Als aber die Leute das Wunder-Zeichen sahen

7.5 Jesus speist die Fünftausend (+ Frauen und Kinder)

(Bibeltexte: Mt 14,13b-21; Mk 6,33-44; Lk 9,11-17; Joh 6,2-15)

 

Zweimal hat Jesus eine große Menschenmenge mit Brot und Fisch gespeist. Bei der ersten Speisung waren es ungefähr 5000 Männer, wobei Frauen und Kinder nicht mitgerechnet wurden. Man könnte demnach noch einige Tausend Menschen hinzurechnen. Beim zweiten Mal waren es ungefähr 4000 Männer ohne Frauen und Kinder (Mt 15,29-39; Mk 8,1-10). In Matthäus 16,6-12 und Markus 8,17-21.nimmt Jesus noch einmal Bezug auf beide Wunder/Zeichen.

Im Vordergrund steht die Stillung des natürlichen Bedürfnisses – der Hunger der vielen Menschen. Neben diesen mehr äußerlichen Details werden uns besonders die geistliche Botschaft und die Bedeutung dieses Zeichens beschäftigen.

 

7.5.1 Der Ort der ersten Brotvermehrung

Der Evangelist Johannes schreibt: „Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißtUnd es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.“ (Joh 6,1-2).

 

 

Abbildung:  Der Nordostabsschnitt des Sees vom sogenannten Berg der Seligpreisungen aus gesehen. Bethsaida lag zur Zeit Jesu westlich der Jordanmündung, also noch in Galiläa. Heute liegen die Ruinenreste von Bethsaida östlich des Jordan, weil der Fluss seinen Lauf geändert hat. Das dahinter liegende Land im Nordosten des Sees war auch schon im Altertum wenig besiedelt. (Foto: Juli 1994)..

Jesus befand sich vor der Abfahrt irgendwo am Nordwestufer des Sees, entweder in Kapernaum oder westlich davon. Viele Menschen, die das Wunder der Brotvermehrung erlebten, waren Bürger aus der Stadt Kapernaum, so die Hinweise aus Johannes 6,24.59. Das Volk, welches ihm daraufhin nachfolgte, war nicht mit Booten, sondern zu Fuß unterwegs. Das heißt, sie gingen am Ufer entlang in die gleiche Richtung, wohin auch das Boot mit Jesus fuhr, so die Bemerkung des Ev. Matthäus: „Und als das Volk das hörte, folgte es ihm zu Fuß aus den Städten.“ (Mt 14,13). Der Ev. Markus ergänzt: „Und man sah sie wegfahren, und viele hörten es und liefen aus allen Städten zu Fuß dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor.“ (Mk 6,31-33). Die Menschen hatten eine gute Übersicht über den See und die Richtung, in welcher das Boot mit Jesus fuhr. Sie machten sich also zu Fuß auf den Weg und viele von ihnen kamen dort vor Jesus an. Der Ev. Lukas nennt den Ort in dessen Nähe dieses Speisungswunder geschah: „Und er (Jesus) nahm sie zu sich und zog sich mit ihnen allein in eine Stadt zurück, die heißt Betsaida..“ (Lk 9,10). Die Evangelisten betonen, dass es ein einsamer Ort, bzw. unbewohnte Gegend war, in der Jesus das Volk speiste. Aus all diesen Hinweisen können wir mit einiger Sicherheit sagen, dass sich der Ort der Brot- und Fischvermehrung in der Gegend südöstlich von Bethsaida befand. Dies wäre in der Trachonitis, also im Herrschaftsgebiet des Herodes Philippus (Lk 3,1; vgl. dazu auch Joh 6,16).

Abbildung 8 Das Mosaik mit Brot und Fisch in der Kapelle bei Tabgha, westlich von Kapernaum gelegen. Es oll an die wunderbare Brot- und Fischvermehrung für die 5000 erinnern (Foto: April 1986).

Abbildung 8 Das Mosaik mit Brot und Fisch in der Kapelle bei Tabgha, westlich von Kapernaum gelegen. Es oll an die wunderbare Brot- und Fischvermehrung für die 5000 erinnern (Foto: April 1986).

 

Bereits im 4./5. Jh. entstand eine Tradition, der zufolge die Brot- und Fischvermehrung für die Fünftausend am Nordwestufer des Sees stattgefunden haben soll. Dort wurde über den Resten frühchristlicher Bauten eine neue Kirche erbaut. Seit 1888 gehört das Gelände der Deutschen Katholischen Palästinamission. Für die Verlegung der Tradtion vom Nordostufer auf das Nordwestufer könnten folgende Gründe angeführt werden:

  1. Unzureichende Textkenntnisse der Evangelienberichte
  2. Der Bau einer Kirche mitten im Niemandsland in unbewohnter Gegend wäre aufwendig gewesen
  3. Praktische Überlegungen in Bezug auf die Pilger, welche mit dem beginnenden 4. Jh. vermehrt nach Palästina strömten, um die Stätten, die mit dem Wirken von Jesus in Verbindung gebracht wurden, aufzusuchen. So wurde hier in unmittelbarer Nähe zu Kapernaum, Tabgha, dem Berg der Seligpreisungen, auch der Brotvermehrungstradition ein Denkmal gestiftet. Auf dem Weg ans Nordostufer musste man das Joprdandelta überqueren oder die weiter oben gelegene Brücke benutzen. So ähnlich geschah es auch mit der Taufstelle von Jesus, die in den späteren Jahrhunderten auf das Westufer des unteren Jordan verlegt wurde (Siehe 3. Kapitel, Abschnitt: „Die Taufe von Jesus im Jordan“).

 

7.5.2 Die zeitliche Einordnung

Nach Johannes 2,13 und 5,1(?) war Jesus bereits zweimal in Jerusalem beim jährlichen Passahfest gewesen. Nach Johannes 6,4 stand das seit Beginn der Wirksamkeit von Jesus (dritte ?) jüdische Passahfest kurz bevor, d.h. Jesus wirkte bereits etwa 2 ¾ (2 ¼) Jahre. Vor ihm lag also noch ein Jahr des Dienstes. Übrigens sagt Johannes nichts über den dritten Passahbesuch von Jesus. Es ist durchaus möglich, dass er zu diesem Passah, welches in Johannes 6,4 genannt wird, nicht gegangen ist, sondern erst im Herbst zum Laubhüttenfest (Joh 7,1ff). Jesus begann mit seiner Wirksamkeit etwa im Sommer 29 des 1. Jh.. Im Jahr 32 fiel der 14. Nisan auf Montag den 14. April. Das Speisungswunder hatte damit etwa Ende März, Anfang April stattgefunden.

 

7.5.3 Die Details des Wunders

Bei der Schilderung des Speisungswunders ergänzen sich die Evangelisten, so dass die folgende Reihenfolge der Geschehnisse vorstellbar wäre:

  • Jesus steigt mit seinen Jüngern am Nordostufer des Sees aus dem Boot. Noch vom Boot aus konnte man Menschen sehen, die am Nordostufer entlang gingen. Eigentlich wollten er sich mit seinen Jüngern an einem einsamen Ort ein wenig ausruhen. Doch er nimmt die vielen Menschen wahr, die zu Fuß zu ihm geeilt waren. Einige sind bereits schon da und erwarten ihn. Er geht auf den nahe gelegenen Berg/Anhöhe (Joh 6,3) und setzt sich dort mit seinen Jüngern.
  • Er beobachtet, wie viele Menschen sich ihm nahen und empfindet Erbarmen mit ihnen. Für ihn sind sie wie Schafe, die keinen Hirten haben (Mt 14,14b; Mk 6,34b).
  • Er heißt sie willkommen (Lk 9,11a).
  • In einer langen Lehreinheit spricht er zu ihnen über das Reich Gottes und heilt Kranke (Lk 9,11b; Mk 6,34c).
  • Mittlerweile ist es schon spät geworden (Lk 9,12a; Mk 6,35a). Matthäus beschreibt den Zeitpunkt des Herantretens der Jünger zu Jesus: „Als es aber schon Abend geworden war (…)“ (Mt 14,15a). Der Evangelist Johannes, nennt den Zeitpunkt des Abschlusses des Mahls: „Als es aber Abend geworden war, gingen seine Jünger hinab an den See.“ (Joh. 6,16).
  • Der lichte Tag endet nach damaliger Auffassung mit dem Sonnenuntergang, um diese Jahreszeit ist dies etwa 18.30-19 Uhr.
  • Matthäus berichtet, dass die Zwölf zu Jesus mit der Bitte kommen, die Menschen doch zu entlassen, damit sie in die nahe gelegenen Orte gehen könnten, um sich Speise zu kaufen (Mt 14,15; Mk 6,35-36; Lk. 9,12).
  • Jesus entgegnet ihnen: „Es ist nicht nötig, dass sie hingehen, gebt ihr ihnen zu essen“ (Mt 14,16; Mk 6,37a; Lk 9,13a).
  • Jesus fragt Philippus, der aus dem benachbarten Bethsaida stammte (Joh 6,5; 1,44; 12,21): „Woher sollen wir Brote kaufen, damit diese essen können“? „Aber dies sagte er, um ihn zu versuchen (prüfen), denn er wusste, was er tun wollte“ (Joh 6,6).
  • Nun ist Philippus der weitere Sprecher der Jünger, obwohl es heißt, dass sie sich alle am Gespräch beteiligten.
  • In Lukas 9,13 stellen zunächst alle die Frage: „sollen wir denn hingehen und für diese alle Brot kaufen“?
  • Philippus argumentiert (Joh 6,7): „Für zweihundert Denare Brote reichen nicht für sie hin, dass jeder auch nur ein wenig bekomme“. Ein ´dhna,riojd¢narios – Denarius/Denar/Dinar (röm. Währung) entsprach dem Tageslohn eines Tagelöhners (Mt 20,2.9). Zweihundert Tageslöhne (bei Leiharbeiter) würden heute (pro Tag 60,- €) ca. 12.000 € ausmachen. Ein Kilo Brot kostet heute zwischen 2,50 bis 4,00 €. Demnach könnte man heute für zweihundert Tageslöhne rund 4000 kg Brot kaufen. Laut Berechnung der Jünger konnte man damals für zweihundert Denare bei weitem nicht so viele Brote kaufen, dass ein jeder nur ein wenig davon bekommen hätte. An der Berechnung und vorläufigen Aussage haben alle teilgenommen (Mk 6,37;  Lk 9,13b).
  • Jesus fragt sie: „Wie viele Brote habt ihr hier, geht hin und erkundigt euch“ (Mk 6,38).
  • Nach der Erkundigung übernimmt das Wort Andreas, der Bruder des Simon Petrus: „Es ist ein Junge hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische, aber was ist dies für so viele“ (Joh 6,9; siehe Mt 14,17;  Mk 6,38b)? Rechnet man pro Person etwa ein ½ kg Brot, dann sind die fünf Brote von Jesus mehr als tausendfach vermehrt worden. Die griechische Bezeichnung `paida,rionpaidarion`  meint einen kleinen Jungen zwischen acht und zehn Jahren.
  • Jesus aber sagt: „Lasst die Leute sich lagern auf das Gras“ (Joh 6,10a). Ende März ist noch Regenzeit in jener Gegend. Darum ist besonders diese Region rund um den See Gennesaret mit einem grünen Grasteppich und bunten Feldblumen übersät. Fern vom Lärm der Städte, mitten in Gottes wunderschöner Natur erleben Tausende durch den Dienst von Jesus und seinen Jüngern Erquickung an Leib und Seele. Lukas ergänzt: „In Gruppen zu je fünfzig“ (Lk 9,15). Markus präzisiert: „In Gruppen zu je hundert und je fünfzig“ (Mk 6,40). Jesus legt also großen Wert auf Ordnung.
  • Jesus dankt (Joh 6,11) segnet das Brot und die Fische (Mt 14,19; Mk 6,41; Lk 9,16), bricht sie, gibt sie den Jüngern und diese teilen alles aus.
  • Nach dem Essen ordnet Jesus an, dass die übrigen Brocken eingesammelt werden. Der Vergleich von Mt 15,27 mit 14,20 macht deutlich, dass hier die übriggebliebenen Brocken gemeint sind,- gr.´κλάσματων – klasmaton´, nicht die ´Brohsamen gr. ´psiciw?n – psichion´. Zwölf Körbe voll mit Resten bleiben übrig (Mt 14,20; Mk 6,43; Lk 9,17; Joh 6,13). Die griechische Bezeichnung `ko,finoj – kophinos` für Handkorb, nutzte man in Galiläa. Dagegen bezeichnete man diese Art von Körben im Osten des Sees (der Dekapolis) `spuri,j spyris`, was bei der Speisung der viertausend eine Bedeutung hat (Mk 8,8). Diese Zahl Zwölf kann man zunächst als einen Hinweis auf die zwölf Stämme Israels verstehen, welche Jesus auf eine neue und geistliche Weise zusammenführen wollte (Mt 15,24). Alle vier Evangelisten verstehen dies wohl als einen besonderen Hinweis darauf, dass mit Jesus die geistliche Sammlung des Gottes Volkes beginnt (siehe auch Jes 49,6).

 

7.5.4 Die Bedeutung des Wunders

Wie wir bereits bei dem Wasser/Wein-Wunder gesehen haben, deutet auch die Brotvermehrung zeichenhaft auf den Messias hin. „Als die Menschen das Zeichen sahen, sprachen sie: „Dies ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ (Joh 6,14). Das griechische Wort `shmei/on s¢meion` übersetzen wir als Hinweis. Die Taten von Jesus weisen darauf hin, dass er der von Gott gesandte Gesalbte/Messias ist. Die Menschen erkennen in Jesus den von Gott durch Mose verheißenen Propheten. Dies kann ein Anklang an 5Mose 18,15 sein: „Einen Propheten wie mich wird dir der HERR, dein Gott, aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, erstehen lassen“.

Es folgt eine politische Reaktion der Masse – sie wollen Jesus zu ihrem (Gegen-) König machen. Doch Jesus weicht dieser menschlichen Ehre und Verantwortung aus. Er ist nicht an einem irdischen Königreich interessiert – er will auch mit keinem politischen Würdenträger verglichen werden – auch mit keinem Revolutionsführer.

Jesus gibt der Menge reichlich Brot zum Leben, Darüber hinaus ist er in Person das Brot des Lebens (Joh 6,33-35) – was für eine überreiche Gabe!

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Durch welche Zeitangaben im Johannesevangelium lässt sich das Speisungswunder im Leben von Jesus einordnen und zu welcher Jahreszeit fand es statt?
  2. Wo fand diese Speisung statt? Aufgrund welcher Textaussagen können wir den ungefähren Ort, bzw. Gegend des Geschehens feststellen?
  3. Wer waren die vielen Menschen, woher kamen sie?
  4. An welche alttestamentlichen Geschichten erinnert uns diese Brotvermehrung (2Mose 16,31; 5Mose 8,3.16; 1Kön 17,12-16)?
  5. Was steht im Vordergrund, wenn Jesus Menschen dient?
  6. Was beschäftigte die Jünger gegen Abend in erster Linie?
  7. Welche Jünger von Jesus werden in Johannes 6 namentlich genannt?
  8. Wie kommt bei uns der nicht namentlich genannte Junge mit seinen fünf Broten und zwei Fischen an?
  9. Löse die Rechenaufgaben in dieser Geschichte. Wie viele (Fladen)Brote hätte man gebraucht, wie viel Geld wäre dafür nötig gewesen? Wie viel Brot stand am Ende dem Einzelnen zur Verfügung?
  10. Warum legt Jesus so großen Wert auf Sitzordnung und sorgfältigen Umgang mit Übriggebliebenem, was bedeutet es heute für uns?
  11. Wie viele Körbe mit Brocken wurden aufgehoben und auf was deuten sie hin?
  12. Wozu dienen die Wunder von Jesus, welchen Zweck erfüllen sie?
  13. Wo nimmt Jesus noch Bezug auf das Brot? Welche geistliche Bedeutung kommt dem Brot zu?
  14. Warum lehnt Jesus ein politisches Amt ab? (selbst die Ehrenbezeichnung!)
  15. Wie schließt Jesus diese Tagesversammlung ab?

 

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Eine Antwort zu Als aber die Leute das Wunder-Zeichen sahen

  1. Ernst Rudolf Schlamp sagt:

    Mit der Brotvermehrung zeigt Jesus, dass er unbegrenzt ist, während alle Menschen um ihn herum gar nichts tun können. Sie haben Grenzen. Und sie haben Hunger.

    Auch bei der Hochzeit zu Kana zeigt Jesus als erstes Wunder, wie er einen guten Wein machen kann; ohne Reifezeit, ohne Wachstum, ohne Ernte. Das ist doch das Zeichen überhaupt, dass Jesus Gott ist.

    Aber noch nicht einmal diese Wunder – diese Zeichen, denn die Juden wollen
    Zeichen – haben gereicht, um die Mehrzahl der Menschen zu überzeugen. Der Zorn auf Jesus, weil er das kann, muss riesig sein. Zorn und Hass sind dann die Berater gewesen, Jesus zu töten. Nach aussen freilich gab man sich staatsmännisch. Wer Jesus nicht anerkennen will, ist feige, ein Lügner und er betrügt sich selbst. Ja, er tötet sich selbst.

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