht erst ihre Immobilie besehen, Körperbehinderte nicht erst Probepflügen, Verkrüppelte durften nicht heiraten – sie nehmen die Einladung an. Es ist diese unerwartete Demonstration der Liebe in Demut die Menschen zur Annahme der Einladung bewog – wie im Gleichnis von den verlorenen Söhnen. Diese Sünder saßen doch so oft mit Jesus beim Essen – sie sind dabei – auch wenn sich die Frommen Israels über diesen Jesus und seine Gesellschaft heftig beschweren.
- Rede
Und der Knecht sprach: KNECHT
Herr, es ist geschehen, wie du befohlen hast, ICH GING
und es ist noch Raum. NICHT VOLL
- Rede
Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus MEISTER – GEH!
auf die Wege und an die Zäune ZU DEN WEGEN
und nötige sie hereinzukommen, MACH VOLL
Hiermit sind wir mitten in bei der Diskussion über heutige Gemeindekonzepte angekommen. Wir sehen beides: die zentrifugale Bewegung: Kommt! – aber auch die zentripetale Bewegung: Geh! Neben den am Rande der Gemeinschaft geduldeten Zeitgenossen kommen jetzt die verachteten Heiden (= alle Nichtjuden) ins Blickfeld, die schon in der Vorlage im Jesajatext genannt waren. Sie waren die Mitmenschen jenseits der Gemeinschaft, die nicht im nähren Lebensumfeld geduldet wurden und darum außerhalb der Stadtmauern leben mussten. Die Frommen lehnten die Einladung ab, die am Rande lebenden nahmen sie an – ob die sogenannten Heiden sie annehmen bleibt offen! Dieser Ruf zur Heidenmission wurde damals in der ersten Gemeinde vom Evangelisten Lukas gehört und in dieser herausfordernden Weise wiedergegeben. Dies ist auch der bis heute offene Auftrag unseres Herrn. Es ist noch Raum für Fernstehende – wirklich auch in meiner Gemeinde, in meinem Hauskreis? Nötigen meint hier freundlich am Arm schüchterne Mitmenschen herein geleiten – nie kann dies die Belegstelle für z.B. die spanische Inquisition sein.
Gnade ist unglaublich! Meint sie mich? Kann ich sie zurückzahlen? Ja, sie meint jeden der kommt – nicht nur die ursprünglich Erwählten. Jesus ist der Gedanke einer mechanischen Erwählung fremd. Wirklich ich kann nichts für das Heil tun, aber so viel um es zu verpassen!
Schluss
Denn ich sage euch,
dass nicht einer jener Männer, die eingeladen waren, EINGELADENE
mein Gastmahl schmecken wird. GASTMAHL
Jesus ruft an Gottes Stelle zum Heil. Jeder der hereinkommt wird es genießen! Lieber Frommer Teilnehmer, wenn du dich nur bekehrt und gerettet fühlst, aber nicht zur großen Party des Heils in der Gemeinschaft mit all den seltsamen Gästen kommst –
das große messianische Mahl wird ohne dich stattfinden!
Die Schlichtheit dieser Logik ist eine Form geradezu verzweifelter Hoffnung auf Gerechtigkeit. Sie lässt Raum für Gottes Handeln, Helfen und Heilen auch für den, der hier nicht schon alles hat, genießt, verbraucht und der so seine Sehnsucht lebendig erhalten kann oder auch muss (Berger 2004, 487). Das ähnliche Gleichnis endet bei Matthäus mit der angefügten Frage nach dem Festgewand. Damit wird die Frage aufgegriffen, ob es auf das Verhalten der Menschen, die gerufen werden, überhaupt nicht ankomme. Hier finden wir das Prinzip der Würdigkeit und der Umkehr für das Bestehen im Gericht (Jeremias 1998, 63).
Fragen:
- Was können wir Menschen tun, um beim letzten Mahl teilzunehmen? Was nicht? Was können wir tun, um es zu verpassen?
- An welchen Worten von Jesus machst du das universale Heilsangebot von Jesus fest? Gibt es eine Vorsortierung, Erwählung zum Heil oder Unheil an der ein Mensch nichts mehr ändern kann?
- Beschreibe die Komm-Struktur und die Geh-Struktur im Reich Gottes. An welche Zielgruppe richtet sich das „Komm!“ und welche das „Geht hin!“?
- Wie erreichen wir Fernstehende? Was heißt, sie zum Hereinkommen nötigen?
- Der Auftrag ist noch offen – noch ist Raum! Was tun wir als Hauskreis, als Gemeinde und auch als Gemeindebund, um diesen Auftrag zu erfüllen.
8.23 Selbstverleugnung und Nachfolge
Jesus lenkt den Blick seiner großen Schar von Nachfolgern weg von der Sorge um den eigenen guten Ruf hin zu den Gottesfernen (Lk 14,7-24). Wenn Jesus hier mit dem Wort „hassen“ eine Hyperbel, als eine rhetorische Übertreibung nutzt, dann weist er darauf hin, dass wir jemanden oder etwas weniger lieben sollen (Mt 10,37). Doch auch so sind seine Aussagen in einer absolut familiendominierten Gemeinschaft anstößig. Die erweiterte Familie war Lebensinhalt und größte Freude der Menschen (Keener 1998, 377). Der Bruch mit den sozialen Netzwerken und die Hinwendung zur Ersatzfamilie, d.h. der Gemeinschaft der Nachfolger von Jesus ist und bleibt ein Ärgernis für alle Generationen von Bibellesern. Es hat den Anschein, dass Jesus hier bei seiner Anhängerschaft die Spreu vom Weizen trennen will (Fans oder Nachfolger). Die Versorgung dieser Ersatzfamilien wird weiter unten geregelt.
Jesus kommt dann auf die vielfach öffentlich vollzogenen Hinrichtungen zu sprechen. Ein verurteilter Verbrecher musste den Querbalken des Kreuzes vorbei an einer johlenden Menge zur Hinrichtungsstelle tragen. Dort ragte schon der vertikale Balken empor an dem er gekreuzigt werden sollte. Ein solches Schicksal nahm niemand freiwillig auf sich. Doch Jesus provoziert hier in extremer Form, wenn er seine Nachfolger zum „Kreuztragen“ auffordert. Das bedeutet, dass sie im Vergleich zwischen Hingabe und persönlichem Wohlfühlen, ihr eigenes Leben hassen sollen. Wenn es um die Nachfolge geht, darf die Billigung der eigenen Familie (14,26) oder den Besitz (14,33) nicht über den Ruf Gottes gestellt werden.
Erst denken und dann handeln! Wer bestehen will, muss Kräfte und Größenverhältnisse richtig einschätzen. Voll Einsicht in katastrophal missglückte Unternehmungen warnt Jesus vor Bauruinen aufgrund von Geldmangel. Hier wird der Bau eines Wachturms oder eines Turms zur Speicherung der Vorräte erwähnt – was kann hier alles schief gehen! So war ein fehlerhaft konstruiertes Amphitheater für Gladiatorenkämpfe in Fidenae in der Nähe Roms 27 n. Chr. eingestürzt und hatte den Tod von (Tacitus Annalen 4,62-63) 50.000 oder (Sueton Tiberius 40) 20.000 Menschen gefordert. Die Fundamente und Holzbalken-verbindungen waren wohl mangelhaft gewesen. Selbst der Kaiser kam aus Capri herbeigeeilt, um die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. Hier geht es um die Schande des Architekten oder Bauherrn in einer Gesellschaft, die von Ehre geradezu besessen war (Keener 1998, 377).
Jesus stellt weiter vor Augen, das es den Tod ungezählter Soldaten bedeutet, wenn sich ein Feldherr in der Truppenstärke des Gegners verschätzt hat. Ist der Gegner weitaus stärker, dann ist nur ein Massaker zu erwarten. Wenn man Größenverhältnisse nicht richtig einschätzen kann, führt das zu Quälerei und Grausamkeit. Herodes Antipas hatte kurz vorher einen Krieg gegen einen benachbarten römischen Vasallenkönig verloren. Die bitteren Konsequenzen kannten die Zuhörer. So, sagt Jesus, müsst ihr auch bei der Entscheidung für das Reich Gottes wissen, wie es um eure Kräfte bestellt ist. Seid ihr dem Risiko gewachsen? Im Grunde genommen wirbt Jesus hier geschickt für das Reich – denn nur eine anspruchsvolle Sache ist interessant. Andererseits soll man auch nichts unnütz riskieren (Berger 2004, 208).
Jesus fordert dann in V. 33 zu einem radikalen Verzicht auf. Die jüdische Gemeinschaft der Essener stellte ihren Besitz der Bruderschaft zur Verfügung. Die Jünger von Jesus waren nicht völlig besitzlos, aber sie teilten alles was sie besaßen (Apg 2,44-45. Jesus lässt keinen Zweifel daran, dass jemand, der angesichts der Not von Mitmenschen seinen Besitz für wichtiger hält, nicht sein Jünger sein kann.
Salz ist ein lebensnotwendiges Lebensmittel – mit diesem Vergleichspunkt fordert Jesus sein Nachfolger heraus. Nachfolger die nicht wie Nachfolger leben, sind so viel wert wie geschmackloses, verunreinigtes Salz[33] – gut für den Mist! (Lies Mk 9,50; Mt 5,13, Kol 4,6 nach versch. Übersetzungen).
- Was sind die Kosten der Jesusnachfolge (lies: Mt 7,14; Lk 13,24; Joh 16,33; 2Tim 3,12)?
- Warum kann keiner der von Jesus gerufen wird, neutral abwarten? Was sagt uns das Gleichnis vom König der Krieg führt in dieser Hinsicht? Warum kann das Leben des Nachfolgers als ein Kampf beschrieben werden (siehe auch 1Petr 5,8; 1Joh 2,16)?
- Welche Stellung haben soziale Netzwerke im Leben der Nachfolger? Wo ist der Bruch notwendig? Wo sind sie für die Ausbreitung des Reiches Gottes notwendig? Wohin sandte Jesus Geheilte? Wie verhielten sich die Zwölf?
- Was hindert Nachfolger einen einfachen Lebensstil und das großzügige Teilen im Alltag umzusetzen?
Fragen:
- Jesus ist unterwegs nach Jerusalem, viele Menschen folgen ihm nach, gehen mit ihm. Warum freut es denn ihn nicht? Dagegen erhebt er hohe Ansprüche an die Nachfolger. Wie soll man dies einordnen? Verlangt er nicht zu viel, sind nicht seine Erwartungen zu hoch`Was heißt es die Kosten überschlagen?
Wir sind wie Salz, dass nur in seiner Wirksamkeit einen Wert hat. Wann sind Menschen fade, also nicht mehr würzig?
8.24 Verloren und gefunden
Lk 15,1-32
Die einleitenden Worte beschreiben die Umstände unter denen Jesus diese drei Gleichnisse erzählte. Diese Umstände beschreiben „moderne“ Theologen als den „Sitz im Leben“. In unserem Fall wird der Sitz im Leben von diesen Theologen als glaubwürdig und historisch zuverlässig beschrieben. Die Gleichnisse sind also als Verteidigungs- und Rechtfertigungsreden zu verstehen. Jesus hat seine Tischgemeinschaft mit den jüdischen Sündern, den Verlorenen die wissentlich das Gesetz missachten (nicht mit dem Volk des Landes = den Durchschnittsbürgern) zu rechtfertigen. Damit sind wir bei einer wesentlichen kulturellen Frage des Nahen Ostens.
Zu Tisch geladen zu werden, war und ist eine besondere Ehre. Dies war ein Angebot des Friedens, des Vertrauens, der Brüderlichkeit und Vergebung. Das gemeinsame Mahl bedeutet: gemeinsam zu leben. Darum waren die gemeinsamen Mahlzeiten Jesu mit Zöllnern und Sündern ein Ausdruck von Jesu Mission und Botschaft. Es waren eschatologische Mahlzeiten in Erwartung des letzten großen Abendmahles, wobei jetzt schon die teilnehmenden Heiligen repräsentiert wurden. Die Teilnahme von Sündern an diesem Mahl war ein Ausdruck der Botschaft von der vergebenden Liebe Gottes (Jeremias 1971, 115).
Im Nahen Osten ist es heute wie damals üblich, dass ein Vornehmer eine Anzahl von niedrigeren Bedürftigen als Anzeichen seiner Großzügigkeit, speist. Aber nie würde er mit ihnen essen. Wenn jemand die „Sünder“ aufnimmt, d.h. sie empfängt, bedeutet dies, dass er mit ihnen isst und sie in einer besonderen Weise akzeptiert. Kein Wunder: die anwesenden Pharisäer waren entsetzt!
Hinzu kommt noch die Möglichkeit, dass sich das Wort Sünder „aufnehmen“ darauf bezieht, dass Jesus als Gastgeber selbst Sünder in „sein“ Haus einlud. Wir lesen davon in Mk 2,15f. Das griechische Verb prosde,cetai prosdechotai hat als eine mögliche Bedeutung: „jemanden als Gast aufnehmen.“ Wenn Jesus der Gastgeber wäre, würde dies eine weitere wesentliche Schlussfolgerungen zulassen. Zu einem orientalischen Bankett werden Gäste eingeladen, die zur Ehre des Gastgebers beitragen. Der Gastgeber würde das Bankett eröffnen, indem er den Gästen Komplimente macht, über die Ehre die ihr Besuch für sein Haus darstelle. Die Gäste würden dann antworten, indem sie entweder die Ehre Gottes für den Gastgeber erflehen, oder betonen, was für eine Ehre es ebenfalls für sie sei, im Hause des Gastgebers eingeladen zu sein. Wir verstehen: für die meisten Pharisäer war es ein gröberer Verstoß Sünder als Gastgeber einzuladen, als bei anderer Gelegenheit mit ihnen zu essen oder sich von einem Zachäus aus Jericho einladen zu lassen. Dennoch war beides ein herausfordernder Verstoß, der die kulturellen und theologischen Empfindlichkeiten der Pharisäer verletzte. Jesu Verteidigungsrede lesen wir dann Lk 15,4-32.
- Wie hängen die Begriffe „Ehre“ und „Mahlgemeinschaft“ für einen Orientalen des 1. Jahrhunderts zusammen?
- Suche andere Beispiele für Jesu absichtliche Provokationen der „Frommen!“
8.24.1 Das wiedergefundene Schaf
Lk 15,4-7
Wir erkennen in diesem Gleichnis wieder eine auffallende Literaturstruktur. Wir können das Gleichnis in drei Strophen einteilen, wobei die 1. und die 3. Strophe enge Verbindungen auf weisen. Die 2.Strophe hat einen deutlichen anderen Aufbau als die beiden äußeren.
A Welcher Mensch unter euch, der hundert Schafe hat
B und eines von ihnen verloren hat,
C lässt nicht die neunundneunzig in der Wüste
1 und geht dem verlorenen nach,
2 bis er es findet, und wenn er es gefunden hat,
3 so legt er es mit Freuden auf seine Schultern;
4 und wenn er nach Hause kommt,
ruft er die Freunde und die Nachbarn zusammen
3′ und spricht zu ihnen: Freuet euch mit mir,
2′ denn ich habe mein Schaf gefunden,
1′ das verloren war.
A‘ Ich sage euch: Also wird Freude im Himmel sein
B‘ über einen Sünder, der Buße tut,
C‘ mehr als über neunundneunzig Gerechte, welche der Buße nicht bedürfen.
Die semantischen Entsprechungen wären folgende:
A wer von euch
B eines
C neunundneunzig
1 das Verlorene
2 finden
3 Freude
4 die Heimkehr, die Wiederherstellung
3′ Freude
2′ finden
1′ das Verlorene
A‘ Ich sage euch
B’` einer
C‘ neunundneunzig
In den beiden äußeren Strophen finden wir einen Stufenparallelismus in drei Schritten. In der mittleren Strophe finden einen nach innen gekehrten (inversen) Parallelismus mit der „freudigen Heimkehr zu Freunden“ (der Wiederherstellung) als Höhepunkt.
Das Gleichnis vom verlorenen Schaf einem Pharisäer zu erzählen ist eine direkte Herausforderung.[34] Die Hirten, die mit ihren Herden zurzeit von Jesus umherwanderten, wurden zum unreinen „Volk des Landes“ (‚am ha ‚aretz) gerechnet. Im Programm der Pharisäer war ein Sünder, entweder eine unmoralische Person, die sich nicht an das Gesetz hielt oder eine Person, die einen verachteten Beruf ausübte – der Beruf des Hirten gehörte dazu. Zu beachten ist der Unterschied zwischen unrein (bedarf einer Reinigungszeremonie) und sündig (bedarf eines Schuld-/ Sündopfers). Der Umstand, dass ihre Tiere oft illegal auf Privatland grasten und dass die Berufsausübung eher schlecht mit den Regeln der jüdischen Tradition in Einklang zu bringen war, führten zu einem schizophrenem Verhältnis gegenüber den Hirten. Einerseits waren sie in literarisch-allegorischer Form geachtet, doch als Menschen sehr verachtet.
Jesus beginnt das Gleichnis mit einem Schock. Er verletzt bewusst die Empfindlichkeiten der pharisäischen Zuhörer mit seinen Worten: „Wer unter euch hat 100 Schafe…..“ Jesus greift ihre Vorurteile und verächtlichen Urteile direkt an. So als würde heute jemand eine Frauenstunde mit den Worten eröffnen: „Wer unter euch, der als Prostituierte wie Rahab arbeitet könnte sich vorstellen, dass…..“ Einige Pharisäer haben ernsthaft diskutiert, ob sie jemals unter irgendwelchen hypothetischen Bedingungen, die Aufgaben eines Hirten ausüben könnten. Jesus spricht sie direkt als Hirten an.
Unser Text liest: „Welcher Mensch unter euch, der 100 Schafe hat.“ Eine normale Familie hatte 5-15 Schafe. Ein wohlhabender Mensch, der 100 Schafe sein eigen nennen konnte, heuerte sicherlich einen „Mietling“ an. In unserem Fall könnte man sich eine erweiterte Sippe vorstellen, die einem Mitglied der erweiterten Sippe alle Schafe anvertraute. Der Hirte versorgte dann eigene Schafe und die der erweiterten Sippe. Die Freude bei der erweiterten Sippe bei seiner Heimkehr mit dem verlorenen Schaf, würde diese Konstellation stützen.
Das Gleichnis macht klar, dass sich der Hirte zweimal freut. Einmal in (3) beim Fund des Schafes und dann wieder im Dorf (3′). Beim ersten Mal freut sich der Hirte, obwohl die ganze Arbeit der „Wiederherstellung“ des Schafes noch vor ihm liegt. Das erschöpfte Tier muss geborgen und dann nach Hause getragen werden – auch über eine weite Entfernung – und da soll sich einer freuen? Der arabische Ausleger Said betont hier: „Der Hirte legt das Schaf auf seine Schulter wissend, dass die harte Arbeit noch vor ihm liegt!“ Das Thema der schweren Last, die der Wiederherstellung vorausgeht ist wichtig zu notieren. Nach dem Finden des Tieres muss es gepflegt, wiederhergestellt werden. Die Freude über das zurückgebrachte Tier wird in (3′) beschrieben. Damit umrahmt die Freude die Heimkehr, die Wiederherstellung.
Interessant ist auch noch die Ausdrucksweise: „…und eins von ihnen verloren hat“ Wann immer in der heutigen orientalischen Gesellschaft ein Missgeschick passiert, wird die Schuld nicht der Person, sondern dem Gegenstand des Missgeschickes gegeben. So hat nicht der Hirte das Schaf verloren, sondern das Schaf hat sich verirrt. In Mt 18,13 (lies!) finden wir diese Aussage. Hier bei Lukas gewinnt die Aussage an Schärfe, da dem Hirten die Schuld gegeben wird: er hat „aktiv“ verloren, hier steht noch nicht einmal das mildere Passiv.
Das nächste Problem, ist die Tatsache, dass der Hirte seine Herde in der Wüste, Steppe oder Einöde zurücklässt, aber mit dem verlorenen Schaf zum Haus zurückkehrt. Levison bemerkt zu diesem Umstand:
Ich sah nie in Syrien, Palästina oder Mesopotamien eine große Herde, die nur von einer Person begleitet wurde. Zwei oder drei Hirten wurden im Allgemeinen angestellt. Wenn ein Schaf verloren ging, würde einer sich auf die Suche machen, während der andere die Herde nach Hause bringt. Beim Nachhause kommen würde gleich die ganze Sippe das Fehlen des einen Hirten bemerken und um seine Sicherheit besorgt sein. Gerade wenn der Hirte nur eine Hand frei hat und dann noch ein verletztes Tier trägt, kann er sich schlecht gegen wilde Tiere zur Wehr setzen. Das Finden und Nachhause bringen des verlorenen Schafes, wird sicher Anlass zum freudigen Dank im Dorf (Levinson 1926, 152f).
Der Text kann darum auch bedeuten, dass der Hirte die Herde verließ, als diese noch in der Wildnis war. Der zweite Hirte hätte dann die große Herde verantwortlich übernommen. Wir werden allerdings tatsächlich im Unklaren darüber gelassen, ob die 99 auch nach Hause gebracht wurden.
Der Hirte freut sich mit seiner Sippe über seine sichere Rückkehr und das wiedergefundene Schaf, das evtl. einem anderen Sippenmitglied gehörte. Sollte sich nicht ein Dorf genauso über die Wiederherstellung eines verlorenen Sünders freuen, anstatt zu murren, wie in V.2 beschrieben?
Das theologische Bündel des Gleichnisses
Wir finden in diesem Gleichnis eine Serie von mindestens vier Themenbereichen, die alle in Beziehung zu einander betrachtet werden müssen. Kein Thema sollte hier herausgehoben werden, da jedes gleich wichtig ist.
Die Freude des Hirten wird deutlich ausgedrückt. „Kommt nehmt Teil an der Freude über die Umkehr eines Sünders!“ Diese Freude wird ausgedrückt und mit der ganzen Gemeinde geteilt.
Der Hirte freut sich auch angesichts der kommenden, beschwerlichen Lasten, die das gefundene Schaf verursacht. Jesus verteidigt seine Haltung, dass er Sünder willkommen heißt. Dieses willkommen heißen beinhaltet auch die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft. Das verirrte Schaf muss zur Herde zurückgebracht werden, die jetzt im Dorf ist. Dafür muss der Hirte einen Preis zahlen. Die Suche hat ihren Preis, aber die Wiederherstellung hat ihn genauso. Hier liegt ein Hinweis auf den Preis vor, den Jesus für die Wiederherstellung des verirrten Sünders zu zahlen bereit ist. Der Schafhirte trägt die Last des verirrten Schafes auf seiner Schulter – ohne die „Aufschulterung“ keine Wiederherstellung. Diese Aufgabe übernimmt der Schafhirte mit Freuden.
Diese Liebe sucht den Sünder. „Welche Mühe machen sich sowohl der Hirte, als auch die Hausfrau im folgenden Gleichnis, um ihren Besitz wiederzufinden und welch tiefe Befriedigung erfahren beide, als sie erfolgreich waren. Die Schlussfolgerung wäre dann: Zöllner und Sünder gehören wirklich zu Gott, auch wenn es äußerlich so anders aussehen mag, und Gott selbst will sie zurückhaben, er nimmt Schwierigkeiten auf sich um sie wieder zu gewinnen…..Darum ist neben der Freude über die einen umkehrwilligen Sünder, die göttliche Liebe, die hinausgeht und den Sünder sucht, bevor er Buße tut, charakteristisch für beide Gleichnisse.“ (Mason, T.W. 1937. Sayings of Jesus. London: SCM, S. 283f)
- Was war die Provokation von Jesus in diesem Gleichnis?
- Mache einige Aussagen über die Lehre der Errettung des Menschen (Soteriologie), die in diesem Gleichnis ausgedrückt werden.
- Was bedeuten dir Freude, die Last der Wiederherstellung und gnädige, suchende Liebe?
k 15,1-7
8.24.2 Der wiedergefundene Groschen
15,8-10
Das Gleichnis vom „Verlorenen Schaf“ und von der „Verlorenen Münze“ kann man als ein Doppelgleichnis betrachten. Das zweite Gleichnis hat eine einfachere, nicht so präzise Struktur wie das vorhergehende Gleichnis.
Oder welche Frau, die zehn Drachmen hat,
A wenn sie eine Drachme verliert,
B zündet nicht, eine Lampe an und kehrt das Haus und sucht sorgfältig, bis sie sie findet? Und wenn sie sie gefunden hat,
C ruft sie die Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und spricht: Freuet euch mit mir,
B‘ denn ich habe die Drachme gefunden,
A‘ die ich verloren hatte.
Also, sage ich euch, ist/wird Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.
Folgendes Muster bildet die obenstehende Struktur:
Einleitung: eine Frau mit 10 Münzen
A eine ist verloren
B sucht bis sie findet
C Freude im Dorf über die Wiederherstellung
B‘ weil gefunden hat,
A‘ was verloren war
Anwendung: Freude über einen der umkehrt
Allein der Umstand, ein Gleichnis zu erzählen, in dem eine Frau die Hauptperson ist, war im Palästina des 1 Jahrhunderts eine mutige Entscheidung. Jesus weist damit alle pharisäischen Vorurteile gegenüber den Frauen genauso zurück, wie er ja auch schon die Vorurteile gegenüber den Schafhirten zurückwies.
- Rihbany, der christliche Syrer, weist auf folgende Tatsache hin: „Die Seltenheit Bargeld im Besitz eines ländlichen Kleinbauern zu finden, macht den Verlust einer Münze … zu einem traurigen Ereignis“ (Rihbany 1916, 153). Er beschreibt wie Kleinbauern damals weitgehend autark leben. Nahrung und Kleidung werden selbst produziert. Darum ist Bargeld etwas Seltenes. Der Verlust ist darum noch größer, als der Lohn eines Tages für einen Tagelöhner, der ja einen Drachme ausmacht.
Es wurde in manchen Kommentaren und Predigten oft darauf hingewiesen, dass die Münze zum Schmuck oder zur Brautgabe der Frau gehörte. Hier muss allerdings daraufhin gewiesen werden, dass Beduinenfrauen wohl ihre Brautgabe als Schmuck verarbeitet öffentlich trugen. Frauen aus ländlichen Gegenden taten dies jedoch kaum. Dennoch kann die Münze Bestandteil einer Halskette gewesen sein, die alle Frauen trugen und heute noch tragen. Der ägyptische Ausleger Said betont, dass der Verlust einer Münze die Schönheit des Schmuckstückes zerstörte. Auch hier wäre der Verlust wesentlich größer, als der Wert „nur“ einer Münze (Sa’id, I. 1970/1935. Sharh Bisharit Luqa, 394).
Der Bewegungsfreiraum der Frauen in den ländlichen Dörfern ist begrenzt. Die Frau weiß darum, dass die Münze im Haus sein muss. Die Münze kann gefunden werden, wenn man nur lang genug fegt. In diesem mühsamen Fegen des festgetretenen Lehmbodens, über den oft einfache Binsenmatten ausgebreitet sind, das noch dazu im Halbdunkeln geschieht (kleine Fenster- und Türöffnungen), kann man die „Last der Wiederherstellung“ sehen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die die überall im östlichen Mittelmeerraum verbreiteten „Handfeger“ aus Schilf oder Reisstroh. Mit ihnen kann man nur in gebückter Haltung fegen, da sie keinen Besenstiel haben.
Zwei Aspekte werden im 2.Gleichnis intensiviert:
- Der Wert des Verlorenen ist nicht mehr 1 aus 100, sondern 1 aus 10. Wobei der Wert als Bestandteil eines Schmuckstückes noch wesentlich höher gewesen sein mag.
- Der Ort der Suche ist wesentlich eingegrenzter: das Haus und nicht die weite Wüste. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit des Gefundenwerdens größer.
Theologisch ragen natürlich die Themen Gnade, Freude und Wiederherstellung des Verlorenen heraus.
- Beschreibe das Münzwesen im Palästina des 1. Jahrhunderts!
- Begründe die Freude der Frauen nach dem Fund der Münze!
- Welche Last der Wiederherstellung hat die Frau auf sich genommen? (Wenn du beim nächsten Gemeindeputz dabei bist – bitte ansprechen!)
- Das Schaf konnte meckern – dies Münze nichts zum Finden beitragen. Was sagt dies über unser Gefundenwerden aus?
15,11-32
Die vorhergehenden Verse 4-10 waren ein Doppelgleichnis. Jedes hatte eine ähnliche und doch andere Struktur. Dies gilt auch für die Verse 11-32. Hier haben wir auch eine Doppelparabel mit zwei unterschiedlichen Strukturen. Wie in allen Gleichnissen werden uns die dahinterstehende Kultur und die Literaturstruktur des Gleichnisses Hinweise für eine angemessene Interpretation des Gleichnisses liefern. Hier die Struktur:
A Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne;1 und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt. Und er teilte ihnen das Leben (den Lebensunterhalt, die Habe).
2 Und nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste weg in ein fernes Land, und daselbst vergeudete er sein Vermögen, indem er ausschweifend lebte. 3 Als er aber alles verzehrt hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über jenes Land, und er selbst fing an, Mangel zu leiden. 4 Und er ging hin und hängte sich an einen der Bürger jenes Landes; der {W. und er} schickte ihn auf seine Äcker, Schweine zu füttern. 5 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, welche die Schweine fraßen; und niemand gab ihm. 6 Als er aber zu sich selbst kam, sprach er: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier um vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, 6′ und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen; mache mich wie einen deiner Tagelöhner. 5′ Und er machte sich auf und ging zu seinem eigenen Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn sehr vielmals. 4′ Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen. 3′ Der Vater aber sprach zu seinen Knechten: Bringt die beste Robe her und zieht sie ihm an und tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße; 2′ und bringet das gemästete Kalb her und schlachtet es, und lasset uns essen und fröhlich sein; 1′ denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an fröhlich zu sein. |
Ein Sohn ist verloren
Güter durch Ausschweifungen verschleudert Alles verloren
Die große Sünde (Schweine für Heiden füttern) Totale Ablehnung
Sinneswandel
Höhepunkt
erste Buße
Totale Annahme
die große Buße
Alles gewonnen
Güter sinnvoll verschwendet Ein Sohn ist gefunden |
Die Struktur ist eine parabolische Ballade mit zwölf Strophen, wobei sich jeweils 6 Strophen einander in einem nach innen gekehrten (inversen) Parallelismus entsprechen. Die ersten 6 Strophen handeln von den materiellen Bedürfnissen, Nöten und Verlusten (siehe Kursivschrift). Die Strophen 6′ bis 1′ handeln fortschreitend von der Wiedereinsetzung des Sohnes. Eine weitere bemerkenswerte parallele Struktur kann man aufzeigen:
Rede 1
er verlässt
in Nöten, aber nicht bereit zur Buße
wird ein Schweinehirt
hat nichts zu essen
stirbt fast
Die Strophen 1′-6′
Rede 2
er kehrt zurück
in Nöten, aber bereit zur Buße
isst vom fetten Kalb
lebt wieder
Die kulturellen Aspekte des Gleichnisses
8.25.1 Die Eröffnungsstrophe (15,11-12)
In dieser Strophe wird die Bühne für das gesamte Gleichnis vorbereitet. Nach der Festlegung, dass ein gewisser Vater zwei Söhne hatte, beginnt die Parabel mit der Bitte des jüngeren offensichtlich unverheirateten Sohnes[35]: „Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt.“ Das normale Heiratsalter war 18-20 Jahre – wir haben also wahrscheinlich einen Jugendlichen vor uns. Überall in den ländlichen Gebieten des Mittleren Ostens könnten wir Kleinbauern fragen, welche Implikationen diese Bitte an einen lebenden Vater mit sich bringt. Wir würden überall ungefähr folgendes Gespräch entfachen:
- Hat jemand irgendwann in eurem Dorf solch eine Bitte geäußert?
- Nie!
- Könnte jemand irgendwann solch eine Bitte äußeren?
- Unmöglich!
- Wenn es aber trotzdem jemand wagen würde, was würde geschehen?
- Sein Vater würde ihn selbstverständlich auf den Kopf schlagen!
- Warum?
- Diese Bitte bedeutet – der Sohn wünscht den Tod des Vaters herbei!
In der Zeit zwischen den Testamenten finden wir bei Sirach einen bedeutungsvollen Abschnitt, in dem vehement gegen die Weitergabe des eigenen Besitzes während der Lebzeit argumentiert wird Sirach 33:20-24:
Lass den Sohn, die Frau, den Bruder, den Freund nicht über dich verfügen, solange du lebst; und übergib niemand dein Hab und Gut, damit es dich nicht reut und du sie darum bitten musst. Solange du lebst und atmen kannst, überaß deinen Platz keinem andern Menschen. Es ist besser, dass deine Kinder dich brauchen, als dass du aus ihren Händen nehmen musst.
33:23 Bei allem, was du tust, behalte die Entscheidung in der Hand, und lass dir deine Ehre nicht nehmen. Wenn dein Ende kommt, dass du davon musst, dann teile dein Erbe aus.
In der Mischna finden wir folgende Schlüsselangabe, auf die wir im weiteren Verlauf immer wieder stoßen werden Baba Bathra 13,7: Wenn jemand beabsichtigt seinen Besitz seinen Kindern zu überschreiben, schreibe er: ‚Von heute an und nach (meinem) Tod gelte
Im Talmud kann man lesen (Baba Mezia): „Unsere Rabbis lehrten: Drei Rufe werden nicht beantwortet: der, der Geld ohne Zeugen verliehen hat…..der, der seinen Besitz während seiner Lebzeit seinen Kindern übergab….
Die Aktionen des jüngeren Sohnes sind umso mehr bemerkenswert, da seine Bitte zweierlei beinhaltet. Er verlangt die Teilung des Erbes. Diese Bitte wird ihm erfüllt. Allerdings gibt ihm das Besitzerrecht nicht automatisch das freie Verfügungsrecht über den Familienbesitz. Die Grundstücke gehören zwar ihm, aber verkaufen darf er sie nicht. Der junge Herr möchte mehr, so drängt er seinen Vater ihm sofort das volle Verfügungsrecht zu geben. In der Mischna haben wir oben erfahren, dass ein Vater immer bis zum Lebensende über seine Güter verfügen konnte, auch nach einer bekundeten Erbteilung unter seinen Erben. Der Sohn bekommt sofort das volle Verfügungsrecht, wohl weil er es gefordert hat, obwohl er das Recht dazu ausdrücklich erst nach dem Tod des Vaters hatte. Hinter beiden Aspekte der Bitte kann nur folgende Implikation liegen: „Vater, ich kann nicht warten bis du endlich stirbst!“
Im Lichte dieser Hinweise ist das Verhalten des Vaters umso erstaunlicher. Im Milieu des Mittleren Ostens würde man erwarten, dass der Vater explodiert und seinen Sohn für dessen unmögliches Benehmen diszipliniert. Was für eine dramatische Demonstration der Liebe liegt im Verhalten des Vaters, als er die Bitten seines Sohnes erfüllt! Er gibt ihm eine Freiheit, die sich sogar gegen seine Liebe zum Sohn wenden darf. Der Vater musste doch auch an seine Altersversorgung denken – würde der jüngere Sohn seinen Pflichten nachkommen? Der Vater gefährdet mit seinem Handeln wissentlich seine Altersrente, dennoch gibt er dem Sohn Besitz- und Verfügungsrechte. Der ägyptische Ausleger und Patriarch Said fügt hier an:
Der Hirte und die Frau taten nichts Außergewöhnliches als sie nach Schaf und Münze suchten. Die Handlungsweise des Vaters im dritten Gleichnis ist allerdings einzigartig, bewundernswert und letztlich göttlich, da noch nie ein Vater in der Vergangenheit ähnlich handelte.
Die Frage was der Vater dem Sohn nun gab, lässt sich beantworten. Es war die Auszahlung des Erbes und damit der Verlust aller weiteren Ansprüche: „…und er teilte ihnen das Leben (den Lebensunterhalt, die Habe)“. Sagte der Vater doch am Schluss in V. 31 zum Älteren: „..und alles, was mein ist, das ist dein.“ Rechtlich handelte der Vater so, als wäre es vollkommen seine Idee, schon jetzt das Erbe zu teilen. Der Vater demütigt sich so weit, dass er den wahren Sachverhalt unerwähnt lässt.
Rengstorf (NTD 1949, Lukas) weist ausführlich auf die übliche Qesasah–Zeremonie im Palästina des 1. Jahrhunderts hin. In der Midrasch Rabbah, Ruth Rabba 12,11 von 4,7 lesen wir: Was ist ‚qesasah‘? Rabbi Jose ben Abin antwortete: Wenn ein Mann sein Feld einem Heiden verkaufte, war es üblich, dass seine Verwandte Gefäße mit gerösteten Nüssen und Körnern brachten, diese vor den Kindern öffneten und diese anstifteten laut aus zu rufen: „So-und-so ist von seinem Erbe abgetrennt“. Wenn es ihm zurückgegeben wurde , riefen sie :“So-und-so ist zu seinem Erbe zurückgekehrt!“ Genauso wurde verfahren, wenn ein Mann eine nicht zu ihm passende Frau heiratete, wobei die Kinder dann riefen: „So-und-so ist seiner Familie verloren gegangen!“. Wenn er sich dann von ihr scheiden ließ, riefen die Kinder: „So-und-so ist zur seiner Familie zurückgekehrt!“
Andere rabbinische Quellen weisen daraufhin, dass bei einer solchen Gelegenheit ein Topf zerbrochen wurde. Rengstorf weist daraufhin, dass diese Zeremonie Ende des 1. Jahrhunderts erlosch, doch zur Lebzeit Jesu noch gebräuchlich war. Er bezieht diese Zeremonie des „Abgeschnitten seins“ und des „Wiedereingesetzt werdens“(Reinvestitur) auf unser Gleichnis. Diese Zeremonie bezieht sich zwar in erster Linie auf einen Landverkäufer, der einem Heiden verkauft oder auf einen Bräutigam, der „falsch“ gewählt hatte. Dennoch gibt uns diese Zeremonie wichtige Einsichten in das dörfliche Leben, des 1. Jahrhunderts. Zeigt sich hier doch die enge Solidarität der erweiterten Familie und des Dorfes. Familienbesitz (Anteil am verheißenen Land = Segen Gottes) an Heiden zu verlieren, war eine ernsthafte Angelegenheit. Einer der hier gegen die Familienregeln verstieß, bekam die radikale „Familiensolidarität“ zu spüren. Als der jüngere Sohn ins Dorf zurückkehrte, hatte er ja in der Tat den Familienbesitz unter den Heiden verschwendet. Dies würde sehr schnell im Dorf bekannt werden. Vorstellbar wäre darum, dass bei seiner Ankunft im Dorf, ein Topf auf der Straße zerbrochen wird. Er wäre damit von der erweiterten Familie und dem ganzen Dorf abgeschnitten. An dieser Stelle wird deutlich, dass es nicht nur um die zerbrochene Beziehung zwischen Vater und Sohn geht, sondern um die Beziehung zum ganzen Dorf.
Der ältere Sohn wird zweimal in dieser Eröffnungsszene erwähnt. In V.11 wird uns gesagt, dass der Vater zwei Söhne hatte. In V.12 erfahren wir, dass auch der ältere sein Erbteil erhielt. Eigentlich müsste er doch in dreierlei Weise reagieren:
- Lauter Protest müsste von ihm zu hören sein. Sein Schweigen kann darauf hindeuten, dass auch sein Verhältnis zum Vater nicht ungetrübt war.
- Er müsste als Sohn und Bruder unbedingt als verbaler Schlichter auftreten. Sein Schweigen bedeutet, dass er sich weigert diese Rolle anzunehmen. Sein Schweigen deutet wieder eine belastete Beziehung zum Vater an.
- Als schließlich das „Leben“ (bi,oj, bios das Leben, die Habe) des Vaters aufgeteilt wurde, weiß er doch, dass hier Unrecht geschieht. Er müsste sich laut und deutlich gegen das Unrecht des jüngeren Bruder wehren und sich vorbehaltlos loyal gegenüber dem Vater zeigen. Hier wird die Geschwister-Typologie der Rabbis voll bestätigt. (siehe Fußnote über „Jüngere Brüder“)
In Ps.133,1 lesen wir: Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! Dieser idealistische Vers bezieht sich gerade auf die Situation, dass Brüder nach dem Ableben ihres Vaters alle Erbangelegenheiten einträchtig regeln und beieinander leben.
In der nächsten Strophe wird festgestellt, dass nach „nicht vielen Tagen“ sein Erbteil in „Cash“ umwandelt. Die nötige Eile ist leicht erklärbar, da im Verlauf der Verkaufsverhandlungen die Stimmung des Dorfes immer unfreundlicher und feindseliger wird. An jeder Dorfecke begegnet ihm Abscheu, Ablehnung und Hass. Der normale Kleinbauer in Palästina hängt bis heute so sehr an Grund und Boden, wie Nabot in seinen Tagen einen Weinberg liebte (siehe Situation der Palästinenser nach 1948). Normalerweise dauerte eine Transaktion von Immobilien Monate, doch die unhaltbare Stellung des Jüngeren im Dorf drängte zur Eile.
8.25.2 Die Strophen 2-6 Das ferne Land (15,13b-17)
In diesem Abschnitt sehen wir, wie der junge Herr graduell in seine persönliche Hölle hinabsteigt. Die Auswanderung in ein fernes Land, war zur Zeit von Jesus allgegenwärtig. In Palästina leben ca. 500.000 in der Zerstreuung (Diaspora) dagegen ca. 4 Millionen Juden (Jeremias 1998, 129). Aus der Strukturanalyse sind die Schritte zur Verzweiflung sichtbar geworden.
Das Verprassen wird in der Grundsprache als zw/n avsw,twj zœn asœtœs = extravagantes Leben beschrieben. Dieser Ausdruck ist wertungsfrei, weist einfach nur auf das sorgenfreie und spendable Leben in der Fremde hin – der absolute Kontrast zur nahen Dürre. In keiner Weise kann von diesem Ausdruck eine unmoralische Lebensweise abgeleitet werden. Die Peschitta und arabischen Übersetzungen bestätigen diese Aussage, wobei allerdings die altsyrische Übersetzung hinzufügte: …er verschleuderte seinen Besitz in Nahrung die unpassend war, und weil er verschwenderisch mit Huren lebte… Doch halten wir fest, im Grundtext wird die Art der Verschwendung nicht als unmoralisch eingestuft. Dies wird noch wichtig sein, wenn wir die Kommentare des Älteren in V.30 bewerten wollen.
Jeremias hat für den Zeitraum 169 v. Chr. bis 70 n. Chr. 10 Hungernöte nachgewiesen, ausgenommen die durch Krieg verursachten. Eine Hungersnot war darum der Zuhörerschaft des 1.Jhd in Palästina durchaus geläufig (Jeremias 1969, 140f). Weiter war auch klar, dass ein Jude mittellos allein in der Fremde, besonders den Härten solch einer „großen“ Notzeit ausgesetzt war. Im Text wird dies recht dramatisch durch den Infinitiv Passiv ausgedrückt: „…er begann Mangel zu erleiden.“ Wirklich er litt mehr als andere!
Der Text erzählt uns dann bildlich, wie er sich selbst an einen Bürger des fremden Landes „klebte/hängte.“ Dieser junge Mann war doch in der dortigen Gesellschaft bekannt, als derjenige der mit viel Geld in Tasche angereist war. Von ihm wird ein gewisser Rest an Selbstachtung erwartet. Eine höfliche Art wie ein Orientale solche „Schleicher,“ die sicher zahlreich vor der Tür lungerten, loswerden kann, ist ihnen eine Aufgabe zu übertragen, die diese einfach ablehnen müssen. Doch der Stolz des jüngeren Sohnes ist noch nicht vollkommen gebrochen, und so muss der erstaunte Hörer/Leser zur Kenntnis nehmen, wie diese versuchte „Abwimmelung“ fehlschlägt. Der spendable Herr nimmt den Job eines Schweinehirten an.
Der „Bürger“ des fremden Landes ist wahrscheinlich ein freier Grundbesitzer. Das „Anhängen an die Heiden“ beziehen manche Ausleger auf das gleiche Verhalten der Zöllner. Andere weisen daraufhin, dass er als Hirte unreiner Tiere, alle Elemente seiner Religion verleugnen muss, besonders die Sabbatheiligung.
Der Sohn wird beschrieben, wie er ein Verlangen entwickelt seinen Bauch mit Schoten zu füllen, die die Schweine fraßen. Einig ist man sich in der Identifizierung dieser Schoten, sie stammen vom ceratonia siliqua, dem Johannisbrotbaum oder Carob-Baum. Rabbi Hanina ben Dosa konnte dank der Carob-Schoten in Notzeiten gar überleben. In der Lutherübersetzung von 1914 finden wir hier das Wort: Treber, was den Gedanken an ekelhafte Tiernahrung hervorruft. Dies war also nicht der Grund, warum der heruntergekommene Exiljude nicht vom Tierfutter aß.
„Niemand gab ihm…“ – ist das abschließende Wort zu diesem eindrücklichen Bild. Er bekam zwar regelmäßig Schweinefutter doch in Hungerszeiten mit dem Überangebot an billigen Arbeitskräften, konnte es sich der Arbeitgeber leisten, seinem Hirten weniger als das Existenzminimum zu geben. Selbst auf seinem Pflichtanteil von einem Schlachtschwein wird der jüdische Schweinehirt verzichtet haben, zu groß war seine Abneigung gegenüber dem unreinen Tier.
Damit kommen wir zur ersten Buße im fremden Land. Wir lesen: „Aber er kam zu sich selbst.“ Dieser Ausdruck kann in gewisser Weise als „Buße tun“ übersetzt werden. Doch ist die Art dieser ersten Umkehr ganz anders als die Buße, die vor dem Vater ausgedrückt wird. Die erste Buße ist von der Intention her eine Umkehr, ein In-sich-Gehen, das deutlich von der eigentlichen Buße unterschieden werden kann.
8.25.3 Die Strophen 6′-1′ Die Heimkehr (15,18-24)
Wir kommen zur eigentlichen Buße. Wie in Lukas 16 der Verwalter hat auch der verschwenderische Sohn keine Entschuldigung zu bieten. Er tut Buße, aber für was? War er nicht schlicht und einfach am Ende der Fahnenstange seiner Selbstverwirklichungsversuche angekommen? War seine Sünde nur der Verlust des Geldes?
Wir wollen hier die Beziehung zum Vater, zum Bruder und zur Dorfgemeinschaft untersuchen. Die Beziehung zum Vater nimmt natürlich eine Schlüsselrolle ein. In 6′ finden wir den „Gesichtsrettungsplan“ des Sohnes. Dort strebt der jüngere Sohn die Anstellung als Tagelöhner an. In der damaligen Arbeitswelt gab es drei Klassen von Arbeitern:
- die Sklaven (dou/loj doulos) die zum Landbesitz gehörten und als ein Teil der Familie betrachtet wurden
- die untersten Sklaven (pai/j pais auch: Knabe), die den Haussklaven unterstellt waren
- die bezahlten Knechte/Tagelöhner (mi,sqioj misthios)
Der bezahlte Knecht war ein Außenseiter, er gehörte nicht zu einem speziellen Landbesitz. Er hatte keine besonderen Interessen in die persönlichen Verhältnisse seines zeitweiligen Meisters. Er war nur ein Gelegenheitsarbeiter, der bei Bedarf angeheuert wurde. Seine Lage war unsicher, obwohl er ein freier unabhängiger Mann war. Der jüngere Sohn malt sich also aus, welches zukünftige Verhältnis er zu seinem Vaterhaus haben könnte. Als ein bezahlter Knecht könnte er als freier Mann von seinem eigenen Einkommen im Dorf leben. Sein Status wäre nicht wesentlich schlechter als der seines Vaters und Bruders. Als unabhängiger Knecht wäre er in der Lage einen Teil des verschleuderten Gutes als eine Art Alterspension seinem Vater zurückzuzahlen. Der junge Herr wollte arbeiten und seine moralischen Verpflichtungen gegenüber seinem Vater erfüllen. Er will sich selbst retten – er will keine Gnade.
Als bezahlter Knecht würde der jüngere nicht das „Brot“ des älteren Bruders essen, da er doch zu genau weiß, dass alles, was der Vater übriglässt, legal dem Älteren gehört. Der Jüngere könnte nur zu Hause leben, wenn er sich mit seinem Bruder versöhnen würde. Dies scheint dem Jüngeren unmöglich zu sein, darum entwickelt er seinen Alternativplan, so dass diese Versöhnung überflüssig wird.
Das letzte Problem des heimkommenden Sohnes würde die Dorfgemeinschaft sein. Jeglicher Status im Dorf wäre schwer zu erreichen. In der Ferne ist er jämmerlich gescheitert – welcher Emigrant könnte zurückkommen – doch wohl nur der Erfolgreiche! Die Rückkehr wird weiter wesentlich durch die Art seines Auszuges erschwert. Er hatte die gesamte Dorfgemeinschaft gekränkt, als er vom lebenden Vater das Erbe forderte, es vor allen Augen verkaufte und dann offensichtlich das ganze Erbe bei den Heiden verschleuderte. Er hatte die oben beschriebene übliche Qesasah-Zeremonie zu erwarten. Spott und Feindseligkeiten würden seiner warten. Hier gab es keinen Ausweg!
Der jüngere Sohn breitet hiermit seine „Reparationshandlungen“ vor, um seine Ernsthaftigkeit unter Beweis zu stellen. Auch sein Bekenntnis ist in diesem Licht ein Werk der Sühne für seine „Sünden.“ Jesus gerät mit dem Ansatz – Menschen würden ohne die von Mose vorgeschriebenen Reparationshandlungen wieder Teil der Heilsgemeinschaft – in eine deutliche Opposition zu allen damaligen religiösen Gruppen. Doch in allen drei Gleichnissen wird die Last der Wiederherstellung beschrieben – allerdings so ganz anders als Mose es tat.
Der Vater in unserem Gleichnis lebte in einer Dorfgemeinschaft. Er erwartete wahrscheinlich das unrühmliche Ende des Ausflugs seines jüngeren Sohnes. Vielleicht haben manche im Dorf seinen Spross schon für tot erklärt. Wenn er jemals zurückkommen würde, dann als Bettler. Wie oft hatte der Vater die Vorwürfe der Dorfgemeinschaft gehört, er hätte nie die Bitte des Sohnes erfüllen dürfen. Das Verhalten der Dorfgemeinschaft beim Eintreffen des Sohnes konnte der Vater auch schon vorhersehen. In Sirach 26,5f lesen wir: „Vor drei Dingen scheut sich mein Herz, und vor dem vierten graut mir: böse Gerüchte in der Stadt, Volksauflauf, Verleumdung – alles ärger als der Tod.“ Das Zusammenlaufen des Straßenmobs hatte der heimkommende Sohn zu befürchten. Demütigungen, Spott und vielleicht sogar körperliche Gewalt würden ihm begegnen. Von all dem wusste der Vater. Er wusste wie sehr sein Sohn von der Dorfgemeinschaft zurückgestoßen werden würde. Was der Vater in der „Heimkehrszene“ tat, verstehen wir am besten als eine Serie von dramatischen Aktionen, die den Sohn vor den feindlichen Aktionen der Dorfgemeinschaft bewahren sollte.
Diese Aktionen begannen mit dem öffentlichen „Rennen“ auf der Dorfstraße. Ein ehrenwerter Orientale rennt nie – es ist einfach ehrenrührig: Sirach 19,30: Denn Kleidung, Lachen und Gang zeigen, was an ihm ist. Selbst der Heide Aristoteles sagte: „Große Männer rennen nie in der Öffentlichkeit!“ Der Vater wurde innerlich bewegt. Dies bezieht sich wohl auf den erwarteten Empfang im Dorf. Doch der Vater vollzieht das erwartete Spießrutenlaufen für ihn. Sicher folgten dem rennenden Vater so mancher Dorfbewohner.
Der Vater vollzieht dann die Versöhnung öffentlich am Rande des Dorfes. Der Sohn kann so unter dem sorgenden Schutz des Vaters das Dorf betreten. Der Sohn der schon entnervt sich auf den Spot des Dorfes gefasst machte, muss in seiner großen Verwunderung sehen, wie ihm sein Vater entgegen gerannt kommt. Anstatt nun sein „Fett“ am Rande des Dorfes abzubekommen, anstatt der berechtigten Feindseligkeiten, erwartet ihm eine unerwartete sichtbare Demonstration der Liebe in Demut. Die Handlungen des Vaters ersetzen alle Worte. So gibt es keine Worte der Annahme und keine Willkommensgrüße. Der ägyptische Ausleger Said bemerkt an dieser Stelle: „Christus berichtet uns von den Worten des Sohnes, allerdings nichts von Worten des Vaters. In Wirklichkeit ersetzt der Vater Worte mit Küsse, Erklärungen durch Gefühlsausbrüche und seine Augen sprechen für seine Zunge.“
Die Strophe 5 ist der Ausdruck für die totale Ablehnung – 5′ dagegen die Beschreibung der totalen Annahme. In seiner öffentlichen Demonstration der unerwarteten Liebe steht der Vater mit dem Schafhirten und der Hausfrau aus Lukas 15 in einer Reihe. Der bußbereite Sohn hätte dem Vater die Hand, wahrscheinlicher sogar die Füße geküsst, doch der Vater hindert ihn daran. Der griechische Text weist hier auf einen herzhaften Kuss hin, der bis heute kultureller Standard ist.
Der Sohn kommt nun zum 1.Teil seiner vorbereiteten Rede. Wir merken sofort, dass er gar nicht zu seiner Bitte kommt, nun als ein bezahlter Knecht eingestellt zu werden. Wurde er nur vom Vater unterbrochen? Dann hätte er ja später seine Rede vorsetzen können. War es die innere Erkenntnis: „Dieser Empfang gestaltet sich ja besser, als ich mir in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können!“ die ihn, von der Vollendung seiner kleinen Rede abhielt? Doch die Annahme der Rolle eines Sohnes hatte entscheidende Nachteile. Er muss fortan mit und von seinem Bruder leben. Er muss unter die totale Autorität des Vaters zurückkehren. Er müsste seinen Plan, sich seinen eigenen Weg erkämpft zu haben, aufgeben. Was trieb den jüngeren Sohn, zu einer Entscheidung mit so vielen Konsequenzen? Denn er hat doch offensichtlich seine Meinung geändert – sein Ego gegen die Gnade eingetauscht!
Wie wir sahen, kam der Jüngere mit seinem rabbinischen Verständnis von Buße zurück ins Heimatdorf. Er ist natürlich erschüttert durch den außergewöhnlichen Liebesbeweis seines Vaters. In diesem Zustand der Verzagtheit und Furcht erlebt er diese Rettung als ein überwältigendes Erlebnis. Jetzt muss er einsehen, dass er überhaupt keine Lösung für weitergehende Beziehung anzubieten hat. In diesem Moment sieht er nicht mehr das verschleudert Erbe, sondern die zerbrochene Beziehung, die er nicht mehr heilen kann. Jetzt versteht er, dass eine neue Beziehung eine alleinige Gabe des Vaters ist. Der Sohn kann überhaupt keinen Ausweg anbieten. Ja mehr noch, jedes Angebot den Schaden durch Arbeit wiedergutmachen zu wollen, wäre eine Beleidigung des Vaters. Die einzig passende Antwort des Sohnes ist darum: „Ich bin unwürdig!“
In 3′ wendet sich der Vater an seine Sklaven, die mit ihm auf der Straße stehen. Sie sollen den Sohn einkleiden, wie es sonst die Sklaven des Königs tun. Dem Sohn wird nicht gesagt: „Geh hin, bade dich und wechsle deine Kleider!“ Diese Anweisung sorgte dafür, dass der junge Herr wieder den gehörigen Respekt von den Haussklaven erwarten durfte. Diese hatten die ganze Zeit auf einen Hinweis ihres Herrn gewartet, wie sie den heimkehrenden Bettler behandeln sollten. Hätte der Vater von der Ferne nur gleichgültig mit der Schulter gezuckt, hätten sie nie etwas für den heimkehrenden Sohn getan. Das beste Gewand, ist wahrscheinlich das beste Festgewand des Vaters. Alle später kommende Gäste und Neugierige würden sofort das Festgewand des Vaters am jüngeren Sohn bemerken. Alle würden von der stattgefundenen Versöhnung sofort Notiz nehmen. Dies würde auch die Versöhnung mit der Dorfgemeinschaft einleiten. Diese Szene erinnert an 1Mo 41,42. Dort wird Joseph zum Herrscher eingesetzt. Dort finden wir einen Fingerring, ein kostbares Gewand und eine goldene Kette. Jes.61,10 weist auf die messianische Zeit, als einem neuen Gewand hin EÜ:
Hoch erfreue ich mich in Jahwe; meine Seele soll frohlocken in meinem Gott!
Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils,
den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan,
wie ein Bräutigam den Kopfschmuck nach Priesterart anlegt,
und wie eine Braut sich schmückt mit ihrem Geschmeide.
In die gleiche Richtung würde auch Mt. 22,11-13 weisen.
Der Ring ist wahrscheinlich ein Siegelring. Er deutet daraufhin, dass ihm sofort wieder auf bemerkenswerte Art und Weise in alle geschäftlichen Bereichen vertraut wird. Die Schuhe weisen daraufhin, dass er ein freier Mann im Hause ist – kein Sklave. Die erkennen ihren neuen Herrn durch das Anziehen der Sandalen an.
Schließlich ordnet der Vater die Schlachtung des gemästeten Kalbes an. Die Schlachtung eines gemästeten Kalbes deutet daraufhin, dass der größte Teil, wenn nicht das ganze Dorf zum abendlichen Bankett eingeladen wird. Wie beim Schafhirten und der Frau, muss die Freude mit vielen geteilt werden.
Hier sei noch auf den „Bund-des-Blutes“ hingewiesen, der im Orient allgemein verstanden. Der Gastgeber schlachtet auf der Schwelle seines Hauses ein Tier, sodass der Gast über das Blut in das Haus tritt.[36] Dies trifft besonders für die Einweihung eines Hauses bis heute zu. Diese Willkommenszeremonie, heute oft nur verbal ausgedrückt, macht Gastgeber und Gast zu einer Einheit. Der Vater im Gleichnis heißt seinen jüngeren Sohn, wie einen sehr hochgeehrten Gast willkommen. Diese Ehre erfuhr sonst nur der örtliche Regierungsvertreter oder ein Bräutigam. Die ganze Dorfgemeinschaft soll so wieder mit dem heimkommenden Sohn versöhnt werden.
In 1′ hören wir die abschließende Rede des Vaters. Der Sohn könnte ja noch immer die Freiheit und Unabhängigkeit vorziehen, weit entfernt von Komplikationen des Lebens mit seinem Vater und Bruder unter einem Dach. Pervertierter Stolz könnte ihn darauf bestehen lassen, dass er zu demütig für die Wiederaufnahme als Sohn sei. Nein, der Sohn nimmt die reine Gnade an. Gnade gewinnt. Er lässt den abschließenden Vorschlag in seiner kleinen vorbereiteten Rede weg. Er macht den entscheidenden Schritt von der Unverantwortlichkeit zur Freiheit in Grenzen. Jetzt können Vater und Sohn wieder fröhlich sein.
Die Zuhörer von Jesus werden natürlich zuerst den Vater als Symbol für Gott verstehen. Als dann in der dramatischen Entwicklung des Gleichnisses der Vater sein Haus verlässt, demonstriert er in aller Demut unerwartete Liebe in der Öffentlichkeit (wie auch später beim älteren Sohn). Diese Liebesdemonstration wollte Jesus als sein Willkommenheißen für alle Sünder verstanden wissen. Wenn der Vater sein Haus verlässt, um in Demut und Liebe heraus zu seinem Sohn zu kommen, will Jesus doch zumindest teilweise auf seine Fleischwerdung und sein Versöhnungswerk hinweisen. Der Vater wollte einen Sohn – keinen Sklaven (Hatte er solch einen Sklaventyp schon im Hause?). Der Vater liebte immer tief und fortdauernd, nur der jüngere Sohn verstand dies nicht. Er verstand es erst, als der Vater mit wehenden Kleidern ihm entgegenkam. Jetzt hatte der Vater wieder einen Sohn – einen Sohn der in Liebe an ihm hang.
- Beschreibe die die übliche Qesasah-Zeremonie. Warum wurde sie dem jüngeren Sohn erspart?
- Fasse die Aussagen dieses Gleichnisses über die Lehre von Gott zusammen!
- Fasse die Aussagen dieses Gleichnisses über die Lehre der Errettung des Menschen zusammen!
- Was wird dir für unsere Evangelisationsarbeit wichtig?
Der ältere Sohn erscheint auf der Bühne, als er auf dem Felde war. Er ist außerhalb des Hauses. Sein Weg hinein zum Bankett wird Schritt für Schritt parallel zum Weg seines Bruders gezeigt. Die Literatur Struktur erhellt dies:
B Es war aber sein älterer Sohn auf dem Felde;
1 und als er kam und sich dem Hause näherte, hörte er Musik und Reigen. Und er rief einen der Knechte herzu und erkundigte sich, was das wäre. 2 Der aber sprach zu ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wieder erhalten hat. 3 Er aber wurde zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber ging hinaus und drang in ihn. 4′ Er aber antwortete und sprach zu dem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir, und niemals habe ich ein Gebot von dir übertreten; und mir hast du niemals ein Böcklein gegeben, auf dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre; 4′ da aber dieser dein Sohn gekommen ist, der deine Habe mit Huren verschlungen hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 3′ Er aber sprach zu ihm: Kind, du bist allezeit bei mir, und all das Meinige ist dein. 2 Es geziemte sich aber fröhlich zu sein und sich zu freuen; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden und verloren und ist gefunden worden. [Und er kam und betrat das Haus nahm teil an der Musik und am Tanz und begann fröhlich zu sein
Und die beiden Söhne wurden mit ihrem Vater versöhnt] |
Er kommt
Dein Bruder ist da -ein Fest
Ein Vater kommt um zu versöhnen
Beschwerden I. (Wie hast du mich behandelt)
Beschwerden II.
Ein Vater versucht zu versöhnen Dein Bruder ist da – ein Fest
fehlt
|
Wieder haben wir es mit einer parabolischen Ballade zu tun. Die einzelnen Strophen haben jeweils drei Zeilen. Die nach innen gekehrte Struktur tritt deutlich hervor. Die Entsprechungen sind klar und ausgeprägt. 4 und 4′ bilden den Höhepunkt des Stufenparallelismus. In 3 kommt der Vater, während er in 3′ durch seine Rede versucht zu versöhnen. In 2 wird vom Fest berichtet, während in 2′ der Vater dieses Fest begründet. Natürlich haben wir schon früher bemerkt, das 1′ im Gleichnis fehlt. Ein mögliches Happyend haben wir einfach mal in Klammern dazugesetzt.
Der ältere Sohn kommt vom Feld und nähert sich dem Haus und hört eine Symphonie (sumfwni,a symphonia) und Tanzen (coro,j choros). Das Wort Symphonie deutet hier wohl auf eine Doppelflöte hin. Die alten orientalischen Versionen des Neuen Testamentes schließen hier noch das Singen mit ein. Eins war von weitem klar: Hier war ein komplettes orientalisches Fest im Gange. Warum wurde der ältere Sohn nicht sofort nach der Heimkehr benachrichtigt? Liegt es nur am szenischen Aufbau der Geschichte? Oder war zu befürchten, dass er versuchen würde, den Lauf der Dinge zu Ungunsten seines jüngeren Bruders zu beeinflussen? Auf jeden Fall erscheint der Altere erst, als der Gegensatz zwischen ihm und dem Heimkehrer nicht mehr krasser sein könnte.
Der Vater hatte eine Menge zu organisieren. Das Schlachten und Braten des Kalbes war schon ein Aufwand. Alles musste am frühen Abend, nach der Heimkehr der Landarbeiter, fertig zubereitet sein. Die Musik würde anfangen zu spielen, sobald die ersten Speisen gereicht würden. Dieses Versammlungssignal lockt in einem bunten Treiben das ganze Dorf an. Einen offiziellen Anfang und ein offizielles Ende gibt es nicht – alles ist in Bewegung: Kommen und Gehen, Alte und Säuglinge, Männer und Frauen, Weintrinken und Bratenessen. Alles wird die halbe Nacht dauern. Die absolute Eintönigkeit des Dorflebens musste durch ein fröhliches Chaos durchbrochen werden. Der ältere Sohn näherte sich seinem Vaterhaus als das Fest im Gange war, die Musik spielte, die Gäste ankamen und das Essen serviert wurde.
Gemäß seinem Charakter ist er zuerst misstrauisch. Ein „normaler“ Sohn würde sofort das Haus betreten und neugierig am Fest teilnehmen – was immer auch der Anlass des Festes sein würde. Der Rhythmus der Musik machte jedem doch sofort deutlich, dass hier ein freudiger Anlass gefeiert wurde. Der ältere Sohn verlangt zuerst eine Erklärung von einem pai/j pais = Junge/Sklave. Normalerweise übersetzen wir dies Wort als Sklave, doch immer hatte es auch die Bedeutung: Junge, Bursche. Die alten orientalischen Übersetzungen, auch die arabischen Übersetzungen lesen hier: Junge, Bursche. War es einer der Teenager, die sich üblicherweise vor dem Haus in Gruppen sammelten? Im weiteren Verlauf des Gleichnisses wird deutlich, dass der ältere Sohn alle für ihn wesentlichen Fakten von diesem Jungen erfahren hatte.
Der Ältere reflektiert über den Gang der Dinge und entschließt sich, nicht am Fest teilzunehmen. Die Sitte verlangt natürlich seine Teilnahme: er müsste die Gäste mit Komplimenten begrüßen, den Sklaven Aufträge erteilen, die reichliche Versorgung der Gäste mit Wein und Braten sichern und so folgende Aussage des Vaters durch Taten unterstreichen: „Mein ältester Sohn sei euer Knecht!“ Muss er als Bruder sich über die Rückkehr des Jüngeren nicht freuen, die Komplimente und Glückwünsche der Gäste entgegennehmen und seinen Bruder in besonderer Weise öffentlich ehren? Wenn alle gegangen sind, dann könnte er sich unter vier Augen bei seinem Vater beschweren. Doch der Ältere entschließt sich seinen Vater öffentlich zu demütigen, indem er versucht in Gegenwart der Gäste einen Streit vom Zaun zu brechen.
Die Sitten Palästinas gehen von einer recht hohen Autorität des älteren Vaters über seine erwachsenen Söhne aus. Darum sind die Aktionen des Sohnes so beleidigend für das Familienoberhaupt. Nie würde man vor den Gästen einen Streit ausfechten. Hier wird uns geschildert, wie die Beziehung zwischen dem älteren Sohn und dem Vater zerstört wird. Was für eine Parallele zum Beginn des Gleichnisses! Erinnern wir uns an Esther 1,12? König Ahasveros bestellte seine Gemahlin zum abendlichen Bankett: Aber die Königin Wasti wollte nicht kommen, wie der König durch seine Kämmerer geboten hatte. Da wurde der König sehr zornig, und sein Grimm entbrannte in ihm. Ihre Verweigerung war eine sehr ernste Angelegenheit – sie wurde wenig später entfernt. In der orientalischen Erzählkunst existiert manche Geschichte über einen Sohn, der seinen Vater anlässlich eines Banketts demütigte. Der Hörer nahm die schrecklichen Konsequenzen freudig zur Kenntnis.
Vom Vater erwartet jeder Zuhörer mächtigen Ärger, der sich im Ignorieren es Sohnes oder in drastischer Zurückweisung von dessen Handlungsweise zeigen sollte. Doch zum zweiten Mal an diesem schicksalsreichen Tag kommt der Vater aus seinem Haus, geht die Straße hinab seinem Sohn entgegen. Wieder demonstriert er seine Liebe unerwartet in der Öffentlichkeit. Wieder ist der Vater besorgt um seinen Sohn. Er kommt um den Sohn anzuflehen, nicht um ihn zurechtzuweisen, zu strafen. Was wird die Antwort sein?
In 4 und 4′ nähern wir uns dem Höhepunkt des Gleichnisses. Selten hat sich ein Mensch so sehr mit seinen eigenen Worten angeklagt, wie der ältere Sohn an diesem Punkt des Gleichnisses. Der jüngere Bruder wurde so sehr ins Erstaunen versetzt, als er die öffentliche, unerwartete Demonstration der Vaterliebe erlebte, dass seine ganze innere Haltung zum Vater, zur eigenen Schuld sofort radikal verändert wurde. Der Ältere hatte durch seine Unverschämtheit eine ernsthafte Bestrafung heraufbeschworen. Doch der Vater verlässt das Haus, die Festgesellschaft und kommt seinem älteren Sohn flehend und bittend entgegen. Welche Auswirkung sollte dieser unerwartete öffentliche Liebesbeweis auf das Verhalten des Älteren haben? Sind nicht ähnliche Gesinnungsänderungen wie beim jüngeren Bruder zu erwarten? Leider geschieht gerade dies nicht.
Anstatt eines doppelten Bekenntnisses hören wir eine doppelte Beschwerde.
- Auffällig ist schon, dass der Sohn die Rede (sie wird vom Erzähler {= Jesus} in direkte Rede gefasst) ohne die notwendige Anrede beginnt.
- Der ältere Sohn offenbart seine sklavische Haltung gegenüber seinem Vater, indem er seinem Vater sagt: „So viele Jahre diene (douleu,w douleuœ) ich dir.“ Nichts von einer familiären Atmosphäre ist zu spüren. So kann der Ältere auch nicht verstehen, dass das Fest nicht der Gradmesser für die väterliche Wertschätzung ist, sondern für die väterliche Freude. Die Haltung des Älteren ist klar: „Ich habe gedient, wo bleibt die Knete!?!“ Er vermittelt die Atmosphäre einer Lohnverhandlungsrunde zwischen DGB und Arbeitgeberverband.
- Der Ältere hat gerade seinen Vater ernsthaft gedemütigt und bringt doch die Unverschämtheit auf, zu sagen, dass er nie das Gebot des Vaters übertreten habe. Hier wird die pharisäische Haltung deutlich. Hier zählt sich einer zu den „99“, die der Buße nicht bedürfen, ohne zu merken, dass man im gleichen Moment das Gebot der Liebe bricht.
Der ägyptische Ausleger Sa’id vergleicht an dieser Stelle die beiden Söhne:
Der Unterschied zwischen ihm und seinem jüngeren Bruder war der, dass der Jüngere in der Ferne rebellisch war und sich vom Vater entfremdete, während der Ältere sich vom Vater entfremdete und rebellisch war, während er im Vaterhaus blieb. Die Entfremdung und Rebellion des Jüngeren waren durch das Verlassen des Vaterhauses offensichtlich. Die Entfremdung und Rebellion des Älteren wurden offensichtlich in dessen Ärger und in seiner Weigerung das Haus zu betreten (Sa’id 1970, 403).
- Der Ältere beschuldigte seinem Vater sehr egozentrisch, er würde den Jüngeren ungerechterweise begünstigen: und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. Er beschwert sich also: Der da bekommt ein Kalb, ich noch nicht einmal einen Ziegenbock. Sarkasmus ist kein Stilmittel der nahöstlichen Kulturen – Ironie schon – und kann deshalb hier ausgeschlossen werden. Der Vorwurf der ungerechten Begünstigung, die Forderung nach einem Bock bleibt im Raum. Doch für wen wurde das Kalb zubereitet? War es nicht für alle?
- Der Ältere Sohn erklärt öffentlich, dass er nicht Teil der Familie ist. Sa’id bemerkt hierzu:
Er zeigt Abscheu gegenüber sein Vaterhaus, durch die Betonung: ‚dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre‚. Dadurch zeigt er, dass er nicht besser ist als der verschwenderische Sohn, der sein Erbteil nahm und in die Ferne zog. Der Unterschied zwischen ihnen war, dass der verschwenderische Sohn ein ‚ehrenwerter Sünder‘ war, da er sich ganz dem Vater öffnete. Er sagte seinem Vater alles was auf seinem Herz war. Der ältere Bruder aber war der ‚heuchlerische Heilige‘, weil er seine Gefühle im Herzen verbarg. Er blieb im Hause und hasste doch den Vater. Er verleugnet jede Beziehung zum Bruder und damit auch zum Vater. Er sagt: ‚dieser dein Sohn‘ anstatt: ‚mein Bruder‘. …Mit dieser Aussage hat sich der Ältere außerhalb der heiligen Familie gestellt – er hat das Urteil eines Ausgestoßenen über sich gesprochen.
- Der Ältere lässt durchscheinen, was für ihn Freude ist. Für ihn ist ein gutes Mahl mit seinen Kumpanen ein freudiger Anlass. Die Auferstehung des jüngeren Bruders von den „Toten“ ist kein freudiger Anlass für ihn, darum will er auch nicht am Bankett teilnehmen. Gib ihm einen Bock und lass ihn abseits der Familie „fressen und saufen“ und er wird hoch zufrieden sein. Für den Vater ist das Kalb das Symbol für die bereits vorhandene Freude. Der Sohn braucht „Bock“ um eine andere Art von Freude zu schaffen.
- Der Ältere greift seinen jüngeren Bruder an. Er wirft dem Jüngeren vor, dieser habe das Leben (bi,oj bios) des Vaters mit Pornos/Prostituierten (po,rnh porn¢ = Huren) durchgebracht. Die Lebensgrundlage, d.h. die Pension des älteren Vaters verschwendet zu haben, ist schlimm, doch dass dies auch noch im Rotlichtviertel geschah, ist viel schlimmer. In der Entwicklung des Gleichnisses ist dieser Umstand nicht erwähnt worden. Sa’id bemerkt hier: „.. er gibt diese Übertreibung zum Besten um seinen Bruder mit seinen verseuchten Anschuldigungen zu etikettieren.“ Er will seinen Bruder als einen rebellischen Sohn darstellen. Warum? Will er dessen Verhalten im Lichte von 5.M.21,18-21 sehen?
Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen ihn Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und Trunkenbold. So sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe, und du sollst so das Böse aus deiner Mitte wegtun, dass ganz Israel aufhorche und sich fürchte.
Die Rede des Älteren ist ein brillanter Kontrast von 4 und 4′. Wir sehen einen Sohn dessen Lebenseinstellungen und Beziehungen traurig pervertiert sind. Als mildernde Umstände konnte er vorbringen, dass er bereit ist Befehle auszuführen.
Wie wird der Vater nach diesen Angriffen, die seine moralische Integrität mehr als in Frage stellten, reagieren? Schon im ersten Teil des Gleichnisses hatten wir bemerkt, dass nach dem Höhepunkt des Gleichnisses eine wesentliche neue Komponente zum Gleichnis hinzukam. Der Hörer erwartet einen explodierenden Vater, doch wieder scheint die Liebe des Vaters durch all seine Worte. Sicher er könnte seinem Sohn befehlen, die Pflichten eines ältesten Sohnes auf dem Bankett zu übernehmen. Der Sohn würde auch gehorchen. Aber was wäre gewonnen? Der Vater will keinen weiteren Sklaven – er will einen Sohn! Der Vater übersieht die fehlende Anrede, die Bitterkeit, die Arroganz, die Beleidigung, das Durcheinanderbringen der Fakten und die ungerechten Beschuldigungen. Wir vernehmen kein Urteil, keine Kritik, keine Zurückweisung – nur das Ausströmen der Liebe.
Der Vater beginnt seine Rede mit einer gefühlvollen Anrede: „Kind“ (te,knon teknon). Er sagt nicht Sohn (ui`o,j huios), sondern Kind. Ist dies nicht bemerkenswert angesichts der Qualen, die der zurückgewiesene Vater erleiden musste? Im Fall des jüngeren Sohnes führte der öffentliche Liebesbeweis zu einer grundsätzlichen Gesinnungsänderung, zu einem demütigen Schuldbekenntnis – doch hier begegnet ihm nur Arroganz!
Die Rede in 3′ ist die verbale Entsprechung zur Aktion des Vater in 3. Folgende Punkte enthält diese Rede:
- Die Worte des Vaters sind eine Ermahnung an seinen Sohn doch an dem Fest zum Anlass der Rückkehr seines Bruders teilzunehmen. Das Problem des älteren Sohnes bleibt auf jeden Fall: Wie kann man ein Fest feiern, wenn der verschwenderische Bruder mittellos nach solch einem Familienkrach nach Hause kommt und weder Reparationen zahlte, noch seine Ernsthaftigkeit unter Beweis stellte? Die Gleichnisse in Lk 15 haben alle das Thema Freude als Themenschwerpunkt. Hier fehlt es in dramatischer Weise. Da das Ende fehlt, wissen wir nicht, ob der Vater zum Schluss doch noch seinen 1. Sohn in Freunde „fand.“
- Der Vater versichert seinem Erstgeborenen, dass alle seine (Erb-)Rechte auch mit der Rückkehr seines Bruders gesichert sind, trotz der väterlichen Gnade gegenüber dem Verschwender.
- Der Vater macht seinem Sohn einfühlsam deutlich, dass er keinen Sohn in der Sklavengesinnung wünscht. Der Sohn stellt sein Dienen heraus, doch der Vater betont dessen „Allein-Erbe-Sein.“ Was will der Sohn denn noch mehr? Wartet er etwa auch darauf, dass er als Alleinerbe endlich über jeden „Bock“ frei verfügen kann? Wartet er auf den Tod des Vaters? Mit diesen unausgesprochenen, aber doch zwischen den Zeilen stehenden Aussagen nimmt der Verlauf des Gleichnisses eine Kreisform an: Wir sind wieder am Ausgangspunkt!
- Die Rede des Vaters ist weder eine Verteidigungsrede für das Bankett, noch ein Angriff gegen den Älteren, sondern in erster Linie der Herzensschrei des Vaters, doch endlich die Gnade zu verstehen. Sicher ist die Rede der Vaters keine Entschuldigung für sein Verhalten, dies wäre kulturell sehr unüblich, aber doch verspüren wir den leidenschaftlichen Appell zur Versöhnung mit Vater und Bruder. Ist nicht der ältere Sohn in gleicher Weise wie der jüngere in Vergangenheit tot? Wird er wieder zum „Leben“ kommen?
Es ist sicherlich richtig, nicht einfach den Älteren mit den Pharisäern und den Jüngeren mit den Zöllnern gleichzusetzen. Nein, Jesus erläutert seinen Zuhörern zwei Klassen von Menschen. Einer ist ein Gesetzesbrecher ohne Gesetz und der andere ist ein Gesetzesbrecher mit Gesetz. Beide rebellieren. Beide brechen das Herz des Vaters. Beide enden in der Ferne, der eine physisch, der andere geistlich. Beiden wird diese unerwartete Vaterliebe in Demut offenbart. Für beide ist diese Liebe wesentlich, um von Sklaven zu Söhnen zu werden.
Der Patriarch Sa’id schreibt zum fehlenden Schluss (Said 1935, 404): … es ist bedauernswert, dass der Vorhang im Schlussdrama an der Stelle fällt, als der ältere Sohn immer noch draußen ist. Konnte ihn der Vater noch überzeugen? Oder blieb er am Ende draußen? Die Pharisäer selbst mussten die Antwort geben:
Der Zuhörer damals wie heute findet sich in der Person des älteren Sohnes wieder. Jeder Hörer/Leser muss an dieser Stelle eine persönliche Antwort geben.
Das theologische Bündel des Gleichnisses umfasst wenigstens folgende Themen:
- Sünde Das Gleichnis charakterisiert beide „Sündertypen,“ die mit und die ohne Gesetz
- Buße Die beiden Arten der Buße werden illustriert, die eine baut auf Werkgerechtigkeit die andere auf Gnade
- Gnade Das Gleichnis beschreibt Gottes Natur, insbesondere seine freie Gnade. Die Kosten der Gnade werden genannt. Es ist eine liebende Gnade, die sucht und leidet um zu retten
- Freude Sie wird im Finden des Sohnes und in den Feiern des Dorfes bei der „Wiedereinsetzung“ des Sohnes ausgedrückt
- Sohnschaft Ein Sohn ist aus „Sklaverei und Tod“ wiederhergestellt. Der zweite Sohn beharrt wohl darauf, ein Sklave bleiben zu wollen.
Wirklich, das Gleichnis ist ein „Evangelium in Evangelio“
- Warum blieb der ältere Sohn draußen?
- Was können wir aus der Rede des Vaters an den älteren Sohn schließen?
- Zeige auf
- a) welche theologischen Aussagen wir
- b) an welcher Stelle des Gleichnisses
zur Sünde, Buße, Gnade, Freude und Sohnschaft finden.
- Wie bringen wir diesen Botschaft zu denen, die nie weg gingen – aber dennoch weit von der Familie Gottes entfernt sind?
8.26 Der ungerechte Verwalter (HUL)
Lk 16,1-18
Meist wird das Gleichnis und die anschließende Rede über dem Umgang mit Geld in engem Zusammenhang gebracht. Doch wir wollen diese beiden Teile bewusst getrennt betrachten.
8.26.1 Der ungerechte Verwalter
Lk 16,1-8
Die Form, die Adressaten
Das Gleichnis ist in Form einer „parabolischen Ballade“ ausgearbeitet. Die theologischen Bündel geben uns Einsichten in die Natur Gottes, die Krise, die das angebrochene Reich Gottes für Sünder bringt und in die einzige Hoffnung für die Errettung des Menschen.
Nach V.1 und V.14 sprach Jesus auch zu den Jüngern, aber die Pharisäer waren ganz eindeutig mit in den Kreis der Jünger eingeschlossen („Dies alles aber hörten auch die Pharisäer“). Im Text wird dieses Gleichnis nicht ausdrücklich als eine Parabel erwähnt, doch steht es wohl in einer Linie mit dem einleitenden Satz von Lk.15,3.
Der reiche Mann/Herr
Alles deutet darauf hin, dass der reiche Mann ein aufrichtiger Mann ist. In dem unmittelbar vorausgehendem Gleichnis von den verlorenen Söhnen, ist der Vater auch klar eine noble Persönlichkeit; die beiden Söhne sind im Gegenteil dazu weniger ehrbar. Im Gleichnis vom „Armen Lazarus“ ist der Reiche, derjenige der getadelt wird, aber Lazarus erweist sich als würdig für das ewige Leben. Schon beim oberflächlichen Durchgehen des Lukasevangeliums erwartet man auch in unserem Gleichnis den gleichen Charaktergegensatz. Weiter wird der Verwalter eindeutig als ungerecht klassifiziert – allerdings wird der „reiche Mann / Herr“ mit keinem Attribut versehen. Wäre dieser genauso ungerecht, wäre er dann nicht auch eindeutig so bezeichnet worden? Außerdem lesen wir, dass der Verwalter entlassen werden sollte, er wurde aber nicht gescholten, bestraft, misshandelt oder gar inhaftiert – was für dessen ehrenwerten Vorgesetzten spricht.
Die Machenschaften des Verwalters
Jeder Verwalter erhielt von den Pächtern seines Herrn eine Zuwendung. In der Mischna[37] wird das Entgelt geregelt, das ein Pächter an den legalen Verwalter zu zahlen hat. Vorstellbar sind weitere Zahlungsforderungen, die „unter dem Tisch“ vorgenommen wurden. Dies ist bis heute im Orient nicht anstößig und sogar ehrenhaft. So konnte der Verwalter an Festtagen, am Ende der Erntezeit oder anderen wichtigen sozialen Gelegenheiten kleine Extragaben erwarten. Solange seine Erwartungen nicht ausuferten, würde der Verwalter auch von keinem im Dorf kritisiert werden. Wenn ein Verwalter betrügt, dann sicherlich nicht in der Art, dass er Verträge manipuliert. Viel eher würde er Gewichte, Preise etc. manipulieren.
Zum anderen regelte die Mischna (Baba Bathra X 4.) die Ausstellung der Pachtverträge: „Es dürfen keine Pachtverträge mit ertragsabhängigem oder festem Pachtzins abgeschlossen werden, es sei denn mit dem Wissen von beiden Parteien…“ Die Pachtverträge waren im Übrigen öffentlich und wurden auch intensiv in der Dorfgemeinschaft besprochen. Hätte der Verwalter die Verträge zu seinen Gunsten verändert, hätten die Pächter immer die Gelegenheit wahrgenommen, sich beim Grundbesitzer zu beschweren, es sei denn, er würde mit ihm unter einer Decke stecken. Wenn der Verwalter tatsächlich die Pächter bis zu dem Ausmaß von 20-50% betrogen hätte, würde er von allen in der Dorfgemeinschaft so gehasst werden, dass er nach seiner Entlassung sofort die Gegend verlasen müsste, um nicht ständig gedemütigt zu werden. Kein ökonomischer Vorteil irgendwelcher Art würde ihm noch die Türen zur Dorfgemeinschaft öffnen.
Der Grundbesitzer wiederum scheint doch soweit in die Dorfgemeinschaft integriert zu sein, dass sich kein Ankläger aus dieser Gemeinschaft fand, der genug Vertrauen auf seine gute Beziehung zum Landbesitzer hatte und es wagte, dessen legalen Vertreter anzuschwärzen. Der wohlhabende, fremde, entfernt lebende und gnadenlose Landbesitzer taucht in den synoptischen Evangelien nicht auf – er war im Nahen Osten das Bild des türkischen Paschas während der vielen Jahrhunderte der Besatzung.
Die Funktion des Verwalters
Hier finden wir wieder im Talmud klar definierte Begriffe und Funktionen (Horrowitz 1953, 538-568):
- Der Verwalter wurde als shaluaµ / shaliaµ Er war der bezahlte legale Vertreter des Grundbesitzers
- Die Pächter waren µakir£n, die einen festgelegten Pachtzins jährlich in Naturalien zahlen mussten.
Das griechische Wort für Verwalter oivkonomos oikonomos. Das hebräische Wort das dem griechischen Wort entsprechen würde ist: ‚asher ‚al habbayit, auch hier wäre ein leitender Hausangestellter gemeint. Alle orientalischen Quellen sprechen also von einem angestellten, bezahlten Verwalter.
Die Mischna (Baba Metzia IX.1-10) regelt, wie der Pachtzins vereinbart werden konnte:
- Der Pächter zahlt in Naturalien einen Anteil der jährlichen Ernte als Pacht
- Der Pächter zahlt in Naturalien einen festen Betrag jährlich, unabhängig vom Ernteertrag
- Der Pächter zahlt eine festgesetzte Geldsumme
Wir merken wie die zweite Regelung genau in unser Gleichnis passt. In diesem Fall schuldete der Pächter das ganze Jahr über dem Grundbesitzer seinen Pachtzins – doch am Ende der Ernte wurde er dann fällig. Darum wurde in unserem Gleichnis auch nicht sofort der Pachtzins angeschleppt und bezahlt, sondern er war dann ja erst am Ende der Ernte fällig.
Zum Schluss soll noch festgestellt werden, dass Jesus dies Gleichnis in einer ländlichen Umgebung erzählte. Es war vor diesem Hintergrund unnötig den reichen Mann/Herrn und dessen Schuldner näher zu definieren.
Die Struktur des Gleichnisses
Lukas 16,1-8 ist eine sorgfältig strukturierte parabolische Ballade LÜ:
A Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. |
Reicher Mann – Verwalter,
Verwalter ist ein Verschwender |
B1 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. |
Was tun? gefeuert als Verwalter, ohne Amt |
B2 Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun?
Mein Herrn nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln |
Was tun? gefeuert als Verwalter, ohne Amt |
C Ich weiß, was ich tun will, wenn ich von dem Amt
abgesetzt werde, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen.
|
Tu dies! gefeuert als Verwalter, Aufnahme in die GEMEIN-SCHAFT |
B1′ Und er rief zu sich die Schuldiger seines Herrn, einen
jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er sprach: Hundert Eimer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig |
Tu etwas, handle wie ein Verwalter,
(ändere die Pachtverträge)gewinne Ansehen |
B2′ Danach fragte er den zweiten: Du aber, wie viel bist du
schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. |
Tu etwas! handle wie ein Verwalter, gewinne Ansehen |
A‘ Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug
gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihres- gleichen klüger als die Kinder des Lichts. |
Reicher Mann – Verwalter, der Verwalter ein „weiser“ Verschwender |
Wir beobachten sieben Strophen, mit jeweils drei Zeilen, wobei die Strophe B‘ eine zusätzliche Zeile zur Erklärung aufweist. Wir können die einzelnen Strophen auch wie folgt zusammenfassen:
Reicher Mann – Verwalter
Problem
Problem
Idee
Lösung
Lösung
Reicher Mann – Verwalter
Der neue Plan und die erhoffte Aufnahme in die Dorfgemeinschaft bilden den Wendepunkt des Gleichnisses, während die Probleme und die Lösungen neben dem Verhältnissen Reicher Mann – Verwalter den Rahmen bilden.
Hinweise
Zu B1: Der Verwalter wird zur Verantwortung gerufen mit den Worten (wörtlich). Was dies ich höre über dich? Dies ist eine typisch semitische Ausdrucksweise, durch das Fehlen des Hilfsverbs „ist“, wird die kurze kraftvolle Ausdrucksweise des Reichen Mannes deutlich. Diese Ausdrucksweise impliziert: Mein lieber Bursche, ich höre schon eine ganze Weile und jetzt immer noch von deinen Machenschaften! Der Verwalter weiß natürlich jetzt nicht, über was der Vorgesetzte schon alles informiert wurde, so sagt er besser nichts über seine Verschwendungen. Er schweigt, wohl auch um nicht die Lage durch die Preisgabe weiterer Informationen zu verschlimmern.
An dieser Stelle ergeben sich zwei Fragen:
- Ist der Verschwender auf der Stelle gefeuert worden?
- Was geschieht nach der Kündigung?
Ist der Verschwender auf der Stelle gefeuert worden?
Als der Verwalter mit den Pächtern verhandelt, tut er ja so, als sei er noch im Amt. In V.3 spricht der Verwalter zu sich selber EÜ: „…mein Herr nimmt mir die Verwaltung….“ Weiter äußert sich der Verwalter in V.4 EÜ: „….wenn ich der Verwaltung enthoben bin…“
Auf der anderen Seite lesen wir in V.2 (eigene Übers.): „…du kannst nicht mehr Verwalter sein …“. Wir wollen hier bei der normalen Gegenwartsform bleiben.[38] Die bis heute übliche Praxis – nicht nur im Orient – ist natürlich, dass der Verwalter auf der Stelle gefeuert wird, weil sonst genau das geschieht, was in unserem Gleichnis geschildert wird. Er hat nur noch die Buchführung[39] zu übergeben und zu gehen, weil ein geschickter Buchhalter so manche Verschwendung in seinen Büchern geschickt tarnen kann. Die aramäischen Versionen unterstreichen diese Aussagen, in dem sie an dieser Stelle übersetzen: „…du wirst nie mehr Verwalter sein können…“
In unserem Fall, war es wohl so, dass der Verwalter auf der Stelle gefeuert wurde, doch hatte er bis zur Übergabe der Buchführung noch eine kurze Zeitspanne zur Verfügung. Von dieser wohl sehr kurzen Zeitspanne, in der die Entlassung des Verwalters noch nicht öffentlich bekannt war, handelt unser Gleichnis.
Was geschieht nach der Kündigung?
Nach der Aufforderung die Rechungsbücher zu übergeben, würde jeder Orientale ein lautes und beständiges Geschrei des Verwalters erwarten, der auch entgegen seines schlechten Gewissens, versuchen würde, auf seine Unschuld hinzuweisen. Normal wäre an dieser Stelle, dass der Verwalter allen Umständen, Personen und sogar dem Grundbesitzer selber die Schuld zuweisen würde. Doch zum Erstaunen aller Zuhörer ist der Verwalter wieder still. Dieses Schweigen nach solch einem drastischen Gesichtsverlust muss zumindest folgendes bedeuten:
Ich bin schuldig.
Der Herr kennt die Wahrheit, er weiß von meiner Schuld.
Der Herr erwartet Gehorsam, Ungehorsam zieht nur weiteres Urteil nach sich.
Ich kann meinen Job nie mehr zurückgewinnen, soviel Entschuldigungen ich auch bringen würde.
Dies ist die kürzeste Form für einen Orientalen seine Schuld zu gestehen. So konzentriert sich der Verwalter nicht auf die Vergangenheit, sondern nur noch auf seine ungewisse Zukunft.
Etwas fällt in diesem Zusammenhang noch auf. Die Regeln der Mischna stellen klar, dass der Verwalter für alle Verluste seines Herrn haftbar gemacht werden kann. Ein Prozess und eine sofortige Untersuchungshaft wäre normal gewesen. Der Verwalter wird nicht gescholten, geschlagen – noch nicht einmal gedemütigt. Der Grundbesitzer erwartet eindeutig Gehorsam, dennoch ist er ungewöhnlich barmherzig und großzügig zu dem überführten Schuft!!
Zu B2: In seiner tiefsten persönlichen Krise sucht der Verwalter nun nach einer Lösung. Interessanterweise erwägt er das Graben. Klar, dass ein gebildeter Mensch mit einem guten Status, dies nicht EÜ: „kann“. Das griech. Wort weist eindeutig auf seine körperliche Schwäche als Hinderungsgrund hin. Für unseren Verwalter spricht, dass er das Betteln auch ablehnt, obwohl dies in der Gesellschaft eine, wenn auch verachtete, Einkommensquelle war. Das wirkliche Problem des Verwalters ist nicht die nächste Mahlzeit. Was er braucht ist eine Zukunft im Dorf – einen neuen Job! Er kann nie und nimmer ein Dauergast egal in welchem Dorf sein.(lies Jesu Sirach 29,28-35) Wer würde einen Verwalter einstellen, der wegen Verschwendung gefeuert wurde? Wie könnte er die Dorfgemeinschaft zu einem Gesinnungswandel bringen?
Zu C: Hier wird der Plan angekündigt, der sich dann vor dem Hörer/Leser entfaltet. Der Verwalter beschließt alles in Bezug auf die Barmherzigkeit seines Meisters zu riskieren. Klar, wenn das nicht gelingt landet er im Knast – doch wenn sein Plan gelingt, wird er der Held des ganzen Dorfes sein. Hinter dem dramatischen „ich weiß“, steckt der letzte Plan seines verzweifelten Hirnes. Wie oben angedeutet, liegt der Schlüssel für das Handeln des Verwalters, in dem Umstand, dass noch kein Pächter von seiner Entlassung weis. Er hat bis zur endgültigen Übergabe der Buchführung eine sehr kurze Zeitspanne zur Verfügung – die will er absolut nutzen.
Er lässt die Pächter rufen; die kommen zu ihrem „Verwalter“, wohl in der Annahme der Grundbesitzer habe ihnen durch seine Person etwas Außerordentliches mitzuteilen. Im Übrigen: die Höhe des Pachtzinses lässt vermuten, dass diese Pächter relativ wohlhabende Pächter waren. Es war keine Erntezeit – bei niemand war eine Rechnung fällig-, also musste der Landbesitzer schon was besonderes auf seinem „Herzen“ haben. Genau diesen Schein wollte der Verwalter erwecken.
Zu B1′: Der Verwalter ruft jeden der Pächter einzeln zu sich, so dass die sich nicht zu viel untereinander bereden und dann womöglich noch Fragen stellen. Der Verwalter ist in verzweifelter Eile, grüßt die Pächter nicht vernünftig, stellt seine Frage und sagt dem Ersten dann ausdrücklich: „Setz dich schnell und schreibe…“ Die Eile wird aus jedem Wort deutlich. Der Verwalter muss handeln so lange der Grundbesitzer noch nichts bemerkt hat, aber auch die Pächter würden nie mitmachen, wenn sie wüssten, dass sie nur einen „Ex“ vor sich haben. Das Risiko des Verwalters war, dass irgendein anderer niedrigerer Knecht den Raum betreten und laut bekannt geben würde, dass der Verwalter gefeuert wurde. Nie würden sich die Pächter, deren Lebensunterhalt von dem Verhältnis zum Grundbesitzer abhängig ist, auf eine Intrige mit einem machtlosen „Ex“ einlassen und so ihr Verhältnis zum „Boss“ verspielen. An keiner Stelle haben wir im Gleichnis einen Hinweis, dass die Pächter Schurken sind. Sie sind aufrichtige Dorfbewohner, die auf Treu und Glauben gehandelt haben. Für sie sind die plötzlichen Vertragsänderungen legal, solange es für sie noch keinen „Ex-Verwalter“ gibt. Sagt nicht auch der Verwalter EÜ: „Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?“
Die Pächter haben den Eindruck, der Verwalter habe ihren Grundbesitzer zu dieser Pachtzinsreduzierung überredet, so dass sie sofort freudig einwilligen, als dieser sie auffordert mit ihrer Handschrift die Pachtverträge zu ändern. Immerhin betragen die Reduzierungen bis zu 50%, die plötzlich aus „dem Blauen heraus“ auf sie zu kommen.
Sie wissen ganz genau, dies haben sie ihrem Verwalter zu verdanken, der hat dies schließlich dem „alten Herrn“ aufgeschwatzt. Er ist doch einer, der mit ihnen erlebte, dass der Regen schlecht, die Sonne heiß und die Schädlinge wieder aktiv waren. Plötzlich gerät der Verwalter in die Position eines Vorarbeiters, der beim „Alten“ einen Extra „Weihnachtsbonus“ herausholt. Klar der Bonus kommt vom „Alten“, doch das Lob bekommt der Verwalter, weil er so ein schlauer Kerl ist.
Nach diesem kulturellen Vorspann, finden alle weiteren Aktionen schnell ihre Berechtigung. Der Verwalter holt die Verträge aus seiner „Schublade / Schrank / Ordner / Datei / Archiv“ prüft den Pachtzins, lässt sich diesen vom Pächter bestätigen und verkündet dann die Pachtzinsreduzierung, die in jedem Fall den damaligen Wert von 500 Denare ausmacht (diese gleichen Beträge weisen auch auf die Hast des Verwalters hin). Es war einfach leichter kurzerhand in jedem Vertrag die gleiche Pachtzinssenkung zugewähren, als lange über die Gerechtigkeit einer prozentualen Kürzung zu verhandeln. Übrigens muss in beiden Fällen nur jeweils ein Buchstabe, sie haben immer auch einen Zahlenwert, geändert werden: ein Qôf (=100) in ein Nun (=50) und ein Qôf in ein Pe (=80).
B1 und B2 präsentieren uns das Problem des Verwalters, dessen Lösung in B1′ und B2′ entwickelt wird. Wir erwarten an dieser Stelle, dass sich A und A‘ spiegelbildlich zueinander verhalten. Der Verwalter beendet seinen gewagten Plan, indem er die frisch veränderten Pachtverträge zusammenrafft und seinem Vorgesetzten übergibt. Der Grundbesitzer schaut sich die Unterlagen an und reflektiert über seine möglichen Reaktionen. In aller Deutlichkeit sieht er die Reaktion der Pächter, ja des ganzen Dorfes, vor sich. Überall geraten einzelne Pächter und deren Familien aus dem Häuschen über solch einen noch nie gehörten Anfall von Großzügigkeit eines Gutsbesitzers. Überall würde er als nobler (arabisch = nab£l) Ehrenbürger gefeiert werden. Dem Grundbesitzer stehen jetzt eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten offen:
Er geht zu seinen Pächtern und erklärt ihnen allen, dass dies nur ein Missverständnis sei, der Verwalter schon aus seinem Amt entlassen gewesen wäre und darum die Pachtzinsreduzierungen durch ihn, eine illegale Aktion sei. Auf diese doch sehr kalte Dusche würden die Dorfbewohner natürlich sehr verärgert reagieren. So manches hässliche Wort, ob seines unermesslichen Geizes, würde hinter ihm hergerufen werden. – Oder er bleibt ruhig und nimmt das freudige Lob seiner Pächter entgegen und erlaubt damit seinem gewieften Verwalter auf einer Popularitätswelle durch das Dorf zu reiten.
Der Grundbesitzer in unserem Gleichnis ist ein freigiebiger, hochherziger, orientalischer Edelmann. Er hatte seinen Verwalter nach der Aufdeckung der Verschwendung weder misshandelt, geschmäht noch sofort inhaftiert. Nach seiner kurzen Reflektion wendet er sich an seinen Verwalter und lobt dessen kluges Handeln (froni,mwj phronimœs verständig, klug, einsichtsvoll). Auf eine sehr indirekte Weise bezieht sich das Lob des klugen Verwalters auf die Qualitäten seines Herrn. Der Verwalter wusste um die Barmherzigkeit und Großherzigkeit seines Vorgesetzten. Er setzte darum sein ganzes weiteres Schicksal auf diese eine Karte, also auf diese Charaktereigenschaften seines Herrn. Er gewann!! Weil der Grundbesitzer wirklich großherzig war, zahlte er den vollen Preis für die Rettung seines Exverwalters.
Wir gehen davon aus, dass der „Herr“ von V. 8a der Grundbesitzer ist, damit ist dieser Vers der Schlusspunkt des Gleichnisses. Der Beginn von Vers 9a: „Und ich sage euch“ verstehen wir als eine Erweiterung durch Jesus zu der Aussage des Grundbesitzers. Viele Kommentatoren haben hier die große Schwierigkeit: wie kann ein Grundherr, der seinen Verwalter in V.2 fristlos entlässt, diesen dann in V.8 loben? Nach der bisherigen Entwicklung unserer Exegese, würde gerade dieser Widerspruch zum Kern des Gleichnisses gehören.
Eine Reihe von Gleichnissen Jesu haben bei genauerer Betrachtung diesen unangenehmen Beigeschmack: der hartherzige Richter, der Nachbar der in der Nacht nicht gestört werden will und dann noch dieser Gauner, der ein Feld kauft, um den Schatz seines Nachbarn einzusacken. In drei von diesen vier Fällen benutzt Jesus das rabbinische Prinzip: „vom Leichteren zum Schwereren“, was im Allgemeinen bedeutet: „wie viel mehr“. Wenn die Witwe vom ungerechten Richter bekam, was sie wollte, wie viel mehr wirst du etwas durch Gebet von Gott erhalten (18,1-9)! Wenn der Nachbar mitten in der Nacht sein Brot erhielt (11,5-7), wie viel mehr Du von Gott? Wenn der unehrliche Verwalter sein Lebensproblem durch die Barmherzigkeit seines Meisters löste, wie viel mehr wird Gott helfen, wenn du in einer Lebenskrise seiner Barmherzigkeit vertraust.
Jetzt wollen wir noch die Worte klug und loben von V.8 betrachten. Klug wird in den alten orientalischen Versionen mit µokmah = Weisheit übersetzt. In Spr.30,24-28 wird die „Weisheit“ der Ameisen, Klippdachse und Eidechsen gerühmt. Ihre Weisheit bezieht sich ja gerade auf ihr ausgeklügeltes Selbsterhaltungssystem. Diese Art von „Weisheit“ passt doch genau auf den unehrlichen Haushalter. Hat Jesus hier das aramäische Wort µokmah benutzt, dass dann später von Lukas (?) nicht mit sofi,a sophia = Weisheit übersetzt wurde, sondern mit Klugheit?
Was meinte der Herr in V.8 mit loben? Das griechische Wort evpaine,w epaineœ wird in den altsyrischen Versionen mit shabaµ (loben, preisen) übersetzt. Das altsyrische Wort hat allerdings noch die zusätzliche Bedeutung: in gutem Ruf bleiben, Anerkennung erhalten von. Gerade die letzte Bedeutungsvariante weist uns auf die Situation des unehrlichen Verwalters hin. Das griechische Wort an dieser Stelle wird im Neuen Testament oft in endzeitlichen Zusammenhängen benutzt. Das Loben bezieht sich auf das letzte Gericht. Das Lob wird der Gerechtgesprochene vom himmlischen Vater hören (1.Kor.4,5)
Das theologische Bündel des Gleichnisses:
Gott (der Meister) ist ein Gott des Gerichtes und der Barmherzigkeit. Wegen des Bösen, ist der Mensch (Verwalter) angesichts des kommenden Gottesreiches in eine tiefe Krise geraten. Entschuldigungen werden dem Menschen nichts nützen. Die einzige Möglichkeit besteht für den Menschen darin, alles auf die unwandelbare Barmherzigkeit Gottes zu setzen. Der Mensch darf sicher sein, Gott wird den Preis für diese Barmherzigkeit zahlen. Dieser Art von Weisheit bedarf ein Jünger von Jesus. Durch die Einteilung in „Kinder der Welt“ und „Kinder des Lichts“ wird eindeutig klar gestellt, dass nicht die Unehrlichkeit gelobt wird.
- Wer ist mit Wort „Herr“ in V.8a gemeint?
- Welche Aussage macht Jesus in diesem Gleichnis über den „Reichen Herrn“ und damit über Gott?
- Wie beurteilst du die Problemlösung des Verwalters
- Nenne ähnliche Aussagen, die sowohl im Gleichnis von den Verlorenen Söhnen als auch im Gleichnis vom Unehrlichen Verwalter zu finden sind.
Lk 16,9-13
Nach beiden Texten in Lk 16,1-13 und Lk 11,5-13 folgt eine Lehreinheit, die im engen Zusammenhang steht und doch einen ganz anderen literarischen Stil aufweist. Beide Teile sind verbunden mit der für Lukas typischen Phrase EÜ: „Und ich sage euch.“
Literaturstruktur des Gedichtes
Lk 19,9-13:
Und ich sage euch:
A Macht euch
B Freunde
C mit dem ungerechten Mammon,
C‘ damit, wenn er zu Ende geht,
B‘ sie aufnehmen
A‘ euch in die ewigen Zelte.
D Wer im Geringsten treu ist,
der ist auch in vielem treu;
E und wer im Geringsten ungerecht ist,
der ist auch in vielem ungerecht.
F Wenn nun ihr mit dem ungerechten Mammon
nicht treu seid,
F‘ wer wird euch das Wahrhaftige
anvertrauen?
E‘ Und wenn ihr mit dem fremden Gut
nicht treu seid,
D‘ wer wird geben euch das Eurige?
G Kein Haussklave kann zwei Herren dienen;
H entweder er wird den einen hassen
I und den andern lieben,
I‘ oder er wird an dem einen anhangen
H‘ und den andern verachten.
G‘ Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Dieses Gedicht bildet eine kraftvolle und feine gedankliche Einheit, wobei es trotz der Schlichtheit im Ausdruck, auf einer komplexen poetischen Struktur ruht.
Der inverse (nach innen gekehrte) Parallelismus ist offensichtlich.
sie (die Freunde)
Mammon
Mammon (er)
sie
ihr
In A und A‘ geht es um die 2. Person Plural: Ihr. Auch könnte man das machen mit den ewigen Zelten in Verbindung bringen. Bis heute denkt doch jeder Durchschnittsmensch, dass der Besitz, der Mammon, zum Bau und zur Ausschmückung der irdischen Zelte, der persönlichen Absicherung nötig ist. In dem Jesus A und A‘ gegenübersetzt, bekräftigt er seine Aussage, dass gerade dies ein Trugschluss ist. B‘ könnte auf die Engel hinweisen, die die Gläubigen im Jenseits empfangen, dann könnte man auch B die Freunde mit ihnen gleichsetzen.
Die Verse 10-12 bilden die zweite Strophe. Hier finden wir sechs Gedankeneinheiten, wie auch in der dritten Strophe. Im Gegensatz zu I. besteht jeder Gedanke aus einer Doppelzeile. Im Zentrum F‘ finden wir das Wort: das Wahrhaftige. Im Aramäischen lauten sie: treu sein, das Wahrhaftige, anvertrauen immer die gleiche semitische Wurzel.
Der inverse Parallelismus in diesen sechs Zeilen ist deutlich: Zwei Herren, Hass, Liebe – Liebe, Hass, Zwei Herren.
Wir merken I. und III. entsprechen einander recht deutlich. Es geht in diesem Gedicht um Gott, dem Mammon und die Wahrhaftigkeit. Den Rahmen bilden die Strophen I. und III. mit ihrer Aussage, dass man mit dem Mammon Schätze im Himmel sammeln darf und man nie beidem dienen kann: Gott und dem Mammon. Der Höhepunkt in der Mitte warnt den Hörer, dass ihm die Wahrheit nicht anvertraut wird, ehe er sich nicht als vertrauenswürdig im Umgang mit dem Mammon erwiesen hat. Der Dichter fragt seine Zuhörer, ob irgendeinem unehrlichen Menschen die Wahrheit Gottes anvertraut werden kann.
Über die Ursprünge des Gedichtes
Was können wir über die Ursprünge dieses Gedichtes sagen? Folgende Aussagen können wir wohl mit einiger Gewissheit machen:
- Das Gedicht ist eine Einheit und muss in seiner gegenwärtigen Form durch eine Person mit bemerkenswerten Fähigkeiten geschaffen worden sein.
- Der hier benutzte inverse Parallelismus war bei den schreibenden Propheten weit verbreitet.
- Das aramäische Wortspiel im Zentrum weist auf die früheste Ebene der Überlieferung hin.
- Da es ein Gedicht ist, ist die korrekte mündliche Überlieferung wahrscheinlich. Die Prophetensprüche des Amos werden auf dieser Grundlage auch von der historisch-kritischen Wissenschaft als korrekt überliefert akzeptiert.
- Der V. 9 ist so überraschend anders, dass niemand ihn Jesus fälschlicherweise angehängt hätte.
- Lukas schreibt unser Material direkt Jesus zu – es bleibt wohl keine andere realistische Alternative!
Das Gedicht steht dem Gleichnis vom Armen Lazarus und dem reichen Man sehr nahe (V.19ff). Vielleicht bildet es sogar die Einleitung zu diesem Gleichnis
- Welchen besonderen Reiz hat Geld (viel Geld)? Was verspricht Geld angeblich?
- Was erwartet Gott von uns hinsichtlich unseres Umgangs mit Geld?
- Wie können das Geld und unser Glaube an Gott den richtigen Platz bekommen?
- Wie können wir dem „Geld“ den „Reichtum“ für uns und unsere Kinder die Maske herunterreißen? Welche Konsequenzen hat das?
8.27 Der reiche Mann und arme Lazarus
Lazarus ist die einzige Gestalt eines Gleichnisses, die einen Namen erhält; der Name (Gott hilft) hat also besondere Bedeutung. Lazarus ist ein Gelähmter, von einer Hautkrankheit heimgesuchter Bettler, der auf der Straße vor dem Eingangstor zum Palast des Reichen seinen Bettelplatz hat, von dem aus er die Vorübergehenden um eine Gabe anruft. Für das Vergeltungsdenken des Judentums ist er durch sein Geschick als von Gott gestrafter Sünder gekennzeichnet.
Es kann also übersetzt werden, das was von denen, die an der Tafel des Reichen saßen, auf den Boden geworfen wurde. Gemeint sind damit nicht die zu Boden fallenden Krümel, sonder Stücke der Brotfladen, die man zu Löffel formte und damit das Essen zum Mund führte. Nach dem Eintreten der Sättigung, aber angesichts weiterer Köstlichkeiten warfen sie die dekadenten Gäste unter den Tisch den Hunden zu.
Weil Jesus nicht einen frommen Schriftgelehrten beschreibt, ist das Folgende für seine Zuhörer unerwartet… Ehrenplatz beim Hausvater Abraham. Dieser Ehrenplatz ist das höchste Ziel der Hoffnung der Zeitgenossen von Jesus. Lazarus steht an der Spitze aller Gerechten. Er erlebt eine Umkehrung der Verhältnisse. Er erfährt das Gott der Gott der Ärmsten und Verlassenen ist (Jeremias 1998, 183).
Die Abrahamskindschaft wird anerkannt, nicht aber ihr Heilswert.
Die Kluft bringt die Unwiderruflichkeit der Entscheidung Gottes zum Ausdruck.
Selbst eine leibliche Auferstehung als der Gipfel der Bezeugung der Macht Gottes, bliebe ohne Eindruck auf Menschen, die nicht auf Mose und die Propheten hören – dh. ihnen gehorchen.
Dieses Gleichnis hat zwei Höhepunkte: die Umkehrung der Verhältnisse und die Abweisung der Bitten des Reichen. Jesus will nicht zum Problem Arm-Reich Stellung beziehen, auch keine Belehrung über das Leben nach dem Tod geben, sondern er erzählt das Gleichnis, um Menschen, die dem Reichen und seinen Brüdern gleichen, vor dem drohenden Verhängnis zu warnen. Der arme Lazarus ist eine Nebengestalt – die Kontrastfigur. Es geht eigentlich um die fünf Brüder des verstorbenen Reichen. Wir können darum das Gleichnis auch Von den sechs Brüdern nennen (Jeremias 1998, 185).
Begriffserklärung:
Hadesch, gr. `αδης` – Gehenna (hebr. Scheol) Ort oder Zustand ohne Rückkehr, oder Veränderung zum Besseren.
χάσμα μέγ – große Kluft, die unüberbrückbar ist.
τόπον τοῦτον τῆς βασάνου – ein Ort (Zustand) der Qual
- „Und wie den Menschen bestimmt ist, „einmal“ zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus „einmal“ geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil“ (Hebr 9,27-28).
Fragen:
- Nenne die verschiedenen Kontraste in diesem Gleichnis?
- Kommen nach diesem Gleichnis die Reichen in die Hölle und die Armen in den Himmel?
- Wo landen beide Männer nach ihrem Tod? Was wird durch die Begriffe Hölle, Abrahams Schoß angedeutet?
- Warum gibt Jesus dem armen Mann einen Namen, dem Reichen jedoch nicht?
- Haben die Rückkehrer aus dem leiblichen Tod für die Lebenden ein legitimes Zeugnis-Mandat (Jüngling von Nain, die 12 jährige Tochter des Jairus, Lazarus, Tabita-Rehe, Auf wen oder was ist zu hören, um gerettet zu werden?
- Was war die Botschaft Jesu in den 40 Tagen nach seiner Auferstehung?
8.28 Die Ungeduld und Unglaube der Brüder von Jesus
Joh 7,1-10
- 1 Danach zog Jesus umher in Galiläa; denn er wollte nicht in Judäa umherziehen, weil ihm die Juden nach dem Leben trachtete. 2 Es war aber nahe das Laubhüttenfest der Juden. (3Mo 23,34) 3 Da sprachen seine Brüder zu ihm: Mach dich auf von hier und geh nach Judäa, damit auch deine Jünger die Werke sehen, die du tust. (Mt 12,46; Joh 2,12; Apg 1,14) 4 Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch öffentlich etwas gelten. Willst du das, so offenbare dich vor der Welt. 5 Denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.
6 Da spricht Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht da, eure Zeit ist allewege. (Joh 2,4) 7 Die Welt kann euch nicht hassen. Mich aber hasst sie, denn ich bezeuge von ihr, dass ihre Werke böse sind. (Joh 15,18) 8 Geht ihr hinauf zum Fest! Ich will nicht hinaufgehen zu diesem Fest, denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt.
9 Das sagte er und blieb in Galiläa“ (Joh 7,1-10).
Kapernaum hat Jesus ja endgültig verlassen und befand sich, wie der Text aus Johannes 7,1ff nahelegt in Nazaret oder dessen Umgebung. Ganz überraschend treten seine Brüder (Halbbrüder) an dieser Stelle auf. Vielleicht war Jesus zu dieser Zeit in Nazaret oder zumindest in dessen Nähe. Die Argumentation der Brüder von Jesus zeigt, dass er wohl längere Zeit nicht mehr in Judäa bzw. Jerusalem war. Bis dahin hat sich Jesus mehr oder weniger verborgen gehalten in Galiläa und Umgebung (Joh 7,4). Die Zurückhaltung von Jesus zusammen mit der Pilgergruppe zum Laubhüttenfest zu gehen, macht deutlich, dass er sich nicht von Menschen bestimmen lassen wollte, sondern auf den Befehl von seinem Vater wartete. Er begründet sein Verhalten mit den Worten: „Meine Zeit (καιρος-kairos[40]) ist noch nicht da, eure Zeit ist allewege“ (Joh 7,6. 8).
So blieb er in Galiläa bis die allgemeine Reisegesellschaft schon unterwegs war.
- An welche Ereignisse in der Geschichte Israels erinnert das sogenannte Laubhüttenfest?
- Beschreibe die familiäre und auch geistliche Situation der Brüder von Jesus zu diesem Zeitpunkt?
- Müssen wir nicht auch in unseren Familien und Verwandschaften feststellen, dass nicht alle zur gleichen Zeit einheitliche Erkenntnisse haben und die einen entsprechend früher, andere später oder gar nicht zum Glauben an Jesus kommen?
8.29 Auf dem Weg durch Samaria
(Lk 9,51-56)
8.29.1 Wisst ihr nicht wessen Geistes Kinder ihr seid?
Auf dem Weg von Galiläa nach Jerusalem wählt Jesus die Route über Samaria. Diese Region hatte ihren Namen nach der Hauptstadt des ehemaligen Nordreiches welches 722 v. Chr. unterging. Herodes der Große und dann Archelaus regierten diese Region. Nach der Verbannung von Archelaus wurde Samaria Teil der römischen Provinz Syria. Dieser Weg ist im Vergleich zu der Pilgerroute entlang des Jordantals wesentlich kürzer. Jesus kann durch Samaria relativ unbeobachtet vom allgemeinen Pilgerstrom schnell nach Jerusalem reisen. Die zeitliche Parallele zu diesem Jerusalembesuch finden wir in Johannes 7,2-10. Der zeitliche Rahmen dieser Jerusalemreise durch Samaria wäre etwa Mitte bis Ende September 32.n.Chr.
Es begab sich aber, als die Zeit erfüllt war, dass er hinweggenommen werden sollte, da wandte er sein Angesicht, stracks nach Jerusalem zu wandern. Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. Als aber das seine Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. (2Kön 1,10) Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen in ein andres Dorf (Lk 9,51-56).
Jesus sendet Boten (a;ggeloj angelos) vor sich her, um eine Übernachtung in einem Dorf Samarias vorzubereiten, doch die Dorfbewohner lehnen ab. Man kann vermuten, dass sie nichts dagegen hätten, wenn Jesus bei ihnen bleiben würde, doch die geplante Weiterreise nach Jerusalem ist für sie ein Ärgernis (Lk 9,53). Bei der ablehnenden Haltung der Samariter muss der Kontext der Beziehung von Juden und Samaritern berücksichtigt werden (Joh 4,9). Weniger nachvollziehbar ist die menschenverachtende Reaktion der Zebedäussöhne Jakobus und Johannes – wäre nicht mehr von der barmherzigen Art ihres Meisters zu erwarten gewesen? Feuer vom Himmel als Vergeltungsschlag zu erbitten, so wie Elia es tat, ist unsere menschlich zornige Art. Bis heute ist diese Reaktion eher die Regel als die Ausnahme. Wir haben solche Sätze im Ohr: „Dies lasse ich mir nicht bieten!“ Oft bleibt es nicht bei Worten und Ablehnung. Ausgrenzung wird zu oft mit Gewalt beantwortet.
Jesus hat da mehr Verständnis für die Samariter, da ihn doch so oft seine eigenen Landsleute abgelehnt und ausgegrenzt haben (zum Beispiel die Nararener Lk 4,16ff). Hier erteilt Jesus Vergeltung, Rache und menschlichem Zorn (Lk 4,28-29) eine klare Absage. Jesus begegnet seinen zwei Jüngern sehr streng und konsequent und weist sie scharf zurecht. Der griechische Begriff evpitima,w epitimaœ kann auch mit „er bedrohte[41] sie“ übersetzt werden.
Wer Jesus nicht aufnimmt, beraubt sich des Segens, den er vielleicht nie wieder erfahren kann. „Und sie gingen in ein anderes Dorf“, – man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie dort aufgenommen wurden.
Fragen:
- In welche Zeit fällt dieser Jerusalembesuch?
- Warum entscheidet sich Jesus durch Samarien zu reisen, anstatt die von den Juden vorgezogene Jordanroute zu benutzen?
- Jesus bittet um gastliche Aufnahme in einem Dorf der Samariter, warum zieht er es nicht vor im Freien zu Übernachten, es ist ja erst Spätsommer und warm?
- Warum reagieren die Samariter so ablehnend? Was ist ihnen dabei entgangen?
- Bewerte den geistlichen Stand von Johannes und Jakobus nach drei Jahren in der Jesusnachfolge?
- Wie lange folge ich Jesus nach – habe ich die Lektion in Bezug auf Jähzorn, Rachsucht schon gelernt?
- Wann dürfen wir zu einem „anderen Dorf“ bei unserem lokalen Auftrag ziehen?
8.29.2 Jesus reinigt zehn Aussätzige Männer
Lk 17,11-19
Jesus befindet sich immer noch im Grenzgebiet Galiläa/Samarien (V.11). Er hat es also nicht so eilig wie seine Brüder um nach Jerusalem zu kommen.
- „11 Und es geschah, als er nach Jerusalem reiste, dass er mitten durch Samaria und Galiläa ging. 12 Und als er in ein Dorf einzog, begegneten ihm zehn aussätzige4 Männer, die von fern standen. 13 Und sie erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, Meister, erbarme dich unser! 14 Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie gereinigt. 15 Einer aber von ihnen kehrte zurück, als er sah, dass er geheilt war, und verherrlichte Gott mit lauter Stimme; 16 und er fiel aufs Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm; und das war ein Samariter. 17 Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die Zehn gereinigt worden? Wo sind die Neun? 18 Haben sich sonst keine gefunden, die zurückkehrten, um Gott Ehre zu geben, außer diesem Fremdling? 19 Und er sprach zu ihm: Steh auf und geh hin! Dein Glaube hat dich gerettet“ (Lk 17,11-19).
Jesus geht von Dorf zu Dorf im Grenzggebiet von Galiläa und Samarien, denn aus der Zusammensetzung der zehn Aussätzigen geht hervor, dass einer ein Samariter ist, die anderen aber Juden wahrscheinlich aus dem südlichen Galiläa.
Die Aussätzigen stehen von Ferne, das heißt außerhalb der Siedlung. Dies entspricht der Anordnung für das Verhalten, bzw. den Aufenthalt von Unreinen durch Aussatz (3Mose 13,45).
Anders als bei der Reinigung eines Aussätzigen in der Nähe von Kapernaum, wo Jesus den Kranken berührt, halten sich die zehn auf Distanz zu Jesus. Hier heilt Jesus auf Distanz, nur mit der Aufforderung: „Geht hin und zeigt euch den Priestern“. Gemeint ist, sie sollen nach Jerusalem gehen und sich dort die Heilung von Priestern bescheinigen lassen. Damit hält Jesus sich an die Vorschriften des Gesetzes (3Mose 14,1ff). Gleichzeitig ist dies auch ein Zeugnis für die Priesterschaft (Lk 5,14).
„Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie gereinigt“ – die Reinigung vollzieht sich plötzlich als sie noch gar nicht weit gegangen sind. So hätten alle die Möglichkeit gehabt umzukehren und Jesus zu danken, um sich anschließend auf den weiten Weg nach Jerusalem zu machen. Jesus fordert zwar nicht den Dank, er erwartet ihn jedoch. Einer von zehn kehrt um, als er sieht, dass er rein wurde, preist Gott mit lauter Stimme, kommt zu Jesus fällt auf sein Angesicht zu den Füßen von Jesus nieder und dankt ihm. Typisch für den Evangelisten Lukas ist, dass er die Herkunft des Dankbaren als Samariter betont. Im Evangelium Lukas finden wir die ähnliche Betonung im Zusammenhang der Frage, wer ist mein Nächster (Lk 10,29. 33).
Die Frage von Jesus ist berechtigt: „Sind ihrer nicht zehn rein geworden, …, wo sind denn die neun?“ Doch hat Jesus nicht ihnen aufgetragen sich den Priestern zu zeigen – warum ist er über die neun enttäuscht? Nun, die neun sind Juden, entweder sind sie dem Buchstaben des Gesetzes so sehr ergeben, dass sie nach Jerusalem eilen, oder aber sie sind so undankbar, dass sie weder nach Jerusalem gehen noch zu Jesus zurückkehren, sondern mit der wiedergewonnenen Gesundheit ihre Familien aufsuchen. Die Enttäuschung in den Worten Jesu lässt sogar das letztere zu. Durch den versäumten Dank für die Reinigung ihres Körpers verpassen sie die Rettung ihrer Seele. Dem Samariter spricht Jesus das Heil zu und zwar durch den Glauben an Jesus als den Messias (auf den auch die Samariter warteten, so im Textzusammenhang aus Johannes 4).
Fragen:
- Wo begegnet Jesus diesen zehn Aussätzigen?
- Welches Los teilten diese Männer?
- Wie reagiert Jesus auf ihre Bitte?
- Warum ist gerade Gehorsam so wichtig, ja sogar Voraussetzung, um unsere Bitten erfüllt zu bekommen?
- Was zeichnet den einen geheilten Samariter aus? Welcher Segen liegt in der Dankbarkeit?
- Warum liegt es besonders Lukas nahe, die Nichtjuden in seinen Geschichten hervorzuheben?
- Warum ist Jesus über die neun Männer enttäuscht, hat er nicht selber angeordnet, dass sie sich den Priestern zeigen sollen?
- Wo liegt der Unterschied zwischen dem Glauben an die Heilung des Körpers und dem Glauben, der umfassende Rettung für den gesamten Menschen zur Folge hat?
[1]Wir finden die Zahl 70 im Codex Sinaiticus und in vielen östlichen Texten. In den westlichen Texten (bes. in der Vulgata) findet sich die Zahl 72. Eine endgültige Klärung ist nicht möglich.
[2]Keener weist hier darauf hin, dass nach der Beerdigung in einer Grabhöhle nach ca. einem Jahr traditionell eine Umbettung der verbliebenen Knochen in ein Kästchen in der gleichen Grabhöhle statt fand. Dabei musste der älteste Sohn zwingend anwesend sein (Keener 1998 Bd.1, 350)
[3]Diese Angabe finden wir nur hier im Lukasevangelium. In den wesentlichen Manuskripten der alexandrinischen und der cäsareanischen Texttradition (bes. Codex Sinaiticus) finden wir die Zahl 70. In den Manuskipten der meisten anderen alexandrinischen und westlichen (lateinischen) Texten finden wir die Zahl 72. Die Zahl 70 finden wir häufig in Bibel (z.B. 70 Nachkommen Jakobs Gen 46,27). Die Zahl 72 finden wir im Aristeabrief – die Zahl der Übersetzer der Septuaginta. Hieronymus hat für die Vulgata die Lesart 72 gewählt. Die versch. Übersetzungen schwanken zwischen diesen beiden Zahlen.
[4]Jesus ist unterwegs nach Jerusalem zum Laubhüttenfest, also ungefähr September.
[5]Die Städte Chorazin und Bethsaida befanden sich in unmittelbarer Nähe von Kapernaum, Chorazin 4 km in nordwestlicher Richtung und Bethsaida 4 km in östlicher Richtung von Kapernaum.
[6]Im Lateinischen wird dafür der Begriff `Luzifer`verwendet und ist in der christlichen Tradition der Name für den Sstan geworden.
[7]Die Frage nach dem Zeitpunkt der Erschaffung der Engel wird zwar immer wieder gestellt, doch die Bibel macht dazu keine direkten Angaben. Die Aussage „Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1Mose 1,1) könnte als indirekter Hinweiss angenommen werden auf die zeitnahe Erschaffung der himmlischen Geistwesen mit der Erschaffung des Universums.
[8]Der griechische Zeitbegriff `ωρα – ora – Stunde` wird von Jesus an einigen Stellen für die Zeit seiner Gefangennahme verwendet, doch an dieser Stelle ist es eher wörtlich zu verstehen.
[9]Der griechische Zeitbegriff `καιρος – kairos – Zeit` meint niemals einen bestimmten Zeitpunkt, sondern den Inhalt oder die Qualität der Zeit. In diesem Zusammenhang wohl `während jener geschichtlichen Abläufe`.
[10]Die Bezeichnung `γενεα-genea` kann mit Geschlecht widergegeben werden, aber auch Nachkommen eines Vorfahrs, Sippe, Rasse, gelegentlich auch die zeitgenössische Generation.
[11]Der griechische Lichtbegriff spiegelt sich auch in verschiedenen Worten der deutschen Sprache wieder, so zum Beispiel: Fosphor, Fotographie und anderen mehr.
[12]Εκατον – hundert (Mk 6,40), χυλιες – tausend (Lk 8,25; 14,31), μυριαδες – ´zehntausend´ (Apg 21,20; Offb 5,11; 9,16).
[13]Die Substanz Sauerteig wird von Jesus nicht immer negariv in ihrer durchdringenden Art gebraucht wie wir zum Beispiel in Mt 13,33 und Lk 13,21 feststellen können, denn dort vergleicht Jesus das Reich Gottes mit der Wirksamkeit des Sauerteigs..
[14] Hier will Lukas nicht eine fixe Zeitbestimmung machen, sondern lediglich eine gewisse Einordnung dieses Gespräches in die Periode seines letzten galiläischen Wirkens.
[15] Bis heute lässt sich beobachten, dass die Opfer in der Regel nur über ihr Leiden und den Täter sprechen, nicht aber über ihr Verhalten, welches unter Umständen für den Täter als Provokation aufgefasst wurde.
[16] Jesus scheint recht gut informiert zu sein über die Ereignisse seiner Zeit in seinem Land.
[17]kairo,,j kairos – hier will Lukas nicht eine fixe Zeitbestimmung machen, sondern lediglich eine gewisse Einordnung dieses Gespräches in die Periode seines letzten galiläischen Wirkens.
[18]Dieses Ereignis finden wir sonst nicht in den historischen Quellen. Dennoch auch Josephus berichtet von einigen Aufständen (Jüdische Altertümer, 7,45-62).
[19]Da wir oft Opfer und Täter zugleich sind, hilft eine neutrale Sicht eines Dritten zur richtigen Einordnung von traumatischen Erlebnissen.
[20]Jesus scheint über die Ereignisse seiner Zeit in seinem Land recht gut informiert zu sein.
[21]Die Sache der Nationalisten attackiert Jesus auch in seiner Predigt in Nazaret Lk 4,16f.
[22]So fragten die Tempeldiener Petrus: „Pflegt euer Meister den Tempelgroschen zu geben?“
[23]Fritz Rienecker, Lexikon zur Bibel 1981, Seite 1287.
[24]Sauerteig ist ein Mittel zur Lockerung und Säuerung von Teig, das wahrscheinlich im alten Ägypten erfunden wurde. Sauerteig entsteht aus einem Gemisch von Mehl und Wasser unter Einwirkung von Wärme und der jeweils am Ort der Herstellung oder der Ernte des verwendeten Getreides befindlichen wilden Hefen (Lockerung, »Gehen«) und Milchsäurebakterien (Säuerung). Diese beiden Organismen gehen im Sauerteig eine Symbiose ein und benötigen nach ein paar Tagen (je nach Temperatur) weitere Nahrungszufuhr in Form von Mehl und Wasser. Umgangssprachlich unterscheidet man Sauerteig und Hefe. Gemeint ist dann die in Würfeln und als Pulver erhältliche Bäckerhefe, ein über Jahrzehnte aus wilden Hefen gezüchtetes robustes Produkt, das stärker und schneller zur Teiglockerung führt. hr fehlt jedoch der charakteristische Sauerteig-Geschmack, der auch durch Zugabe von Sauerteig-Extrakt oder Säuerungsmitteln wie Essig nicht ganz erreicht werden kann (Auszug aus Internet-www.sauerbrot.de/sauerteig.htm – Cached – Similar).
[25]Jesus ist mit derSchlüsselgewalt ausgestattet worden (Offb 3,7).
[26]Das griechische Wort ´καιρος – kairos´meint nicht den Zeitpunkt, sondern die verpasste Gelegenheit, die nicht genutzte Chance während der gnädigen zuwendung von Gott.
[27]Es ist fraglich, ob Herodes im Herzen an die Auferstehung der Toten glaubt, doch in diesem Zusammenhang ist ihm wohl dieser theologische Standpunkt nützlich.
[28]Wassersucht, gr. ´υδρωπικος´ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Flüssigkeitsablagerungen im Gewebe.
[29]In der rabbinischen Literatur finden wir eine Entsprechung bei Rabbi Simon bin Azzai (110 n. Chr.).
[30]Menschen mit diesen Behinderungen werden noch an folgenden Stellen genannt: Mt 21,14; Lk 14,21.
[31]Das griechische Wort ´μακαριος – makarios – Glückselig´, drückt ein Höchstmaß an Freude, an Wonne, an glücklich-sein aus, welches ein Mensch emotional empfinden kann.
[32]Lies hier zum Vergleich auch das viel spätere apokryphe Thomasevangelium Logion 64. Diese Ausführungen folgen wieder den Hinweisen von K.E. Bailey.
[33]Salz vom Toten Meer ist häufig mit Gips verunreinigt und darum fad.
[34]Hirten im AT: Mose, der nach einer Legende ein verlorenes Zieglein suchte und dabei seine Berufung zum Hirten des Volkes erfuhr; David, der von der Herde weg zum König gesalbt wurde. Hesekiel bezeichnet die Könige allgemein als Hirten und besonders auch den kommenden Messias(Hes.34 23). Gott selbst wurde als Hirte bezeichnet (Ps.23).
[35]Derret, J.D.M. (Law in the NT: The Parable of the Prodigal Son NTS14, 1967 S.68) weist auf eine Beobachtung in der jüdischen Geschichte hin: Jüngere Brüder sind die traditionellen Rebellen. Der ältere Bruder ist weltlich, geizig, orthodox und heuchlerisch. Neben Abel waren alle Patriarchen nach Abraham jüngere Brüder: Isaak, Jakob, Josef, Gideon, David – später auch Judas Makkabäus. In der gleichen Linie ist auch hier der jüngere Sohn zu sehen.
[36]So wurden beim Einzug des Schahs von Persien 1943 nach Teheran hunderte Tiere geschlachtet, er musste über das Blut vor jeder Schwelle fahren (Siehe 2.Mo 12,21-27).
[37]Unterweisung, Sammlung der jüdischen Gesetzeslehre aus dem 2.Jhd n. Chr.- Grundlage des Talmuds.
[38]Zumal die byzantinische Textvariante (A)- siehe Nestle-Aland S.213 -, die ja hier die Zukunftsform liest, eindeutig durch bessere Textzeugen widerlegt wurde.
[39]to.n lo,gon th/j oivkonomi,aj ton logon t¢s oikonomias deutet mit den beiden Artikeln auf „Kassenbücher“ hin.
[40]Der griechische Begriff `καιρος`- kairos, meint nicht einen Zeitpunkt, im Sinne eines Datums. Jesus denkt immer zunächst vom Inhalt her, von einem bestimmten Ablauf innerhalb einer zeitlichen Phase. Im Gegensatz zu seinen Brüdern, deren Zeit (kairos) immer da ist, richtet sich Jesus nach den vom Vater festgelegten Abläufen innerhalb seines zeitlichen Dienstes. Brüdern fordern seine Offenbarung vor der Welt, doch doch dies ist für Jesus noch nicht dran.
[41]Mit diesem Wort weist Jesus Petrus zurecht: „Gehe hinter mich du Satan“ und mit diesem Wort beschreiben die Evangelisten Jesu machtvolles Gebieten den unreinen Geistern.