3.8 Jesus beruft Levi/Matthäus in Kapernaum

3.8 Jesus beruft Levi/Matthäus in Kapernaum

(Bibeltexte: Mt 9,9-13;  Mk 2,13-17;  Lk 5,27-32)

3.8.1 Folge mir nach

Der Evangelist Matthäus verbindet in seinem Evangelium die Heilung des Gelähmten (Mt 9,1-8) direkt mit der Berufung des Matthäus. Der Evangelist schreibt: „Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.“ (Mt 9,9). Der Evangelist Markus ergänzt, dass der Zollbeamte den Namen Levi zrug und Sohn des Alphäus war (Mk 2,14; ebenso Lk 5,27). Matthäus/Levi, Sohn des Alphäus, ist als Steuereinnehmer (τελώνην telönèn) im Dienst des römischen Staates in der Stadt Kapernaum tätig.

Abbildung 37 Die heutige Anlegestelle in ‚Kapernaum (Foto: 15. Juni 2016).

Manche Steuern wurden direkt an die römische Regierung abgeführt, Weg- und Importzoll hingegen (der normalerweise 2-3% betrug, konnte sich für Händler, die durch viele Gebiete zogen, jedoch rasch zu einem beachtlichen Betrag summieren) kam den Städten zugute, die ihn erhoben“ (Keener 1998, 217-218).

Hier in Kapernaum verliefen internationale Handelsrouten, die vielen Menschen ein gutes Einkommen sicherten.

Wir fragen uns zuerst: Wer war dieser Matthäus? Verfasste er das Matthäusevangelium? Hier begegnet uns wieder ein Argument des Schweigens. Nirgends wird Matthäus im Evangelium als Verfasser ausdrücklich genannt. Doch folgende Hinweise werfen Licht auf diese Person:

  • Wir finden den Namen Matthäus in Mt 9,9; 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13. Der Name Levi wird in Mk 2,14 und in Lk 5,27.29 erwähnt.
  • Matthäus erhielt den Ruf als emsiger Steuereinnehmer im „Galiläa der Heiden“ (Herrschaftsgebiet von Herodes Antipas) und kannte von dorther mindestens Griechisch, Lateinisch und Aramäisch. Dies wird im Evangelium deutlich. Dort finden sich auch Spuren der griechischen Übersetzung des Alten Testaments  (Septuaginta). Er kannte wohl auch weite Teile des hebräischen Textes gut. Matthäus scheint auch Zugang zu den hebräischen Schriftrollen gehabt zu haben.
  • Steuereinnehmer verfassten schriftliche Berichte und kannten auch ein Kurzschriftsystem. Er könnte es also gewesen sein, der die Wunder und Predigten von Jesus notierte, wird doch dieser Name im Neuen Testament nur einer  Person zugeordnet.
  • In der frühen Kirchengeschichte findet sich sehr bald die Verknüpfung von Autor, Matthäus und Levi: Papias (zw. 125 und 140); .Irenäus (182-188); Origenes (210-250); Eusebius (4. Jh.) – auch in vielen Zitaten der frühen Kirchenväter. Hier kann man sich kaum vorstellen, wie der Name des ursprünglichen Autors verloren gegangen und durch einen anderen ersetzt worden sein könnte.
  • Da über Matthäus/Levi kaum sonst etwas bekannt ist – ist es eher unwahrscheinlich, dass ihm solch ein in Stil und Inhalt einheitliches Werk fälschlich zugeschrieben worden wäre.

Levi scheint ein Steuereinnehmer gewesen zu sein, der Einfluss im Kreise seiner Kollegen und Freunde hatte. Hier fällt geradezu auf, dass Jesus seine Jünger bewusst aus sehr verschiedenen Berufen und Schichten herasruft. Die sofortige Bereitschaft zur Nachfolge könnte damit zu erklären sein, dass auch Levi schon die Taufe von Jesus durch Johannes am Jordan miterlebte. Zwar wissen wir nicht den genauen Zeitpunkt, wann Levi Jesus kennen lernte, doch nach Apostelgeschichte 1,22 und Lk 3,12 ist anzunehmen, dass alle späteren zwölf Jünger bei der Taufe des Johannes dabei waren, Jesus kannten und mit dem Zeugnis des Johannes über Jesus vertraut waren. Viele Tausende Menschen waren bei Johannes am Jordan, auch Zöllner, warum sollten nicht auch die späteren Jünger von Jesus dabei gewesen sein? Dies könnte eine Erklärung dafür se in, warum Levi sofort aufsteht und Jesus nachfolgt. Weiter kann man davon ausgehen, dass Levi Jesus öfter sieht und hört, als dieser in der Stadt weilt, redet und heilt und auch von der Stadt aus in der Gegend herum reist. Jesus wird öfter an seiner „Zollbude“ vorbeigelaufen sein. Dennoch ist dieser Wendepunkt, den Matthäus in sehr knappe Worte fasst tief in sein Gedächtnis eingeprägt!

So haben wir in diesem Bibelstudienkurs bis jetzt sieben namentlich genannte Nachfolger von Jesus: Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes, Philippus und Nathanael und nun auch Levi/Matthäus. Von den übrigen Jüngern sind keine individuellen Berufungsberichte überliefert. Erst später wird berichtet, dass Jesus von der Vielzahl seiner Jünger sich auf zwölf beschränkte und sie zu Aposteln machte.

Als Steuereinnehmer gehört Levi zu den geschulten Menschen. Lesen, Schreiben und Rechnen – natürlich auch die Gesetze der römischen Verwaltung sind die selbstverständliche Grundlage seines Berufes. Damit gehört er zum Mittelstand.

 

3.8.2 Jesus im Hause von Levi

Die Liebe von Jesus und seine Kraft verändern diesen Menschen augenblicklich und vollständig. Er, der „Sünder“ wird geliebt, von einem Rabbi wertgeschätzt und kaum auszudenken auch noch in die Nachfolge und Mitarbeit berufen. Jeder andere Rabbi hätte sich geschämt mit ihm auf der Straße gesehen zu werden. Er gehört zu dem Personenkreis, der normalerweise aus den religiösen Kreisen ausgeschlossen wird (Keener 1998, 326). Doch Jesus erklärt öffentlich, dass er 1. Wahl ist! Jesus glaubt, er könne ein guter Mitarbeiter sein – dieses Vertrauen macht ihn dann tatsächlich auch fähig dazu! Jemand „glaubt“ an ihn, darum glaubt auch er. Dies versetzt ihn in die erstaunliche Lage einen glatten Bruch mit der Vergangenheit zu wagen und sein ganzes Leben auf Jesus zu setzen. Der Evangelist Matthäus selbst macht keine Angaben zu den Kosten, die ihm dadurch entstanden. Wir finden keine Spur von Eigenlob im Bekehrungszeugnis! Der Evangelist Lukas fügt an, dass Levi „alles verließ.“ Er bezahlte wahrscheinlich einen höheren Preis als seine Jüngerkollegen aus dem Fischereigewerbe, die ja bei Bedarf in den familiären Betrieb zurückkehren (Joh 21,1ff). Levi verlässt alles, wahrscheinlich ohne die Chance dies einfach rückgängig machen zu können. Manche Ausleger vermuten hier, dass Levi nach diesem radikalen Bruch den Namen Matthäus (Gabe Gottes) annimmt oder sogar von Jesus bekommt (Hendriksen 1973, 422). Er kann aber auch schon immer einen Doppelnamen gehabt haben.

Übrigens: Leider werden andere Steuereinnehmer die entstandene Lücke sofort wieder geschlossen haben.

Nach seiner Berufung veranstaltet Levi ein Festessen zu Ehren des Rabbi Jesus in seinem Haus. Natürlich ist dies die „orientalische Revanche“ für den öffentlichen Erweis einer Ehrenbezeugung (Keener 1998, 327).. Er wird alles los und feiert als der Glücklichste dieser Welt (Hendriksen 1978, 303. Nicht ein Wort von Levi/Matthäus wird in den vier Evangelien überliefert. Umso deutlicher tritt seine Leistung in der Verfassung des Matthäusevangeliums hervor. Doch selbst wenn er kein Mann der Worte war, er macht damit deutlich, dass er ihm nachfolgen wird und er sich über die Berufung von Jesus freut. Die Tischgemeinschaft war ein Zeichen für eine enge, vertraute Beziehung. Orientalische Mahlzeiten sind echte Gelegenheiten, um einander besser kennen zu lernen. Wahrscheinlich sitzen/liegen die Männer in der Runde auf Teppichen mit den Füßen nach außen und mit dem Angesicht einander zugewandt. Der Ehrengast wird vom Gastgeber gebeten sich ganz oben mit Blick auf den Eingang zu legen (Lk 14,10).

Natürlich lädt Matthäus seine Arbeitskollegen ein: all die Gierigen, die Unpatriotischen, die Verräter, die Unehrlichen, die Gehassten – ja das waren sie wirklich… nicht nur in den Augen der Pharisäer. Wen sonst soll er auch einladen? Doch so wird er zur Schlüsselperson für diese „Randexistenzen“. Sie alle sollen es mitbekommen, dass er jetzt diesem neuen Lehrer nachfolgt. Sie kommen alle und sehen in Jesus wohl einen Freund. Aber für Matthäus ist klar, er muss seinen sicheren und auch einträglichen Beruf aufgeben. Die Nachfolge von Jesus fordert ihn und alle Nachfolger nach ihm immer zu einem Wagnis heraus. Natürlich verspricht Jesus für seine Diener zu sorgen, doch zunächst ist da keine Garantie, dass alles besser wird. Hier Abenteuerlust zu vermuten, ist daher eher abwegig. Levi war verheiratet (1Kor 9,5) und behält sein Haus in Kapernaum, in dem seine Familie weiterlebte. Und ebenso ist anzunehmen, dass Jesus sich in seinem Haus nicht zum ersten und letzten Mal aufgehalten hat.

 

3.8.3  Nicht Heilige – sondern Sünder

Wahrscheinlich am Ende des Festes gerade als die Gäste Haus und Hof verlassen, werden sie von Pharisäern und ihren Schriftgelehrten empfangen. Es gab an diesem Fest nichts zu bemängeln außer der Zusammensetzung der Gäste. Doch die anschließende Streitfrage offenbart die Tiefe des Konfliktes. Jesus soll Stellung nehmen zu dem Heilsweg des gesetzlichen Judentums mit den vielen meist sehr äußerlichen Forderungen. Hier sind es die Speisegesetze die eine Tischgemeinschaft mit Unreinen ausschließen. Denn als Kollaborateure verunreinigen sich Zöllner sicherlich bei ihren heidnischen Auftraggebern, allein schon wenn sie deren Häuser betreten. Die Rabbis kennen keine Vergebung der Sünden frei und ohne Vorbedingungen. Die Jünger von Jesus werden unzufrieden gefragt: „Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern“? Sie wollen Jesus attackieren, auch wenn sie sich etwas feige nur an die Jünger wenden. Sie wollen Jesus zurechtweisen, denn er verhält sich entgegen ihren Verhaltensmustern. Auch wollen sie Spott über die Jünger ausgießen: „So einer soll euer Rabbi sein?“ Das Muster ist immer aktuell: durch Ironie und Spott verunsichern! Doch für Jesus ist diese Frage ein Anlass, um sowohl den Pharisäern als auch den Steuereinnehmern seinen Auftrag bekannt zu machen. Er antwortet mit einem sehr passenden Bibelzitat, dessen Zusammenhang zu Untreue, Ehebruch und Gottlosigkeit alle Leser der Schriften kannten: „Geht aber hin und lernt, was das ist: «Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer“ (Hos 6,6) und mit einem Sprichwort: „Ich bin nicht gekommen Gerechte zur Buße (zum Umdenken) zu rufen, sondern Sünder“. Der griechische Begriff `μετανοία metanoia` bedeutet Gesinnungsänderung. Konventionen und Sitten sind Jesus nicht wichtiger, als die gute Botschaft zu Menschen zu bringen. Er ist der Arzt, der sich den „Infizierten“ nähert, hilft und heilt – doch ohne selbst von der gleichen „Seuche“ befallen zu werden. Echte Jesusjünger werden auffallen und aus dem normalen Rahmen fallen. Doch Mitmenschen werden kritisch bei ihnen nachfragen. Mit den „Gerechten“ meint Jesus die Pharisäer. Doch spielt er hier auf die reine Werkgerechtigkeit an, eine verdiente Gerechtigkeit und keineswegs die Gerechtigkeit, die von Gott ausgeht. Steuereinnehmer machen jedoch im Gegensatz zu den gerechten Pharisäern keinen Hehl aus ihrem „sündigen“ Leben. Doch Steuereinnehmer gehören zu denen, die zum Teil schon am Jordan Buße taten und sich von Johannes dem Täufer taufen ließen. So bezeugte Jesus etliche Zeit später im Rückblick: „Und alles Volk, das ihn hörte, und die Zöllner gaben Gott recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes. Aber die Pharisäer und die Lehrer des Gesetzes verwarfen für sich Gottes Ratschluss und ließen sich nicht von ihm taufen.“ (Lk 7,29-30). Die Zöllner suchen jetzt die Nähe von Jesus und hören ihm gerne zu. Damit teilen sich auch hier die Bewohner Kapernaums in zwei Lager, die einen halten sich zu Jesus und die anderen stellen sich gegen ihn. Doch der universale Heils-Ruf geht ausdrücklich an alle – nur für alle gilt das Gleiche: als Sünder = Gottferne müssen sie sich einstufen lassen. Wie aktuell!

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Äußere dich zu den wenigen Details aus dem Leben des Levi/Matthäus! Was fällt dir auf?
  2. Warum folgt Levi Jesus sofort nach?
  3. Was hast du in der Jesus-Nachfolge aufgegeben, was erhalten?
  4. Warum lädt Levi Jesus zu sich nach Hause ein?
  5. Wieso ärgern sich die Pharisäer an Jesus und seinen Jüngern? Was ist an ihrem Verhalten so anstößig?
  6. Sind wir bei den Meckernden oder Feiernden?
  7. Hast du auch schon kritische oder negative Anfragen zu deinem christlichen Lebensstil erhalten?
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