Apokalypse 1,1-3: Die Enthüllung

Vorwort

Zu allen Zeiten bewegte dieses letzte Buch der Bibel die Christen. Die Motivation für uns ist, darin Jesus zu begegnen, seine Sicht der himmlischen und irdischen Welt kennenzulernen. Das Ziel ist, eine klare Position zu beziehen  für Jesus, seine Gemeinde und sein Reich.  Ganz bewusst sind viele Bibeltexte ausgeschrieben, damit die Zusammenhänge der biblischen Wahrheiten nachvollziehbar und verständlich werden.

Abbildung 1 Eine kleine christliche Kapelle auf dem Kastelli oberhalb des Hafenortes Skala auf der Insel Patmos (Foto: 10. Mai 2015).

  1. Einleitung

Und so beginnt sie, die Offenbarung:

Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss; und indem er sie durch seinen Engel sandte, hat er sie seinem Knecht Johannes kundgetan,  der das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt hat, alles, was er sah. (Offb 1,1-2).

Die allgemein bekannte Überschrift `Offenbarung des Johannes` ist nicht Teil des Textes. Der Genetiv macht klar, dass diese Offenbarung Jesus Christus gehört. Er ist das Hauptthema dieses Buches, er, als der Lebendige, siegreiche König und Herr. Er bringt Gottes Heilsplan zur Vollendung.

1.1  Die Offenbarung – von wem ist sie und für wen ist sie bestimmt?

Das gr. Wort `κάλυμμα – kalymma` bedeutet Decke. Die Decke über der Stiftshütte (2Mose 26,14). Die Decke Moses (2Mose 34,33 und 2Kor 3,15-16). Die Wolke bedeckte/verhüllte die Stiftshütte (2Mose 40,34). Die Bedeutung der Aussage von Jesus über sein Leiden blieb den Jüngern verhüllt (Lk 9,45). In Lk 12,2 sagt Jesus: „es ist nichts ver-hüllt, was nicht ent-hüllt würde“. Die Vorsilben bei  diesen Verben bestimmen, ob das Objekt erkennbar ist oder nicht, ob eine Aussage verstanden wird oder nicht. Das gr. Substantiv `άποκάλυψις. apokalypsis` kann demnach mit Enthüllung übersetzt werden. Die Vorsilbe `άπο – apo` nimmt die Decke weg, sie deckt auf, so dass das Verdeckte zum Vorschein kommt (Mt 11,25-27; 16,17; Lk 10,21; 1Kor 2,10; Gal 1,12.16; Phil 3,15). Im Kontext von Offenbarung 1,1 werden Dinge enthüllt, die bis dahin in Gott verborgen waren. Bis auf eine Aussage in Offb 10,4 (was die sieben Donner geredet haben) soll Johannes nichts versiegeln,  sondern aufschreiben, also offenbaren, enthüllen. Damit ist das letzte Buch der Bibel ein offenbartes Buch. Jesus, das Lamm Gottes war allein würdig es zu enthüllen (Offb 5,5).

 

Gleich zu Beginn stellt sich die Frage, ob Jesus bereits wusste, was in der versiegelten Buchrlle an Inhalt verborgen war? Diese Frage stellt sich wegen der Formulierung: „(…) die Gott ihm gab“.

  1. Es heißt nicht „die Gott ihm enthüllte“, sondern, „die Gott ihm gab“.
  2. Es heißt nicht, um ihm (Jesus) zu zeigen, was bald geschehen muß, sondern, „um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß“.(die gleiche Formulierung wird in Offb 22,6 wiederholt).
  3. Die darauf folgende Aussage: lautet: „und er (Jesus) hat sie seinem Knecht Johannes kundgetan“. Das gr. Verb `ἐσήμανεν – es¢manen` kommt noch in Apg 11,28 vor. Dort deutete (es¢manen) der Prophet Agabus eine Hungersnot an. (weitere Stellen, in denen dieses Verb verwendet wird: Apg 25,27: „… ohne die Schuld anzudeuten“; Joh 12,33: „… damit deutete Jesus an …“ (so auch in Joh 18,32); Joh 21,19: „… damit deutete Jesus an …“). Siehe auch die Bedeutung des altgr. Wortes `σημαίνειν – sēmaínein` in Wikipedia. Damit hat Jesus die Offenbarung nicht nur kundgetan im Sinne der Übermittlung, sondern auch im Sinne der Deutung (Offb 1,19-20: Kap 2-3 und 5). Jesus, als Mitschöpfer (Joh 1,1-2; Kol 1,15ff; Hebr 1,1-3) und Mitgestalter der Geschichte hatte auch Einblick in das Weltgeschehen bevor er von seinem Vater die Vollmacht zur Enthüllung bekam (Joh 1,18; Mt 11,25-27; 24,1-25,46; 28,18; 1Kor 10,4; 15,25; Offb 5,5ff).

 

Die Aussage: „seinen Knechten zu zeigen was bald geschehen muß“ erinnert an Amos 3,7: „Gott der HERR tut nichts, er offenbarte (apokalypssē) denn seinen Ratschluss seinen Knechten, den Propheten.“ Die Bezeichnung `Knechte – δούλοις – doulois` ist eine typische Anrede der Gläubigen in der Offenbarung. Selbst Johannes, der Apostel und Jünger, den Jesus liebte, wird so in der Einleitung bezeichnet (Offb 1,1b). Mindestens 10 Mal kommt diese Bezeichnung in diesem Buch vor und bezieht die Gläubigen aller Zeiten mit ein, auch die Engel (1,1; 2.20; 7,3; 10,7; 19,2.5.10; 22,3.6.9). Dabei handelt es sich um einen Ehrentitel, wie wir es bereits aus den Apostelbriefen kennen (Röm 1,1; Tit 1,1 Jak 1,1; 2Petr 1,1; Jud 1,1). Im Gegensatz zum Umgang der weltlichen Herrscher mit den Sklaven, ist die Beziehung von Gott dem HERRN zu seinen Untertanen eine von Fürsorge geprägte. Die Untertanen  ihrerseits dienen ihrem HERRN  freiwillig und mit Freuden (Lk 1,38; Mt 25,21-23; Röm 6,22; 12,11; Gal 1,10; Kol 3,24; 4,12; 1Petr 2,16). Das Ganze geht zurück auf die Anweisung Gottes in Bezug auf Sklaven, die aus freiem Willen ihrem Herrn lebenslang dienen wollen (2Mose 21,1ff). Selbst Jesus als HERR und KÖNIG, erniedrigte sich und nahm die Gestalt eines Knechtes (wörtl. Sklaven) an (Jes 53,10-12; Hes 34,24; 37,24-25; Joh 13,14; Phil 2,7). Es tut uns gut, diese Ebene der Beziehung zu unserem Herrn neu zu erkennen und unser Verhalten entsprechend zu korrigieren.

 

Eine weitere Besonderheit bildet der griechische Ausdruck `ἐν τάχει – en tachei`,  welcher im Buch acht Mal vorkommt (1,1; 2,16; 3,11; 11,14; 22,6.7.12.20). Am Anfang und am Ende wird er besonders hervorgehoben. Ins Deutsche wird dieses Wort mit `bald, in Bälde, in kürze, rasch, schnell, in Schnelligkeit` übersetzt. Der Ausdruck `en tachei` beschreibt mehr das `wie` etwas oder jemand eintrifft und seltener `wann` sich etwas ereignet. Unser Wort Tachometer enthält diesen Begriff. Beispiele: Offb 11,14: „das dritte Wehe kommt schnell“;  Lk 15,22: „Schnell bringt das beste Kleid“; Apg 17,15: „schnellstens zu ihm kämen“; Apg 22,18: „beeile dich und in Schnelligkeit verlasse Jerusalem)“. Weitere Stellen: Lk 18,8; Joh 11,29.31; 13,27; 20,4; 2Thes 2,2; 1Tim 3,14; 5,22; 2Tim 4,9; Jak 1,19; 2Petr 2,1.

Den Hinweis über Johannes in der Einleitung: „der das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt hat, alles, was er sah“, schrieb Johannes im Rückblick auf, nachdem er die Offenbarung bekommen hatte. Betont wird sein Zeugnis von Jesus Christus, alles was er sah. Es ist sehr auffällig, dass Johannes diese Enthüllung in Form von Visionen bekam. Er sah Bilder, oft in Bewegung (Offb 1,2.12.17; 4,1; 5,1.2.6.11; 6,1.2.5.8.9.12; 7,1.2.9; 8,2.13; 9,1.17; 10.1.5; 13,1.2.3.11; 14,1.6.14; 15,1.2.5; 16,13; 17.3.6; 18,1; 19,11.17.19; 20,1.4.11.12; 21,1.2.22 – 47 Mal, andere Zählung 53 Mal). Diese Bilder wurden ihm durch einen Engel (oder von Jesus selbst) gezeigt und erklärt (Offb 1,17-20; 4,1; 17,1; 21,9-10; 22,1).

 

Glückselig, der liest und die hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist! Denn die Zeit ist nahe.

Es ist die erste von sieben Seligpreisungen in diesem Buch. (1,3; 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7.14). Der griechische Begriff `μακάριος – makarios` ist uns von den Seligpreisungen aus Matthäus 5,1-11 wohl vertraut. Dort und auch hier geht es um einen Zuspruch, der in Kraft kommt oder einhergeht beim praktizieren der Aufforderungen – lesen, hören und bewahren.

Abbildung 2 Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Wunderbar hat der Schöpfer das menschliche Gehör geschaffen. Und er will gehört werden. Die Reihenfolge ist: Zuerst hören, dann gehorchen. (Zeichnung: 2016)

Diese drei Tätigkeiten beziehen sich vordergründig auf die Worte der Weissagung (der Prophetie) dieses Buches, doch haben sie auch allgemeine Gültigkeit. Lesen konnten nicht alle, es musste vorgelesen werden. Doch alle sollten hören, zuhören, hinhören Offb 2,7.11.17.29; 3,6.13.22; 13,9; Mt 11,15; 13,9.43; Lk 14,35). Und alle sind aufgefordert zu bewahren, halten, festhalten. Jesus sagte: „Glück)selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren.“ (Lk 11,28; auch Mt 28,19; Offb 3,3.10.11; 22,9).

Prophetie ist hier im umfassenden Sinne zu verstehen. Im Rückblick auf die Vergangenheit wird in der Gegenwart gesprochen und die Zukunft enthüllt. Begründet werden diese Aufforderungen mit der Aussage: „denn die Zeit ist nahe“. Hier wird der griechische Zeitbegriff `καιρὸς – kairos ` verwendet (ebenso in Offb 22,10). Doch was meint Jesus mit diesem Zeitbegriff?

  • Der kairos wird häufig von Gott her definiert, weil er die Zusammenhänge kennt und die richtige Einordnung eines oder mehrerer Ereignisse in den chronos  einfügt. (Mk 1,15; Mt 26,18). Einfach ausgedrückt – Gott hat seinen eigenen Kalender, nachden er sich richtet (1Tim 6,15: „zu seiner Zeit“) so auch Jesus (Joh 7,7: „meine Zeiit ist noch nicht da“).
  • Der kairos drückt manchmal eine nicht klar definierte Zeitspanne oder Zeitpunkt aus (Offb 12,14: „wo sie ernährt werden sollte eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit“; so auch in Dan 7,25; 12,7; Lk 21,24: „und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind“; 1Tim 4,1: „in den letzten Zeiten“).
  • Der kairos steht für die Qualität der chronos, wie die Geschehnisse sind (Jes 49,8: „Ich habe dich erhört zur Zeit der Gnade und habe dir am Tage des Heils geholfen“; Lk 19,44: „weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du besucht worden bist“; Apg 14,17: „vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben“; 2Tim 3,1: „in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden“).
  • Der kairos  von Gottes Sicht aus unterscheidet sich von dem kairos der Menschen (Joh 7,6) oder gar zum kairos des Feindes (Lk 4,13).

Denn die Zeit (kairos) ist nahe“. Das meint, die von Gott vorausgesehenen oder auch festgelegten Abläufe der geschilderten Ereignisse werden nicht lange auf sich warten lassen, sondern exakt nach dem Zeitkalender Gottes eintreffen (1Petr 4,7; !Joh 2,18). Es ist sinnvoll über die Bedeutung der verschiedenen Zahlenangaben in der Offenbarung nachzudenken, doch eignen sie sich nicht für Berechnungen zur Wiederkunft Jesu.

Fortsetzung folgt

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