10.9 Das Gleichnis von der königlichen Hochzeit

10.9 Das Gleichnis von der königlichen Hochzeit

(Bibeltext: Mt 22,1-14)

Das Gleichnis von der Königlichen Hochzeit hat im Lukasevangelium im Gleichnis vom Großen Abendmahl (Lk 14,15-24) seine Parallele. Es sieht so aus, dass Jesus zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten oft Gleiches oder auch Ähnliches gesagt hat. Zwar ist die große Linie dieselbe: Der Gastgeber (hier im Matthäusevangelium ein König) hat viele zum Hochzeitsmahl eingeladen, doch zur Festzeit entschuldigen sie sich kurzfristig aus verschiedenen Gründen. Da sich jedoch die Gleichnisse in vielen Einzelheiten unterscheiden, wollen wir sie getrennt betrachten.

10.9.1 Die mehrfache Einladung zum Hochzeitsmahl

(Bibeltext: Mt 22,1-10)

 

Der Evangelist Matthäus schreibt:

Und Jesus antwortete und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Knechte aus, die Geladenen zur Hochzeit zu rufen; doch sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Geladenen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Geladenen waren’s nicht wert. Darum geht hinaus auf die Ausfallstraßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Hochzeit wurde gefüllt mit denen, die sich niederlegten. (Mt 22,1-10 frei übersetzt).

Die einleitenden Worte „(…) und Jesus antwortete und redete wieder in Gleichnissen zu ihnen und sprach“ (Mt 21,1) sind aufschlussreich: Jesus reagiert zwar nicht auf eine konkrete Frage, aber er antwortet auf die Situation, die feindliche Haltung der religiösen Autoritäten. Jesus vergleicht das Reich der Himmel mit der Hochzeit eines Königssohns. Das Reich der Himmel haben wir schon in Mt 4,23; Mt 13,43; Mt 20,1 als die freudige und herrliche Zeit in der Gott in Christus in der finalen Phase des Reiches im neuen Himmel und in der neuen Erde herrschen wird. Diese Freudenzeit wird bildlich dargestellt. Geladene kommen zu einem Mahl, legen sich auf Teppiche/Polster, sehen vor sich die herrlichsten Speisen und ein gepflegtes Tischgespräch unterhält alle. Hier in unserem Gleichnis wird das Fest als ein Hochzeitsfest beschrieben. Nach Richter 14,7 kann solch eine Hochzeit sieben Tage dauern, in der Regel jedoch 3-4 Tage (Joh 2,1ff). Der Sohn soll heiraten, spielt aber sonst im Gleichnis kaum eine Rolle. König und Königssohn markieren hier die außerordentliche Wichtigkeit des Festes. Der Schwerpunkt liegt auf den zum Fest Geladenen.

Auch in diesem Gleichnis sind alle Geladenen langfristig zur Hochzeit eingeladen und werden jetzt am Festtag zur Festeröffnung nochmals freundlich aufgefordert zu kommen. Doch sie wollen nicht kommen – die stärkste Art einen Mitmenschen zu brüskieren! Hier lädt ein König ein – da muss im Verhältnis von Untertanen zum Herrscher etwas sehr schief liegen. Doch der sehr geduldige und großzügige König sendet andere Boten mit Erklärungen und der sehr demütigen Bitte: „(…) alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit“ (Mt 22,4). Somit hatten die Gerufenen drei Einladungen gehört. Bibelleser merken, dass dies Gleichnis wie der Evangelist Matthäus es uns berichtet, eine Nähe zum vorherigen Gleichnis von den bösen Weingärtnern hat (Mt 21,33-45). In beiden Gleichnissen wird drei Mal eingeladen. Gott selbst sprach durch viele Propheten bis zu Johannes dem Täufer. Gott sprach durch Christus, die Zwölf, die Siebzig – doch Gott ist geduldig! Lies: Jer 7,13.25; 11,7; 25,3; Hes 18,23.32; 33,11; Lk 13,6-9; Röm 2,4; 9,22; 1Tim 1,16; 1Petr 3,20; 2Petr 3,15.

Doch die Eingeladenen reagieren auch auf die dritte Einladung gleichgültig (mein trister Alltag auf dem Feld oder im Laden ist mir wichtiger) und dann sogar feindlich bis verbrecherisch. Die Reaktion der Geladenen ist untypisch für Orientalen. Das muss den Zuhörern aufgefallen sein. Hätte der König die Steuern erhöht, wäre ihr Protest verständlich und nachfollziebar gewesen (lies dazu 2Chr 10,1-17). Aber hier geht es nicht um Steuererhöhung, sondern um die Einladung zu einem großen Fest – was für ein Privileg! Wer von seinen Zuhörern das vorhergehende Gleichnis mitbekommen hat, wird hier eine deutliche Parallele erkannt haben (Mt 21,45). Auch Stefanus wird später der Führung vorhalten: „Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt?“(Apg 7,52). Wir haben natürlich auch das Schicksal von Johannes dem Täufer im Sinn, wenn wir von Verfolgung, Mißhandlung und Totschlag der Propheten hören (Mt 17,12; 23,35). Doch Jesus macht in diesem Gleichnis seinen Zuhörern sehr deutlich: Gottes Geduld hat Grenzen. Lies 1Mose 6,3; Spr 29,1; Dan 5,22-31; Mt 21,40-44; Lk 13,9; Offb 2,21-22. Es scheint so, dass die Eingeladenen alle in einer eigenen Stadt wohnen, denn ein schreckliches Gericht ereilt diese: Tod und Feuer. Heutige Bibelleser denken dabei auch an Jerusalem 70 n.Chr. und die Eroberung durch Titus Flavius. Josephus berichtet darüber (Jüdische Kriege VI,250-253).

Die ursprünglich Eingeladenen lehnten wiederholt die Einladung des Königs ab. Doch der König lässt sich nicht abhalten – die Feier findet auf jeden Fall statt. So geht die Einladung an die Menschen der Straßen. Ihr Status spielt keine Rolle – jeder wird zum Fest gebeten. Jeder jüdische Zuhörer konnte hier den zweiten Sinn verstehen: andere Völker werden ihre Einladung erhalten. Dieses universelle Heilsangebot ist ein zentrales Anliegen von Jesus und dann auch von seinen Nachfolgern (Mt 28,19: Lk 24,47; Joh 10,16; Röm 10,12-13; 1Kor 7,19; Gal 3,9; Eph 2,14.18; Phil 3,3; Kol 3,11). Vergessen wir jedoch nicht, dass Jesus selbst die Reihenfolge festgelegt hat, welche später auch seine Jünger eingehalten haben (zuerst die Juden, dann die Völker – fangt an in Jerusalem).

Und der Hochzeitssaal wurde voll.

10.9.2 Das fehlende hochzeitliche Gewand

Bibeltext: (Mt 21,11-14)

 

Dürfen wirklich alle von der Straße Eingeladenen feiern? Ist hier eine Spur der Allversöhnungslehre zu finden? Der Evangelist Matthäus geht in seiner Schilderung nahtlos über zu dem besonderen Vergleich mit dem fehlenden Hochzeitsgewand, wenn er die Erzählung von Jesus fortsetzt mit den Worten:

Da ging der König hinein, sich die (zu Tisch) Liegenden anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. (Mt 22,11-14).

Hier wollen wir einigen Fragen nachgehen:

 

  1. Frage: Warum redet der König den Menschen, der kein hochzeitliches Gewand anhatte, mit `Freund` an? Schließlich wirft man doch einen Freund nicht auf solch schmähliche Weise aus der Festgemeinschaft hinaus.

Die Anrede `εταιίρε etaire` in der sehr knappen Vokativ Form (Rufform) kommt noch in Matthäus 20,13 und 26.50 vor und in keinem dieser drei Geschichten ist die angeredete Person `Freund` im Sinne von `φιλέ μου phile moumein Freund`. Jesus redet nur die mit `meine Freinde` an, die seinen Willen tun (Joh 15,14-15). In allen drei Stellen ist das Verhalten der Angeredeten negativ, bei Judas in Matthäus 26,50 (vgl. Lk 22,48) sogar mit verräterischer Absicht. In der klassischen griechischen  Literatur wird die Bezeichnung `εταίρος etairos als allgemeine Anrede an jemanden dessen Namen man nicht weiss verwendet. Es kann mit `Genosse, Kamerad, Freund, Gefährte` ins Deutsche übersetzt werden (Walter Bauer 1971, 622). In unserem Text würde eher die Anrede `Genosse`  passen. Bei der Härte der verurteilenden Worte des Königs passt die Anrede `Freund` jedoch nicht, es sei denn sie wird mit einem deutlichen Unterton des Sarkasmus gebraucht.

 

  1. Frage: Was ist der Sinn und die Bedeutung der hochzeitlichen Bekleidung?

Das hochzeitliche Gewand macht uns Schwierigkeiten. Wie kann man von Leuten, die auf den Straßen aufgelesen wurden, passende Hochzeitskleidung erwarten? Es wird ohne nähere Erklärung vorausgesetzt, dass der Gefragte in geeigneter Kleidung hätte erscheinen können. Es war wohl überflüssig extra zu betonen, dass der König für Bad und frische Festkleidung vorgesorgt hat. So lesen wir in Jesaja 61,3: „(…) um den Trauernden von Zion zu verleihen, dass ihnen Kopfschmuck statt Asche gegeben werde, Freudenöl statt Trauer und Feierkleider statt eines betrübten Geistes, dass sie genannt werden »Bäume der Gerechtigkeit«, eine »Pflanzung des HERRN« zu seinem Ruhm.“ Sowohl der König im Gleichnis, als auch der Herr in der Realität ist Großzügig und vorsorglich den Bedürftigen gegenüber. Es lag eindeutig an dem Menschen, der die Festkleidung verweigerte, oder nachdem er sie angenommen hatte, wieder ablegte. Im Gleichnis wird nur ein Mann gefragt, wie er ohne hochzeitliches Gewand hereingekommen sei. Das Gleichnis hat an seinem jetzigen Platz und in seiner jetzigen Form keine Erklärung, so dass wir auf den gesamtbiblischen Kontext zurückgreifen müssen um eine mögliche Erklärung zu bekommen.

Kleider sind in der Bibel häufig Symbol für den Status eines Menschen, sie sagen aber auch etwas über sein Wesen aus, ebenso über seine Beziehung zu Gott. Hier einnige Beispiele:

  • 1Mose 3,7.21: „Da wurden ihnen beiden die Augen geöffnet, und sie erkannten, dass sie nackt waren; und sie banden sich Feigenblätter um und machten sich Schurze.“ Die Selbstgemachte Kleidung aus Feigenblättern wurde von Gott nicht anerkannt und er selbst machte für Adam und Eva Kleider aus Fellen geschlachteter Tiere. So lesen wir in 1Mose 3,21: „Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie.“ Sie nahmen diese von Gott gemachten Kleider an und wurden so mit Gott wieder in Gemeinschaft gebracht.

 

  • 2Mose 29,4ff: Aaron und seine Söhne sollten für ihren Dienst mit besonderer, von Gott vorgeschriebenen Bekleidung ausgestattet werden.
  • In Jesaja 61,10 werden kostbare Kleider als Bild für Rettung und Gerechtigkeit durch den Herrn zugeteilt. So lesen wir: „Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils (Rettung) angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.“ Auch hier ist von Bräutigam und der Braut die Rede – indirekter hochzeitlicher Bezug.
  • In Offenbarung 19,7-8 wird der Beginn der endgültigen und himmlischen Hochzeitsfeier bildhaft beschrieben und dabei die besondere Bekleidung der Braut (Gemeinde) hervorgehoben. Ausdrücklich heißt es, dass ihr diese Bekleidung gegeben wurde. „Lasst uns fröhlich sein und jubeln und ihm die Ehre geben! Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereit gemacht.Und es wurde ihr gegeben, sich in feine Leinwand zu kleiden, rein und glänzend; denn die feine Leinwand ist die Gerechtigkeit der Heiligen.“ (vgl dazu auch Offb 7,9-14).

Die Frage des Königs: „Wie bist du ohne Hochzeitskleid hereingekommen“ erweckt sogar den Eindruck, dass dieser Mensch sich mit einer Art List hereingeschliechen hatte. Es ist möglich, dass Jesus hier sagen will, dass sich einige zu den „Kindern des Reiches Gottes“ rechnen, die in Wirklichkeit aber eine ganz andere Gesinnung haben. Wenn dies stimmt, dann ist das Gleichnis vom Fehlenden hochzeitlichen Gewand eine Warnung gegen falsche Jüngerschaft. Nicht wer „Herr, Herr“ sagt (Mt 7,21) kommt ins Reich Gottes, sondern wer den Willen des himmlischen Vaters tut!

 

  1. Frage: Ist das Urteil des Königs nicht zu hart?

Der Befehl des Königs birgt in sich keinerlei Milde. „Bindet ihm Füße und Hände und werft ihn in die Finsternis hinaus, da wird Heulen und Zähneklappern sein“. Ähnliches sagte Jesus in einem anderen Zusammenhang in Lukas 13,23-30: „(…) Da wird das Heulen und das Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes seht, euch selbst aber hinausgestoßen! Und sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, und zu Tisch sitzen im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden Erste sein; und es sind Erste, die werden Letzte sein.“

Auch wenn dieses Gleichnis vordergründig den Zeitgenossen von Jesus gesagt wurde, so behält es seine Gültigkeit für alle Menschen aller Zeiten. Der Autor des Hebräerbriefes schreibt: „wie viel schlimmerer Strafe, meint ihr, wird derjenige schuldig erachtet werden, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt wurde, für gemein geachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat?“ (Hebr 10,29). Das Angebot in Gottes königlicher Herrlichkeit mitzufeiern ist so gewaltig und für Gott so kostenintensiv, dass die Ablehnung oder Missbrauch der Einladung nach sich ein angemessenes hartes Urteil zieht.

 

  1. Frage: Was bedeutet: „viele sind berufen aber wenige sind auserwählt“?

Auch diese Aussage von Jesus ist nicht leicht zu verstehen, hat es doch mit der Erwählung durch Gott, aber auch mit der freien Willensentscheidung des Menschen zu tun. Die Begriffe, welche hier verwendet werden sind: `,κλητοί kl¢toi – Berufene` im Nom. Pl. und `έκλεκτοί, eklektoi – Auserwählte` im Nom. Pl. Jesus scheint einen Unterschied zu machen zwischen `berufen` und `auserwählt`, dementsprechend zwischen `Berufenen` und `Auserwählten`. Diese Unterscheidung wird auch durch seine Aussagen in der Endzeitrede (Mt 24,22.24,31) bestätigt, wo er letztlich nur von `έκλεκτούς eklektous – Auserwählten` spricht. Klar ist, dass die Auserwählten auch berufen wurden. Werden demnach nicht alle, welche berufen wurden auch das Ziel erreichen? Auch auf diese Frage gibt Jesus eine Antwort, denn er hat Einblick in das, was war, was ist und in das was sein wird (Joh 2,25; 6,64 Lk 13,28; Offb 3,4.16). Jesus sah die reale Entwicklung voraus: Mt 7,14: „Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!“ Mt 24,12-13: „Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber bis an das Ende geduldig ausharrt, wird gerettet werden.“ Offb 3,4: „Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind’s wert.“

 

 

 

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Welche Unterschiede fallen dir ein, wenn du die Gleichnisse Vom großen Abendmahl und Von der königlichen Hochzeit vergleichst?
  2. Was hält die Eingeladenen damals wie heute vom Kommen ab?
  3. Sind in unserer Mitte die „von der Straße“ herzlich begrüßt und willkommen geheißen?
  4. Gehen wir noch auf die „Straßen und Kreuzungen“ um einzuladen?
  5. Was symbolisiert das Gewand hier im Gleichnis? Welche weiteren Aussagen finden wir in der Bibel (Mk 9,3; Offb 3,4; 3,18; 22,14).
  6. Wen meint Jesus mit den „Auserwählten“?

 

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10.8 Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern

(Bibeltexte: Mt 21,33-44;  Mk 12,1-11;  Lk 20,9-18)

 

Die erste Betrachtung dieses Gleichnisses

Jesus reiht ein Gleichnis an das andere, denn die Zeit drängt, es bleiben nur noch wenige Tage bis er zum Vater zurück geht. Sein Werben um Israel wird noch intensiver. Auch das folgende Gleichnis erzählt Jesus im Tempel. Wie in der Passawoche zu erwarten ist, sind tausende Pilger schon frühzeitig in Jerusalem eingetroffen. Jesus ist bei seiner wichtigsten Tätigkeit, dem Lehren. Er ist Meister in Geschichten erzählen, sehr oft benutzt er in seiner Lehrtätigkeit Gleichnisse, (Vergleichsgeschichten aus verschidenen Lebensbereichen der Menschen). Dabei lässt er nicht locker, immer noch wendet er sich vordergründig an die Oberschicht, die Führung des Volkes.

Abbildung 10 Ein Weinberg am Südhang des Bodensee westlich des Ortes Fischbach. Es ist Herbst, die Weinernte ist bereits eingefahren, doch die Traubenstöcke stehen noch in ihrer herbstlichen Farbenpracht (Foto: 1. November 2018).

Wie der Evangelist Matthäus schreibt, wendet sich Jesus vorrangig an die Priesterschaft und die Gruppe der Pharisäer mit ihren Schriftgelehrten:

Hört ein anderes Gleichnis: Es war ein Hausherr, der pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter darin und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Als nun die Zeit der Früchte herbeikam, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, damit sie seine Früchte holten. Da nahmen die Weingärtner seine Knechte: den einen schlugen sie, den zweiten töteten sie, den dritten steinigten sie. Abermals sandte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; und sie taten mit ihnen dasselbe. (Mt 21,33-36).

Die Evangelisten Markus und Lukas berichten jeweils von nur einem Knecht, den der Weinbergeigentümer zu den Weingärtnern sendet. Diese werden jeweils misshandelt und mit leeren Händen weggeschickt. Höchstwahrscheinlich waren in der Originalversion von Jesus alle diese Aspekte vorhanden, doch die Evangelisten schrieben nur Teile der Gesamterzählung nieder. Auf jeden Fall wiederspiegeln sie die verschiedenen Behandlungsweisen der von Gott gesandten Propheten in der Geschichte Israels. So stellt Stefanus bei seinem Verhöhr wenig später vor dem Hohen Rat fest: „Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die zuvor verkündigten das Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.“ (Apg 7,52). Wir folgen weiter dem Text des Evangelisten Matthäus:

Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen (Markus und Lukas ergänzen: „den Geliebten“) und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie zueinander: Das ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbgut an uns bringen! Und sie nahmen ihn und stießen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn. Wenn nun der Herr des Weinbergs kommen wird, was wird er mit diesen Weingärtnern tun? Sie antworteten ihm: Er wird den Bösen ein böses Ende bereiten und seinen Weinberg andern Weingärtnern verpachten, die ihm die Früchte zur rechten Zeit geben. (Mt 21,37-41).

Die Zuhörer von Jesus sind sehr aufmerksam und sie haben ein gutes Urteilsvermögen. Doch bevor Jesus zur abschließenden Anwendung kommt, fügt er noch eine weitere Episode aus der Geschichte Israels hinzu.

Jesus sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen in der Schrift (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er zermalmen. Und als die Hohenpriester und Pharisäer seine Gleichnisse hörten, erkannten sie, dass er von ihnen redete. Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen; aber sie fürchteten sich vor dem Volk, denn es hielt ihn für einen Propheten. (Mt 21,42-46).

Abbildung 11 Reife Trauben am Weinstock in einem gepflegten Weingarten (Foto: 11. September 2016).

 

Das ist der erste Teil der Geschichte, die von Jesus verwendeten Bilder sind den Zuhörern wohl vertraut. Die Der Weinberg, der Weinstock, die Rebe, die Traube, der Traubensaft, der Wein, der Weinberggärtner und Weinbergeigentümer, sind beliebte Bilder in der Bibel (5Mose 6,11;  Hohelied;  Jesaja 5,1-7;  Joh 15,1-6).

Sünde blendet und macht unfähig wichtige geistliche Zusammenhänge klar zu erkennen, denn wahre Weisheit kommt von Gott. Erst jetzt wird der Führung klar, was Jesus mit seinen Gleichnissen erreichen will. Wie werden sie nun darauf reagieren. Werden sie diese Chance zur Umkehr nutzen, oder werden sie ihre Herzen noch mehr verhärten?

Das Volk steht hinter Jesus, will sein Leben, sein Bleiben, doch die Entscheidungsträger sind die Priester aus der Sadduzäerpartei und die Mehrheit der Schriftgelehrten aus der Pharisäerpartei. Letztlich wird Gottes vorhergesehener Plan werwirklicht und dadurch kommt Gott zu seinem Ziel, nämlich der Erlösungsmöglichkeit der verlorenen Menschen, auch derer, die ihn verurteilen werden. Noch am Kreuz betet Jesus für seine Feinde: „Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34)! Petrus stellt nach Pfingsten fest: „Nun, liebe Brüder, ich weiß, dass ihr’s aus Unwissenheit getan habt wie auch eure Oberen. Gott aber hat erfüllt, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigt hat: dass sein Christus leiden sollte. So tut nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden getilgt werden“ (Apg 3,17-19).

 

Abbildung 12 Die Südostecke der Stadtmauer von Jerusalem. Die an der Mauerecke eingebauten Steine geben eine gewisse Vorstellung von der Bedeutung der Ecksteine für die Stabilität und die ausrichtung der Mauern (Foto: Juli 1994).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Welche Bedeutungen haben diese einzelnen, aus der Landwirtschaft stammenden Bilder in biblischen Erzählungen, auch im aktuellen Gleichnis?
  2. Warum reagiert der Weinbergbesitzer nicht sofort mit einer Strafaktion?
  3. Warum reagiert der Weinbergbesitzer auch diesmal nicht mit einer Strafaktion, was sagt seine Zurückhaltung aus über seinen Charakter, seine Ziele?
  4. Macht der Weinbergeigentümer sich was vor, kennt er die Weingärtner so wenig, glaubt er wirklich an deren respektvolles Verhalten gegenüber dem Sohn, oder denkt er weiter?
  5. Welche Überlegungen stehen hinter solch einer Denkweise, ist es realistisch zu hoffen, dass der Hausherr das Ganze nun auf sich beruhen lässt? Fällt uns dabei eine alttestamentliche Geschichte ein (1Kön 21,1-29; 2Kön 9,25-26)?
  6. Wohin zielt die Frage von Jesus, warum sollen seine Zuhörer selbst die Antwort geben?
  7. Merken die Hohenpriester und Pharisäer nicht, dass sie mit dieser Antwort sich selbst das Urteil aussprechen?  
  8. Was ist die Besonderheit eines Ecksteins, seine Bestimmung, auf wen deutet Jesus diesen Eckstein?
  9. Was versteht Jesus unter der Bezeichnung „Reich Gottes“ und wer ist dieses andere Volk? Nehmen später auch die Apostel Bezug auf diese Worte von Jesus (Röm 10)?
  10. Was bedeutet die Aussage „den wird er zermalmen“?
  11. Warum sind sie so verhärtet, konnten sie nicht mehr zurück, oder wollten sie nicht?

Die zweite Betrachtung des Gleichnisses

Joachim Jeremias schreibt in Bezug auf dieses Gleichnis: Dieses an das Lied vom Weinberg (Jes 5,1-7) anknüpfende Gleichnis steht mit seinem allegorischen Charakter einzig da unter den synoptischen Gleichnissen von Jesus. Der Weinberg ist offensichtlich Israel, die Pächter seine Könige und Leiter, der Grundherr ist Gott, die Boten sind die Propheten, der Sohn ist Christus, die Bestrafung der Winzer versinnbildlicht die Verwerfung Israels, das andere Volk (Mt 21,43) ist die Gemeinde der Heiden (Jeremias 1998, 67f). Die Details haben eine erste und dann eine wesentliche zweite Bedeutung. In der Einleitung schildern die Evangelisten Markus (12,1) und Matthäus (21,33) die sorgfältige Anlage des Weinberges in engem Anschluss an das Lied Jesajas Vom Weinberg. Von dort stammen in der Fassung der LXX die Details wie Zaun, Kelter und Turm. Diese machen jedem Zuhörer deutlich, dass von Gott und Israel die Rede ist.

 

Der Evangelist Markus berichtet wie der Grundherr 3-mal sendet und jedes Mal werden die Boten misshandelt: verprügelt, durch Faustschläge ins Gesicht entehrt und dann getötet. Der Evangelist Markus steigert das „mobbing“ stetig bis zum Höhepunkt: dem Mord. Der Evangelist Lukas berichtet die Tötung des dritten Knechtes und die weiteren Misshandlungen nicht. Der Evangelist Matthäus berichtet von der zweifachen Sendung einer Vielzahl von Knechten und deren Misshandlungen und der Sendung des Sohnes zum Schluss.

 

Die Schlussfrage Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt, was wird er jenen Weingärtnern tun?“ findet sich bei allen drei Synoptikern. Sie knüpft an Jes 5 (aus LXX zitiert). Hier denken alle Zuhörer unwillkürlich an die erstaunliche Geduld des Grundherrn und an die sinnlose Hoffung der Pächter, dass die Tötung des Sohnes sie in den Besitz des Weinberges bringen werde. Die Bezeichnung Sohn wurde von den Juden zurzeit von Jesus nicht ausschließlich als Messiastitel verstanden; er wird in der jüdischen Literatur auch auf den Patriarchen Jakob bezogen (Jes 9,6; 1Chr 17,13; 2Mose 4,22). Das Gleichnis schildert eine unzufriedene Stimmung der galiläischen Bauern gegen Großgrundbesitzer.

Da Jesus nicht vom Weinberg, sondern von den Pächtern spricht, hat er nicht das Volk als Ganzes im Fokus, sondern dessen Leiter aus dem Hohen Rat. Dieses sehr scharfe Drohwort an die Führer des Volkes, macht deutlich, dass das Heiligtum zur Räuberhöhle geworden ist (Mt 21,13). Nach Jesus ist das Maß der Schuld voll. Gott wird Rechenschaft fordern. Doch auch noch mit diesen Worten versucht Jesus die Leiter des Volkes noch im letzten Augenblick zu einer Wende zu bewegen – hütet euch, auch den letzten Gottesboten abzuweisen!

 

Fragen / Aufgaben:

  1. (Lies bei Interesse auch zum Vergleich das viel spätere apokryphe Thomasevangelium Logion 65 (im ANHANG)
  1. Welche Details fallen auf? Was ist ihr zweiter Sinn?
  2. Warum wählt Jesus solch drastische Worte?
  3. Wo in der Geschichte des Volkes Gottes wird die „mobbing-Spirale“ deutlich?
  4. Für was macht Jesus die Leiter verantwortlich? Welche Motive unterstellt er ihnen?
  5. Welche Vorsorge können wir treffen, dass heute Gemeindeleiter, Leiter von Missionswerken, Gruppenleiter nicht auf Abwege geraten?
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10.7 Ein Mensch hatte zwei Söhne

(Bibeltext: Mt 21,28-32)

 

Die erste Betrachtung der Geschichte

Im Anschluss an die Frage nach der Vollmacht von Jesus (Mt 21,23-27) stellt der Evangelist Matthäus (und nur er allein) die Geschichte von einem Vater und dessen zwei Söhnen vor. Sie steht auch in direktem Zusammenhang zu der Thematik der Frage nach der Taufe des Johannes. Jesus entlässt die Fragesteller nicht so einfach aus deren Verantwortung, sind sie doch ihm eine Antwort schuldig geblieben. Er setzt das Gespräch mit ihnen fort, diesmal durch einen Vergleich. Er weiß ganz gewiss, was sie wirklich benötigen, darum versucht er mit einer Geschichte aus dem Alltag sie in ihrer Haltung zum Umdenken zu bewegen. Er fordert sie nicht nur heraus ihr logisches Denkvermögen einzusetzen, sondern auch die ii der Geschichte verborgene Wahrheit zu erkennen. Dadurch bekommen sie eine weitere Chance zur Umkehr. Und nun kommt die Geschichte, die er mit einer Frage einleitet und mit einer Frage schließt:

Was meint ihr aber? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg. Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht. Danach reute es ihn und er ging hin. Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr!, und ging nicht hin. Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? (Mt 21,28-31a).

Abbildung 9 Jeder Weinberg braucht regelmäßige Pflege, ansonsten verwildert er innerhalb kürzester Zeit. Dieser Weinberg befindet sich östlich der Stadt Kavala in Nordgriechenland (Foto: 28. August 2010).

Die Aufgabe, welche Jesus seinen Zuhörern stellt, ist nicht schwierig und die Antwort der Führenden im Volk kommt prommt: „Sie antworteten: „Der erste“. Sie sind imstande klar und logisch zu denken und urteilen, was positiv ist. Was ihnen jedoch nicht bewusst wird, ist die Anwendung. Höchstwahrscheinlich machten sie sich keine weiteren Gedanken darüber, dass Jesus mit dieser Geschichte sie meint, dass es ihnen gilt und sie mit ihrer Antwort über sich selbst ein Urteil gefällt haben?

Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr. Denn Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg (auf dem Weg der Gerechtigkeit), und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr’s saht, tatet ihr dennoch nicht Buße (habt ihr dennoch nicht umgedacht), sodass ihr ihm dann auch geglaubt hättet. (Mt 21,31b-32).

Zunächst fällt in der Geschichte auf, dass es der Vater ist, der zu seinen Söhnen hingeht. Dem Menschen liegt es nicht, von sich aus zu Gott zu kommen und zu fragen: „Herr, was willst du, das ich tun soll?“ Durch den ersten Sohn in der Geschichte, der zunächst mit „nein, ich will nicht“ geantwortet hatte, werden die Zöllner und Huren vergliechen – die offensichtlichen Sünder. Sie lebten den ersten Teil ihres Lebens mit einem klaren und offensichtlichen `NEIN` zu Gott. „Ich will jetzt noch nicht“ oder: „lass mich in Ruhe, ich will zuerst mein Leben genießen“. Sie wussten genau dass sie Sünder sind und was sie dabei zu erwarten haben. Sicher haben summarisch nicht alle diese Menschen bei der Predigt des Johannes durch Sinnesänderung und Umkehr ihr Leben verändert. Doch ihre Offenheit den Predigten des Johannes und auch Jesus gegenüber, ist vielfach belegt. Zum Beispiel: „Es nahten sich ihm aber allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören.“ (Lk 3,12; 5,27-30; 15,1; 18,10-13; 19,1-10).

Durch den zweiten Sohn im Gleichnis, der ohne viel nachzudenken mit „Ja, Herr“ geantwortet hatte, werden die nach der Tradition erzogene und auch theologisch ausgebildete Oberschicht der Juden vergliechen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (Nikodemus und Josef von Arimathia), verweigerten sie mehrheitlich den Glauben und Gehorsam Gott gegenüber. Seit Beginn der Wirksamkeit des Johannes ließen diese Menschen jede ihnen angebotene Gelegenheit zur Umkehr bewusst verstreichen. So schreibt Lukas: „Aber die Pharisäer und Schriftgelehrten verachteten, was Gott ihnen zugedacht hatte, und ließen sich nicht von ihm (dem Johannes) taufen.“ (Lk 7,30; vgl. auch Mt 2,5; 3,7-8;  Mk 3,6; 16,1;  Lk 11,53;  Joh 7,49; 12,10-11. 31). Und bis zum Schluß änderten sie ihren Standpunkt nicht (Mt 26,59;  Mk 15,10).

Gerade durch diesen Vergleich gab Jesus eine (wenn auch nur indirekte) Antwort auf die Frage der Juden zu seiner Vollmacht. Hätten sie Johannes geglaubt, wäre diese ihre Frage an Jesus überflüssig geworden.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wie sah die Vater-Söhne-Beziehung in dieser Geschichte aus?
  2. Welche Gruppe von Menschen repräsentiert der erste Sohn?
  3. Welche Gruppe von Menschen repräsentiert der zweite Sohn?
  4. Was ist die Voraussetzung, um in das Reich Gottes zu kommen?
  5. Warum fällt es Menschen mit einem guten angesehenen Lebensstandart so schwer sich vor der Autorität Jesu zu beugen und seine Gesinnung zu ändern?
  6. Wo finden wir heute diese zwei Gruppen oder Arten von Menschen?

Die zweite Betrachtung dieses Gleichnisses

Im Anschluss an die Frage nach der Vollmacht von Jesus (Mt 21,23-27) stellt der Evangelist Matthäus drei Gleichnisse zusammen:

  1. Von den ungleichen Söhnen
  2. Von den bösen Winzern
  3. Vom königlichen Hochzeitsmahl.

Im ersten Teil wird das Gleichnis erzählt (V 28 – 30). Dann wird die Frage gestellt, die schon in V 28 angedeutet wird: Wer erfüllt den Willen des Vaters? Oder anders ausgedrückt: Wer ist gerecht? Wer ist auf Gott ausgerichtet? Die Zuhörer geben die Antwort: Derjenige der die Möglichkeit wahrnimmt und umkehrt. Das Gleichnis hat die Aufrichtigkeit zum Thema. Jesus stellt die Frage: Wo sage ich mit dem Mund: Gott ist mir so wichtig, aber sobald dies Bekenntnis Zeit oder Geld kostet, ist mir anderes wichtiger. Nach großen Worten kann es mit dem Tun eng werden. Dann kommt es zu schlechten Gefühlen, kurzfristigen Absagen und aus dem Ja wird ein Nein. Oder wie im anderen Fall zu einer Kehrtwendung, zu einer Neuorientierung und aus dem Nein wird ein Ja!

 

Der erste Bruder, der Jasager, ist ausgesucht höflich. Auf die Bitte des Vaters, im Weinberg zu arbeiten, sagt er freundlich: „Ich gehe, Herr!“, tut aber überhaupt nicht, was der Vater von ihm verlangt. Der zweite Bruder ist weniger verbindlich. Er sagt deutlich, dass er keine Lust zur Arbeit hat. Dann aber wird er nachdenklich und geht, um den Auftrag des Vaters doch noch zu erfüllen.

Wir merken: beide sind keine Mustersöhne. Bei beiden stimmen Wort und Tat nicht überein. Aber trotz guten Umgangsformen des ersten Sohnes, ist uns der zweite sympathischer – denn wir sind durchaus der gleichen Meinung wie Jesus: Nicht auf bloße Worte kommt es an, sondern auf Taten!

Und Gott? Er scheint genauso zu denken. Nach einem Jesuswort kommt man nicht ins Himmelreich, indem man eifrig „Herr, Herr“ sagt (Mt 7,21), sondern indem man den Willen des Vaters erfüllt. In die gleiche Richtung geht der Ausspruch: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!“ (Mt 7,20)

Das kann uns zweierlei deutlich machen:

Sprache kann `verkleiden`, kann etwas vortäuschen, was in Wirklichkeit gar nicht so ist. Auch in der Gemeinde freuen wir uns immer, wenn sich bei der Verteilung von Arbeit jemand meldet: „JA, ich mach’s!“ Problem gelöst – weiter in der Tagesordnung! Aber manchmal kommen hinterher beim Betreffenden Zweifel. Doch im Leben gibt es plötzliche Veränderungen. Dann wollen wir reagieren und dem Vater im Himmel fragen: Wie steht es mit uns beiden – mach ich zu viel, zu wenig, bin ich gerade in einer Krise? Bin ich unrealistisch? Narren mich meine Gefühle oder sind wirklich grundsätzliche Entscheidungen dran. Wir dürfen zur Aufrichtigkeit durchdringen und uns fragen.

– Ist mir Gott wichtig – dann suche ich ihn in der Stille, im Hauskreis und im Gottesdienst

– Ist mir Gott wichtig, dann frage ich: welchen Auftrag hast du mir gegeben, wo darf ich freudig meine Zeit, Kraft, meine Gaben und mein Geld einbringen?

– Dann darf ich auch sagen: Was ist unwichtig, wie kann ich Zeit besser nutzen?

– Dann darf ich auch im Gemeinderahmen fragen: Wo habe ich mich übernommen, welche Aufgabe muss ich abgeben?

– Dann darf ich fragen, welchen Stellenwert hat meine Gemeinde in Bezug auf meine Zeit und meine materiellen Werte, und welche Stellung haben all die anderen guten Werke, Einrichtungen und Initiativen – stimmt bei mir hier die Balance? Wird deutlich wo ich zu Hause bin?

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wo führe ich mit einem schönen JA und wohlgesetzten Worten selbst und andere hinters Licht?
  2. Wo muss ich meinem Nächsten bewusster eine Chance zur Umkehr geben – gerade nach schlechten Erfahrungen?
  3. Bist du öfter als 3-mal werktags im Gemeindehaus? Das ist viel! Ist dies dein Auftrag? Bist du in 3 oder mehr Arbeitskreisen aktiv? Das ist viel! Ist dies dein Auftrag?
  4. Ertappst Du dich beim Jammern, Klagen? Bist du gefühlsmäßig überlastet? Jammern und Klagen sind sicher nicht DEIN Auftrag! Kannst Du Schritte erkennen, wie du aus dieser Situation herauskommst?
  5. Merkst du, dass der Vater im Himmel Dir eine Aufgabe geben will? Geh auf den Leitungskreis deiner Gemeinde zu und frage ob du im erkannten Bereich mithelfen könntest?
  6. (…) reden wir nicht länger darüber, handeln wir einfach!
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10.6. Die Frage nach der Vollmacht und woher war die Taufe des Johannes?

(Bibeltexte: Mt 21,23-27;  Mk 11,27-33;  Lk 20,1-6)

 

Früh am Morgen des 3. Wochentages (Dienstag) kommt Jesus wieder in den Tempel. Dort geht er seiner wichtigsten Tätigkeit nach und lehrt öffentlich (Mt 21,23; Joh 18,20). Der Evangelist Lukas betont ausdrücklich, dass Jesus „lehrte im Tempel und predigte das Evangelium“ (Lk 20,1). Immer wieder lässt er sich in der Lehre unterbrechen durch die Fragen der Zuhörer. Viel Zeit investiert Jesus in die Diskussionen mit den führenden Gruppen im Judentum, den Schriftgelehrten, Pharisäern, Sadduzäern, Ältesten und Hohenpriestern. Ständig fordern sie ihn mit ihren kritischen Fragen oder Versuchungen heraus, fast immer mit der Absicht, ihm eine Falle zu stellen. Er nutzt jedoch diese Herausforderungen, um seine Gegner aus ihrer Verhärtung herauszubringen.

Der Evangelist Matthäus schreibt:

Und als er in den Tempel kam und lehrte, traten die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes zu ihm und fragten.“ (Mt 21,23). Der Evangelist Lukas ergänzt: „Und es begab sich eines Tages, als er das Volk lehrte im Tempel und predigte das Evangelium, da traten zu ihm die Hohenpriester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten und sprachen zu ihm. (Lk 20,1;  ähnlich auch in Markus 11,27).

Das Evangelium (gr. ευαγνγέλιον euangelion – Frohe Botschaft, Gute Nachricht), ist die Überschrift der Lehr,- und Predigtdetails, welche Jesus bereits im ganzen Land verkündigt hatte und nun auch hier in Jerusalem im Tempel offenbart. Bis jetzt redete Jesus zum Volk, doch nun nähern sich ihm eine größere Abordnung aus allen leitenden Gremien des Judentums. Ja, Jesus hat die Größe, sich unterbrechen zu lassen und auf die Fragen der Tempelführung einzugehen: „Aus welcher Vollmacht tust du das? Oder wer hat dir diese Vollmacht gegeben, dass du das tust?“ (Mk 11,28;  ähnlich auch Lk 20,2; Mt 21,23).

Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ich will euch auch eine Sache fragen; wenn ihr mir die sagt, will ich euch auch sagen, aus welcher Vollmacht ich das tue. Woher war die Taufe des Johannes? War sie vom Himmel oder von den Menschen? (Markus ergänzt mit:Antwortet mir!“) Da bedachten sie’s bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, sie war vom Himmel, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? Sagen wir aber, sie war von Menschen, so müssen wir uns vor dem Volk fürchten, denn sie halten alle Johannes für einen Propheten. Und sie antworteten Jesus und sprachen: Wir wissen’s nicht. Da sprach er zu ihnen: So sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.“ (Mt 21,24-27). Markus ergänzt: „Oder sollen wir sagen, sie war von Menschen? Doch sie fürchteten sich vor dem Volk; denn sie meinten alle, dass Johannes wirklich ein Prophet sei.“ (Mk 11,32). Lukas ergänzt: „Sagen wir aber, von Menschen, so wird uns alles Volk steinigen; denn sie sind überzeugt, dass Johannes ein Prophet war.“ (Lk 20,6).

Eigentlich ist es eine Doppelfrage, welche die führenden Juden an Jesus richten: „in welcher Vollmacht tust du dies oder wer hat dir diese Vollmacht gegeben?“ Der griechische Begriff `εξουσία exousia`  wird mit `Macht, Vollmacht` oder auch mit `Recht` übersetzt. Die Frage zielt auf eine Person hin, welche hinter und über Jesus steht und die Jesus bevollmächtigte zu seinem übernatürlichen Handeln. Im Grunde gibt es nur eine einzige Instanz, doch diese anzuerkennen sind die Führenden in Israel nicht bereit. Trotzdem wurde die Frage nach der Vollmacht mehrmals gestellt, wenn auch unterschiedlich formuliert. Zum ersten Mal bei seinem ersten Jerusalembesuch. So lesen wir in Johannes 2,18: „Da fingen die Juden an und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst?“ Damals betraf es die Aktion mit der Vertreibung der Händler und Geldwechsler vom Tempelgelände. Vergleicht man die Texte der drei synoptischen Evangelien, entsteht der Eindruck dass sich diese Doppelfrage der Juden auch auf die Aktion mit der Vertreibung der Händler vom Tempelgelände bezieht, weil alle drei Evangelisten darüber kurz davor berichten. Da wir aber der Chronologie des Johannes folgen, wonach die Vertreibung der Händler und Geldwechsler bereits bei dem ersten Jerusalembesuch stattgefunden hatte,  nehmen wir an, dass sieh diese Doppelfrage auf die vielen Wunderheilungen an Blinden und Lahmen vom Vortag bezog (Mt 21,15). Wahrscheinlich ist auch, dass diese Frage die führenden Juden die ganze Zeit über beschäftigte und dass diese Frage sich zum Ende seines Dienstes immer dringlicher stellte. Schon Nikodemus bemerkte bei seinem Besuch in der Nacht: „Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ (Joh 3,2). Mit anderen Worten, an deinen Wundern sehen wir deutlich, dass du von Gott bist, oder Gott mit dir ist. Doch bereits in Galiläa positionierten sich einige Pharisäer und Schriftgelehrten gegen Jesus mit der Behauptung: „Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebul, ihren Obersten.“ (Mt 12,24; Mk 3,22). Auch bei der Heilung des Blindgeborenen (Joh 9,16) stellte sich die Frage nach der Herkunft und Vollmacht von Jesus (Joh 9,17.29-33). Und diese Frage stellte sich natürlich auch besonders bei der Auferweckung des Lazarus. Die Ratlosigkeit der Führung des Volkes war offensichtlich: „Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen (…)“ (Joh 11,47-48).

Es fällt immer wieder auf, dass Jesus sich nicht einfangen lässt, sondern die Menschen durchschaut und sie in sein eigenes Konzept einbezieht – das ist göttliche Weisheit. Er sagt nicht einfach JA oder Nein, er befriedigt nicht ihre Neugier, ihm liegt auch nicht daran, sie zu beschämen oder bloßzustellen, er will das wahre Problem seiner Gegner aufzeigen. Damit bietet er ihnen eine weitere Chance zur Umkehr. Und daher verbindet Jesus ihre Frage mit einer Gegenfrage, welche sich mit der Taufe des Johannes befasste, die bereits einige Jahre zurück lag. Merken wir, dass Jesus hier in der Vergangenheitsform spricht? Denn bereits bei Johannes wurde entschieden, wer den Messias annehmen und wer ihn ablehnen wird. Seit dem Auftreten des Johannes am Jordan ist die Führung Israels dem Volk gegenüber eine öffentliche Stellungnahme schuldig geblieben. Da ist also Nachholbedarf und Jesus fordert sie heruas und zwar in in Anwesenheit des Volkes. Doch mit dieser Reaktion von Jesus haben die Führer des Volkes nicht gerechnet. Jetzt müssen sie Farbe bekennen und zwar öffentlich vor allem Volk ihre Position zu der Johannestaufe offen legen. Offenbaren sie ihre ablehnende Einstellung zu Johannes dem Täufer, sind sie in Lebensgefahr. Bekennen sie sich zu der Johannestaufe, so müssen sie ihr gesamtes Konzept revidieren. Sie werden sich erinnert haben an die Frage der von den Juden/Pharisäern Abgesandten Hohenpriestern und Leviten zu Johannes dem Priestersohn: „Wer bist du“ (Joh 1,19)? Und dass sie sich bereits damals gegen Johannes entschieden haben. Ihnen wird schnell bewusst, dass sie sich mit ihrer Frage selber eine Falle gestellt haben. Nun geht es ihnen nicht mehr um die Wahrheit, sondern darum wie sie aus der peinlichen, ja sogar gefährlichen Situation herauskommen könnten. „Sie bedachten bei sich selbst und sprachen“ (Mk 11,31), sie wissen sehr gut, was nach was kommt. Ihre gedanklichen Überlegungen und Abwägungen werden dann im Flüsterton untereinander ausgesprochen und man einigt sich auf eine theologisch sehr feige und ausweichende Antwort: „wir wissen es nicht“ – wie peinlich, was für eine Blamage vor dem ganzen Volk. Eigentlich haben sie eine Lüge ausgesprochen. Bei einer anderen Gelegenheit waren die Schriftgelehrten und Pharisäer mutiger. Dort wiederholt Jesus ihre laut ausgesprochene Einstellung zu Johannes dem Täufer: „Denn Johannes der Täufer ist gekommen und aß kein Brot und trank keinen Wein; und ihr sagt: Er ist von einem Dämon besessen.“ (Lk 7,30-33; Mt 11,18). Doch lieber stellen sie sich dumm vor dem Volk, als die Wahrheit zuzulassen. Gott offenbart sich den Glaubenden, den Kritikern und denen, die sich ihm mutwillig widersetzen vorenthält er das Heilige und die Perlen (Mt 7,6). Die Beziehung zwischen Führung und Volk ist gestört, nicht Vertrauen zu einander, sondern Furcht und Angst bestimmen das Verhalten zu einander. In Wahrheit ist nicht Jesus ihnen, sondern sie sind ihm eine Antwort schuldig geblieben. Und warum sollte Jesus ihnen auf ihre Frage antworten, wenn sie doch die Antwort kennen (Joh 3,2).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wo, wann und unter welchen Umständen wurde Jesus die Frage nach der Vollmacht gestellt?
  2. Warum interessierte sich die Führung Israels nach der Vollmacht von Jesus, was bewegte sie wirklich?
  3. Die Anweisung von Jesus an seine Jünger lautete: „Eure Rede sei ja, ja, nein, nein“, warum gibt er dann in diesem Fall keine eindeutige Antwort?
  4. Warum fällt es den Pharisäern, Hohenpriestern und Ältesten des Volkes so schwer, sich vor Jesus zu beugen? Was würden sie verlieren, was gewinnen?
  5. Wie lässt sich die Beziehung der Hirten des Volkes Israels zu ihren Untergebenen beschreiben?
  6. Wer fürchtet wen mehr? Die Führung das Volk, oder das Volk die Führung (Mt 21,46;  Joh 7,13; 9,22; 19,38)?
  7. Wer ist letztlich wem eine Antwort schuldig geblieben?
  8. Fällt unser christusähnlicher Lebensstil auf, fragt man uns danach, wer hinter bzw. über unserem Leben steht, wer uns autorisiert?

 

 

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Gottes Wesen – seine Werke – sein Ziel

Du hast vorzeiten die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk. Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie werden alle veralten wie ein Gewand; wie ein Kleid wirst du sie wechseln, und sie schwinden dahin. Du aber bleibst, wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende.“ (Psalm 102,26-28).

Abbildung 1  „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan: Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere, die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht.  HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!“ (Psalm 8,4-9). Der Sternenhimmel über dem Ypsarion auf der Insel  Thassos (Foto: 27. August  2014).

 

Abbildung 2 „Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne..“ (1Mose 1,16).(Foto: 15. September 2016).

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Abbildung 3  „Lobet ihn, Sonne und Mond, lobet ihn, alle leuchtenden Sterne!.“ (Ps 148,3).  Der Vollmond beim Aufgehen über dem Ägäischen Meer zwischen der Hafenstadt Keramoti und der Insel Thassos (Foto: 6. September 2016).

 

 

Abbildung 4 „Und des Mondes Schein wird sein wie der Sonne Schein, und der Sonne Schein wird siebenmal heller sein, so wie das Licht von sieben Tagen, zu der Zeit, wenn der HERR den Schaden seines Volks verbinden und seine Wunden heilen wird.“ (Jes 30,26 ). Der Vollmond über dem Nagoldtal (Foto: 31. Dezember 2017).

 

 

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10.5 Jesus verflucht einen fruchtlosen Feigenbaum

(Bibeltexte: Mt 21,18-20; 21-22;  Mk 11,12-14; 19-26)

 

Die Geschichte mit dem fruchtlosen Feigenbaum, den Jesus verdorren lässt, haben Matthäus und Markus aufgeschrieben. Beide ordnen es in die Passionswoche ein. Da der Evangelist Markus diese Geschichte in zwei Teilen beschreibt, gehen wir von seinem Text aus und ziehen die Ergänzungen bei Matthäus hinzu. So schreibt Markus:

Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn. Und er sah einen Feigenbaum von ferne (Mt: „am Wege“), der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit (gr. kairo,j kairos – (Ernte)zeit) für Feigen. Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das. (Mk 11,12-14). Matthäus ergänzt: „Und der Feigenbaum verdorrte sogleich. Und als das die Jünger sahen, verwunderten sie sich und sprachen: Wie ist der Feigenbaum so plötzlich verdorrt?“ (Mt 21,19b-20).

Beachten wir zunächst einige äußere Details dieser einmaligen und einzigartigen Geschichte. Früh am Morgen bricht Jesus mit seinen Jüngern von Betanien auf, um in die nur drei Kilometer entfernte Stadt Jerusalem zu gehen. Wir zählen diesen Morgen bereits dem 3. Wochentag zu – das wäre unser Dienstag. Gut möglich, dass seine Jünger im Haus des Simon durch den Dienst von Martha gefrühstückt hatten, Jesus aber die frühen Morgenstunden zum Gebet nutzte und später auf dem Weg auch etwas essen wollte. Auf jeden Fall betont Markus, dass Jesus hungrig war. Wie real menschlich war doch der Menschensohn Jesus. Von Betanien her kommend, geht Jesus an Bethfage vorbei, dem Haus der Feigen, so die Bedeutung des Ortsnamens. Seine Aufmerksamkeit wird auf einen üppig grünenden Feigenbaum gelenkt der in einiger Entfernung am Wegesrand wuchs. Aus der Entfernung ist nicht zu erkennen, ob sich unter dem dichten Laub Früchte verbergen. Nach 5Mose 23,25 war es erlaubt im Weinberg des Nachbarn Trauben zu essen, man durfte jedoch nichts mitnehmen, ähnliches Verhalten war auch für das Kornfeld vorgeschrieben (5Mose 23,26; Mt 12,1f).

Der Feigenbaum kommt in biblischen Erzählungen häufig vor (5Mose 8,8;  Ri 9,11;  1Kön 5,5; 10,27;  2Kön 18,31;  Spr 27,18;  Hl 2,13;  Jes 34,4;  Jer 5,17; 8,13;  Hos 2,14; 9,10;  Joe 1,7.12; 2,22;  Am 4,9;  Micha 4,4;  Nah 3,12;  Hab 3,17;  Hag 2,19;  Joh 1,50).

Abbildung 1 Die erste Kleidermode wurde von Eva und Adam entworfen und ausprobiert, doch Gott war damit nicht einverstanden. Das Material dieser Bekledungsart welkte und trocknete bereits nach einigen Tagen aus und wurde unbrauchbar (Foto: 30. Juni 2016).

Der Feigenbaum ist die einzige Baumart, welche im Garten Eden namentlich erwähnt wird, wenn auch nur indirekt – 1Mose 3,7: „Sie flochten sich Röcke aus Feigenblättern“.

 

Abbildung 2 Ein riesengroßer Feigenbaum in einem Garten auf der Insel Kos im Ägäischen Meer. Der Baum ist so groß, dass er das ganze Haus überschattet. Aus dieser Entfernung ist es wegen dem dichten Blätterlaub nicht auszumachen ob sich darunter Früchte verbergen (Foto am 14. Mai 2015).

Als Jesus sich dem im Text erwähnten Feigenbaum nähert und Feigen sucht, findet er keine. Er stellt fest, dass der Baum fruchtlos ist. Sofort und ohne auf die Ankunft der Jünger zu warten, spricht er spontan die Worte aus: „Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.“ (Mk 11,14).

Jesus geht zu ihm hin und erst aus der Nähe stellt er fest, dass der Baum fruchtlos ist. Sofort und ohne auf die Ankunft der Jünger zu warten, spricht er spontan die Worte aus: „Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.“ (Mk 11,14). Die Jünger befinden sich zwar in einiger Entfernung hinter Jesus, hören aber was er ausspricht. Nach dem Bericht des Markus wenden sich die Jünger nicht sofort an Jesus, sondern erst am folgenden Morgen. Nach Matthäus 21,20b verwunderten sich die Jünger und sagten zu einander): „wie ist der Feigenbaum sofort verdorrt“? Markus fährt knapp fort mit den Worten: „Und sie kamen nach Jerusalem und Jesus ging in den Tempel.“ (Mk 11,15a). Hier stellen sich zwei Fragen:

 

  1. Frage: Warum sucht und erwartet Jesus Feigen, wenn er doch genau weiß, dass es noch nicht Erntezeit ist (Mk 11,13)?

Der eigentliche Grund für die Verfluchung des Feigenbaumes ist der: „Jesus fand darauf keine Frucht, nur Blätter“. An dieser Stelle ist es sinnvoll, einiges über die Beschaffenheit des Feigenbaumes zu erfahren. Obwohl die Zeit für (reife) Früchte (etwa im Juni) noch nicht da war, hätte es bei einem fruchtbaren Feigenbaum Zeichen der Früchte geben müssen. Häufig zeigen sich die kleinen  Früchteknospen (die Blühte ist innerhalb der Frucht) schon bevor Blätter sprießen. Dies gilt besonders für die milden klimatischen Verhältnisse am Osthang des Ölbergs, wo Bethfage und Betanien lagen. Oft reifen die Spätfeigen vom Vorjahr  erst in den Frühlingsmonaten voll aus (Jes 28,4; Micha 7,1). Ludwig Schneller, jahrzehntelanger evangelischer Pastor in Bethlehem zählte im Frühjahr 1888 in seinem Garten etwa 1500 solcher Spät- bzw. Frühfeigen md sagt, dass diese sehr begehrt sind wegen ihrer besonderen Süße (1994, 282).

Abbildung 3 Es ist Februar auf Südzypern, die Blätter dieses Feigenbaumes kommen erst gegen Anfang März, doch vom Vorjahr sind viele Feigen in unterschiedlicher Größe und Reife zu sehen. Zumindest einige davon würden bereits im April eßbar sein (Foto am 7. Februar 2007).

Auch solche Frühfeigen fand Jesus nicht auf dem besagten Feigenbaum vor. Dies ist ebenfalls ein Hinweis für die Fruchtlosigkeit jenes Baumes. Wenn dieser Feigenbaum gegen Ende März, Anfang April dazu noch überhaupt keine Anzeichen von Jungfrüchten hatte, dann war er fruchtlos. Nicht vorstellbar wäre eine Deutung, wonach Jesus nur aus einer Laune heraus und weil er Hunger hatte, seinem Ärger Luft gemacht hätte. Sein Urteil war daher berechtigt und begründet (vgl. dazu auch Mt 3,10; 7,19; Joh 15,6). Übrigens lässt sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum beobachten, dass häufig Früchte (nicht nur Feigen) in noch unreifem Zustand mit besonderer Vorliebe gegessen werden,

Trotz diesen plausiblen Erklärungen stellt sich eine weitere Frage.

 

  1. Frage: Warum verflucht Jesus den Feigenbaum und gibt ihm keine weitere Chance mehr, wo nach seinen Worten in dem Gleichnis aus Lukas 13,6-9 einem Feigenbaum sogar nach drei fruchtlosen Jahren ein weiteres Jahr eingeräumt wird?

ANMERKUNG: Aus dem Johannesevangelium wissen wir, dass Jesus während seines Dienstes mindestens viermal nach Jerusalem hochgegangen war (Joh 2; 5; 7; 12). Da er häufig bei seinen Freunden in Betanien übernachtete, ging er jedesmal den gleichen Weg und an dem selben Feigenbaum vorüber. Möglich, dass er dessen Fruchtlosigkeit bereits seit Jahren kannte und daher war er nur ein Hindernnis und raubte dem Boden die Kraft oder machte den Boden unbrauchbar wie es der Eigentümer des Weinbergs in Lukas 13,7 ausdrückte.

Gelegentlich wird die totale Verdorrung des Feigenbaumes in der Nähe Jerusalems und zum Ende des Dienstes von Jesus, auf den Tempel bezogen, der im Jahre 70 n. Chr. von den Römern völlig zerstört und seitdem nicht mehr aufgebaut wurde (so zum Beispiel Nick Page 2011, 158). Es scheint einen gewissen Bezug dazu zu haben, doch im Text und den Erklärungen, die Jesus selbst seinen Jüngern gibt, deutet nichts darauf hin. Allerdings kann dieses totale und endgültige Verdorren des Baumes auf einzelne Menschen oder Menschengruppen gedeutet werden, die offensichtlich Gottes Gnade dauerhaft ablehnen, oder gar Missbrauchen:

  • Mt 3,10; 7,19: fruchtlose Bäume bezogen auf Menschen ohne geistliche Früchte;
  • Mt 11,21: unbußfertige Bewohner der Städte Kapernaum, Bethsaida und Korazin;
  • Mk 3,29;  Lk 12,10: bezogen auf Menschen, welche den Heiligen Geist Gottes lästern;
  • Mt 27,4-5-Judas, der Gottes Gnade missbrauchte;
  • 1Joh 5,16-17: die Sünde, welche zum Tode führt;
  • Offb 3,16: Menschen, welche weder kalt noch warm sind wird Jesus ausspeien.

Der Evangelist Markus fährt in seinem Bericht fort:

Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis zur Wurzel. Und Petrus dachte daran und sprach zu ihm: Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. (Mk 11,20-21).

Dieser Morgen war auch bei Markus der Morgen des 3. Wochentages, also der Dienstag, weil er den ersten Teil dieser Geschichte in den Morgen des 2. Wochentages legt. Anscheinend hat Jesus mit seinen Jüngern wieder in Betanien übernachtet. Und wieder ist es Petrus, der das, was die Jünger am Vortag untereinander mit Verwunderung aussprachen, jetzt direkt vor Jesus ausspricht. Markus betont noch, dass der Feigenbaum bis auf die Wurzel, d.h. einschließlich der Wurzel verdorrte. Wäre die Wurzel nicht auch verdorrt, hätte der Baum erneut getrieben, wie in dem folgenden Bild ersichtlich wird.

Abbildung 4 Dieser Feigenbaum ist durch Frost, der noch im Monat April 2009 eingetreten war, erfroren. Und da es bei ihm Ende Juni immer noch kein Lebenszeichen gab, wurde er bis auf einen geringen Stumpf abgesegt. Im Frühling des darauffolgenden Jahres zeigten sich am Stumpf winzig kleine Knospen und bereits Mitte Juli hatte er üppige Zweige. Heute im Jahre 2018 ist dieser Feigenbaum etwa 3 Meter hoch und trägt reichlich Früchte (Foto: 9. Juli 2010).

Das griechische Wort welches Markus hier für `du verflucht hast` verwendet ist: `kathra,sw kat¢rasö`. Die Präposition `kat`, bzw. `kata`, unterstreicht die Endgültigkeit der Aussage von Jesus.  Daher wird dieser Feigenbaum nie mehr sprießen können (vgl. dazu Mt 25,41: „geht weg von mir ihr Verfluchten“). Die Bemerkung des Petrus nutzt Jesus zu der zentralen Aussage und Anwendung aus diesem Vorgehen mit dem Feigenbaum. So schreibt Markus weiter:

Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt Glauben an Gott! Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht (gr. μη διακριθή m¢ diakrith¢) in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen werde, was er sagt, so wird’s ihm geschehen. Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden. (Mk 11,22-24). Matthäus ergänzt: „Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr solches nicht allein mit dem Feigenbaum tun, sondern, wenn ihr zu diesem Berge sagt: Heb dich und wirf dich ins Meer!, so wird’s geschehen.“ (Mt 21,21-22).

Es fällt geradezu auf, dass Jesus sehr stark auf die Kraft und Macht des Glaubens hinweist, durch den die Jünger `Bäume verdorren und Berge versetzen` vermögen.

ANMERKUNG: Wir haben festgestellt, dass Bäume in ihrer Übertragung häufig für Menschen stehen, so können Berge für Hindernisse, Barrieren stehen, die zu Ebenen werden können (Sach 4,7;  Lk 3,5), denn wir haben kein einziges Beispiel dafür, dass die Jünger die Aussage von Jesus jemals buchstäblich angewendet hätten.

Einige mögliche Anwendungen im Dienst der Apostel:

  • In Apostelgeschichte 5,3 wird von einer ungewöhnlichen Reaktion des Petrus berichtet: „Petrus aber sprach: Hananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen und etwas vom Geld für den Acker zurückbehalten hast?“
  • In Apostelgeschichte 8,20-21 tritt Petrus mutig dem gleichnamigem Zauberer Simon entgegen mit den Worten: „Dein Geld fahre mit dir ins Verderben, weil du meinst, Gottes Gabe werde durch Geld erlangt. Du hast weder Anteil noch Anrecht an dieser Sache; denn dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott.“
  • In Apostelgeschichte 13,9-11 tritt der Apostel Paulus entschlossen dem Zauberer Elymas entgegen. Lukas schreibt: „Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll Heiligen Geistes, sah ihn an und sprach: Du Sohn des Teufels, voll aller List und aller Bosheit, du Feind aller Gerechtigkeit, hörst du nicht auf, krumm zu machen die geraden Wege des Herrn? Und nun siehe, die Hand des Herrn kommt über dich, und du sollst blind sein und die Sonne eine Zeit lang nicht sehen! Auf der Stelle fiel Dunkelheit und Finsternis auf ihn, und er ging umher und suchte jemanden, der ihn an der Hand führte.“
  • In Apostelgeschichte 18,6 wird die Reaktion des Paulus auf den Widerstand der Juden in Korinth mit drastischen Worten beschrieben: „Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut komme auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen.“
  • In 1Korinther 5,5 ordnet Paulus in Bezug auf eine Person mit verdorbenem Lebensstil an: „(…) sollt ihr diesen Menschen dem Satan übergeben zum Verderben des Fleisches, auf dass sein Geist gerettet werde am Tage des Herrn.“
  • In 1Timotheus 1,20 erinnert der Apostel seinen Mitarbeiter: „Unter ihnen sind Hymenäus und Alexander, die ich dem Satan übergeben habe, damit sie in Zucht genommen werden und nicht mehr lästern.“
  • In 2Korinther 10,4-5 schreibt der Apostel Paulus über den Umgang mit Hindernissen: „Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. Absichten zerstören wir und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.“

Solch ein Handeln im Glauben hat nichts mit Selbstverherrlichung oder Selbstdarstellung zu tun. Dieses Handeln im Glauben ist auf Gott ausgerichtet und von Gottes Geist gewirkt. Die Aufforderung von Jesus: „habt Glauben an Gott oder zu Gott“, steht vor dem Handeln.

Doch Jesus nennt auch ein Hindernis, welches der Erhörung des Gebets im Wege steht – es ist der Zweifel oder das Zweifeln im Herzen. Das griechische Wort dafür ist: `δια-κριθή diakrith¢` (vgl. dazu auch Jak 1,6). Wenn Jesus eine Antwort gibt, dann heißt es: `Ο Ιησούς αποκριθείς O I¢sous apo-kritheis`. Die Antworten von Jesus sind klare und eindeutige Reaktionen auf gestellte Fragen und/oder stimmige Bewertungen (Kritiken) auf Handlungen der Menschen. Eine `diakrith¢` dagegen ist eine geteilte, ja, in sich widersprüchliche Einstellung und Bewertung gegenüber der Zusage Gottes. Einfach ausgedrückt: Wie soll Gott positiv und eindeutig auf unser `jain` antworten können?

In diesem geschichtlichen Zusammenhang nennt Jesus seinen Jüngern eine weitere wichtige Voraussetzung für erhörliches Beten. So schreibt Markus weiter: „Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“ (Mk 11,25-26). Den Schuldigern ihre Verschuldungen nicht anrechnen, sondern erlassen, vergeben (vgl. dazu auch Mt 6,12; 18,20-35). Im Grunde geht es bei der gesamten Geschichte um eine geklärte und geordnete Beziehung zu den Mitmenschen, sowie einen eindeutigen Glaubens- und Gehorsamsbezug zu Gott. Dieser Glaubensbezug war bei den Jüngern in anbetracht des bevorstehenden Leidensweges von Jesus mangelhaft und fehlte bei Judas gänzlich.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Beschreibe die zeitlichen und örtlichen Details dieser Geschichte.
  2. Forsche nach, wo und in welchen Zusammenhängen der Feigenbaum in der Bibel genannt wird?
  3. Beschreibe die Besonderheiten des Feigenbaumes und seiner Früchte.
  4. Wofür stehen Bäume und Berge in biblischen Erzählungen?
  5. Welche möglichen Deutungen zu dieser Geschichte sind dir bekannt und was ist der Hauptgedanke oder die Lehre daraus? Was will Jesus seinen Jüngern dadurch nahe bringen?
  6. Das Zweifeln wird dem Glauben gegenübergestellt. Erkläre diese zwei wichtigen Begriffe.
  7. Nenne weitere Hindernisse, die dem erhörlichen Gebet im Wege stehen.
  8. Welche Gefahr und Risiko liegt in einem fruchtlosen Lebensstil eines Menschen?
  9. Wie haben die Jünger Jesus verstanden und in welchen Situationen haben sie Berge versetzt und Bäume verdorren lassen?
  10. Was sind deine Erfahrungen im Bereich Berge versetzen?

 

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10.4 Heilungen im Tempel und der Lobpreis der Kinder

(Bibeltext: Mt 21,14-17; Ps 8,3)

Abbildung 1 Modell des sogenannten Herodianischen Tempels. Jeden Morgen ging Jesus in den Tempel und lehrte dort (Foto: April 1986).

Was an diesem 2. Tag der Woche (Montag) im Tempel von Jesus an Taten gewirkt wurde, wird nur sehr kurz vom Evangelisten Matthäus beschrieben. Da der Lobpreis der Kinder die Ehrung des `Sohnes Davids` zum Inhalt hat, kann dieser wunderbare öffentliche Heilungsgottesdienst mit dem Einzug von Jesus in Jerusalem zusammenhängen und in denselben Tag eingeordnet werden. So schreibt der Evangelist Matthäus:

Und es traten Blinde und Lahme in dem Tempel zu ihm, und er heilte sie. Als aber die Hohenpriester und die Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien und sagten: Hosanna  dem Sohn Davids!, wurden sie unwillig (gr. ¢ganakt¢san – wurden sie entrüstet, sie emphörten sich) und sprachen zu ihm: Hörst du, was diese sagen? Jesus aber sprach zu ihnen: Ja, habt ihr nie gelesen (Psalm 8,3): „Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet“? Und er verließ sie und ging zur Stadt hinaus nach Betanien und übernachtete dort. (Mt 21,14-17).

Der Evangelist Matthäus bescreibt in einem Satz, dass sich Blinde und Lahme Jesus näherten und er sie heilte. Der König als Arzt im Dienst an den Kranken! Immer wenn sich Jesus im Tempel aufhielt, entfaltete er seinen eigenen Gottesdienstablauf. In den Priesterdienst mit den Opfern mischte er sich nie direkt ein. Er hielt sich eher in den Vorhallen auf, wo auch der größte Teil des Volkes Zugang hatte (Joh 10,23). Matthäus hebt besonders „Blinde und Lahme“ hervor und zwar in der Mehrzahl und höchstwahrscheinlich waren auch Menschen mit anderen Behinderungen darunter. Doch Menschen, die mit solchen Behinderungen, konnten nur mit Mühe oder Hilfe anderer zu Jesus gelangen – die einen weil sie nicht sahen, die anderen, weil sie nicht gehen konnten. Wie aus früheren Berichten hervorgeht, fanden sich immer Verwandte oder Freunde, welche behinderte Meenschen zu Jesus brachten. Es heißt hier ausdrücklich: „Und er heilte (gr. eqera,peusen etherapeusen) sie“. Außer in wenigen Fällen ((Mt 8,28; 9,29; 20,32) wandte sich Jesus in der Regel jedem einzelnen Kranken zu, sehr oft mit Händeauflegen (Mt 9,29;  Mk 6,5; 8,23-25;  Lk 13,13).

Während wir aus Johannes 5,3 erfahren, dass die vielen Blinden, Lahmen und Ausgedorte Menschen sich am Teich Bethesda aufhielten und auf Heilung hofften, sind zu diesem Zeitpunkt viele Blinde und Lahme in den Tempel gebracht worden. Die Auferweckung des Lazarus aus dem Tod vor einigen Wochen, hatte sich herumgesprochen. Jetzt erwarteten die Kranken Menschen Jesus im Tempel. Die Therapie von Jesus war eine plötzliche und vollständige. Matthäus ist sehr zurückhaltend und beschreibt nicht die Reaktion der Geheilten. Doch aus der Geschichte mit dem Lahmen im Tempel aus Apostelgeschichte 3,1ff können wir uns lebhaft vorstellen, dass es an diesem Tag im Tempel ein Jubeln und Springen gab. Die Schriftgelehrten und Hohenpriester wurden Augenzeugen dieser erstanlichen Wunderwerke und in ihnen wuchs die Frage nach der Vollmacht von Jesus (Mt 21,23). Diese Heilungen geschahen nicht an einem Sabbat, so dass die Gegner von Jesus keinen Grund fanden, um ihn dafür anzuklagen. Umso mehr suchten sie nach einem passenden Angriffsgrund. Und sie finden einen, der ihnen anstößig zu sein schien. Es sind nicht die Kinder an sich, anstößig ist das, was diese aussprechen, bzw. laut ausrufen: „Hosanna dem Sohn Davids“. In diesem Zusammenhang wird Jesus nicht nur allgemein als einer der vielen Nachkommen Davids geehrt, sondern als der Nachkomme und daher ist diese Bezeichnung als messianischer Titel zu verstehen (Mt 1,1; 9,27; 12,23; 15,22; 20,30-31; 22,42; Jes 11,10; Jer 23,5; 33,15; Hes 34,23.24; 37,24).

Diese Kinder rufen inhaltlich das aus, was sie von den Erwachsenen auf dem Weg vom Ölberg herab gehört hatten (Mt 21,9). Man kann sagen: Jesus wird von den Kindern als König gekrönt, was für eine Ehre für Jesus!

Doch nach der Meinung der Schriftgelehrten wurde hier im Tempel ein falscher Prophet zum König ausgerufen. Die Führung der Juden wollte nicht glauben, dass Jesus der in 2Samuel 7,11-14 verheißene Nachkomme Davids ist. Sie hatten sich nicht mal die Mühe gemacht, um die genaue Herkunft von Jesus zu ermitteln (Joh 7,42-52). Man kann ihnen sogar unterstellen, dass sie es gar nicht erforschen wollten (Mt 2,5; Joh 3,1; 5,37-44; Mt 27,18). Übrigens erkennen wir hier eine weitere Parallele, welche den zeitlichen Zusammenhang zum Einzug nach Jerusalem in den Tempel unterstreicht. Beim Abstieg vom Ölberg fordern die Pharisäer Jesus auf, seine Jünger zum schweigen zu bringen, Hier im Tempel sind es die Hohenpriester und Schriftgelehrten, welche von Jesus das Gleiche in Bezug auf die lobpreisenden Kinder fordern (Lk 19,39;  Mt 21,14). Oder anders formuliert, sie erwarten von Jesus, dass er die Ehrung von Seiten der Kinder ablehnt. Natürlich geht Jesus auf ihre Forderung nicht ein, im Gegenteil, er begründet den Lobpreis der Kinder sogar aus der Schrift (Ps 8,3). Außerhalb des Tempels waren Erwachsene noch mutig und haben Jesus als dem Propheten aus Nazaret und Sohn Davids zugejubelt, hier im Tempel jedoch sind sie zurückhaltend mit ihrem öffentlichen Bekenntnis. Nicht so die Kinder. Sind es nicht oft gerade Kinder, die ihre Eltern an das Tischgebet erinnern, oder ohne Hemmungen vor den Ungläubigen die Geschichte aus der letzten Sonntagschule erzählen? Ja, wenn die Männer schweigen, beruft Gott die Frauen und wenn es keinen Erwachsenen mehr gibt, der Gott lobt, beruft Gott die Kinder und schließlich kann er auch `Steine` zum Reden bewegen (Hab 2,11;  Lk 19,40).

Es erstaunt immer wieder, wie sich Jesus in konkreten Situationen auf die Schrift beruft, bzw. seine Gegner (hier die Schriftgelehrten) an bestimmte Aussagen in den Schriften erinnert und diese in Bezug zur Gegenwart bringt. Er wendet sich an die theologische Elite seiner Zeit mit den Worten: „Habt ihr niemals erkannt“ (Mt 21,16)  oder: „ist euch niemals aufgefallen“? Sicher will Jesus sie nicht demütigen, erniedrigen, aber so und auf diese Weise zeigt er ihnen, wie die Schriften gelesen, verstanden und angewendet werden sollen. Dann lässt er sie stehen und entfernt sich aus dem Tempel wie der Evangelist vermerkt, geht zur Stadt hinaus und übernachtet in Bethanien bei seinen Freunden (Mt 21,17).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was sind die Pläne der Führung Israels in Bezug auf Jesus (Joh 11,53)?
  2. Wie sieht der Ablauf des Gottesdienstes im Tempel von Jesus an diesem Tag aus?
  3. Woher kommen so viele Blinde und Lahme in den Tempel?
  4. Warum nennt Matthäus gerade diese zwei Krankheitsarten?
  5. Behindert Jesus mit seinem Dienst an den Kranken etwa den Tempel- und Opferdienst der Hohenpriester?
  6. Schränkt er etwa den Lehrdienst der Schriftgelehrten ein?
  7. Sind Kinder ein Hindernis im Tempeldienst?
  8. Warum passt deren spontanes Auftreten den Führenden nicht?
  9. Wie ist die Reaktion der Oberen im Volk?
  10. Haben Kinder Anteil in unseren Gottesdiensten?
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10.3 Jesus reitet auf einem Esel-Fohlen in Jerusalem ein

(Bibeltexte: Joh 12,13-19;  Mt 21,1-11;  Mk 11,1-11;  Lk 19,28-44;  Sach 9,9;  Psalm 118,26)

 

Alle vier Evangelisten berichten über den Einzug von Jesus in Jerusalem auf einem Esel-Fohlen. Da die Synoptiker nur über einen Passabesuch von Jesus berichten, mussten sie zwangsläufig die Episode über die Wiederherstellung der Tempelordnung in ihren Evangelienberichten in die Passionswoche legen. Wir haben festgestellt, dass Jesus schon zu Beginn seines Dienstes die Tempelordnung wiederherstellte. Dies geschah nach Johannes 2,13-22 bei seinem ersten Jerusalembesuch (siehe die Ausführungen in Kapitel 4.1).

Der Einzug von Jesus in Jerusalem auf einem jungen Esel bildet einen Höhepunkt in seiner Laufbahn. Es markiert auch den Beginn der letzten Etappe seines Dienstes. Bis jetzt lehnte er für sich die öffentliche Ehrung als König ab (Joh 6,15). Jetzt aber leitet er diesen Höhepunkt selber ein. Johannes berichtet uns: „Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen.“ (Joh 12,13). Am nächsten oder folgenden Tag ist in diesem Textzusammenhang der zweite Tag der Woche, also unser Montag gemeint. Der Hauptgrund, warum so viel Volk ihm entgegen ging, war das Wunder der Auferweckung des Lazarus vor wenigen Wochen. Diese Nachricht sprach sich unter den Festpilgern schnell herum, weil sehr viele Menschen Zeugen dieses Wunderzeichens wurden (Joh 12,9). Auch hier erkennen wir, wie Jesus planmäßig vorgeht und diesen Höhepunkt vorbereitet. Bei den Jüngern, dem Volk und bei der Führung der Juden sollten keine Zweifel bleiben in Bezug auf seine Messianität, auch wenn sie dies erst nach seiner Auferstehung erkennen würden. Er wollte zum Ende seines Dienstes ganz bewusst als Messias-König auftreten, wie durch die Schriften des Alten Testamentes deutlich vorausgesagt wurde (2Sam 7,11-15;  Sach 9,9: Nachkomme Davids – König Israels).

Als Jesus und seine Jünger in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte er zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat; bindet sie (beide) los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: „Der Herr bedarf ihrer“. Sogleich wird er (der Herr) sie euch zurücksenden.“ (Zusammengesetzt aus den Evangelientexten).

Das Dorf Bethfage befand sich wahrscheinlich auf dem Weg von Betanien nach Jerusalem, noch auf der Ostseite des Ölbergs. Jede Handlung von Jesus hat seinen tiefen Sinn, auch wenn die Menschen ihn nicht immer verstanden haben. Er wählt sich als Gefährt ein noch unverbrauchtes und auch unerfahrenes Esel-Fohlen.

Abbildung 4 Eselin und ihr Fohlen im Gehege am Wegrand östlich der Stadt Kos auf der Ägäischen Insel Kos (Foto am 16.Mai 2015).

 

Und sie gingen hin und fanden das Fohlen angebunden an einer Tür draußen am Weg und banden’s los. Als sie aber das Fohlen losbanden, sprachen die Besitzer zu ihnen: Warum bindet ihr das Fohlen los? Sie aber sprachen: „Der Herr bedarf ihrer“. und die ließen’s zu. Und sie brachten die Eselin und das Fohlen und legten ihre Kleider darauf und Jesus setzte sich darauf. (aus den Evangelien zusammengesetzter Text).

Welch ein Kontrast zu dem Siegeseinzug der Weltherrscher, die hoch zu Ros in die von ihnen eroberten Städte einzogen. „Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Fohlen, dem Jungen eines LasttiersDas verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte.“ (aus den Evangelien zusammengesetzter Text).

Es ist nicht das eine Mal, dass die Jünger ihr eigenes Tun oder das Tun ihres Meisters nicht gleich verstehen, auch später bei der Fußwaschung soll Petrus im Vertrauen gehorchen/tun, was Jesus anordnet, das nennt man Glaubensgehorsam. Umso größer ist die Freude danach, wenn das Geheimnis gelüftet wird. Die Zusammenhänge zwischen den Aussagen der Propheten, den Aussagen von Jesus und seinem Werk der Erlösung verstanden die Jünger erst nach seiner Auferstehung und zwar erst dann, als Jesus ihnen ihr Verständnis öffnete (Lk 24,45).

Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: „Gelobt sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt! Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! (aus den Evangelien zusammengesetzter Text).

Das griechische `ωσαννά, ösanna` kommt aus dem Hebräischen und kann sowohl als Fleh- oder Hilferuf (rette doch), aber auch als Jubelruf verstanden werden. Natürlich hatten alle Jubelnden eine falsche, bzw. materialistische Vorstellung, wie dieses Davidische Königreich aussehen wird. Und trotzdem lässt Jesus das Volk und seine Jünger gewähren, ihm in vollem Maß die Ehre zu geben. Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten.“

Das gefiel nicht allen, Neid kam bei den Pharisäern auf. Der von der Führung Israels gesuchte `Aufrührer` wird so offen als König Israels geehrt.

Und einige Pharisäer in der Menge sprachen zu ihm: „Meister, weise doch deine Jünger zurecht!“ Er antwortete und sprach: „Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“

Bis dahin verbot er seinen Jüngern strengstens, dass sie Niemandem sagen sollten, dass er der Messias/Christus wäre (Mt 16,20;  Mk 7,36; 8,29-30; 9,9;  Lk 9,20) jetzt aber dürfen sie es hinausrufen. Ein großer Augenblick!

Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest an diesem Tag, was dir zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen.Denn es werden Tage über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit (gr. καιρόν kairon) nicht erkannt hast, in der du  heimgesucht worden bist. (Lk 19,41-44).

Welch ein Kontrast! Jesus wird bejubelt, er aber weint, denn er sieht die Herzenseinstellung der großen Menge und der Einzelnen. Er weiß um die falschen Erwartungen des Volkes und deren Enttäuschung danach. Er sieht die Kurz- und Langzeitfolgen, welche diese Blindheit und Verstockung nach sich ziehen wird. Was Jesus hier über die Zerstörung Jerusalems in dramatischer Schilderung voraussagt, wiederholte er kurze Zeit später im Kreise seiner Jünger (Mt 24;  Mk 12).

,„Wenn doch auch du erkenntest“ – es gibt Gründe für die Blindheit, die Verantwortung liegt bei dem Volk. Äußerlich jubelten sie ihm zu, doch das Herz der meisten war ferne von ihm (Joh 2; 7;  Mt 10;  Lk 10). Die Begriffe, die Jesus in seiner prophetischen Voraussage unter Tränen verwendet, beschreiben den realen Zustand der Menschen trotz der gnadenvollen Zuwendung von Gott (wörtl.: die Zeit des Aufsehens – der Begriff  Zeit hier nicht im chronologischen, sondern inhaltlichen Sinne – das Aufsehen ähnlich wie beim Aaronitischen Segen: „Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und sei dir gnädig“). Diese gnadenvolle Zuwendung zeigte sich seit dem Auftreten des Johannes (Sohn des Zacharias), dessen Name von Gott gegeben wurde und die Bedeutung hatte `Gott ist gnädig`, faktisch hatte Gott sein Volk in Gnaden angesehen.

Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: „Wer ist der?“ Die Menge aber sprach: „Das ist Jesus, der Prophet aus Nazaret in Galiläa.“ Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan.“

  • Es war eine große Stunde für Jesus, das gesamte Volk stand hinter ihm. Und im sogenannten Schutz der Sympatie des Volkes konnte er noch einige Tage ganz frei im Tempel öffentlich auftreten. „Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.“ (Joh 12,19). Am Fuß der Tempelstufen steigt Jesus vom Esel-Fohlen, schickt es den Eigentümern wie versprochen zurück und steigt die Stufen zum Tempel hinauf. Er wird vom Volk besonders zu diesem Passafest seit Tagen erwartet (Joh 11,55-56). Doch die vom Volk erwartete Krönung des `Sohnes Davids` bleibt aus..Die Spannung muß spürbar gewesen sein wegen der Einstellung der Führung Israels gegen Jesus – sie sind fest entschlossen ihn zu töten und suchen nach einer Gelegenheit zum Angriff und Festnahme. Doch Jesus ist nicht das Opfer menschlicher boshaften Ratschlüsse, er hat sein eigenes Konzept. In diesen Tagen wird er (wie auch schon vorher) die Regie übernehmen. Er wird bestimmen, was und wann geschehen wird. Jesus kommt weder den Erwartungen des Volkes nach, noch schreckt er von den Hohenpriestern zurück, die bereits den Beschluss gefasst hatten, ihn zu töten.

Unwillkürlich werden wir an die Krönungsgeschichten aus der Königszeit Israels erinnert, auch an die Selbsternannten Könige. Welch Kontrast, hier kommt der wahre König an, lehnt die Krönung ab  und zeigt ein ganz neues Bild von König und seinem Dienst.

Anmerkung: Die sogenannte Tempelreinigung über welche alle drei synoptischen Evangelien berichten, ist gemäß dem Bericht des Evangelisten Johannes bereits bei dem ersten Jerusalembesuch von Jesus erfolgt. Die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas berichten über diese Tempelreinigung gleich nach dem Einzug in den Tempel. Zu erklären wäre dies damit, dass sie nur von einem Jerusalembesuch von Jesus berichten und zwar dem letzten Todes-Passa-Besuch. Wollten sie diese wichtige Episode ihren Lesern nicht vorenthalten, mussten sie diese eben am Ende des Dienstes von Jesus einfügen. Wir folgen in diesem Zusammenhang der Chronologie des Johannes und den weiteren Inhalten der Evangelisten mit dem ehrlichen Bemühen nach einer sinnvollen Reihenfolge.

 

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wer begleitete Jesus auf dem Weg von Jericho nach Jerusalem?
  2. Wann kam Jesus in Jerusalem, bzw. in Betanien  an, an welchem Wochentag und Tageszeit? Begründe deine Aussagen.
  3. Was geschah noch an diesem Abend und wo übernachtete er?
  4. Nächster Tag – mit welchem Auftrag schickt Jesus zwei von seinen Jüngern in das Dorf Betfage? Welche Details nennt Jesus in Bezug auf die Eigentümer der Lasttiere?
  5. Was steht hinter dieser Handlung? Nenne Eigenschaften (Charakterzüge) von Jesus, die hier sehr deutlich hervortreten?
  6. Begründe, warum lässt Jesus es an diesem Tag zu, dass seine Jünger und das Volk ihn als den David-Sohn (König Israels) ehren?
  7. Doch wer freut sich nicht, dass Jesus geehrt wird und warum?
  8. Was steckt hinter dem emotionalen Ausbruch (weinen) bei Jesus, als er die Stadt und deren Menschen vor sich sieht?
  9. Die Krönung im Tempel bleibt aus. Suche nach Krönungsgeschichten in der Zeit der Könige Israels.
  10. Was geschah mit den Lassttieren, nachdem Jesus diese nicht mehr benötigte?

 

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10.2 Maria aus Betanien salbt Jesus zum Begräbnis

(Bibeltexte: Joh 12,1-11; 11,1-2;  Mt 26,6-13;  Mk 14,3-9)

 

Die Salbung durch Maria geschah sechs Tage vor dem Passa (Joh 12,1). Bei den Synoptikern Matthäus und Markus gibt es keine eindeutige zeitliche Angabe darüber, lediglich, dass es in der Vorpassawoche geschah (Mt 26,6;  Mk 14,6). Wie die Gegenüberstellung zeigt, gibt es zwei zeitlich und örtlich voneinander liegende Geschichten über Salbungen von Jesus durch Frauen. Die eine in Lukas 7,36-50 beschriebene fand in einer der Städte Galiläas statt und zwar bevor Jesus nach der Chronologie des Lukas Galiläa endgültig verlassen hatte (Lk 9,51). Und die andere aus Johannes 12,1-11, um die es auch in diesem Abschnitt geht. Die nicht leicht zu beantwortende Frage ist jedoch: Handelt es sich bei der Geschichte aus Lukas 7 auch um Maria (als ehemalige stadtbekannte Sünderin), oder sind es ganz verschiedene Frauen, mit unterschiedlichen Anliegen? Ausgehend von Johannes 11,1-2 wo es heißt: „Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte“, könnte der Eindruck entstehen, dass,Johannes auf die Salbungsgeschichte in Lukas 7,36-50 beschriebene Bezug nimmt. Doch warum sollte er nicht die von ihm selbst im darauffolgenden 12. Kapitel beschriebenen Salbung gemeint haben? Konnte er damit rechnen, dass seine Leser die Berichte des Evangelisten Lukas kannten? Es ist also dem Bibelleser nicht ganz leicht festzustellen, ob Maria, die Schwester von Martha und Lazarus aus Johannes 12,1-11; 11,1-2 dieselbe Frau ist, von der uns Lukas in Kapitel 7,36-50 berichtet und die dort nicht beim Namen genannt, sondern nur als Sünderin bezeichnet wird? Die Gegenüberstellung könnte zur Klärung beitragen.

 

Die Salbung aus dem Bericht des Lukas und Die Salbung aus dem Bericht des Johannes

 

  • Lukas: Simon der Pharisäer wohnt in einer Stadt in Galiläa und lädt Jesus zum essen ein.
  • Johannes: Simon der (ehemals) Aussätzige wohnt im Dorf Bethanien nahe Jerusalem und in seinem Haus findet ein Abendessen statt.
  • Lukas: Simon der Pharisäer glaubt nicht an Jesus als den Messias.
  • Johannes: Simon der (ehemals) Aussätzige ist ein Jesusnachfolger.
  • Lukas: Die Frau weinte und benetzte die (nicht gewaschenen) Füße von Jesus mit ihren Tränen (sie wusch sozusagen die Füße von Jesus und trocknete diese mit ihrem Haar).
  • Johannes: Maria salbte die (bereits gewaschenen) Füße von Jesus mit dem Salböl und verrieb es mit ihrem Haar.
  • Lukas: Die Frau goß das Salböl nur auf die Füße von Jesus.
  • Johannes: Maria goß das Salböl auf die Füße von Jesus (Mt und Mk ergänzen: auf das Haupt von Jesus).
  • Lukas: Bei Lukas steht die Vergebung der Sünden der Frau im Mittelpunkt der Geschichte.
  • Johannes: Bei Johannes steht die Salbung von Jesus zum Begräbnis im Mittelpunkt.
  • Lukas: Die Sünderin, namentlich nicht genannt, wohnte in einer Stadt in Galiläa und Simon kannte sie.
  • Johannes: Maria wohnte im Dorf Bethanien in Judäa und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Verwandt mit Simon dem (ehemals) Aussätzigen.

Aus den Erzählungen von Johannes, aber auch von Lukas (10,38-42) gibt es keinen Grund, Maria eine ungeordnete Vergangeheit zuzuschreiben. Auch mit viel Fantasie ist es schwer vorstellbar, dass Maria (in jenem Kulturkreis) als Frau ganz allein irgendwann aus ihrem Dorf weggezogen wäre in eine Stadt in Galiäa, dort ein sündiges Lebens geführt hätte, um nach einer Begegnung mit Jesus in ihr Heimatdorf zu ihren Geschwistern zurückzukehren.

Nach dieser Gegemüberstellung können wir mit Sicherheit sagen, dass es sich bei diesen Geschichten erstens um zwei zeitlich und örtlich voneinander liegenden Salbungen handelt und zweitens, dass bei den Salbungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zwei ganz verschiedene Frauen beteiligt waren, auch wenn es gewisse Ähnlichkeiten gibt.

Dass Jesus während seiner früheren Jerusalembesuche nach Bethanien kam, ist belegt (Lk 10,38-42). Hier bei seinen Freunden findet er jedes Mal gastliche Aufnahme mit seinen zwölf Jüngern. Zu den drei namentlich genannten Personen seiner Freunde (Lazarus, Martha, Maria), die er liebte, kommt noch eine weitere Person hinzu, es ist Simon mit dem Beinamen `der Aussätzige`. Simon ist nach Matthäus und Markus der eigentliche Gastgeber dieses Abends. Martha ist, wie auch schon bei einem früheren Besuch (Lk 10,38f), für den Tischdienst (Diakonie) zuständig. Simon – Hausherr und Gastgeber, Martha in der Küche, hier scheint doch eine Verwandtschaftsbeziehung erkennbar zu sein. Sicher ist, dass Simon von Jesus bereits bei einem früheren oder gar erstem Besuch in Bethanien vom Aussatz gereinigt wurde. Lazarus, den Jesus vor wenigen Wochen von den Toten auferweckte, ist natürlich mit in der trauten Runde der Männer.

Abbildung 1 Alabastergefäße benutzte man damals zur Aufbewahrung von kostbaren Salbölen. Auf dem Bild: Alabastergefäße verschiedener Größen im Museum von Limenas auf der Insel Thassos in Griechenland (Foto am 26. August 2018).

Da macht sich wieder mal Maria bemerkbar, sie öffnet ein Alabastergefäß, bzw. bricht es auf, es ist gefüllt mit sehr wervollem, unverfällschtem Nardenöl. Sie gießt es Jesus auf sein Haupt, so Matthäus und Markus (26,7; 14,7) und auf die Füße (Joh 12,3), so ergänzend von Johannes. Damit ist der ganze Leib (Mt 26,12) gesalbt und das ganze Haus wurde erfüllt vom Duft des Salböls. Wegen der erwiesenen Güte, Liebe und Treue für die Familie, bringt sie ein vollkommenes Dankopfer dar. Und Jesus lässt sie gewähren. Diese ungewöhnliche Tat, ist für die Jünger eine große Herausforderung. Und von einem wird diese Tat völlig falsch bewertet. Nach Matthäus und Markus sind es etliche/einige Jünger (nicht alle) die sich zum Handeln von Maria unzufrieden äußern. Doch Johannes nennt den eigentlichen Verursacher des Murrens, es ist Judas, der Sohn des Iskariot, der als Kassenverwalter eine andere Beziehung zum Geld und sonstigen Wertsachen hatte. Und er meldet sich vorwurfsvoll und voller Unzufriedenheit laut zu Wort: „Warum ist dieses Öl nicht für dreihundert Silbergroschen verkauft worden und den Armen gegeben?“ Und der Kommentar des Evangelisten: „Das sagte er aber nicht, weil er nach den Armen fragte, sondern er war ein Dieb, denn er hatte den Geldbeutel und nahm an sich, was gegeben war.“ (Joh 12,5-6; vgl. Joh 6,70). Einige Jünger schließen sich ihm an. Der Evangelist Matthäus drückt es so aus: „Als aber die Jünger das sahen, entrüsteten sie sich, (emphörten sie sich) indem sie sagten: Wozu diese Vergeudung?“ (Mt 26,8). Hier wird mal wieder deutlich, wie schnell sich negative Stimmung ausbreitet auch unter den verbindlichen und ehrlichen Jesusnachfolgern. Es ist ein Angriff auf Maria, die sich nach der Ansicht der Jünger wieder mal ungehörig benimmt und es ist eine Lieblosigkeit gegenüber ihrem eigenen Meister. Steht ihm nicht viel mehr Wertschätzung und Ehre zu? Als Frau kann sich Maria selber nicht wehren, doch der Meister tritt für sie und auch für die Wahrheit ein: „Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan“ (Mk 14,6). „Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.“ (Mk 14,7). Doch soll nicht Judas die Atmosphäre und den Inhalt des Abends  bestimmen. Und es soll schon gar nicht seine habgierige Art die Denkweise der Jünger bestimmen. Diese falsche Denkweise korrigiert Jesus bei seinen Jüngern. Er deutet diese Salbung als eine Voraussalbung zur Bestattung: „Da sprach Jesus: Lass sie in Frieden! Es soll gelten für den Tag meines Begräbnisses.“ (Joh 12,7). Matthäus und Markus ergänzen dazu: „Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“ (Mt 26,13;  Mk 14,9). Jesus sieht bis tief in die Herzen der Menschen und erkennt deren Gedanken, Abwägungen und Motive für ihre Worte und Handlungen. Er ist die Wahrheit er spricht die Wahrheit, er tut die Wahrheit und durch diese Wahrheit bietet er den einen Hilfe zu Denkkorrekturen und den anderen Trost und Ermutigung.

Johannes schließt diesen Abend ab mit den Worten: „Da erfuhr eine große Menge der Juden, dass er dort war, und sie kamen nicht allein um Jesu willen, sondern um auch Lazarus zu sehen, den er von den Toten erweckt hatte. Aber die Hohenpriester beschlossen, auch Lazarus zu töten; denn um seinetwillen gingen viele Juden hin und glaubten an Jesus.“ (Joh 12,9-11).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wann, an welchem Wochentag kommt Jesus nach Betanien?
  2. Wieviel Geschichten über die Salbung von Jesus durch Frauen gibt es? Wie oft wurde er insgesamt gesalbt?
  3. Was wissen wir über die Freunde von Jesus aus Betanien?
  4. Warum salbte Maria Jesus, was wusste sie oder was ahnte sie voraus?
  5. Wie reagieren die Jünger auf diese Handlung? Mit welchen Worten, bzw. Argumentne begründen sie ihr Unzufriedenheit gegenüber Maria?
  6. Wie schnell macht sich eine negative Stimmung breit?
  7. Denkt Jesus nicht auch an die Armen, warum schließt er sich nicht der Meinung seiner Jünger an, sondern tadelt sie?
  8. Welche Verheißung bekommt Maria für ihre Einstellung zu Jesus und ihre Tat für Jesus?
  9. Lassen sich die Jünger von Jesus korrigieren?
  10. Was löste die Ankunft von Jesus in Betanien unter den Festpilgern aus?
  11. Wie reagieren die Hohenpriester auf die aktuelle Situation?

 

 

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Die Passionswoche von Jesus

10.1 Ein Versuch der zeitlichen Einordnung der Passionswoche

 

Abbildung 1 Modell von Jerusalem auf dem Gelände des `Holy Land` Hotels. So kann es im 1. Jahrhundert ausgesehen haben (Foto: April 1986)

 

Abbildung 2 Modell des sogenannten Herodianischen Tempels. Jeden Morgen ging Jesus in den Tempel und lehrte dort (Foto: April 1986)

Die Passionswoche von Jesus dauerte gerade mal sechs Tage, so Johannes 12,1a: „Sechs Tage vor dem Passa kam Jesus nach Bethanien (…)“. Hier stellt sich uns eine nicht leichte Rechenaufgabe. Denn traditionell wird angenommen, dass der Einzug von Jesus in Jerusalem auf einem Eselfohlen am sogenannten `Palmsonntag` (dem ersten Tag der jüdischen Woche) stattgefunden hatte. Diese Annahme setzt jedoch voraus, dass Jesus mit seinen Jüngern und der ihm nachfolgenden Menschenmenge am Vortag, also am Sabbat die etwa 25 Kiloometer lange Wegstrecke von Jericho nach Jerusalem hinaufgegangen war. Nach Apostelgeschichte 1,11 war ledoch das gehen am Sabbat nur für kurze Distanzen erlaubt. Daher ist Jesus entweder erst am Sonntag (erster Tag der jüdischen Woche) oder bereits zwei Tage früher, also am Freitag in Bethanien angekommen. Auf das Thema Wochentage und Tageszeiten wird später noch Bezug genommen werden. Rechnet man vom Passatag, der Donnerstag Abend begann und Freitag Abend endete, sechs volle Tage zurück, kommt man in den Freitag Abend. Jesus wäre dann etwa am Freitagnachmittag vor Sabbatbeginn am Ölberg angekommen. Nach der anderen Variante, bei der Jesus erst am Sonntag Nachmittag in Bethanien angekommen ist, wäre dieser noch nicht zu Ende gegangener Tag der (Samstagabend begann und Sonntagabend endete) für unsere Sechstageszählung der erste Tag. Der eigentliche Passatag (der Donnerstagabend begann und Freitagabend endete) wäre dann auch der sechste Tag.

Wir ziehen diese zweite Variante vor, weil danach der Einzug in Jerusalem auf einem Eselfohlen nicht auf den Sabbat (Samstag), sondern auf den Montag fällt.

ANMERKUNG: Das Losbinden der Eselin mit dem Eselfohlen am Sabbat, um diese zur Tränke zu führen (Lk 13,15) wäre erlaubt gewesen, aber um darauf zu reiten wäre nach 2Mose 20,8 Übertretung des Sabbatgebotes (Ruhe auch für das Vieh). Palmzweige abbrechen und auf den Weg streuen, würde auch zu einer Tätigkeit/Arbeit am Sabbat zählen, ähnlich wie Holz aufsammeln (4Mose 15,32-33). Dies wäre von den Schriftgelehrten und Pharisäern nicht ungetadelt geblieben.

So nehmen wir an, dass Jesus den Sabbat davor in Jericho verbrachte. Unterstützt wird dies auch durch die Aussage von Jesus gegenüber Zachäus: „heute muss ich in deinem Hause einkehren (wörtl: bleiben – Lk 19,5).

Am ersten Tag der Woche, also an einem Sonntag zieht Jesus mit seinen Jüngern und in Begleitung vieler Menschen den steilen und beschwerlichen Weg hinauf nach Jerusalem, bzw. nach Bethanien, wo er bei seinen Freunden einkehrt und auch übernachtet (Joh 12,1-11).

Der Evangelist Markus hat den Einzug von Jesus nach Jerusalem auf einem Fohlen in den Abend des Ankunftstages (Sonntag) eingefügt (Mk 11,1-11) und die Tempelreinigung am darauffolgenden Morgen (Mk 11,15-19). Die Evangelisten Matthäus und Lukas haben den Einzug nach Jerusalem und die Tempelreinigung zusammenhängend am Ankunftstag eingefügt (Mt 21,1-13;  Lk 19,29-48).

Wir folgen jedoch der Chronologie des Evangelisten Johannes, der die Tempelreinigung logischerweise im Rahmen des ersten Jerusalembesuches von Jesus einordnet (Joh 2,13-22) und den Einzug nach Jerusalem auf den Tag nach seiner Ankunft in Bethanien, das wäre der 2. Tag der jüdischen Woche oder unser Montag (Joh 12,1+12).

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