Das Heil kommt von den Juden

Das Heil kommt von den Juden

 

Für Menschen, die den Evangelienbericht des Evangelisten Johannes noch nicht gelesen haben, mag diese Überschrift fremd, ja sogar ungewöhnlich erscheinen. Diese Aussage wurde bereits vor etwa 1988 Jahren gemacht. Für das alte deutsche Wort `Heil` steht im griechischen Urtext `söteria`, was genauer mit `Rettung` übersetzt werden kann. Diese Aussage stammt von einem Juden und auf den ersten Blick klingt es ja ziemlich selbstbewusst, für einige vielleicht sogar etwas arrogant. Wenn es jedoch im Kontext der Geschichte gelesen wird, drückt es eine offensichtliche Wahrheit aus. Zum einen, weil die Person, welche diese Aussage gemacht hat, keine Lüge kannte und zum anderen, weil die Geschichte diese Aussage bestätigt. In einer Zeit, in der die Nachfrage nach Wahrheit und eindeutigen Aussagen sowohl im Privaten, als auch im Öffentlichen wieder wächst, lohnt es sich erneut über diese Aussage und deren Urheber nachzudenken.

Ihr (Samariter) wisst nicht, was ihr anbetet; wir aber wissen, was wir anbeten; denn das Heil (Rettung) kommt von den Juden.“ (Evangelium nach Johannes 4,22).

Jesus, der diese Aussage gemacht hat, war im Gespräch mit einer Samariterin aus der Stadt Sychar, in der Nähe des heutigen Nablus. Dass dieses Zwiegespräch in jener Zeit und unter den damaligen politischen Umständen, in der sich Juden und Samariter aus dem Weg gingen, stattfand, ist an sich schon ungewöhnlich. Doch weil Jesus behauptet, dass `das Heil/Rettung von den Juden kommt`, geht er auf die Andersdenkenden zu. Er spricht mit ihnen und bleibt zwei Tage bei ihnen im Ort. Das Ergebnis seines Besuches in Samarien ist vom Evangelisten Johannes zusammengefasst in den Worten: „Und sie sprachen zu der Frau: Nun glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland (Retter).“ (Joh 4,42).

4Es ist nun mal geschichtlich nachfolziehbar,

  • dass sich Gott dem Abraham, Isaak und Jakob vor etwa viertausend Jahren offenbart hatre, sonst gäbe es nicht das Volk der Juden.
  • Genau so wahr ist es, dass sich Gott dem Mose offenbarte, sonst gäbe es nicht die Zehn Gebote, auf deren Grundlage viele Zivilisationen ihre Grundgesetze aufgebaut haben.
  • Und es gibt die Heiligen Schriften des Alten Testamentes, welche im Detail über den Messias/Retter sprechen.
  • Und es gibt diesen Jesus von Nazaret aus dem Stamm Juda, geboren in Bethlehem, der Stadt Davids, auf den alle vorasgesagten Details, angefangen mit der Geburt bis zu seiner glorreichen Erhöhung zu Gott dem Vater, genau zutreffen.
  • Und es gibt die zwölf Apostel, die Jesus in seine Nachfolge berief und die er ausgerüstet hatte mit Vollmacht, um allen Völkern der Erde die Frohe Botschaft von der Erettung durch den Glauben an Jesus,  zu verkündigen.
  • Ungefähr einundertundzwanzig Männer und Frauen waren in Jerusalem am Pfingsttag des Jahres 33 versammelt (alles Israeliten), welche die Großtaten Gottes in mehr als einhundert Dialekten proklamierten. Die etwa dreitausend Menschen, welche an jenem Tag Jesus als ihren Messias und Retter im Glauben angenommen haben, waren alles Juden, gottesfüchtige Menschen aus aller Herren Länder (Apg 2,1-16). Durch all diese Menschen jüdischer Herkunft, breitete sich die Frohe Botschaft von dem Heil, der Rettung und Erlösung durch Jesus den Messias/Christus in die ganze damalige Welt aus und veränderte das Denken und das Leben vieler Menschen.

Dass die Entwicklungen in den Jahrhunderten (Spätantike und Mittelalter) zu großen geistlichen Missständen in Lehre und Leben der Kirche geführt haben, ist nicht der Heilbringen Botschaft von Jesus Christus, sondern dem Machtstreben und Rechthaberei vieler Kirchenführer zuzuschreiben.

So manche kirchliche, politische, wie auch wirtschaftliche Krise könnte gelöst werden, wenn in der Verantwortung stehende Menschen wieder mehr auf den Mann hören würden, der die Wahrheit in Person ist – Jesus Christus.

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Die Fußwaschung – der Einblick in das Wesen und Handeln Gottes

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Jesus: Einer von euch zwölf wird mich verraten

10.22 Jesus: Einer von euch zwölf wird mich verraten

(Bibeltexte: Mt 26,21-25; Mk 14,18-21; Lk 22,21-23; Joh 13,18-30)

 

Der Evangelist Johannes hat die meisten Aussagen von Jesus über den Verräter aufgeschrieben. Diese stehen in seinem Bericht gleich im Anschluß an die Fußwaschung. Nach den Berichten des Matthäus und Markus beginnt das Gespräch über den Verrat bereits vor der Stiftung des Neuen Bundes. Der Evangelist Lukas leitet das Gespräch über den Verräter zeitlich nach dem Brotbrechen und zusammen mit dem letzten Kelch ein. Wir ordnen das Gespräch über den Verräter zeitlich nach der Fußwaschung und vor der Einsetzung des Herrenmahls ein.

Nach den erklärenden Worten von Jesus über seine ungewöhnliche Handlung der Fußwaschung, leitet er fließend über zum Thema Verrat. „Das sage ich nicht von euch allen; ich weiß, welche ich erwählt habe. Aber es muss die Schrift erfüllt werden (Psalm 41,10): »Der mein Brot isst, tritt mich mit Füßen.« (Joh 13,18). Jesus kennt die Schriften und die Geschichten in denen sich Menschen der Bosheit, Hinterlist und dem Verrat verschrieben haben. Auch an ihm wird diese verräterische Bosheit verübt werden. Doch er ist von Anfang an sicher gewesen über die Erwählung der 12 Jünger, so sagte er bereits in der Synagoge zu Kapernaum: „Habe ich nicht euch Zwölf erwählt? Und einer von euch ist ein Teufel (diabolos).“ Und Johannes erklärt im Rückblick die Aussage des Herrn mit: „Er redete aber von Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Der verriet (gr. παραδιδόναι paradidonai – überlieferte) ihn hernach und war einer der Zwölf.“ (Joh 6,70-71). Oder wir denken an die Aussage des Johannes: „Denn Jesus wusste von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten (gr. paradw,swn paradösön – überliefern) würde.“ (Joh 6,64). Doch erst jetzt beginnt er die innere Einstellung des Verräters zu offenbaren. Er weiss natürlich um die Abmachung des Judas mit den Hohenpriestern. Denn bereits nach dem Abend in Bethanien ging jener zu der Tempelbehörde und bot gegen Bezahlung seine Dienste an. So schreibt der Evangelist Matthäus: „Dann ging einer von den Zwölfen, Judas Iskariot mit Namen, zu den Hohenpriestern und sprach: Was wollt ihr mir geben, und ich werde ihn euch überliefern (gr. παραδώσω paradösö – überliefern)? Sie aber setzten ihm dreißig Silberlinge fest. Und von da an suchte er Gelegenheit, ihn zu überliefern (gr. παραδώ paradö – überliefern).“ (Mt 26,14-16; Mk 14,10-11; Lk 22,3-6). Der Evangelist Lukas ergänzt: „Aber Satan fuhr in Judas (…).“ (Lk 22,3a).

Nun verbringt er den Abend mit Jesus und den Mitjüngern, obwohl er keiner mehr war. Auch Johannes bestätigt, dass der Entschluß zum Verrat bei Judas bereits vor dem letzten Abend feststand. So schreibt er in Kapitel 13,2: „Und während des Mahls, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Ischariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten (gr. παραδοί, paradoi – zu überliefern),“ Seit Tagen suchte Judas eine gute Gelegenheit um Jesus an die Tempelbehörde zu überliefern. „Sie (die Hohenpriester) sprachen aber: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr gebe im Volk.“ (Mt 26,5; Mk 14,2). Wir werden sehen, dass ihre Pläne indirekt durch Jesus selbst vereitelt werden.

Wie so oft vorher, so auch jetzt, sagt Jesus mit bestimmter Absicht Geschehnisse voraus und die Jünger hören ihn sagen: „Schon jetzt sage ich’s euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschehen ist, glaubt, dass ich es bin.“ (Joh 13,19). Es sind Hilfestellungen für den Glauben an die Person von Jesus als den Messias.

Die folgende Aussage scheint wenig mit dem Thema des Verrats zu tun haben, aber sie steht da mitten drin und wird von Jesus mit dem zweimaligen hebräischen Wort `amen, amen`, welches die absolute Wahrheit und Bestimmtheit hervorhebt, eingeleitet. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer jemanden aufnimmt, den ich senden werde, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat.“ (Joh 13,20). Es klingt ähnlich wie bei der Aussendung der zwölf, dort heißt es: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat.“ (Mt 10,40; ähnlich Lk 10,16). Die Jünger werden sich an jene Aussage erinnert haben, sicher auch Judas, der nun dabei ist seinen Herrn und damit Gott abzulehnen. Im deutlichen Kontrast zu ihm steht der Eigentümer des Hauses und Gastgeber, dieser gehört bereits zu denen, die Jesus aufgenommen haben. Er ging das Risiko ein von der Synagoge ausgeschlossen zu werden (Joh 9,22; 11,57; 12,42).

Und nun spricht Jesus aus, was ihn selbst sehr in Erregung bringt. Auch diese Aussage leitet er mit dem doppelten `amen, amen` ein: „Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer (Zahlwort) unter euch wird mich verraten (gr. παραδώσει με paradösei me – wird mich überliefern).“ (Joh 13, 21).

Das griechische Verb und Substantiv, mit dem die Evangelisten die verräterische Handlung von Judas beschreiben, ist an für sich wertneutral und erst der Kontext macht deutlich was der `Übergabe` zu Grunde liegt. Hier einige Beispiele:

  • Jesus sag:  „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden“ (Mt 11,27).
  • Das übergeben, bzw. das überliefern der von Christus empfangenen Inhalte (1Kor 11,2.23).
  • Mit demselben Begriff werden auch die Überlieferungen der Ältesten der Juden beschrieben (Mt 15,2.3.6).
  • Dieser Begriff steht auch für die `Übergabe` von Jesus an Pilatus duch die Priesterschaft und nach der Verurteilung durch den Statthalter Pilatus an die exekutive (Mt 27,18; Mk 15,10; Mt 27,26; Mk 15,15; Lk 23,25).
  • Die Überlieferung, die Tradition – `η παράδοση ¢ parados¢ – wörtlich: die Übergabe, das Übergebene, das Überlieferte` (1Kor 11,2; Gal 1,14; 2Thes 2,15).
  • Der Verräter: `ο προδότης o prodot¢s` bezogen auf Judas in der Jüngerliste (Lk 6,16); Verräter und Mörder: `προδόται και φονείς prodotai kai foneis`  bezogen auf die Führenden in Israel (Apg 7,52);
  • Judas im Garten Gethsemane: „der ihn Verratende (ο παραδιδούς αυτόν o paradidous auton) (Joh 18,5).

Durch den Kontext erkennt man sofort, um was für eine Übergabe es sich handelt. Und wir stellen fest, dass das Thema des Verrats durch Judas einen breiten Platz in den Evangelien und sogar der Apostelgeschichte einnimmt. Mindestens 15 Mal wird die Person des Judas im Zusammenhang seiner verräterischen Einstellung und Handlung von den Evangelisten genannt. Demnach war der Verrat des Judas, eine bewusste und vorsätzliche Übergabe (Überlieferung, Auslieferung) an die Gegner und Feinde von Jesus. In diesem Fall auch noch ein Verrat ums Geld, er verkaufte seinen Herrn für 30 Silberstücke (Mt 26,15).

So sehr sich Jesus gesehnt hatte mit seinen Jüngern dieses für ihn letzte Passa zu halten, war er doch sehr betrübt (erregt im Geist) über den Entschluß des Judas, ihn zu verraten. Wie konnte einer, der so viele ungewöhnliche Kraftwirkungen Gottes erlebt, ja sogar mitgewirkt hatte, sein Herz derart verhärten? „Wer mich aufnimmt (…)“, die Jünger müssen sich ständig entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen. Sie sind immer wieder gefragt, werden sie zu ihrem Herrn und Meister stehen (Joh 6,67; 15,1-7)?

Ähnlich wie Johannes schreibt auch Matthäus mit einiger Ergänzung: „Und während sie zu Tisch lagen und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer (Zahlwort) von euch wird mich überliefern, der, welcher mit mir isst.“ (Mt 26,21). Ebenso Markus: „Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer (Zahlwort) unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“ (Mk 14,18). Lukas drückt es anders aus: „Doch siehe, die Hand meines Verräters (wörtlich: του παραδιδόντος με tou paradidontos me – (die Hand) des mich Verratenden) ist mit mir am Tisch.“ (Lk 22,21).

Bei Johames sagt Jesus weiter: „Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete.“ (Joh 13,22).

Lukas ergänzt: „Und sie fingen an, sich untereinander zu befragen, wer es wohl von ihnen sein möchte, der dies tun werde.“ (Lk 22,23).

Matthäus ergänzt in 26,22-23: „Und sie wurden sehr betrübt, und jeder von ihnen fing an, zu ihm zu sagen: Ich bin es doch nicht, Herr? Er aber antwortete und sprach: Der mit mir die Hand (Mk: das Brot) in die Schüssel eintaucht, der wird mich überliefern.“ Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn Jesus offen den Namen des Judas als Verräter vor allen ausgesprochen hätte. Jesus vermeidet den frontal Zusammenstoß und auch eine direkte Auseinandersetzung der übrigen Jünger mit Judas.

Dann fährt Jesus fort mit den Worten: Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht (Lukas: „wie es beschlossen ist). „Wehe aber jenem Menschen, durch den der Sohn des Menschen überliefert wird! Es wäre jenem Menschen gut, wenn er nicht geboren wäre.“ (Mt 26,24 ähnlich auch Mk 14,21 und Lk 22,22). Diese Worte von Jesus sind sehr geheimnisvoll, weil er von den Abläufen hinter den Kulissen spricht. Bei Matthäus steht die Begründung für das Sterben von Jesus: „wie geschrieben ist“, bei Lukas: „wie beschlossen ist“. So ist auch die Reihenfolge: zuerst wurde bei Gott der Beschluß gefasst, dann ließ er ihn schriftlich festhalten. Den selten verwendeten Begriff `ωρισμένον örismenon` finden wir noch in Apostelgeschichte 2,23 und 10,42 und in beiden Texten wird sehr deutlich: das mit dem Leiden und Sterben von Jesus ist keine Panne gewesen, sondern von Gott durch Beschluß vorherbestimmt. Im Falle des Verräters jedoch kann man sagen: auch ohne das Eingreifen von Judas wäre Gottes Plan zur Erfüllung gekommen. Der Verrat an Jesus ist zwar vorausgesagt worden durch den Heiligen Geist in der Schrift (Ps 41,10), aber nicht vorausbestimmt durch Gott, es war eindeutig Satans Werk.

Es wäre jenem Menschen gut, wenn er nicht geboren wäre“. Jesus weiß über das `was wäre wenn“ Bescheid.

Matthäus 26,25: „Judas aber, der ihn überlieferte, antwortete und sprach: Ich bin es doch nicht, Rabbi? Er spricht zu ihm: Du hast es gesagt.“ Judas ist also der letzte, der die Frage stellt „Bin ich`s, Rabbi“? Und Jesus bejaht es, doch in dem lebhaften Tischgespräch wird wohl nur Judas diese Bemerkung von Jesus bewußt gehört haben, galt sie doch nur ihm.

Johannes 13,23-30: Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete.  Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist’s? Aus dem Text ist zu erkennen, dass die Frage an Jesus mit leiser Stimme gestellt wurde, ebenso die Antwort. Jesus antwortete: Der ist’s, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald!“ Diese Aussage hörten zwar alle Jünger.  „Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.“ (Joh 18,23-30).

Die anderen Jünger sind immer noch ahnungslos. Wieder verstehen sie nicht, was Jesus mit der Anweisung an Judas meinte. Mindestens Johannes, wahrscheinlich auch Petrus wussten nun um Judas Vorhaben, doch auch ihnen blieb verborgen, wann es geschehen würde. Daß den übrigen Jüngern das ungeistliche Verhalten des Judas bis dahin nicht aufgefallen ist, spricht für dessen  perfekte Tarnung. Judas war ein sehr guter Schauspieler, Heuchler, Maskenträger. Wir müssen deutlich erkennen, es ist nicht Jesus, der Judas zu dem Verrat drängt, denn jener hat sich schon Tage vorher dafür entschieden. Einige mögliche Gründe für das indirekte Eingreifen von Jesus in den Lauf der Dinge:

  • Es ist von Gott vorgesehen, dass Jesus am Passatag sterben sollte und nicht davor oder danach wie es sich die Obersten im Volk erhofften;
  • Jesus trennt sich bewusst von Judas, in dem nun der Satan (Gegner) das Sagen hat;
  • Jesus hat noch einige Reden, eine Art Vermächtnis an seine Jünger zu richten und dies gilt dem Judas nicht mehr.

Das Egebnis für Judas: Er mißachtet bewußt die Liebe und Langmut Gottes. Dies führt zu einer totalen Verblendung, Verhärtung und Verstockung des Herzens und Jesus lässt ihn gehen.

Bis auf die Episode bei der Salbung von Jesus in Bethanien durch die Maria, ist Judas nicht weiter negativ aufgefallen. Anscheinend hat außer Jesus selbst, keiner der Jünger diesen Mann durchschauen können. Jesus sagte den Verrat voraus und zwar mit der Begründung, dass die Jünger beim Eintreffen der Voraussage glauben an seine Person als den Messias.

Judas steht auf und geht mit seinem Geldbeutel einschließlich der 30 Silberstücke, er verlässt seinen Herrn und die Gemeinschaft der Jünger, diesmal für immer. „Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.“ (Joh 13,30). Er hat alle Brücken hinter sich abgebrochen. Es gibt kein Zurück mehr für ihn. Jesus hat ihn entlassen. Er ist nun fest im Besitz des Teufels. Wer zu lange und bewusst mit der Sünde umgeht, begibt sich in die Fänge des Satans. Und es kommt die Stunde, der Augenblick, wo es kein Zurück mehr gibt, so auch bei Judas. Nun ist er auf dem Weg zu den Hohenpriestern, er weis, dass Jesus mit seinen Jüngern nicht in diesem Haus zur Übernachtung bleiben, sondern wie so oft an den Ölberg hinaus gehen werden (Joh 18,2).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was ist uns über den Judas bekannt? Wer ist sein Vater, woher kommt er?
  2. Was war sein Problem?
  3. Ist er irgendwie negativ aufgefallen?
  4. Warum haben die Jünger ihn nicht durchschaut?
  5. Was bedeutet das Wort Verrat, Verräter?
  6. Was bedeutet es: „Damit die Schrift erfüllt würde“.
  7. Ab wann konnte Judas nicht mehr zurück?
  8. Warum griff Jesus indirekt in den Lauf der Dinge ein?

Weiterer Artikel zu diesem Thema:

Judas – eine zwielichtige Gestalt

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"Der Wind weht wo er will …"

Das Echo aus dem Himmel – als der Heilige Geist kam – Apostelgeschichte 2,1-39.

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Woher kommt die Praxis der Kindertaufe?

Auszug aus dem Vortrag von Pastor Manuel Killisch zum Thema „Kindertaufe“ gehalten am 17.03.2017 in der Gemeinde Gottes Pforzheim-Büchenbronn.

 

Zur Rechtfertigung der Kirchen, die die Kindertaufe in ihrer Tradition haben muss man sagen, dass sie kein Produkt des Zufalls ist, sondern eine theologische Notwendigkeit. Es geht ganz konkret um das Heil von Menschen. Das ist erst einmal positiv.

 

Die Kindertaufe: Wo stecken ihre historischen Wurzeln?

 

Bereits der Kirchenlehrer Tertullian (um 160) schrieb in De Baptismo, 18:

Und so ist auch je nach dem Zustand einer Person, nach ihrer Haltung (Disposition) und auch nach ihrem Alter ein Hinausschieben der Taufe ersprießlicher, vornehmlich aber hinsichtlich der Kinder. Denn was ist es nötig, auch die Paten sogar noch einer Gefahr auszusetzen, da es ja möglich ist, dass dieselben auch ihrerseits ihre Versprechungen wegen Hinsterbens nicht halten, oder andererseits beim Hervortreten einer schlechten Geistesrichtung die Betrogenen sind? Der Herr hat freilich gesagt: „Wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen.“ Sie sollen demnach auch kommen, wenn sie herangewachsen sind; sie sollen kommen, wenn sie gelernt haben, wenn sie darüber belehrt sind, wohin sie gehen sollen: sie mögen Christen werden, sobald sie imstande sind, Christum zu kennen. Aus welchem Grunde hat das Alter der Unschuld es so eilig mit der Nachlassung der Sünden? Will man etwa in zeitlichen Dingen mit mehr Vorsicht verfahren und die göttlichen Güter einem anvertrauen, dem man irdische noch nicht anvertraut? Sie mögen lernen um ihr Seelenheil bitten, damit es den Anschein gewinne, dass man nur einem Bittenden gegeben habe). Aus keiner geringeren Ursache müssen auch die Unverheirateten hingehalten werden. Denn ihnen stehen Versuchungen bevor, den Jungfrauen wegen ihrer Geschlechtsreife, wie den Witwen in Hinsicht ihres ledigen Standes, bis sie entweder heiraten oder für die Enthaltsamkeit fest genug sind. Wenn manche einsähen, dass die Taufe eine schwere Bürde ist, so würden sie sich vor deren Erteilung mehr fürchten, als vor dem Aufschub derselben. Ein vollkommener Glaube ist seines Heiles sicher.

Wir erkennen hier also deutliche Kritik an der Praxis der Taufe von Kindern. Ganz anders sah das Cyprian von Karthago (um 200). In seinem 64. Brief, Kap. 2 schreibt er:

Was nun aber die Frage der Kinder betrifft, so hast du die Ansicht vertreten, man dürfe sie nicht schon am zweiten oder dritten Tage nach ihrer Geburt taufen, sondern man müsse das Gesetz der alten Beschneidung beachten, und du hast deshalb geglaubt, man dürfe ein neugeborenes Kind nicht vor dem achten Tag taufen und heiligen. Ganz anderer Meinung war unsere Versammlung. Denn dem, was du für richtig hieltest, stimmte niemand zu, sondern unser allgemeines Urteil ging vielmehr dahin, dass man keinem einmal geborenen Menschen Gottes Barmherzigkeit und Gnade versagen darf. Denn da der Herr in seinem Evangelium sagt: „Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um die Seelen der Menschen zu verderben, sondern um sie zu retten“ (Lk 9,56), so darf, soviel an uns liegt, womöglich keine Seele verlorengehen. Denn was fehlt demjenigen noch, der einmal durch Gottes Hand im Mutterschoß gestaltet ist? Nur uns nämlich und unseren Augen scheinen die Neugeborenen im Laufe der irdischen Tage zu wachsen. Alles aber, was von Gott geschaffen wird, ist kraft der Majestät und Wirksamkeit des göttlichen Schöpfers vollkommen.

Dann existiert noch ein Dokument aus der Zeit zwischen 210-235, das Hippolyt von Rom zugeschrieben wird, die Traditio Apostolica (Apostolische Überlieferung):

Zur Zeit des Hahnenschreis soll man zunächst über das Wasser beten. Es soll Wasser sein, das aus einer Quelle fließt oder von oben herabfließt. So soll man es halten, wenn die Verhältnisse es nicht anders erzwingen. In einer andauernden und bedrückenden Zwangslage kann man sich jedoch des Wassers bedienen, das man gerade vorfindet. Die Täuflinge sollen ihre Kleider ablegen, und zuerst soll man die Kinder taufen. Alle, die für sich selbst sprechen können, sollen es tun. Für die jedoch, die nicht für sich sprechen können, sollen die Eltern sprechen oder ein anderes Familienmitglied. Danach soll man die Männer taufen, anschließend die Frauen.

Schlussfolgerungen: Die Kindertaufe ist bereits im 2. Jh. Praxis gewesen. Da es aber strenge und ausführliche Regelungen zur Taufe von Neubekehrten gab, muss es parallel immer auch die Gläubigentaufe gegeben haben. Seit es die Kindertaufe gibt, wurde versucht, sie biblisch zu begründen.

 

Biblische Texte als Begründung der Kindertaufe

 

Wir müssen voranstellen, dass es keinen einzigen Text gibt, der explizit die Taufe von Kindern erwähnt. Trotzdem werden einige Texte angeführt, die indirekt den Schluss zulassen, dass es eine Kindertaufe bereits in neutestamentlicher Zeit gegeben haben könnte. An erster Stelle sind das die Passagen, die von der Taufe ganzer Hausgemeinschaften sprechen:

Apg 16,15 Als sie [Lydia] aber getauft worden war und ihr Haus, bat sie und sagte: Wenn ihr urteilt, dass ich an den Herrn gläubig sei, so kehrt in mein Haus ein und bleibt!

Apg 16,33 Und er [der Gefängniswärter in Philippi] nahm sie in jener Stunde der Nacht zu sich und wusch ihnen die Striemen ab; und er ließ sich taufen und alle die Seinen sogleich.

Apg 18,8 Krispus aber, der Vorsteher der Synagoge, glaubte an den Herrn mit seinem ganzen Haus; und viele Korinther, die hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen.

1Kor 1,16 Ich habe aber auch das Haus des Stephanas getauft; sonst weiß ich nicht, ob ich noch jemand getauft habe.

Daneben gibt es Texte, die exegetisch einen Interpretationsspielraum bezüglich der Taufe zulassen.

Mt 28,19 Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.

Die Reihenfolge ist zu beachten: Die Taufe steht vor der Lehre/Unterweisung. Der Text richtet sich also an Christen, die noch nicht fest im Glauben stehen und trotzdem durch die Taufe mit hinein genommen wurden. Dagegen kann man sagen, dass noch vor dem Auftrag zur Taufe der Auftrag zur Jüngerschaft steht, was das Argument der zeitlichen formulierten Abfolge entkräftet.

Joh 3,5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes hineingehen.

Wasser bedeutet die Aufnahme eines Menschen durch die Taufe. Geist ist die bewusste Glaubensentscheidung. Dagegen kann Eph 5,26 angeführt werden …sie zu heiligen, sie reinigend durch das Wasserbad im Wort. Wir können diesen Text im Zusammenhang mit Röm 10,17 deuten: Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch das Wort Christi.

Mk 16,16 Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.

Hier wird argumentiert, dass der Glaube allein nicht heilsbringend ist, sondern erst in Kombination mit der Taufe. Ganz in diesem Sinn heißt es im Augsburger Bekenntnis von 1530[1]:

Von der Taufe wird gelehrt, dass sie heilsnotwendig ist und dass durch sie Gnade angeboten wird; dass man auch die Kinder taufen soll, die durch die Taufe Gott überantwortet und gefällig werden, d.h. in die Gnade Gottes aufgenommen werden. Deshalb werden die verworfen, die lehren, dass die Kindertaufe nicht richtig sei. (Artikel 9: Von der Taufe)

Dagegen spricht sich jedoch Paulus in Röm 4,5 aus: Dem aber, der keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet. Zur Unterstützung der These, wie sie im Augsburger Bekenntnis zusammengefasst ist werden noch folgende Bibelstellen angeführt:

Gal 3,26f Ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen.

Lk 12,10 Und jeder, der ein Wort sagen wird gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; dem aber, der gegen den Heiligen Geist lästert, wird nicht vergeben werden.

Der Vers aus Lukas ist apologetisch als absolut zu verstehen, denn die Ablehnung der Taufe wird als Lästerung des Heiligen Geistes betrachtet. Man könnte hieraus allerdings auch eine Unsicherheit erkennen, dass durch die Androhung von Exkommunikation die fehlende biblische Unterstützung wett gemacht werden soll.

Mt 18,3 Jesus sprach: Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen.

Hier kann argumentiert werden, dass eine Bekehrung für Kinder nicht notwendig ist, sondern sie aufgrund ihres Kindseins in der Taufe von Gott angenommen werden. So schreibt Melanchthon im seinen »Bedenken gegen die Wiedertäufer« von 1528: »Die Taufe bezeugt, dass sich die Vergebung der Sünden auf die Kinder erstreckt, auch wenn sie die Verkündigung des Wortes noch nicht verstehen.«

Auf der anderen Seite stehen all die Stellen, die den Glauben als allein heilsbringend darstellen:

Joh 1,12 so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.

Joh 3,16 Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.

Apg 16,31 Sie aber sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst gerettet werden, du und dein Haus.

Röm 10,9 dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du gerettet werden wirst.

Gal 2,16 Aber da wir wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Christus Jesus, haben wir auch an Christus Jesus geglaubt, damit wir aus Glauben an Christus gerechtfertigt werden und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt wird.

Gal 3,26 Ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus.

Eph 2,8 Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.

Phil 3,9 indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben an Christus, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens.

 

Der biblische Begriff der Taufe – βαπτίζω (baptizo)

 

Dieses Wort ist bereits seit dem 4. Jh. V.Chr. bei Plato belegt. Auch in der Septuaginta, der griech. Übersetzung des AT kommt es 4 mal vor. Es bedeutet soviel wie untertauchen oder eintauchen. In außerbiblischen Texten wird das Versinken von Schiffen mit diesem Wort beschrieben. Insofern spricht allein der Begriff baptizo für die Taufe durch Untertauchen. Röm 6,4 unterstützt dies deutlich durch den gezogenen Vergleich: So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters.

In der gotischen Übersetzung der Bibel durch Wulfila (4. Jh.) wird baptizo mit daupjan übersetzt, was soviel wie Tiefe bedeutet. Im Althochdeutschen wurde daraus toufen. Eine Wortverwandtschaft zum heutigen taufen oder dem bergmännischen Teufe, bzw. teufen (in die Tiefe gehen) ist gut erkennbar.

Die Didache, ein Lehrtext aus dem späten 1. Jh. (geschrieben in griech. Sprache) ist sich über die Bedeutung des Wortes im Klaren, da sie daraus Regeln zu Form und Durchführung der Taufe herleitet:

  1. Bezüglich der Taufe haltet es so: Wenn ihr all das Vorhergehende gesagt habt, „taufet auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ in fließendem Wasser. 2. Wenn du aber kein fließendes Wasser hast, dann taufe in einem anderen Wasser; wenn du es nicht in kaltem tun kannst, tue es im warmen. 3. Wenn du beides nicht hast, gieße dreimal Wasser auf den Kopf „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. 4. Vor der Taufe soll fasten der Taufende, der Täufling und wer sonst kann; den Täufling lasse ein oder zwei Tage zuvor fasten.

Interessant ist die Flexibilität, mit der die Didache Ausnahmen, aufgrund widriger Umstände, ermöglicht. Ein wichtiger Schritt zur Traditionsbildung der Kindertaufe.

 

Die Notwendigkeit der Kindertaufe als Aufhebung der Erbsünde

 

Im Augsburger Bekenntnis heißt es:

Weiter wird bei uns gelehrt, dass nach Adams Fall alle natürlich geborenen Menschen in Sünde empfangen und geboren werden, das heißt, dass sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind und von Natur keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott haben können, ferner dass auch diese angeborene Seuche und Erbsünde wirklich Sünde ist und daher alle die unter den ewigen Gotteszorn verdammt, die nicht durch die Taufe und den Heiligen Geist wieder neu geboren werden. Damit werden die verworfen, die die Erbsünde nicht für eine Sünde halten, damit sie die Natur fromm machen durch natürliche Kräfte, in Verachtung des Leidens und Verdienstes Christi. (Artikel 2: Von der Erbsünde)

Hinter allen theologischen und biblischen Versuchen, die Kindertaufe zu rechtfertigen steht die Lehre von der Erbsünde. Die Taufe hebt also die Erbsünde auf. Kurz und knapp kann man sagen: Ohne diese Lehre gäbe es keinen Grund für die Kindertaufe. Die Verknüpfung von Taufe und Erbsünde verdanken wir Cyprian von Karthago, der schrieb, dass die Kindertaufe sowohl die sündigen Taten als auch die Schuld der Erbsünde aufhebt. Theologisch ausgearbeitet wurde diese Lehre später von Augustinus von Hippo (13. Nov. 354 – 28. Aug. 430), der damit auf Thesen des britischen Mönches Pelagius (ca. 350-420) reagierte.

 

Es ist schwierig die genaue Lehre von Pelagius herauszufiltern, da Augustinus eine regelrechte Vernichtungskampagne gegen dessen Schriften und Lehre vorantrieb. Es haben sich jedoch Texte erhalten. Augustinus zitiert Pelagius ausführlich in seinen Anklageschriften, jedoch haben wir hier wohl eher Augustinus’ Version vorliegen als den ursprünglichen Pelagius.

Man kann, mit gewisser Vorsicht, erkennen, dass Pelagius von einer positiven Menschenlehre ausging. Der Mensch war von seinem Wesen her gut geschaffen und durch den freien Willen, der ihm von Gott geschenkt worden war, fähig, Gottes Geboten zu folgen. Der Sündenfall war also nicht durch die grundlegende menschliche Sündhaftigkeit entstanden, sondern durch das willentliche Auflehnen gegen Gott. Weil der freie Wille ein Geschenk Gottes ist, besteht auch nach dem Sündenfall für jeden Menschen die Möglichkeit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Bereits Cyril von Jerusalem (313-386) geht in diese Richtung wenn er schreibt, dass Adam und Eva nicht zwangsläufig aus ihrem Zustand der Gnade hätten herausfallen müssen. Dies geschah infolge ihrer Entscheidung, sich von Gott ab- und der materiellen Welt zuzuwenden (vgl. Röm 1,25 Sie, welche die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem Geschöpf Verehrung und Dienst dargebracht haben statt dem Schöpfer, der gepriesen ist in Ewigkeit). Infolgedessen ist das Ebenbild Gottes in der menschlichen Natur verunstaltet und entstellt worden.

Augustinus sah es vollkommen anders und folgt hier einem stark platonischen Menschbild, dass zwischen Geist und Materie unterschied. Alles Geistige ist gut, alles Materielle böse per Definition. Vermischt mit christlicher Theologie ergibt sich eine deutliche Leibfeindlichkeit, mit der Konsequenz, dass die sexuelle Fortpflanzung zwar als notwendig, aber gottfern gesehen wurde. Allein durch die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau wird die Sünde an das Kind weitergegeben. Man kann es auch genetische Sünde nennen.

Die Schwächen dieser Theologie wurden erkannt und man versuchte zwischen der aktiv begangenen Sünde der ersten Eltern und der passiv übertragenen Sünde durch die leibliche (von Begierde gesteuerte) Zeugung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ändert jedoch nichts an dem Zustand eines Menschen in der Erbsünde.

Der Apostel Paulus wurde so verstanden, dass er die Erbsünde in seiner Rechtfertigungslehre aufgreift. Paulus stellt den ersten Adam mit dem neuen Adam (Christus) gegenüber. Wie die Menschheit durch den ersten Adam den Tod fand, kann ein Mensch durch den neuen Adam zu neuem Leben kommen: Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden (1Kor 15,22). Ein platonisches, dualistisches Menschenbild ist Paulus jedoch fern. Er redet vielmehr von unsern Leibern als Tempel Gottes und stellt sie in Beziehung zu unserer Heiligung. Wir bleiben als geheiligte Menschen immer biologisch Kinder Adams. Wenn Paulus vom alten und neuen Adam spricht, tut er dies in typologischer Art und Weise.

Die christliche Lehre von der Erbsünde hat kein alttestamentliches Vorbild und auch Jesus spricht diese Lehre an keiner Stelle an. Ihre Entstehung ist vielmehr einer dogmatischen Arbeit zu „verdanken.“ Tertullian war der Überzeugung, dass durch den Zeugungsvorgang nicht nur Körper, sondern auch Seele übertragen wird. Der Lehrer Laktanz hingegen war der Meinung, dass nur der Körper übertragen wird, die Seele jedoch jeweils von Gott neu geschaffen wird. Als Augustinus seine Lehre der Erbsünde entwickelte, sympathisierte zwar mit Laktanz, sah aber das Problem, dass es schwierig ist, von einer Übertragung der Sünde zu sprechen, wenn die Seele eines jeden Menschen doch immer neu von Gott geschaffen wird.

Augustinus lehrte, dass der Mensch mit Erbsünde beladen zur Welt kommt. Er benötigt die Gnade Gottes um erlöst zu werden. Durch Menschwerdung, Tod und Auferstehung Christi wurden die Voraussetzungen geschaffen. Durch das Sakrament der Taufe wird der Mensch nun von der Erbsünde frei gemacht. Trotzdem leidet der sündlose Mensch unter den Konsequenzen der Sünde in der Welt.

Der Mensch ist also von sich aus hoffnungslos verloren. Er kann tun, was er will. Die Erbsünde wird er nicht los. Eine Bekehrung allein ist also nicht genug um den Menschen zu erlösen. Auf der anderen Seite stand Pelagius, der sagte, dass jeder Mensch die volle Verantwortung für sein eigenes Heil trägt. Er kann die Gnade Gottes ergreifen, was in der Buße zur Rechtfertigung beruht. Eine Säuglingstaufe ist also nicht mehr notwendig, da ein Säugling selbst noch keine Verantwortung für sündiges Verhalten mit auf die Welt bringt und somit auch nicht der Verdammnis unterliegt.

Interessant ist, dass es in der orthodoxen Theologie die Lehre der Erbsünde nicht gibt. Man kann vielmehr von der Universalsünde reden. Durch die erste Sünde, die in die Welt gekommen ist, wurde ein Kreislauf von weiteren Sünden in Gang gebracht, gegen den sich kein Mensch auflehnen kann, denn die gesamte Schöpfung wurde unter die Sünde versklavt. Die Schöpfung, in ihrer guten Natur ging in einen bösen Zustand über. Man muss aber zwischen Natur und Zustand unterscheiden. Weil es so dem Menschen nicht mehr möglich war zu Gott zu kommen, kam Gott zu uns, wurde Mensch und versöhnte die Schöpfung mit sich selbst. In der sogenannten theosis = Gottwerdung verwandelt sich der erlöste Mensch immer mehr in das Bild Christi und lässt so die gefallene Schöpfung hinter sich, so wie es 2Petr 1,3-4 ausdrückt:

Da seine göttliche Kraft uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt hat durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine eigene Herrlichkeit und Tugend, durch die er uns die kostbaren und größten Verheißungen geschenkt hat, damit ihr durch sie Teilhaber der göttlichen Natur werdet, die ihr dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt ist, entflohen seid.

Mit der Sprache der „Gottwerdung“ tun wir uns als evangelisch freikirchliche Christen schwer. In unserer Gemeindebewegung sprechen wir von Heiligung, womit im Grunde das gleiche gemeint ist. So stehen wir als Heiligungsbewegung theologisch in vielen Punkten der orthodoxen Theologie näher als der westlich geprägten. Die meisten griechischen Theologen beharrten darauf, dass die Sünde aus dem Missbrauch des menschlichen freien Willens entstehe. Kinder werden ohne Sünde geboren, die eine Strafe verdient hätte.

Um einer Entwertung des Gnadengeschenks Gottes vorzubeugen, relativierte Gregor von Nazianz in einer Predigt, die er am 6. Januar 381 in Konstantinopel hielt: „Wer keine Strafe verdient, ist deshalb noch nicht des Lobes würdig, und wer kein Lob verdient, verdient deshalb noch keine Strafe“ (Gregor von Nazianz, Oratio XL: In sanctum baptisma, 23). Auch wenn dies nach Werksgerechtigkeit aussieht, ist den griechischen Vätern bewusst gewesen, dass Gnade ein unverdientes Geschenk Gottes ist, während Strafe eine verdiente Konsequenz unserer Sünde darstellt. Gregor möchte damit sagen, dass auch Kinder nicht aufgrund ihrer fehlenden Sünden, sondern nur aufgrund der Gnade Gottes gerecht werden.

Chysostomus deutet in seinem Kommentar zur Aussage des Paulus, „die vielen seien durch den Ungehorsam Adams zu Sündern geworden“ (Röm 5,19) so, dass alle mit der Strafe und dem Tod belastet werden. Die Vorstellung einer übertragenen Schuld, ein zentrales Kennzeichen der späteren augustinischen Lehre von der Ursünde, fehlt in der griechischen patristischen Tradition vollkommen. Wir können die orthodoxe Haltung also zusammenfassen:

Menschen haben durch den Sündenfall Sterblichkeit angezogen und können durch Theosis als Wiedererlangen der Ebenbildlichkeit Gottes durch Jesus Christus in den Zustand der Gnade zurückkommen. Sünde kann nur eine freie und persönliche Handlung sein.

 

Im direkten Bezug auf die Kindertaufe ist in den griechischen Schriften wenig zu finden. Gregor von Nyssa ist der einzige griechische Theologe der Patristik, der eine umfangreiche Abhandlung zum Thema der Hoffnung für frühzeitig verstorbene Kinder verfasste.

Er bringt seine Meinung in Bezug auf die Tugend und ihre Belohnung zum Ausdruck; in seiner Sicht gibt es für Gott keinen Grund, das Erhoffte als Belohnung zu geben. Die Tugend ist nichts wert, falls diejenigen, die dieses Leben vorzeitig verlassen, ohne die Tugend praktiziert zu haben, unmittelbar in die Seligkeit aufgenommen werden. Auf derselben Linie fragt Gregor weiter: „Was wird demjenigen widerfahren, der sein Leben in zartem Alter beschließt, der nichts getan hat, weder Böses noch Gutes? Ist er einer Belohnung wert?“ Er antwortet: „Die erhoffte Seligkeit kommt den Menschen von Natur aus zu, und sie wird nur in einem gewissen Sinne Belohnung genannt“. Sich des wahren Lebens zu erfreuen (zoe und nicht bios), entspricht der menschlichen Natur und wird in dem Maße erlangt, wie die Tugend praktiziert wird. Weil das unschuldige Kind nicht der Reinigung von persönlichen Sünden bedarf, hat es an dem Leben teil, das seiner Natur in einer Art von normalem Fortschreiten entspricht, gemäß seinem Fassungsvermögen.[2]

 

In den Kirchen der Reformation ist die Sachlage etwas komplizierter. Luther war sich wie kaum jemand vor ihm der Bedeutung der Gnade bewusst und trotzdem vertrat er vehement die Kindertaufe. Den Widerspruch können die Theologen der Reformation nicht auflösen. Er besteht bis heute und so wundert es nicht, dass sich innerhalb der Landeskirchen Stimmen mehren, die die Kindertaufe infrage stellen. Ist sie biblisch begründet oder vielmehr seelsorgerliches Bedürfnis? Gern erwähnt werden die Worte Jesu über die Annahme der Kinder. Dieser Vers hat einen seelsorgerlichen Aspekt:

Mt 19,14 (Mk 10,14; Lk 18,16) Jesus aber sprach: Lasst die Kinder, und wehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen! Denn solchen gehört das Reich der Himmel.

Es ist nicht schwierig, ein seelsorgerliches Bedürfnis einfach mit einer Handbewegung vom Tisch zu wischen. Menschen halten daran fest, weil es ihnen Halt gibt im Angesicht der Frage, was mit ihren Kindern geschehen wird, die selbst noch keine Entscheidung treffen konnten. Das müssen wir ernst nehmen und es ist gut, dass sich Christen solche Gedanken über das Seelenheil von Kindern machen.

Wir blicken jedoch dem Problem ins Auge, dass sich das seelsorgerliche Bedürfnis zum allgemeinen Standard entwickelt hat. Mit einfachen Worten: Die Kindertaufe ist zum Brauch geworden. Frommes Brauchtum findet sich in jeder Gemeindebewegung. Manchmal ist es eine nette Eigenart, die biblisch neutral zu bewerten ist. Gemeindekultur wäre ein andere Bezeichnung. Brauchtum kann jedoch auch biblische Lehre überlagern. Wenn wir über Kindertaufe reden, ist das zweite geschehen. So hat in der Kirchengeschichte der Brauch die biblische Taufe als bloße Alternative entwertet.

 

[1] https://www.ekd.de/glauben/grundlagen/augsburger_bekenntnis.html

[2] Internationale Theologische Kommission: Die Hoffnung auf Rettung für ungetauft sterbende Kinder (2007) / hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. – Bonn 2008. – 84 S. (Arbeitshilfen ; 224). http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/veroeffentlichungen/arbeitshilfen/AH_224.pdf

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Das Leiden und Sterben von Jesus

10.26.3 Jesus lässt sich gefangen nehmen

Aus  Furcht vor einem Volksaufstand zugunsten von Jesus, nehmen die Führer des Volkes den sehr bekannten Propheten Jesus bei einer nächtlichen Aktion gefangen. Dabei spielte Judas eine entscheidende Rolle. Ohne ihn wäre die Gefangennahme in dieser Nacht nicht zustande gekommen. Zunächst lernen wir die Evangelientexte über die Gefangennahme  Jesu im Garten Gethsemane kennen.

Abbildung 9 Eine Schafherde weidet friedlich in einem Olivenhain (Foto am 17. August 2011).

Dabei werden wir feststellen, dass sich die drei sogenannten synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) sowohl einandern ähneln als auch ergänzen.  Johannes hat eine etwas andere Reihenfolge und hält ungewöhnliche Aspekte im Ablauf der Gefangennahme fest.

Der Evangelist Johannes schreibt: „Als nun Judas die Schar der Soldaten mit sich genommen hatte und Knechte von den Hohenpriestern und Pharisäern, kommt er dahin mit Fackeln, Lampen und mit Waffen.“ (Joh 18,6). Die Bezeichnung `Schar`, (gr. σπείρα – speira), ist eine militärische Abteilung der Römer, welche in Jerusalem stationiert war. Diese wird von einem Oberst über Tausend `gr.  χιλίαρχος – chiliarchos` befehligt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die gesamte Abteilung an der Gefangennahme teilnahm. Doch lässt dies erkennen, dass die Tempelbehörde (die Priesterschaft) ab diesem Zeitpunkt den römischen Kommandanten in ihre Pläne einbezogen hat.Der Evangelist Markus schreibt über das Verhaftungskomande folgendes: „Und alsbald, während er noch redete, kam herzu Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und Ältesten.“ (Mk 14,43). ().

 

Da nun Jesus alles wusste, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr? Sie antworteten ihm: Jesus von Nazareth. Er spricht zu ihnen: Ich bin’s! Judas aber, der ihn verriet, stand auch bei ihnen“ (18,3-5). „Als nun Jesus zu ihnen sagte: Ich bin’s!, wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie abermals: Wen sucht ihr? Sie aber sprachen: Jesus von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Sucht ihr mich, so lasst diese gehen! Damit sollte das Wort erfüllt werden, das er gesagt hatte: Ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast“ (18,7-9).

Matthäus: „Und als er noch redete, siehe, da kam Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes“ (Mt 26,47). Der Evangelist Markus ergänzt: „Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den ergreift und führt ihn sicher ab“ (Mk 14,44). Der Evangelist Lukas ergänzt, dass Judas der Schar voranging, auf Jesus hinzuging um ihn zu küssen (Lk 22.47). Der Evangelist Matthäus fährt fort: „Und alsbald trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi!, und küsste ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, dazu bist du gekommen?“ (Mt 26,49-50). Der Evangelist Lukas: „Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?“ (Lk 22,48). Matthäus: „Da traten sie heran und legten Hand an Jesus und ergriffen ihn“ (Mt 26,51). Johannes ergänzt mit den Worten: „Die Schar aber und ihr Anführer und die Knechte der Juden nahmen Jesus und banden ihn“ (Joh 18,12). Lukas: „Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“ (22,49). Johannes macht weiter detailierte Angaben: „Simon Petrus aber hatte ein Schwert und zog es und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Und der Knecht hieß Malchus“ (18,10). Lukas: „Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn“ (22,51). Johannes: „Da sprach Jesus zu Petrus: Steck dein Schwert in die Scheide!“ (18,11). Matthäus ergänzt: „Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“. Johannes: „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ (18,11). Matthäus: „Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss?“ (26,53-54). Matthäus: „Zu der Stunde sprach Jesus zu der Schar: Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Habe ich doch täglich im Tempel gesessen und gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen.

56 Aber das ist alles geschehen, damit erfüllt würden die Schriften der Propheten“ (26,55-56). Markus: „Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen.

49 Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und habe gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber so muss die Schrift erfüllt werden“ (14,48). Lukas: „Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren: Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis“ (22,52-53). Matthäus: „Da verließen ihn alle Jünger und flohen“ (). Markus: „Ein junger Mann aber folgte ihm nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh nackt davon“ (14,51-52). Matthäus: „Die aber Jesus ergriffen hatten, führten ihn zu dem Hohenpriester Kaiphas, wo die Schriftgelehrten und Ältesten sich versammelt hatten“ (26,57). Und Johannes ergänzt: „und führten ihn zuerst zu Hannas; der war der Schwiegervater des Kaiphas, der in jenem Jahr Hoherpriester war.“ (Joh 18,13).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Welcher Unterschied fällt dir beim Verhalten von Jesus im Vergleich zum Erlebnis seiner Jünger im Garten Gethsemane auf?

 

  1. Welche Hinweise aus dem Alten Testament sehen die Evangelisten erfüllt?

 

  1. Warum fällt das Verhaftungskommando ersteinmal auf den Boden?

 

  1. Wie ist das Verhältnis von Jesus zum Schwert (= Umgang mit Gewalt)? Was finden wir sonst im Neuen Testament zu diesem Thema?

 

  1. Warum ist Jesus hier so wehrlos?

 

  1. Woran erkennen wir den in Gethsemane errungenen Sieg?

 

 

An diesem ruhigen Ort will Jesus mit seinen Jüngern die letzten gemeinsamen Stunden vor den schwersten Stunden verbringen. Judas weiß wohin Jesus geht – der Evangelist Lukas spricht von einer Gewohnheit der ganzen Gruppe sich in diesen Garten zurückzuziehen. Es ist bereits Nacht geworden. Acht Jünger werden im Bereich des Eingangs zurückgelassen. Mit den drei engsten Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes geht Jesus weiter in den Garten hinein um zu beten. Jesus sucht sich Beistand bei seiner letzten Prüfung bei seinen drei liebsten Jüngern: Werden sie mit seiner Taufe getauft werden? Werden sie seinen Becher trinken? Mit jedem weiteren Schritt steigt in Jesus Angst und Verzagen. Seine Seele ist zu Tode betrübt. Ein Zittern wird bei ihm sichtbar. Doch dies ist nur der Anfang, den die Drei noch mitbekommen als Jesus sie bittet mit ihm zu wachen und zu beten – denn der Schlaf übermannt sie bald. Allein – wie am Anfang des Dienstes – muss Jesus diesen Kampf aufnehmen. Dies geschieht im Gebet (Hebr 5,7). Jesus kniet, fällt auf die Erde nieder – sogar mit dem Angesicht. Hier berichten alle drei Evangelisten, dass Jesus Gott als seinen Vater im persönlichen Gebet anspricht. Jesus bitte um das Vorübergehen des leidgefüllten Bechers. Doch Jesus begrenzt diese Bitte: …doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ (Lk 22,41). Der Wille des Vaters soll geschehen, darin birgt sich auch der Wille von Jesus. Hier sind wir sehr nahe am Geheimnis von Jesus: so menschlich und doch so nah beim Vater! Lukas markiert dieses tiefe Geheimnis mit dem Erscheinen eines Engels, um Jesus zu stärken. Jesus rang mit dem Tod in einer Tiefe, die wieder Lukas beschreibt: …sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen“ (Lk 22,44).

Als Jesus zu seinen drei Jüngern zurück kommt, findet er sie schlafend. Er sieht den mit allem Leid dieser Welt gefüllten Becher – doch die Apostel schlafen! Jesus reißt alle drei, aber Simon Petrus im Besonderen, aus dem Schlaf – doch wachen und beten können sie in dieser Nacht nicht. So geht Jesus wieder und betet weiter schon mit mehr Zuversicht:

Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! (Mt 26,42)

Doch die Jünger werden in dieser entscheidenden Nacht nicht zu Helden des Gebets – wieder findet Jesus sie schlafend. Nach einer weiteren Gebetsrunde  kommt er siegreich wieder zu seinen Jüngern zurück und findet sie wieder schlafend. Doch die Versuchung ist von Jesus gewichen – Jesus hat im Geist den Sieg über den Tod errungen, den er dann später im Leib am Kreuz erringen wird. Jetzt ruft er den Jüngern zu, sich auszuruhen – die Erlebnisse der nächsten Stunden werden sie auf härteste beanspruchen.

 

  1. Jesus lässt sich gefangen nehmen

(Mt 26,47-56; Mk 14,43-52; Lk 22,47-53; Joh 18,1-11)

 

Die Jünger finden nur wenig Ruhe, denn bald fordert Jesus sie auf zurück zu den anderen Jüngern zu gehen, um von dort aus dem Verhaftungskommando entgegenzugehen. Wahrscheinlich hören und sehen die Jünger die bunte Schar zusammengesetzt aus der jüdischen Tempelwache, einer Abteilung römischer Soldaten von der Burg Antonia (so Joh 18,3: Schar der Kriegsknechte) und weitere Begleiter/Vertreter aus den Reihen der Pharisäer schon näher kommen. Ihr vertrauter Judas hat die Seiten gewechselt und findet sich bei ihnen in der vordersten Reihe. Der Hohe Rat (Sanhedrin) konnte zwar kein Todesurteil aussprechen, aber er durfte Pilatus mit teilen, dass Jesus nach jüdischem Recht des Todes würdig sei. Diese bewaffnete und gut ausgeleuchtete Schar – wahrscheinlich angereichert durch Schaulustige – nähert sich den zwölf unbewaffneten eher schlichten Zeitgenossen. Das Erkennungszeichen war mit Judas verabredet – ein üblicher Begrüßungskuss wird die Person Jesus markieren. Judas geht auf Jesus zu, grüßt ihn mit den Worten „Rabbi, Rabbi!“ (Mk 14,45) und markiert ihn. Jesus grüßt Judas entspannt mit dem Begriff: „Mein Freund…“(Mt 26,50) Hier wird deutlich, dass Jesus in tiefem Frieden auf Menschen zugehen kann, die ihn ans Kreuz bringen. Jesus nimmt die Begrüßung und den Kuss arglos an – wissend um Verrat und Heuchelei. Hier finden wir weitere Hinweise vom Evangelisten Johannes, der schildert wie Jesus offensiv auf das Verhaftungskommando zu geht und sich selbst ihnen stellt. Damit wird selbst die verabredete Kussszene völlig überflüssig. Diese ruhige und doch offensive Wehrlosigkeit und damit eine sehr eindrückliche Majestät überrascht alle. Sie weichen zurück und fallen zu Boden. Wieder fragt Jesus, wen sie suchen und wieder gibt er sich zu erkennen. Hier folgen wir wieder den Evangelisten Matthäus und Markus, die beschreiben wie die Kriegsknechte Jesus festnehmen. Petrus kann dies nicht zulassen und zieht plötzlich ein Schwert und schlägt dem Knecht Malchus damit das rechte Ohr ab. Diese überraschende Szene nutzt Jesus souverän zu einer Heilung und zum entschiedenen Votum gegen Gewaltanwendung und dem Hinweis auf seine himmlische Unterstützung. Jesus umgibt ein tiefer Frieden. Er weis um den Becher des Leids, den der Vater für ihn vorsieht und er ist bereit ihn zu trinken. Darum lässt Jesus sich festnehmen und fragt dabei, warum sie ihn wie einen Räuber zu nächtlicher Stunde in einem Garten festnehmen, da er doch immer in ihrer Mitte gewesen sei. Doch Jesus weis um „(…) ihre Stunde und die Macht der Finsternis“ (Lk 22,53).

 

10.26.4 Die Jünger fliehen

(Mt 26,56;  Mk 14,50-52)

 

Als die Reihen der Kriegsknechte sich um Jesus schließen, wagt es keiner seiner Nachfolger mehr in dessen Nähe zu bleiben. Sie fürchten zu Recht auch ihre Verhaftung. So lassen alle Jesus allein und fliehen. Der Evangelist Matthäus schreibt: „Da verließen ihn alle Jünger und flohen.“ (Mt 26,56). Dies hat Jesus ihnen vorausgesagt und es mit einer Prophetie unterstrichen: „Da sprach Jesus zu ihnen: In dieser Nacht werdet ihr alle Ärgernis nehmen an mir. Denn es steht geschrieben (Sacharja 13,7): »Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen.« (Mt 26,31). Und wenige Stunden vor seiner Verhaftung sagte er seinen Jüngern: „Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.“ (Joh 16,32).

Der Evangelist Markus berichtet ein in der damaligen und heutigen Kultur sehr peinliches Ereignis. Ein junger Nachfolger hat den Mut und hält sich selbst noch in dieser Situation zu Jesus. Manche Ausleger nehmen an, das hier Johannes Markus der spätere Evangelist sein eigenes Erleben verhüllt berichtet. „Ein junger Mann aber folgte ihm nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh nackt davon.“ (Mk 14,51-52). Er folgt dem Verhaftungskommando nur sehr leicht bekleidet. Wahrscheinlich ist er kurzentschlossen dem Verhaftungskommando besorgt gefolgt. Als einer der nicht zum Kreis der Jünger gehört und auch nicht im Garten mit Jesus war, denkt er nicht an eine unmittelbare Gefahr für ihn. Doch er wird bemerkt und man will auch ihn festnehmen. Doch der junge Mann entwindet sich und flieht nackt.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Warum wird die Flucht der Jünger hier geschildert? Sie lässt doch auf alle Apostel für alle Zeit ein schlechtes Licht fallen?

 

  1. Welche Worte besonders von Petrus sind uns noch im Ohr?

 

  1. Verrat des Judas und Flucht aller anderer Jünger – welche Lehre ziehen wir daraus für uns als Nachfolger? Als Gemeindeleiter?

 

  1. Auf was kann uns dieser mutige und dennoch nackt wegrennende junge Mann hinweisen?

 

10.27 Jesus wird vor Hannas verhört

(Bibeltexte: Joh 18,12-14; 19-24;  Lk 22,54. 63-65)

 

Der Evangelist Johannes schreibt:

Die Schar aber und ihr Anführer und die Knechte der Juden nahmen Jesus und banden ihn und führten ihn zuerst zu Hannas; der war der Schwiegervater des Kaiphas, der in jenem Jahr Hoherpriester war. Kaiphas aber war es, der den Juden geraten hatte, es wäre gut, „ein“ Mensch stürbe für das ganze Volk. (Joh 11,49-52; 18,12-14).

Der Evangelist Lukas ergänzt dazu:

Sie ergriffen ihn aber und führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. (Lk 22,54).

Gemeint ist hier wohl das Haus (oikos) des Hohenpriesters Hannas, welches sich im Palasthof (aule) des Hohenpriesters befand, so die Zusammenhänge aus Mt 26,58 „Petrus aber folgte ihm von ferne bis zum Palast (Palasthof) des Hohenpriesters“ (Mt 26,69;  Mk 14,54;  Lk 22,66).

Von diesem inoffiziellen Verhör im Haus bei Hannas berichtet ausdrücklich nur der Evangelist Johannes. Doch auch im Text des Evangelisten Lukas ist eine Zweiteilung des Prozesses erkennbar. Hannas war der Schwiegervater des amtierenden Hohenpriesters Kaiphas. Dieses Vorverhör wurde höchstwahrscheinlich bewusst geplant. Zum einen wurde dem Älteren, sozusagen emeritierten Hohenpriester die Ehre erwiesen und zum anderen wurde dadurch Zeit gewonnen für den Hauptprozess, der erst in den frühen Morgenstunden stattfand (Lk 22,66). Man suchte noch in der Nacht händeringend nach Zeugen (Mt 26,59;  Mk 14,55). Gerade hier und in dieser ersten Phase des Verhörs findet die Verleugnung des Petrus statt (Joh 18,15-18; 25-27; siehe nächster Abschnitt).

Der Hohepriester befragte nun Jesus über seine Jünger und über seine Lehre. Jesus antwortete ihm: Ich habe frei und offen vor aller Welt geredet. Ich habe allezeit gelehrt in der Synagoge und im Tempel, wo alle Juden zusammenkommen, und habe nichts im Verborgenen geredet. Was fragst du mich? Frage die, die gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe. Siehe, sie wissen, was ich gesagt habe. (18,19-21).

Das Verhalten von Jesus fällt hier auf, denn auf die Fragen des Hohenpriesters Hannas geht er nicht ein, bzw. gibt darauf keine Antworten. Für dieses Verhalten können folgende Gründe angeführt werden:

  • Bei diesem Verhör handelt es sich nicht um einen offiziellen Gerichtsprozess. Jesus ist dem Hannas nicht verpflichtet zu antworten oder sich vor ihm zu verteidigen. Im Gegemteil, der Hohepriester selbst wäre in der Pflicht die Gründe für die nächtliche Verhaftung zu nennen.
  • Es scheint, dass Jesus dem Hannas keine Autorität zollt, da er gar nicht der zuständige Richter ist. Jesus amtwortet ihm auch deswegen nicht, weil es sich bei diesem vorgeschobenem Verhör um allgemein bekannte Inhalte handelt. Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn Hannas bis dahin nicht mitbekommen hätte, wer seine Jünger sind, was er lehrt und tut. So lesen wir in Johannes 11,47-18 „Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen.Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.
  • Jesus geht auf seine Fragen auch nicht ein, weil es sich bei diesem Verhör um eine Schmeichelei des Schwiegersohnes dem Schwiegervater gegenüber handelt. Eine Art politisches Kalkül bei Kaiphas (typische orientalische Gepflogenheiten – den Älteren, dem gegenüber man sich verpflichtet fühlt, nicht zu übergehen).

Die Missachtung der Gepflogenheit von Ehrerbietung gegenüber einem ehemaligen Amtsträger führte bei einem der Diener zu einer bewussten frechen Reaktion.

Als er so redete, schlug einer von den Knechten (gr. υπερετών – ypereton – Diener), die dabeistanden, Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? (Joh 18,22).

Will er mit dieser verachtenden Geste seinem Dienstherrn imponieren? Dies nimmt Jesus jedoch keineswegs stillschweigend hin.

Jesus antwortete: Habe ich übel geredet, so beweise, dass es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich.“ (18,23).

An dieser Stelle erinnern wir uns natürlich an die Aussage von Jesus:

Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. (Lk 6,29).

Hält sich Jesus selber nicht an das, was er die Jünger lehrte? Nun, hätte Jesus sein Gesicht zum zweiten Schlag hingehalten, hätte sich der Schläger im Recht gewusst. Mit seiner Gegenfrage schlägt Jesus nicht zurück, er tritt auch nicht einfach nur für sein Recht ein, sondern mit seiner Antwort/Frage gibt er dem Schläger die Möglichkeit sein Verhalten selbst zu beurteilen. Es gibt auch Situationen, in denen Jesus schweigend die Schläge erduldete (Mt 26,67). Auf Gewalt zu reagieren mit angemessenen Worten, ist nicht nur angebracht um seiner selbst willen, sondern auch um das Unrecht des Gewalttäters zu benennen und verurteilen.

Und Hannas sandte ihn gebunden zu dem Hohenpriester Kaiphas. (Joh 18,24).

Doch bevor Jesus dort ankommt, bzw. bevor der Hohe Rat in den frühen Morgenstunden zusammenkommt, wird Jesus von den Knechten misshandelt (Lk 22,65-66). Der Evangelist Lukas ergänzt dazu:

Die Männer aber, die Jesus gefangen hielten, verspotteten ihn und schlugen ihn, verdeckten sein Angesicht und fragten: Weissage, wer ist’s, der dich schlug? Und noch mit vielen andern Lästerungen schmähten sie ihn. (Lk 22,63-65).

Das rauhe und gewalttätige Verhalten des einen Dieners und die stillschweigende Billigung des Hannas, lösten eine ganze Lawine von lästerlichen Schmähungen aus, die von Gewalt begleitet waren.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Nenne einige Gründe, warum Jesus zuerst zu Hannas geführt wurde?

 

  1. Warum interessiet sich Hannas für die Jünger von Jesus und seine Lehre? Hat er darüber keine Kenntnisse? Was steckt hinter seinen Fragen?

 

  1. Was könnte die Motivation bei dem Diener gewesen sein, dass er Jesus ins Gesicht schlug?

 

  1. Versuche die Reaktion von Jesus zu erklären. Warum verteidigt er sich hier mit Worten, aber bei einer anderen Gelegenheit nimmt er Schläge stillschweigend hin?

 

10.28 Petrus verleugnet seinen Herrn

          (Mt 26,58-75;  Mk 14,54. 66-72; Lk 22,54-62;  Joh 18,16-18; 25-27)

 

10.28.1 Hochmut (Selbstüberschätzung) kommt vor dem Fall

Spricht Simon Petrus zu ihm: Herr, wo gehst du hin? Jesus antwortete ihm: Wo ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir später folgen. Petrus spricht zu ihm: Herr, warum kann ch dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen. Jesus antwortete ihm: Du willst dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast. (Joh 13,36-38).

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Abbildung 10 Ein krähender Hahn im Hohlraum eines Olivenbaumes auf der Insel Thassos in Griechenland. Seit der Verleugnung Jesu durch Petrus im Palasthof des Hohenpriesters in Jerusalem, ist der Hahn zum Symbol für Wachsamkeit geworden und ziert so manchen Kirchturm (Foto am 17. August 2010).

Simon Petrus fällt wieder mal aus dem Gleichgewicht, eigen ist ihm die Selbstüberschätzung. Der Grund dafür liegt:

  • Im mangelndem Hinhören auf das, was Jesus gesagt hat;
  • Im mangelndem Vertrauen darauf, dass Jesus es besser weiß, was für Petrus gut ist;
  • In der Unzufriedenheit des Petrus über die Einschränkung des Verantwortungsbereiches, welchen Jesus ihm aufzeigt.

Die Prophetie von Gott und die Wahrsagerei durch Menschen ist äußerlich manchmal ähnlich, in der Motivation und der Zielsetzung  jedoch völlig verschieden. Jesus sagt konkrete geschichtliche Abläufe im individuellen Bereich bei Petrus voraus, weil er weiß, dass es so kommen wird. Und genau so wird es kommen, nicht weil Gott es bestimmt oder festgelegt hätte, sondern weil Petrus sich entschieden hatte in seiner Selbstüberschätzung zu verharren. Natürlich hätte Gott dem Petrus diese Blamage ersparen können, er lässt ihn aber laufen und diese peinliche und auch sehr  einprägsame Erfahrung machen.

 

10.28.2 Begriffserklärung

 

Da manchmal ´Verleugnen´ und ´Verraten´ gleichgesetzt wird, sei hier darauf hingewiesen, dass es dafür im Griechischen zwei ganz unterschiedliche Begriffe gibt. Durch diese Begriffe wird zwischen Verleugnung oder Leugnung und dem Verrat, also einer bewussten Auslieferung, deutlich unterschieden. Petrus hat seinen Herrn nicht ausgeliefert (wie Judas) sondern verleugnet. Er hat sich von ihm bewusst losgesagt und distanziert. Für Verleugnen benutzen die Evangelisten den Begriff: ´άπ-αρνήσή – ap-arnese – ver-leugnen´ oder ´ηρνήσατο – ernesato – er leugnete´.

Für Verraten wird der Begriff  ´παραδώσει – paradosei – er verrät´ oder ´ο παραδιδούς αυτόν – der Verratende ihn´ verwendet. Petrus hat also seinen Herrn nicht verraten, wie es Judas tat, sondern verleugnet, oder geleugnet ihn zu kennen. Dies ist schlimm genug, doch Verrat bedeutet – jemanden ausliefern, bewusst überliefern in die Hände der Feinde. Dies tat Judas und dasselbe taten die Hohenpriester, indem sie Jesus an den Statthalter Pilatus auslieferten.

 

10.28.3 Chronologische Zusammenstellung der Texte aller vier Evangelien

 

Matthäus 26,58-75 Markus 14,54. 66-72 Lukas 22,54-62 Johannes 18,15-16. 18. 17. 25-27
58 Petrus aber folgte ihm von ferne bis zum Palast des Hohenpriesters und ging hinein und setzte sich zu den Knechten, um zu sehen, worauf es hinauswollte.

 

54 Petrus aber folgte ihm nach von ferne, bis hinein in den Palast des Hohenpriesters, und saß da bei den Knechten und wärmte sich am Feuer.

 

54 Petrus aber folgte von ferne. 15 Simon Petrus aber folgte Jesus nach und ein anderer Jünger. Dieser Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus hinein in den Palast des Hohenpriesters.

16 Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da kam der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, heraus und redete mit der Türhüterin und führte Petrus hinein.

Petrus aber saß draußen im Hof; 66 Und Petrus war unten im Hof. 55 Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen; und Petrus setzte sich mitten unter sie. 18 Es standen aber die Knechte und Diener und hatten ein Kohlenfeuer gemacht, denn es war kalt und sie wärmten sich.[1]
69  da trat eine Magd zu ihm und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa. Da kam eine von den Mägden des Hohenpriesters;

67 und als sie Petrus sah, wie er sich wärmte, schaute sie ihn an und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus von Nazareth.

56 Da sah ihn eine Magd am Feuer sitzen und sah ihn genau an und sprach: Dieser war auch mit ihm. 17 Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen?
70 Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst (1). 68 Er leugnete aber und sprach: Ich weiß nicht und verstehe nicht, was du sagst (1). 57 Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht (1).  

Er sprach: Ich bin’s nicht (1).

 

71 Als er aber hinausging in die Torhalle, Und er ging hinaus in den Vorhof, und der Hahn krähte (zum erstenmal).
 (es) sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth.

 

69 Und die Magd sah ihn und fing abermals an, denen zu sagen, die dabeistanden: Das ist einer von denen. 58 Und nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von denen. 25 Simon Petrus aber stand da und wärmte sich. Da sprachen sie (die Knechte) zu ihm: Bist du nicht einer seiner Jünger?
72 Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht  (2). 70 Und er leugnete abermals (2). Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht (2). Er leugnete und sprach: Ich bin’s nicht (2).
73 Und nach einer kleinen Weile traten hinzu, die da standen, und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich. Und nach einer kleinen Weile sprachen die, die dabeistanden, abermals zu Petrus: Wahrhaftig, du bist einer von denen; denn du bist auch ein Galiläer. 59 Und nach einer Weile, etwa nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm; denn er ist ein Galiläer. 26 Spricht einer von den Knechten des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm?
74 Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht (3). 71 Er aber fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet (3). 60 Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst (3)

 

27 Da leugnete Petrus abermals (3).
Und alsbald krähte der Hahn. 72 Und alsbald krähte der Hahn zum zweiten Mal. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn.

 

und alsbald krähte der Hahn.
61 Und der Herr wandte sich und sah Petrus an.
75 Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Da gedachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Und er ging hinaus und weinte bitterlich. Und er fing an zu weinen. 62 Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

 

10.28,4 Die erste Phase der Verleugnung

 

Eine Magd, die als Türhüterin fungierte, lässt den Petrus in den Palasthof des Hohenpriesters Hannas hinein, nachdem Johannes seine Bekanntschaft mit dem Hohenpriester ins Spiel gebracht hatte (Joh 18,16). Durch diese Beziehungen des Johannes zum Hohenpriester kam Petrus in eine sehr peinliche aber auch gefährliche Lage.

Petrus bewies Mut, doch dies in eigener Kraft und Eigenregie. Er wollte ja zu seinem dreifachen Versprechen stehen:

  1. Wenn sich alle an dir ärgern werden, ich werde mich niemals ärgern(Mt 26,33),
  2. Mit dir bin ich bereit nicht nur ins Gefängnis, sondern auch in den Tod zu gehen(Lk 22,33),
  3. Ich will mein Leben für dich hingeben (Joh 13,37b).

Sein Ziel war, den Prozeßverlauf aus der Nähe zu beobachten (Mt 27,58). So geht er in die Mitte des Hofes und setzt sich zu den Dienern und Knechten, welche ein Feuer angezündet hatten wegen der Kälte (Mk 14,54; Joh 18,18). Zu dieser Jahreszeit (14. Nisan – 3. April 33) waren die Nächte in Jerusalem noch ziemlich kalt. Mit verstohlenen Blicken hinauf zum Hohenpriesterpalast, versucht Petrus aus der Entfernung den Prozessverlauf zu verfolgen. Doch seit Betreten des Palasthofes wird er ständig beobachtet. Die Magd am Toreingang lässt ihn nicht mehr aus den Augen. Sollte dieser Mann etwas anstellen, würde sie die Verantwortung dafür tragen müssen, weil sie ihn als Unbefugten in den Palasthof hineingelassen hatte. Auf jeden Fall geht sie ihm nach in die Mitte des Hofes. Beim Feuerschein kann sie ihn auch gut erkennen. Sie schaut ihm genau in die Augen, denn der griechische Begriff ´άτενίσασαatenisasa – aufmerksam, genau anschauen´ unterstreicht dies (Lk 22,56). Mit ihrer durchdringenden Frage und Behauptung, „dieser war auch mit ihm“, löste sie eine ganze Lawine von begründetem Verdacht aus. Alle vier Evangelisten geben die Aussage der Magd zum Teil unterschiedlich wieder. Es ist also wahrscheinlich, dass sie drei Aussagen gemacht hat.

  1. Ob die Türhüterin gleich am Eingangstor den Petrus fragt: „Bist nicht auch du (einer) von den Jüngern dieses Menschen“, oder erst später, als Petrus bereits in der Runde der Diener am Feuer saß, bleibt offen (Joh 18,17).
  2. Im Hof vor den Dienern stellt dieselbe Magd die Behauptung auf: „Auch du warst mit Jesus dem Galiläer, dem Nazarener“ (Mt 26,69; Mk 14,67).
  3. Dann erst wendet sie sich zu allen mit der öffentlichen Behauptung: „Auch dieser war mit ihm“ (Lk 22,56).

Für ihre Frage und Behauptung hatte sie als Türhüterin ja allen Grund (Joh 18,16). Nun muss Petrus sich stellen, oder leugnen. Und er leugnete vor allen:

  • „Ich bin`s nicht“ (Joh 18,17),
  •  „ich weiß nicht, verstehe auch nicht, was du sagst“ (Mt 26,70;  Mk 14,68),
  • „Frau, ich kenne ihn nicht“ (Lk 22,57).

Die drei verleugnenden Aussagen des Petrus könnten ursprünglich in einem ausführlichen Satz ausgesprochen worden sein. Doch die Evangelisten hatten jeweils nur einen Teil des ganzen Satzes aufgeschrieben (Matthäus und Markus sind gleich). Nun ist es dem Petrus heiß geworden, aber nicht vom Feuer und „er stand auf und ging in das Torgebäude (den Vorhof) hinaus“ (Mt 26,71; Mk 14,68).

Markus weicht an dieser Stelle von den anderen Evangelisten ab und fügt hinzu: „und (der) Hahn krähte (zum ersten Mal) (Mk 14,68). Obwohl dieser Zusatz nicht in allen Handschriften vorkommt, entspricht er der Ankündigung von Jesus: „Wahrlich, ich sage dir, dass du heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht,  mich dreimal verleugnen wirst“ (Mk 14,30). Ob Petrus im Wirrwar seiner Gedanken diesen ersten Weckruf einfach überhörte, bleibt offen.

 

10.28.5 Die zweite Phase der Verleugnung

 

Auch dort im Torgebäude gibt es Diener und Knechte des Hohenpriesters, welche um ein Feuer herumstanden (Joh 18,25). Inzwischen hat auch die Magd den Innenhof verlassen und ist in das Torgebäude zurückgekehrt. Möglich, dass sie sich zwischendurch eine andere Magd zur Verstärkung geholt hatte.

  • „Und als die Magd (die Türhüterin) ihn (den Petrus) sah, fing sie wieder an zu den Dabeistehenden zu sagen: Dieser ist einer von ihnen (Mk 14,69).
  • Eine andere Magd schließt sich ihr an, indem sie ebenfalls zu den Dabeistehenden sagt: Auch dieser war mit Jesus dem Nazoräer (Mt 26,71).
  • Nach Lk 22,58 meldet sich nun auch ein Mann und behauptet: Auch du bist (einer) von ihnen.  Johannes spricht einfach von mehreren, die sich äußern und er zieht diese Äußerungen in einem Satz zusammen: Bist nicht auch du (einer) von seinen Jüngern?“ (Joh 18,25b). Wir sollten bedenken, dass in jener Zeit das Zeugnis einer Frau vor Gericht nicht galt. Dadurch erklärt sich die Bemühung der Magd, die Diener (Männer) in diesen Aufklärungsprozess einbeziehen.

Und wieder leugnete er mit einem Eid, indem er sich wohl an den einen Sprecher, welchen Lukas hervorhebt, wendet:

  • „Mensch, ich bin`s nicht“ (Lk 22,58c; Joh 18,25c)
  • „Ich kenne diesen Menschen nicht“ (Mt 26,72).

Auch die zweite Verleugnung beinhaltet eine doppelte Aussage:

Erstens: Ich bin nicht die Person, mit der ihr mich in Zusammenhang bringt.

Zweitens:  Mit jenem Menschen habe ich nichts zu tun.

 

10.28,6 Die dritte Phase der Verleugnung

 

Nach Markus 14,70b vergeht eine kurze Zeit, bis es zu erneuten Fragen kommt. Lukas schreibt, dass ungefähr eine Stunde verging (Lk 22,59a). Nun wird Petrus vielleicht gedacht haben, die Gefahr ist vorüber, sie lassen mich endlich in Ruhe. Doch weit gefehlt, der Verdacht verdichtet sich. Inzwischen sprach es sich unter den Anwesenden herum, dass es im Hof einen Anhänger des Gefangenen gibt, vermutlich ist er sogar bewaffnet. Wieder sind es mehrere, die ihrem Verdacht auch noch eine Begründung hinzufügen, nämlich:

  • „Wahrhaftig, auch du bist einer von ihnen, denn du bist ein Galiläer und auch deine Sprache (Lalia) verrät dich“ (Mk 14,70b; Mt 26,73).
  • Lukas hebt einen Sprecher hervor, der fast die gleiche Aussage macht, wie die meisten sie ausgesprochen hatten: „In Wahrheit, auch dieser war mit ihm, denn er ist auch ein Galiläer“ (Lk 22,59b).
  • Johannes nennt einen Knecht des Hohenpriesters, einen Verwandten des Malchus, dem Petrus das rechte Ohr abgehauen hatte (Lk 22,50; Joh 18,26a). Dieser Knecht scheint ein gutes visuelles Gedächtnis zu haben wenn er sagt: „Sah ich dich nicht in dem Garten bei ihm?“ (Joh 18,26b).

Es ist möglich, dass der Mann bei Lukas und der Knecht des Hohenpriesters bei Johannes ein und dieselbe Person ist. Sicher ist, dass sich viele Personen im Palasthof mit Petrus angelegt hatten. Das Ganze gleicht der inofiziellen juristischen Untersuchung, welche sich parallel und im Zusammenhang des Prozesses von Jesus abläuft. Oben im Palast des Hohenpriesters bekennt der Angeklagte: „Ich bin`s“ (Mk 14,62), unten im Hof sagt der zu Recht Verdächtigte: „Ich bins nicht“. Nun ist Petrus so sehr in die Enge getrieben worden, angefangen von einer Magd und zum Ende von einem Augenzeugen, dass er spätestens hier hätte aufgeben und sich stellen müssen. Doch der Satan hat sich vorgenommen die Jünger zu sieben wie den Weizen (Lk 22,31) und gerade den Petrus auf eine besondere Weise. „Da fing er (Petrus) an sich zu verwünschen und zu schwören:

  • „Mensch, ich weiß nicht was du sagst (Lk 22,60),
  • „Ich kenne den Menschen nicht von dem ihr redet“ (Mt 26,74a+b;  Mk 14,71).

„Und sogleich, während er noch redete (Lk 22,60b), krähte der Hahn (Joh 18,27; Mk 14,72;  Mt 26,74). „Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an (Lk 22,61a). Da Jesus nicht einfach vom Palastsaal des Hannas in das Torgebäude blicken konnte, ist es gut möglich, dass die dritte Verleugnung und der darauf folgende Blickkontakt von Jesus zu Petrus hin, während der Überführung von Hannas zu Kaiphas stattgefunden hatte (Joh 18,24). Ähnlich äußert sich auch  Thiede, C.P.: Geheimakte Petrus. Auf den Spuren des Apostels, Stuttgart 2000, 130-131.

„Und Petrus gedachte des Wortes Jesu, der gesagt hatte: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Mt 26,75; Lk 22,62). Erst jetzt erinnert sich Petrus an die Aussage von Jesus. Seine Selbstüberschätzung und mangelnder Glaube an die Worte Jesu, wurden ihm zum Verhängnis. Und er bricht innerlich und auch äußerlich zusammen. Die Tränen der Reue und des Umdenkens zeugen von der Demütigung des Herzens.

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Der Hahn auf emεμ Kirchturm soll die Christen erinnern wachsam zu sein und mutig und treu Jesus ihren Herrn bekennen. So ist auch der Hahn auf dem Kirchturm der evangelischen Bergkirche in Pforzhem-Büchenbronn (aus dem 15 Jh.) nicht einfach als blose Verziehrung gedacht (Foto am 7. Juli 2016).

   Петух на шпиле церкви должен напомин                                                                                                                                                                       Abbildung 11 Der Hahn auf emεμ Kirchturm soll die Christen erinnern wachsam zu sein und mutig und treu Jesus ihren Herrn bekennen. So ist auch der Hahn auf dem Kirchturm der evangelischen Bergkirche in Pforzhem-Büchenbronn (aus dem 15 Jh.) nicht einfach als blose Verziehrung gedacht (Foto am 7. Juli 2016).

 

 

 

Auch wenn Jesus die Warnung aussprach: „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes“ (Lk 12,9), übt er doch Gnade vor Recht. Es gibt verschiedene Fassetten bei der Leugnung oder Verleugnung Jesu. Die des Petrus ist eine der dramatischsten.

Doch Petrus versank nicht im Abgrund der Traurigkeit durch sein Versagen, sondern wurde nach Herzensumkehr aufgefangen im Netz der unermesslichen Liebe von Jesus Christus.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was war die Motivation bei Petrus, seinem Herrn von Ferne zu folgen?

 

  1. Sind gute, vertrauensvolle Beziehungen zu oberen Instanzen für Jesusnachfolger hilfreich? Wie lässt sich die Beziehung, welche Petrus in diesem Fall nutzte (Johannes ist dem Hohenpriester bekannt) in dieser Geschichte bewerten?

 

  1. Wo hielt sich Johannes auf und warum hielt sich Petrus nicht zu seinem Mitjünger?

 

  1. Beschreibe die Aktivität der Magd als Türhüterin. Warum ist sie so sehr um die Aufklärung der Person des Petrus bemüht?

 

  1. Welche Gründe gibt es, warum Petrus erst an die Worte Jesu dachte, als der Hahn krähte und Jesus ihn anschaute?

 

  1. Was sind die Gründe dafür, dass Petrus in der Stunde der Versuchung nicht standhaft geblieben ist?

 

  1.  Wie reagiert Jesus auf die Verleugnungen des Petrus?

 

  1. Was können Tränen der Reue und Buße bewirken?

 

 

10.29 Jesus vor Kaiphas und dem Hohen Rat

(Bibeltexte: Mt 26,57-68;  Mk 14,57-65;  Lk 22,66-71)

 

10.29.1 Die Informationsquellen

Alle drei synoptischen Evangelien berichten im Detail und einander ergänzend den offiziellen Gerichtsprozess vor dem Hohen Rat unter der Leitung des amtierenden Hohenpriesters Kaiphas (Mt 26,57-68;  Mk 14,57-65;  Lk 22,66-71).

Der Evangelist Lukas schreibt dazu: „Und als es Tag wurde, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die Hohenpriester und Schriftgelehrten und führten ihn vor ihren Rat.“ (Lk 22,66). Der  Prozess vor Kaiphas fand in den frühen Morgenstunden des Passah-Tages statt. Dem Hohen Rat (Synedrium), gehörten parteiübergreifend siebzig (71) Personen an – die Hohenpriester, Schriftgelehrte und reiche angesehene Älteste des Volkes. Diese Personen waren wahrscheinlich über die bevorstehende Gefangennahme Jesu informiert worden, doch eingetroffen im Palast des Hohenpriesters sind sie erst in den frühen Morgenstunden. Dieser Umstand erklärt vielleicht auch, warum das inoffizielle Verhör vor Hannas vorgeschoben wurde (Joh 18,19-24). Der Evangelist Matthäus schreibt: „Die aber Jesus ergriffen hatten, führten ihn zu dem Hohenpriester Kaiphas, wo die Schriftgelehrten und Ältesten sich versammelt hatten.“ (Mt 26,57;  Mk 14,53).

Der Beschluss, Jesus zu töten, ist vom Synedrium bereits vor einigen Wochen, nach der Auferweckung des Lazarus, gefasst worden. So berichtet der Evangelist Johannes: „Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.“ (Joh 11,46-53). Die Juden durften zu der Zeit keine Todesurteile vollstrecken, dieses Recht haben ihnen die römischen Behörden entzogen (Joh 18,31). Daher waren sie sozusagen gezwungen, ihrer Vorverurteilung die Legitimität, das heißt, die Rechtsmäßigkeit zu geben. Doch im Grunde könnte dieser Prozess als ein Scheinprozess gewertet werden. Denn die Motive für diesen Prozess zum Tode waren: Neid, Mißgunst, Angst um Machtverlust.

  • Denn er (Pilatus) erkannte/wusste, dass ihn die Hohenpriester aus Neid überantwortet hatten.“ (Mk 15,10;  Mt 27,18).
  • Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.“ (Joh 11,48).

 

10.29.2 Die Prinzipien eines Gerichtsprozesses 

Für Gericht hat die griechische Sprache den Begriff  `κρισις  – krisis `. Durch die verschiedenen Vorsilben zu diesem Wort werden bestimmte Aspekte eines Gerichtsverfahrens beschrieben. In einer Diskussion der führenden Juden beanstandet Nikodemus mutig eine Vorverurteilung Jesu mit dem Hinweis auf die Vorgaben im Gesetz. „Richtet (κρινει-krinei) denn unser Gesetz einen Menschen, ehe man ihn verhört und erkannt hat, was er tut?“ (Joh 7,51). Zur Zeit Jesu war das Synedrium-Hohe Rat, sozusagen die oberste Gerichtsinstanz, an dessen Spitze der amtierende Hohepriester als oberster Richter `κριτής – krites` stand. Kein Gerichtsprozess durfte ohne Zeugen geführt werden (5Mose 17,6; 19,15). Dabei mussten bestimmte Abläufe beachtet werden, wie:

  1. Ανα-κρισις – ana-krisis – Untersuchung des Falles durch Anhörung. Die Vorsilbe `ana` hebt die Aufklärung des Falles hervor. Es geht um das Aufdecken, ans Licht bringen von tatsächlich Geschehenem.
  2. Απο-κρισις – apo-krisis – Antwort, es geht darum, dass sich der Angeklagte ver-antworten konnte. Durch den Begriff `απο-λογία – apo-logia` wird auch die Möglichkeit der Verteidigung ausgedrückt.
  3. Υπο-κρισις – ypo-krisis, meint Heuchelei, Schauspielerei. In einem Gerichtsprozess wurde häufig geheuchelt, wie es die Schauspieler auf der Bühne taten. Dafür brauchten die Richter ein gutes Urteilsvermögen, welches durch den folgenden Begriff ausgedrückt wird.
  4. Δια-κρισις – dia-krisis, – meint Unterscheidung, Beurteilung. Es geht um die Trennung der Wahrheit von der Lüge.
  5. Κατα-κρισις – kata-krisis ist die Verurteilung, das Verdammungsurteil (Mt 27,3).

 

10.29.3 Die Zeugenaussagen

Aus dem folgenden Text wird deutlich, nicht Jesus ist im Zugzwang, sich zu verteidigen, sondern der Hohepriester und die Ältesten des Volkes suchen nach Beweismaterial, um Jesus verurteilen zu können. So schreibt der Evangelist Matthäus: „Die Hohenpriester aber und der ganze Hohe Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, dass sie ihn töteten. Und obwohl viele falsche Zeugen herzutraten, fanden sie doch nichts. Zuletzt traten zwei herzu und sprachen: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen aufbauen.“ (Mt 26,59-61; Mk 14,57). Der Evangelist Markus ergänzt: „Und einige standen auf und gaben falsches Zeugnis ab gegen ihn und sprachen: Wir haben gehört, dass er gesagt hat: Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist. Aber ihr Zeugnis stimmte auch so nicht überein.“ (Mk 14,58-59). Ausdrücklich betonen die Evangelisten, dass die Zeugnisse nicht übereinstimmten. Nach dem Gesetz mussten mindestens zwei Zeugen unabhängig voneinander das Gleiche aussagen (5Mose 17,6; 19,15). Man legte also Wert auf übereinstimmende Aussagen der Zeugen, die getrennt voneinander gehört wurden: „Denn viele gaben falsches Zeugnis ab gegen ihn; aber ihr Zeugnis stimmte nicht überein.“ (Mk 14,56). Von den vielen Zeugenaussagen, die gemacht wurden, sind von den Evangelisten zwei aufgezeichnet worden, die zwar an Jesu Worte aus Johannes 2,20-21 erinnern, doch weder der Originalaussage Jesu entsprachen, noch in ihrem Wortlaut einander gleich waren. Die Originalaussage von Jesus lautete: „Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes.“

Der Hohepriester Kaiphas hatte nun ein Problem. Es gab kein einziges verwertbares Zeugnis gegen Jesus. Der Evangelist Markus schreibt weiter: „Und der Hohepriester stand auf, trat in die Mitte und fragte Jesus und sprach: Antwortest du nichts auf das, was diese gegen dich bezeugen? Er aber schwieg still und antwortete nichts.“ (Mk 14,60-61a;  Mt 26,62-63a). Was soll Jesus zu den Falschaussagen auch sagen? Der gesamte Hohe Rat wurde Zeuge dieser Falschaussagen – wie beschämend. Denn alle, von ihnen gefundenen und aufgestellten Zeugen, konnten mit ihren Aussagen Jesus nicht belasten. Es wurde solch ein Aufwand betrieben, um Jesus rechtsmäßig verurteilen zu können und es gab keinen Grund dazu.

 

10.29.4 Der Hohepriester fordert Jesus unter Eid heraus

Das Verhalten von Jesus ist hier ungewöhnlich, da er von seinem Recht, sich zu verantworten (apo-krisis), verteidigen  oder zu rechtfertigen, kein Gebrauch macht. Hier wurde das Recht in höchstem Maße gebeugt und Jesus lässt sie gewähren. Er denkt nicht an sich, sondern an seinen Vater, dessen Willen er nun bereit war zu tun.

Der Evangelist Matthäus schreibt weiter:

Und der Hohepriester sprach zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes. (Mt 26,63b).

Und der Evangelist Markus ergänzt:

(…) der Sohn des Hochgelobten. (Mk 14,61b)?

Die Doppelfrage des Hohenpristers war sehr bewusst und überlegt vorgetragen worden. Es handelte sich dabei um die zentrale Frage in der Theologie des Judentums. Beide Teile der Frage sind untrennbar miteinander verknüpft:

  1. Bist du der Christus“ (der Messias, der Gesalbte)?
  2. der Sohn Gottes, des Hochgelobten

Nach dem `Sch`ma Israel` (5Mose 6,4) ist die Person des Messias die Wichtigste im Judentum. Die Frage, ob er der Christus sei, wurde Jesus von den Juden bereits vor drei Monaten gestellt zur Zeit der Tempelweihe als er im Tempel lehrte. Das war Ende Dezember des Jahres 32. Der Evangelist Johannes schreibt davon:

Da umringten ihn die Juden und sprachen zu ihm: Wie lange hältst du uns im Ungewissen? Bist du der Christus, so sage es frei heraus. (Joh 10,24).

Damals antwortete Jesus:

Ich habe es euch gesagt und ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir. Aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen. (Joh 10,25-26).

Nach dem Text des Evangelisten Lukas wurde die gleiche Frage des Hohenpriesters von mehreren aus dem Rat gestellt. Ihnen antwortet Jesus:

Sage ich’s euch, so glaubt ihr’s nicht; frage ich aber, so antwortet ihr nicht.“ (Lk 22,67-68;  Mk 11,33).

Die Ratsmitglieder waren demnach gar nicht interessiert an einer offenen Debatte. Bei all den früheren öffentlichen Diskussionen über theologische wie auch praktische Fragen war ihnen Jesus immer überlegen (Joh 5,42-45;  Lk 17,20;  Mt 22,17-21. 34. 42-44).

Der zweite Teil der Frage des Hohenpriesters – bist du der Sohn Gottes – ist von den Juden vorher in dieser Form nicht gestellt worden. Jesus aber hat, obwohl er sich meistens als Menschensohn bezeichnete, keinen Hehl daraus gemacht, dass er der Sohn Gottes ist, weil er Gott auch regelmäßig seinen eigenen Vater nannte. So steht in Johannes 5,18:

Darum trachteten die Juden noch viel mehr danach, ihn zu töten, weil er nicht allein den Sabbat brach, sondern auch sagte, Gott sei sein Vater, und machte sich selbst Gott gleich (ισον θεω – ison theo).

Dazu einige Stellen aus dem Johannesevangelium:

Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins. (Joh 10,29-30).

Weit mehr als zwanzig Mal sprach Jesus vor den Juden von seinem Vater (so in Johannes 2; 5; 6; 8; 10; 11; 12). Dies musste auch dem Hohenpriester bekannt gewesen sein. Und das war nach dem Verständnis der Juden über die Personalität Gottes – es ist nur ein Gott – pure Lästerung und verdiente den Tod (3Mose 24,16). Allerdings muß den Juden der Zusammenhang von `Messias – König – Sohn Gottes` bekannt gewesen sein, so der Zusammenhang des Textes in 2Samuel 7,11-14: „Ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein (…)“ und dem Text aus Psalm 2,7: „Du bist mein sohn, heute habe ich dich gezeugt.

Und Jesus suchte zu seiner Zeit die theologische Engsicht der Juden zu erweitern mit seiner Frage von der Herkunft und dem Status des Messias und brachte damit die Schriftgelehrten in theologische Erklärungsnot. Seine Frage lautete:

Was denkt ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er? Sie antworteten: Davids Da fragte er sie: Wie kann ihn dann David durch den Geist Herr nennen, wenn er sagt (Psalm 110,1): »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege«? Wenn nun David ihn Herr nennt, wie ist er dann sein Sohn? Und niemand konnte ihm ein Wort antworten, auch wagte niemand von dem Tage an, ihn hinfort zu fragen. (Mt 22,42-46;  2Sam 7,11-14;  Ps 110,1).

Von der Schrift her leiteten die Schriftgelehrten die Herkunft des Messias von David ab. Nach ihrer Erkenntnis sollte der Messias aus Bethlehem kommen (Mt 2,4-6;  Micha 5,1;  Joh 7,41), aber nach ihrem Wissensstand kam Jesus aus dem galiläischen Nazaret (Joh 7,52). Von der natürlichen Herkunft der Person Jesu hatten sie eine völlig falsche Kenntnis (Joh 7,41-42). Niemand aus der Führungsschicht aber auch aus dem Volk, erinnerte sich noch an die Ereignisse vor 33 Jahren in Bethlehem (Lk 2,1-21;  Mt 2,4-6). Oder wussten die Älteren noch davon und hielten diese Informationen für sich zurück, weil diese die Messianität Jesu bestätigt hätten?

 

10.29.5 Das Bekenntnis Jesu

Auf die Frage des Hohenpriesters antwortet Jesus mit: „Du sagst es.“ (Mt 26,64a). Der Evangelist Martkus ergänzt: „Ich bin`s!“ (Mk 14,62a). „Doch sage ich euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels.“ (Mt 26,64b;  Mk 14,62). Der Evangelist Lukas hat noch eine Ergänzung: „Aber von nun an wird der Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft Gottes. Da sprachen sie alle: Bist du denn Gottes Sohn? Er sprach zu ihnen: Ihr sagt es, ich bin es.“ (Lk 22,69-70). Es scheint so als ob Jesus bewusst dieses direkte Bekenntnis bis auf diese entscheidende Stunde aufbewahrt hatte. Die kurze, prägnante Antwort: „Du  sagst es, Ihr sagt es, ich bin`s“, drückt folgendes aus:

  1. Die Frage des Hohenpriesters wertet Jesus als eine Aussage – „Du sagst es.“ Wer so fragt, muß eine Ahnung haben über die Zusammenhänge von Messias und Sohn Gottes. Der Hohepriester und der Hohe Rat sind in der Kenntnis und daher auch in der Verantwortung. Sie sagen etwas in Frageform aus, um damit Jesus in die Falle zu locken. Jesus aber rechnet es ihnen an als eine Zeugenaussage, die dem Schriftzeugnis und der Wirklichkeit entspricht.
  2. Das „Ich bin`s“ erinnert an die Selbstbezeichnung Gottes am brennenden Dornbusch in der Wüste am Fuße des Berges Sinai (2Mose 3,14). Im griechischen Alten Testament, der Septuaginta (LXX) steht an dieser Stelle „ego eimi“ „Ich bin“, so auch im Text des griechischen Neuen Testamentes (Mt 22,32). Sicher hat Jesus im Hohen Rat Hebräisch gesprochen und auch das hebräische Wort für `Ich bin – ani hu` verwendet, das neben der Selbstbezeichnung (Joh 8,58 – „ehe Abraham wurde, bin ich – ego eimi“) von Jesus auch verwendet wird, wenn er sich als das Licht der Welt, die Wahrheit, das Leben oder die Auferstehung bezeichnet (Joh 8,12; 14,6; 11,25). Die Emphörung des Kaiphas ist nur nachzuvollziehen, wenn man annimmt, dass seiner Erkenntnis zufolge das Wesen des Messias nicht über das eines Menschen hinausgeht. Göttlichkeit oder gottgleichsein des Messias fand keinen Platz in ihrer Christologie (Joh 5,18; 10,30). Wie auch immer der Hohe Rat und Kaiphas das Selbstzeugnis Jesu verstanden oder verstehen wollten, sicher verwendet Jesus das „ani huego eimi – Ich bin es“ im Vollsinn des Wortes.
  3. Die Zusatzaussage: „Des Menschensohn wird sitzen zur Rechten der Kraft Gottes und kommen in den Wolken des Himmels“, erinnert an Daniel 7,13: „Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht“ und an Psalm 110,1 „Der HERR sprach zu meinem Herrn: / »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache.« In dem Bekenntnis von Jesus vor dem höchsten Gremium Israels und dem Hohenpriester Kaiphas wird die zentrale `Theologie – Gotteslehre`  offenbart – Gott der Vater sendet seinen Sohn als Messias, er wird Menschensohn – er wird erhöht zur Rechten Gottes – er kommt mit den Wolken des Himmels (zum Gericht).

Wir können feststellen, dass Jesus auch diese Zusatzaussage mit den Schriftgelehrten bereits vor einigen Tagen angesprochen hatte (Mt 22,42-46). Doch sie ließen sich weder in ihrem theologischen Standpunkt, noch in ihrem bereits gefassten Beschluß nicht korrigieren. Der Hohepriester Kaiphas reagiert gesetzeswidrig: „Da zerriss der Hohepriester seine Kleider (das Zerreisen der Kleider war dem Hohenpriester untersagt (3Mose 21,10) „und sprach: Er hat Gott gelästert! Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Siehe, jetzt habt ihr die Gotteslästerung gehört. Was ist euer Urteil? Sie antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig“ (Mt 26,65-66;  Mk 14,63-64). Im Lukastext übernehmen die Ältesten die Worte des Kaiphas und sprechen das Urteil über Jesus gemeinsam oder auch einzeln aus: „Sie aber sprachen: Was bedürfen wir noch eines Zeugnisses? Wir haben’s selbst gehört aus seinem Munde.“ (Lk 22,71).

Die Bermerkung: „(…) der ganze Hohe Rat“, ist hier eine Pauschalaussage, denn mindestens zwei Ratsmitglieder willigten nicht ein in dieses Urteil. Der Evangelist Lukas bemerkt später: „Und siehe, da war ein Mann mit Namen Josef, ein Ratsherr, der war ein guter, frommer Mann und hatte ihren Rat und ihr Handeln nicht gebilligt.“ (Lk 23,50-51). Das Gleiche kann man auch von Nikodemus sagen, der bereits im Vorfeld das eigentliche Denken der Führenden aufzeigte und zwischendurch für Jesus eintrat und später bei der Grablegung zusammen mit Josef, Jesus einen wertvollen Dienst erwies (Joh 3,1-2; 7,50-51; 19,39). Doch diese zwei  Stimmen wurden von der Mehrheit nicht berücksichtigt.

Das Unfassbare geschieht, der Schuldlose wird der schlimmsten Gotteslästerung beschuldigt. Das Urteil lautet: „Er ist des Todes schuldig“.

Da fingen einige an, ihn anzuspeien und sein Angesicht zu verdecken und ihn mit Fäusten zu schlagen und zu ihm zu sagen: Weissage uns! (Matthäus ergänzt: „Weissage uns, Christus, wer ist’s, der dich schlug?“). Und die Knechte schlugen ihn ins Angesicht. (Mk 14,65; Mt 26,67-68).

Die menschliche Bosheit schwappt hier über alle Ufer. Zügellos und ohne jegliche Hemmungen schlagen die Knechte auf Jesus mit Fäusten ein, speien ihnn ins Angesicht und höhnen ihn.

 

10.29.6 Fragen / Aufgaben:

  1. Was waren die eigentlichen Gründe für die Führung der Juden, Jesus zu töten?

 

  1. Nenne die wesentlichen Elemente im Ablauf eines Gerichtes in Israel.

 

  1. Warum suchten die Mitglieder des Hohen Rates nach falschen Zeugen?

 

  1. Warum schweigt Jesus zu den Falschaussagen?

 

  1. Was waren die zentralen Themen bei dieser Gerichtsverhandlung?

 

  1. Jesus bekennt sich zu seinem Messias-Sein und Gottes Sohn-Sein, was mit den Schriften übereinstimmt. Warum bewertet der Hohepriester es als Gotteslästerung?

 

  1. Wovon zeugt die Brutalität der Knechte mit der sie auf Jesus einschlagen?

 

10.30 Der Prozess vor Pontius Pilatus und vor Herodes Antipas

(Bibeltext: Mt 27,1-30;  Mk 15,1-20;  Lk 23,1-25;  Joh 18,29-19,16)

 

Der gesamte Gerichtsprozess vor dem römischen Statthalter Pilatus wird, wie der Evangelist Lukas berichtet, durch ein Verhör vor Herodes Antipas unterbrochen. Es ist ein Versuch, den Prozessablauf nach den Texten aller vier Evangelien zu rekonstruieren, um ein vollständigeres Bild zu bekommen.

 

10.30.1 Die Auslieferung an den Statthalter Pilatus

Der Evangelist Matthäus schreibt dazu:

Am Morgen aber fassten alle Hohenpriester und die Ältesten des Volkes den Beschluss über Jesus, ihn zu töten, und sie banden ihn, führten ihn ab und überantworteten ihn dem Statthalter Pilatus. (Mt 27,1-2;  Mk 15,1;  Lk 23,1;  Joh 18,29).

Diesen Vorgang hatte Jesus seinen Jüngern bereits vor mehr als einem halben Jahr vorausgesagt. So lesen wir in Markus 10,33:

Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Menschensohn wird überantwortet werden den Hohenpriestern und Schriftgelehrten, und sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden überantworten.

Zur Zeit des öffentlichen Wirkens von Jesus, war Pontius Pilatus der Statthalter (Präfekt) von Judäa, Idumäa und Samarien. Er war de facto der oberste Richter in diesen Regionen, war jedoch dem syrischen Legaten unterstellt. Dieses Amt hatte er von 26-36 n. Chr. inne. Der Evangelist Johannes ergänzt die Übergabe, bzw. Auslieferung von Jesus an den Statthalter Pilatus mit den Worten:

Da führten sie Jesus von Kaiphas zum Prätorium; es war früh am Morgen. Und sie gingen nicht hinein, damit sie nicht unrein würden, sondern das Passamahl essen könnten. (Joh 18,29).

Das Prätorium war der Sitz des römischen Statthalters, wenn er sich in Jerusalem aufhielt. Durch seine Anwesenheit während der Feste war die Gefahr eines bewaffneten Aufstandes gemindert. Im Prätorium wurde auch Gericht gehalten und zwar nach römischem Recht. Dieser Platz war sozusagen heidnisches Territorium und galt den Juden als unrein. Daher warteten die Ankläger draußen. Auf die Einhaltung der Reinheitsvorschriften waren sie  bedacht, nicht jedoch auf das gerechte Urteil im Falle von Jesus.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was war die Begründung für die Verurteilung Jesu zum Tode?
  2. Warum achteten die Hohenpriester an diesem Tag besonders auf die Einhaltung der Reinheitsvorschriften?
  3. Wer ist Pilatus und warum hält er sich in Jerusalem auf?

 

10.30.2 Judas bereut seine Tat und begeht Selbstmord

Der Evangelist Matthäus berichtet als Einziger der vier Evangelisten über das Ende des Judas Iskatiot, der Jesus ausgeliefert hatte. Doch auch Petrus erwähnt diese traurige Episode in der Apostelgeschichte und zwar im Zusammenhang mit der Wahl des Matthias zum Apostel an Stelle von Judas (Apg 1,15-20). Der Text in Matthäus 27,3-10 liest sich wie ein Einschub. Nach diesem Text ist das Ende des Judas zeitlich nach der Verurteilung Jesu durch den Hohen Rat und vor dem Verhör beim Statthalter einzuordnen. So schreibt der Evangelist Matthäus:

Als Judas, der ihn verraten hatte, sah, dass er zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück und sprach: Ich habe Unrecht getan, dass ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht uns das an? Da sieh du zu! Und er warf die Silberlinge in den Tempel, ging fort und erhängte sich. Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir sie in den Gotteskasten legen; denn es ist Blutgeld. Sie beschlossen aber, den Töpferacker davon zu kaufen zum Begräbnis für Fremde. Daher heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag. Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht: »Sie haben die dreißig Silberlinge genommen, den Preis für den Verkauften, der geschätzt wurde bei den Israeliten, und sie haben das Geld für den Töpferacker gegeben, wie mir der Herr befohlen hat« (Jeremia 32,9;  Sacharja 11,12-13).

Besonders dem Evangelisten Matthäus liegt es am Herzen, bestimmte Ereignisse im Leben von Jesus mit entsprechenden Prophetien aus dem Alten Testament zu verknüpfen. Dadurch wird nicht nur die gute Bibelkenntnis des Evangelisten deutlich, sondern in besonderer Weise die Führung durch den Heiligen Geist. Beachten wir, dass Judas Reue empfand und bestimmte Schritte unternahm.

  • Er ging zu den Hohenpriestern
  • Er bekannte vor ihnen: „Ich habe Unrecht getan, dass ich unschuldiges Blut verraten habe.
  • Er brachte die dreißig Silberstücke zurück und warf sie in den Tempel

Ihn reute (gr. μεταμεληθείς – metameletheis) seine Tat, weil er mit solch einem Ausgang wahrscheinlich nicht gerechnet hatte. Die Reue  ist ein wichtiger Schritt, doch Judas tat keine Buße. Es tat ihm zwar Leid, er fühlte sich sehr unwohl, aber bis zur echten Buße, der Sinnesänderung (gr. μετανόια – metanoia), kam er nicht.

Die Reaktion der Priester ist verblüffend: „Was geht uns das an? Da sieh du zu!Die Seelsorger des Volkes kümmern sich nicht um die Gewissensnot ihres Komplizen. So kommt Judas in die Verzweiflung und mit dem Teufel/Satan im Herzen beendet er sein Leben (Joh 13,2; 27).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Judas bereute seine Tat, was bewirkte dies?
  2. Warum war er nicht mehr fähig zur echten Buße/Umkehr?
  3. Bewerte das Verhalten der Hohenpriester gegenüber Judas?

10.30.3 Das erste Verhör vor Pilatus

Da kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte: Was für eine Klage bringt ihr gegen diesen Menschen vor? Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet. (Joh 18,30).

Die Antwort der jüdischen Führung  ist pauschal und hört sich ziemlich arrogant an. Pilatus hat nach einem klaren und für die Römer nachvollziehbaremn Anklagepunkt gefragt. Als er diesen zunächst nicht bekommt, weist er die Angelegenheit an die Juden zurück.

Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Wir dürfen niemand töten.

Und der Evangelist Johannes sieht darin einen Zusammenhang:

So sollte das Wort Jesu erfüllt werden, das er gesagt hatte, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde. (Joh 18,31-32; 12,32-33).

Durch die Aussage der Juden: „Wir dürfen niemand töten“, konnte Pilatus merken, dass es sich um eine Anklage zum Tode handelt. Nun werden die Anklagepunkte konkreter. Der Evangelist Lukas ergänzt dazu:

(…) und fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, dass dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König. (Lk 23,2).

Die Anklagepunkte sind also:

  • Volksaufhetzung,
  • Steuerverweigerung,
  • Selbstbezeichnung als Christus/Messias/Gesalbter,
  • Selbstbezeichnung als König.

 

Pilatus hört Jesus an

Der Evangelist Johannes berichtet im folgenden Text über die Anhörung von Jesus und zwar im Inneren des Prätoriums, das heißt, dass die Juden draußen dieses Gespräch gar nicht mitbekamen.

Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und fragte ihn: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus oder haben dir’s andere über mich gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt. Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit? (Joh 18,33-38a;  Mt 27,11;  Mk 15,2;  Lk 23,3).

Von den vier Anklagepunkten interessiert Pilatus nur einer: „Bist du der König der Juden?“ Die anderen drei Punkte scheint er den Juden nicht abzunehmen. Jesus lässt Pilatus seine Erhabenheit spüren, indem er diesen nach der Informationsquelle fragt. Dies ist in einem Gerichtsprozess ungewöhnlich, denn in der Regel stellte der Angeklagte keine Fragen an den Richter. Dass der Angeklagte sich nicht fürchtet, spürt Pilatus sehr deutlich und diese mutige Haltung von Jesus ärgert und beeindruckt ihn zugleich. So entfaltet sich ein inhaltsvolles Gespräch, Jesus bezeugt seine Souveränität als König, dessen Reich von anderer Beschaffenheit ist als die Reichssysteme dieser Welt. Jesus ist die Wahrheit und er redet Wahrheit. Diese Botschaft trifft Pilatus ins Innere, denn Wahrheit kannte er nicht. Was er kannte, waren Heuchelei, politische Intrigen, Korruption, Selbstsucht, Machtgier. Wahrheit und Gerechtigkeit wurde auch im Römischen Reich allzu oft nach Bedarf definiert und angewendet. Das Ganze erhielt dann eine offizielle und gesetzmäßige Form. Hinter der Frage des Pilatus: „Was ist Wahrheit?“ steht die traurige Erfahrung, dass das gesamte Leben in den Reichssystemen dieser Welt (auch in Israel) von Ungerechtigkeit und Lüge durchdrungen war. Doch in diesem Fall kann er eindeutig erkennen, dass von Jesus keine politische Gefahr für die römischen Behörden ausgeht.

 

Pilatus findet keine Schuld an Jesus

 

Und als er das gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu den Juden und spricht zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.“ (Joh 18,38b). Auch der Evangelist Lukas schreibt: „Pilatus sprach zu den Hohenpriestern und zum Volk: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. (Lk 23,4).

Als erfahrener Richter hat Pilatus ein sachlich gutes Empfinden für Schuld oder Unschuld. Wie so oft im Leben ist der erste Eindruck der Richtige. Dachte Pilatus, dass die Angelegenheit damit beendet sei? Aber die Hohenpriester und der Ältestenrat gaben so schnell nicht auf.

 

Jesus schweigt zu den Anklagen der Hohenpriester

Die Juden wiederholen ihre Anklagepunkte. „Und als er von den Hohenpriestern und Ältesten verklagt wurde, antwortete er nichts.“ (Mt 27,12;  Mk 15,3). Jesus macht auch hier keinen Gebrauch von seinem Recht, sich zu verantworten oder zu verteidigen. „Pilatus aber fragte ihn abermals: Antwortest du nichts? Siehe, wie hart sie dich verklagen! Jesus aber antwortete nichts mehr, sodass sich Pilatus verwunderte.“ (Mk 15,4-5). Der Evangelist Matthäus ergänzt: „Und er antwortete ihm nicht auf ein einziges Wort.“ (Mt 27,13-14). Es scheint, als ob sein Schweigen sie noch mehr aufbringt. Sie greifen den ersten Anklagepunkt wieder auf und nennen seine Lehrtätigkeit, die sich nicht nur auf Judäa, sondern auch auf Galiläa erstreckte.

Sie aber wurden noch ungestümer und sprachen: Er wiegelt das Volk auf damit, dass er lehrt hier und dort in ganz Judäa, angefangen von Galiläa bis hierher. Als aber Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mensch aus Galiläa wäre. Und als er vernahm, dass er ein Untertan des Herodes war, sandte er ihn zu Herodes, der in diesen Tagen auch in Jerusalem war. (Lk 23,5-7).

Pilatus konnte aufatmen, denn die Juden haben ihm über Jesus eine Information geliefert, aufgrund derer er die, für ihn ohnehin unangenehme Gerichtsangelegenheit, an Herodes abgeben konnte. Jener war für Jesus, als einen galiläischen Bürger, juristisch zuständig. Die Priesterschaft und der Ältestenrat mitsamt ihrer Dienerschaft machen sich auf den Weg zum Vierfürsten Herodes, um dort ihre Anklagen gegen Jesus vorzutragen.

 

Fragen /Aufgaben:

  1. Welche Anklagepunkte bringen die Hohenpriester gegen Jesus vor? Was ist an ihnen dran?
  2. Für welchen der vier Anklagepunkte interessiert sich Pilatus und warum?
  3. Es erstaunt, dass Jesus den Pilatus in ein tiefes Gespräch hineinführt, warum?
  4. Welche Unterschiede erkennst du zwischen den Reichen dieser Welt und dem Reich Gottes?
  5. Die Frage nach Wahrheit bewegte Pilatus, doch wie ging er in der konkreten Situation damit um?
  6. Wie bewertet Pilatus die Anklagen der Juden gegen Jesus?
  7. Warum ist Pilatus sichtlich erleichtert, als er hört, dass Jesus aus Galiläa kommt?

 

10.30.4 Jesus vor Herodes Antipas

Herodes Antipas bekam einen vierten Teil des Gebietes, welches sein Vater Herodes der Große beherrschte. So unterstand ihm ganz Galiläa, dazu Peräa, ein kleineres Gebiet im Ostjordanland auf der Höhe von Jericho im Nordosten des Toten Meeres. Seine Residenz in Galiläa war Sephoris, etwa acht Kilometer nordwestlich von Nazaret gelegen. Seine Präsenz am Passahfest in Jerusalem war eher religionspolitisch motiviert als aus echter Frömmigkeit. Doch was er seit geraumer Zeit wünschte, erfüllte sich überraschend. Hier ist es wieder nur der Evangelist Lukas, der diese Episode als Ergänzung zu dem gesamten Gerichtsprozess beschreibt.

Als aber Herodes Jesus sah, freute er sich sehr; denn er hätte ihn längst gerne gesehen; denn er hatte von ihm gehört und hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen. (Lk 23,8).

Zunächst freut sich Herodes Jesus endlich zu sehen. Gehört hatte er über ihn schon viel und seine Neugier wurde immer wieder geweckt. Übernahm er doch die Auffassung einiger aus dem Volk: Johannes der Täufer sei von den Toten auferstanden und daher wirkten in ihm solche Kräfte (Lk 9,7;  Mt 14,2). Er scheint wenig an einem rechtsmäßigen und ordentlichen Gerichstprozess interessiert zu sein. Wie auch die Juden aus der Pharisäer- und Sadduzäerpartei, so will auch er Zeichen sehen (Mt 16,1). Doch lässt sich Jesus niemals in selbstsüchtige Wünsche oder gar Vorderungen von Menschen einspannen. Herodes bewegt nicht die Buße zu Gott wegen seines gottlosen und unmoralischem Lebensstils, sondern Neugier, vielleicht sogar gewisse Erwartung auf Rechtfertigung seines Handelns. Und so ungeordnet verläuft auch das Verhör. Der Evangelist Lukas fährt in seinem Bericht fort: „Und er fragte ihn viel. Er aber antwortete ihm nichts.“ (Lk 23,9). Inzwischen ist für uns das Schweigen von Jesus nicht mehr ungewöhnlich. „Die Hohenpriester aber und Schriftgelehrten standen dabei und verklagten ihn hart.“ (Lk 23,10). Vermutlich verklagten sie Jesus wegen angeblicher Aufhetzung des Volkes und seines Anspruchs `König zu sein`. Besonders Letzteres wird erkennbar durch die spöttische und verachtende Geste (leuchtendes Gewand) wie Lukas berichtet: „Aber Herodes mit seinen Soldaten verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weißes  Gewand an und sandte ihn zurück zu Pilatus.“ (Lk 23,11). Herodes hört sich zwar die vorgetragenen Anklagen der Hohenpriester an, doch für ihn sind sie nicht stichhaltig genug um Jesus zu verurteilen. Wäre von Jesus eine Gefahr für Volk und Staat, ja sogar für den Vierfürsten ausgegangen, hätte er dies bereits früher in Galiläa bemerkt (Lk 9,9). Um ihn jedoch wegen mangelnder Beweise zu entlasten und freizusprechen, dafür ist er den Anklägern gegenüber zu feige. Nach der Charakterisierung durch Jesus glich er einem Fuchs (Füchsin), der mit List seinen eigenen Vorteil sucht (Lk 13,32). Und so überspielt er seine innere Zerrissenheit mit verachtenden und spöttischen Äußerungen gegenüber Jesus. Damit erniedrigt und demütigt er Jesus vor seinen Soldaten und der jüdischen Elite. Jesus aber lässt sie jetzt gewähren. So schickt Herodes ihn zu Pilatus zurück mit dem symbolischen Hinweis: „Keinerlei Schuld, die den Tod verdient hätte“. Doch was bewegt den Vierfürsten?

  • Den Hohenpriestern und Schriftgelehrten will er mit einer Verurteilung des Angeklagten keinen Gefallen tun, wusste er nur zu gut um die Unschuld Jesu. Ebenso weiß er aus eigener Erfahrung, wie belastend es für das Gewissen ist, einen Propheten zu töten (Mt 14,9;  Lk 9,9).
  • Um Jesus jedoch freizusprechen, wozu er befugt war und auch Grund gehabt hätte, war er zu feige, zu stolz und ehrgeizig.
  • Wenn er Jesus zu Pilatus zurückschickt, bekundet er seine Anerkennung dem Präfekten gegenüber und seine Loyalität zu Rom. Das nützt ihm persönlich am meisten.

So ziehen die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und Ältesten mit dem gebundenen Jesus wieder zurück zum Prätorium des römischen Statthalters. Welch eine Ironie: Eigentlich sollte sich die Priesterschaft an diesem Tag mit dem Opfern der Passahlämmer im Tempel beschäftigen. Sie aber sind voller Unruhe und beeilen sich das wahre Opferlamm Gottes zu schlachten (Jes 53;  Joh 1,29;  Mt 20,18).

Und der Evangelist Lukas schließt diese Episode ab mit einem politischen Detail: „An dem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; denn vorher waren sie einander Feind.“ (Lk 23,12). Natürlich handelt es sich hier um politische Freundschaft, nicht um echte und aufrichtige Beziehung.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was ist der Grund für die Freude des Herodes als er Jesus sieht?
  2. Werden seine Erwartungen erfüllt?
  3. Warum reagiert Jesus auch hier mit Schweigen?
  4. Beschreibe die innere Zerrissenheit des Herodes, welche Motive bewegen ihn?

 

10.30.5 Jesus Barabbas – Aufrührer und Mörder

Bei dem Versuch den Ablauf des Prozesses chronologisch darzustellen, liefert uns der Evangelist Johannes die meisten Informationen. Einen breiten Platz im Prozessverlauf nimmt die Debatte über die Freilassung des Barabbas, der kurioserweise auch den Vornamen Jesus trägt.

In Jerusalem, in der Burg Antonia war eine römische Garnison stationiert, deren Aufgabe es war, das Geschehen in der Stadt und insbesondere auf dem Tempelgelände ununterbrochen zu beobachten. Die Zeloten (Eiferer) nutzten die Zusammenkünfte des Volkes bei den Festen, um Aufstände gegen die römischen Besatzer zu organisieren. Bei solch einem lokalen Aufstand in der Stadt, kam es zu einer blutigen Auseinandersetzung mit den römischen Legionären. Die Anführer des Aufstandes wurden festgenommen und nun warteten sie auf ihren Prozess mit anschließender Hinrichtung. Der Evangelist Markus schreibt dazu: „Es war aber einer, genannt Barabbas, gefangen mit den Aufrührern, die beim Aufruhr einen Mord begangen hatten.“ (Mk 15,6b-7). Barabbas bedeutet Sohn des Abbas und der Evangelist Matthäus ergänzt dies, indem er noch dessen persönlichen Namen nennt: „(…) der hieß Jesus Barabbas.“ (Mt 27,16 – im griechischen Text des NT ist diese Bemerkung in eckige Klammern gesetzt, weil sic nicht in allen alten Handschriften zu finden ist). Nach den Worten des Evangelisten Lukas könnte man sogar annehmen, dass er bei dem Aufstand den Mord begangen hatte. So schreibt er von ihm: „Der war wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt geschehen war, und wegen eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden.“ (Lk 23,19 vgl. mit Apg 3,14). Johannes schreibt dem Barabbas auch noch räuberische Tätigkeiten zu: „ (…) Barabbas aber war ein Räuber.“ (Joh 18,40).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wie kamen die lokalen Aufstände in Judäa zustande?
  2. Was wurde Barabbas angelastet?

 

10.30.6 Der 1. Versuch des Pilatus Jesus freizulassen

Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten treffen mit dem gebundenen Jesus wieder am Prätorium des Statthalters ein. Auch immer mehr Menschen aus dem Volk versammeln sich vor dem Prätorium. Der Grund ist das Zugeständnis des Präfekten – zum Passahfest einen Gefangenen, den das Volk wünschte, freizulassen. So schreibt der Evangelist Matthäus:

Zum Fest aber hatte der Statthalter die Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen loszugeben, welchen sie wollten. (Mt 27,15;  Mk 15,7). Der Evangelist Markus ergänzt: „Und das Volk ging hinauf und bat, dass er tue, wie er zu tun pflegte.“ (Mk 15,8). Viele Schaulustige und Neugierige aus dem Volk wollen sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen. „Pilatus aber rief die Hohenpriester und die Oberen und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt; und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, derentwegen ihr ihn anklagt; Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient. Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben.“ (Lk 23,13b-17). Wir stellen fest, dass dem Pilatus viel daran gelegen war Jesus freizulassen, zumal ihn darin auch seine Frau bestärkte. Und er weiß um die Hintergründe und Motive der Hohenpriester: „Denn er wusste, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten.“ (Mt 27,18). Ihm ist bestimmt auch nicht entgangen, dass der überwiegende Teil des Volkes mit Jesus sympatisierte. Und so greift er nach der Möglichkeit das Volk für sein Konzept, der Freigabe von Jesus, zu gewinnen. Eindeutig wendet sich Pilatus an das Volk mit den Worten: „Es besteht aber die Gewohnheit bei euch, dass ich euch einen zum Passafest losgebe; wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe?“ (Joh 18,39). Der Evangelist Markus ergänzt: „(…) denn er erkannte, dass ihn die Hohenpriester aus Neid überantwortet hatten.“ (Mk 15,10). Er hegt begründete Hoffnung, dass das Volk sich für die Freilassung von Jesus, dem Messias/König, entscheidet. Womit er nicht rechnet, ist der überaus starke Einfluß der Hohenpriester und Ältesten auf das Volk. Die Hohenpriester wissen um die Sympatie des Volkes gegenüber Jesus und stacheln auf eine freche Art das Volk gegen Jesus auf. So schreibt der Evangelist Matthäus: „Aber die Hohenpriester und Ältesten überredeten das Volk, dass sie um Barabbas bitten, Jesus aber umbringen sollten.“ (Mt 27,20). In Matthäus 27,17 lesen wir: „Und als sie versammelt waren, sprach Pilatus zu ihnen: Welchen wollt ihr? Wen soll ich euch losgeben, Jesus Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus?“ Und der Evangelist Markus ergänzt: „Aber die Hohenpriester reizten das Volk auf, dass er ihnen viel lieber den Barabbas losgebe.“ (Mk 15,11). Auch nach Matthäus 27,21a-23 wendet sich Pilatus erneut an das Volk mit den Worten:

Welchen wollt ihr? Wen von den beiden soll ich euch losgeben? Sie sprachen: Barabbas! Pilatus sprach zu ihnen: Was soll ich denn machen mit Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus? Sie sprachen alle: Lass ihn kreuzigen! Er aber sagte: Was hat er denn Böses getan? Sie schrien aber noch mehr: Lass ihn kreuzigen!“ (vgl. Mk 15,14).

Seit wann fragt ein oberster Richter die Menge des Volkes, was er denn mit einem unschuldigen Gefangenen machen soll? Immerhin fragt er nach stichhaltigen Anklagepunkten, doch außer lautem Geschrei bekommt er nichts zu hören. Der Evangelist Lukas ergänzt: „Da schrien sie alle miteinander: Hinweg mit diesem, gib uns Barabbas los!“ (Lk 23,18). Und Lukas hebt die erneute Bemühung des Statthalters – Jesus freizulassen – hervor:

Da redete Pilatus abermals auf sie ein, weil er Jesus losgeben wollte. Sie riefen aber: Kreuzige, kreuzige ihn! Er aber sprach zum dritten Mal zu ihnen: Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, was den Tod verdient; darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. Aber sie setzten ihm zu mit großem Geschrei und forderten, dass er gekreuzigt würde. Und ihr Geschrei nahm überhand.“ (Lk 23,20-23).

Auch der erneute Versuch, vom Volk verwertbare Gründe für eine Verurteilung zu bekommen, schlägt fehl. Gegen die geballte Macht der Oberen und der aufgewiegelten Menge kommt Pilatus nicht an. So schreibt der Evangelist Matthäus:

Als aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu! Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! (Mt 27,24-25).

Der Sammelbegriff „das ganze Volk“ muß hier in der Relation zu den Zehntausenden nicht daran beteiligten gesehen werden. Auch sind in erster Linie die vielen Knechte und Diener der Priesterschaft und der Ältesten dabei, welche sagen müssen, was ihnen ihre Herren befahlen (Joh 19,6). Trotzdem repräsentieren sie und alle Anwesenden mit den Oberen an diesem Morgen das Volk im Allgemeinen. Hier stellen sich folgende Fragen:

  • Kann ein Richter sich die Hände in Unschuld waschen, wenn er gegen sein besseres Wissen einen unschuldigen Menschen der Willkür der Menge überlässt? Hier kommt Jesus zu Wort und urteilt: „Darum: der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde.“ (Joh 19,11). Ja, Pilatus trägt Mitschuld an der Verurteilung Jesu.
  • Inwieweit kann sich der Fluch des am Gerichtsprozess beteiligten Volkes auch auf ihre Nachkommen auswirken?

Sicher ist die Sünde nicht übertragbar, doch wenn Eltern auf ihre Kinder einen Fluch aussprechen, hat dies Folgen.

Da gab er ihnen Barabbas los, aber Jesus ließ er geißeln und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt werde.“ (Mt 27,26). Der Evangelist Markus ergänzt: „Pilatus aber wollte dem Volk zu Willen sein und gab ihnen Barabbas los.“ (Mk 15,15). Der Evangelist Lukas fügt hinzu: „Und Pilatus urteilte, dass ihre Bitte erfüllt werde, und ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen. (Lk 23,24-25).

So gibt er dem Willen des Volkes nach, lässt den frei, um den sie bitten, einen, der in der Tat das Volk gegen die Römer aufhetzte und aller Wahrscheinlichkeit nach einen römischen Legionär tötete (Apg 3,14). Was für ein ungerechtes Urteil!

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was bedeutete das Zugeständnis des Statthalters an das Volk – zum Passahfest einen Gefangenen auf Wunsch freizulassen? Was erhoffte sich Pilatus davon?
  2. Beschreibe die Taktik des Pilatus in diesem Prozess?
  3. Warum suchte nach Möglichkeiten, um Jesus freizulassen?
  4. Wie ist der starke Einfluss der Hohenpriester auf das Volk zu erklären?
  5. Welche Charakterzüge des Pilatus treten bei diesem Prozess deutlich ans Licht?

 

10.30.7 Jesus wird von den römischen Soldaten verspottet und geschlagen

(Bibeltexte: Mt 27,27-30;  Mk 15,15-19;  Joh 19,2-3)

 

Nun beginnt die letzte Phase des Prozesses gegen Jesus. Der Evangelist Johannes schreibt:

Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln. (Joh 19,1).

Ab hier folgen wir nun dem vollständigeren Bericht des Evangelisten Matthäus:

Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus mit sich in das Prätorium in den Palast, und sammelten die ganze Abteilung um ihn. Und zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand und beugten die Knie vor ihm und verspotteten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, der Juden König!, und spien ihn an und nahmen das Rohr und schlugen damit sein Haupt. (Mt 27,27-30;  Mk 15,15-19;  Joh 19,2-3).

Der Evangelist Markus ergänzt: „(…) fielen auf die Knie und huldigten ihm.“ (Mk 15,19).

Abbildung 12 Der purpurrote Mantel, der Kranz aus (Akantus – Dornen) und der Schilfrohrstab in seiner rechten Hand – alle drei Gegenstände sind hier spöttische Hinweise auf königliche Insignien (Zeichnung von J. Schüle 24. September 2016).

Mit dem Schilfrohrstab schlagen sie Jesus auf sein Haupt, das mit einem Dornenkranz bedeckt ist. Die kniefällige Schein-Huldigung ist Spott und Erniedrigung zugleich. Die Bosheit des menschlichen Herzens kennt keine Grenzen. Dem gegenüber steht ungebeugt und ungemindert die Liebe und die Langmut Gottes in seinem Sohn Jesus Christus, „(…) der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet.“ (1Petr 2,23).

 

 

  • Jesus wird erniedrigt und gedemütigt,
  • verhöhnt und verspottet,
  • geschlagen und bespuckt.

Er erduldete diese Schmach und setzte sich nicht zur Wehr. So sieht seine Herrschaft aus, die Herrschaft über die Sünde, so besiegt er das Böse.

Damit führt er ganz praktisch die Prinzipien des Gottesreiches in dieser Welt ein.

 

Fragen /Aufgaben:

  1. Wenn Pilatus von der Unschuld Jesu überzeugt war, warum ließ er Jesus dennoch geißeln?
  2. Welche Bedeutung hatte die Geißelung der Angeklagten?
  3. Warum wehrt sich Jesus nicht wenigstens mit Worten gegen seine Peiniger?
  4. Was wird in seinem Verhalten offenbar?

 

10.30.8 Der 2. Versuch des Pilatus Jesus freizulassen

Nun folgen wir dem detaillierten Bericht des Evangelisten Johannes:

Da ging Pilatus wieder hinaus und sprach zu ihnen: Seht, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde. Und Jesus kam heraus und trug die Dornenkrone und das Purpurgewand. Und Pilatus spricht zu ihnen: Seht, welch ein Mensch! Als ihn die Hohenpriester und die Knechte sahen, schrien sie: Kreuzige!  Kreuzige! Pilatus spricht zu ihnen: Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm. Die Juden antworteten ihm: Wir haben ein Gesetz und nach dem Gesetz muss er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht. (Joh 19,4-7).

Erst jetzt nennen die Hohenpriester den für sie wichtigsten theologischen Anklagepunkt, wohl wissend oder mindestens ahnend, was er bei Pilatus bewirken kann. Denn für einen loyalen Römer war seit der Zeit des Kaisers Augustus in Rom `υιος του θεου – hyos tou theou – Sohn Gottes `. Der römische Senat hatte den durch Brutus und Cassius im Jahre 44 v. Chr. ermordeten Julius Cäsar `göttlich` gesprochen. Daher galten seine Nachkommen als Söhne des Göttlichen. Es ist eigentlich ein Wahnsinn, doch damit folgten sie dem ägyptischen und babylonischem Vorbild.

 

Pilatus sucht erneut das Gespräch mit Jesus

Dieser Hinweis ruft bei Pilatus große Furcht hervor.

Als Pilatus dies Wort hörte, fürchtete er sich noch mehr und ging wieder hinein in das Prätorium und spricht zu Jesus: Woher bist du? Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben her gegeben wäre. Darum: der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde. (Joh 19,8-11).

Große Furcht befällt Pilatus, er kennt den sogenannten `Sohn des Göttlichen` in der Person des Kaisers. Und er weiß, wie diese Herrscher oft willkürlich regieren. Hier jedoch steht einer vor ihm, dessen Herrschaft sich ganz anders ausdrückt. Die Würde, die Selbstbeherrschung, der Blick frei von Hass, Verachtung und Vergeltung, keine Klage gegen seine Feinde und Peiniger. Noch nie hat er solch einen Gefangenen vor sich gehabt. In Jesu Verhalten kommt das wahre Göttliche zum Ausdruck. In der Tat, nicht Jesus fürchtet sich vor diesem Gericht, sondern Pilatus fürchtet sich vor Jesus, welcher der eigentliche Richter in diesem Prozess ist.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Warum interessiert sich Pilatus für die Herkunft von Jesus?
  2. Wer war nach griechisch-römischer Auffassung der `Sohn Gottes`?
  3. Beachte und beschreibe das Verhalten von Jesus? Was drückt es aus?
  4. Wie bewertet Jesus Sünde und Verantwortung?
  5. Wer ist der eigentliche Richter in diesem Prozess?

 

10.30.9 Der 3. Versuch des Pilatus, Jesus freizulassen

Von da an trachtete Pilatus danach, ihn freizulassen. Die Juden aber schrien: Lässt du diesen frei, so bist du des Kaisers Freund nicht; denn wer sich zum König macht, der ist gegen den Kaiser. Als Pilatus diese Worte hörte, führte er Jesus heraus und setzte sich auf den Richterstuhl an der Stätte, die da heißt Steinpflaster, auf Hebräisch Gabbata. (Joh 19,12-13).

Die Oberen der Juden sind hartnäckig, jede Gottesfurcht ist von ihnen gewichen. Sie greifen zum letzten Argument, dem sich Pilatus schließlich, wenn auch widerwillig, beugt. In ihrem Argument verbirgt sich eine versteckte Drohung. Eine Klage beim Legaten in Syrien hätte möglicherweise Pilatus den Posten gekostet. Dieses Risiko ist er nicht eingehen. Diesen Preis ist er nicht bereit zu zahlen.

 

Pilatus wird von seiner Frau gewarnt

Auch bei den Römern hatten die Frauen in der Öffentlichkeit nicht viel zu sagen, umso mehr jedoch im privaten Bereich. Die Frau des Pilatus brachte den Mut auf, um sich mit ihrem Plädoyer für Jesus in den Prozessverlauf einzumischen. So schreibt der Evangelist Matthäus:

Und als er auf dem Richterstuhl saß, schickte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum um seinetwillen. (Mt 27,19).

Auch wenn sie keine Details ihres Traumes nennt, so wird dadurch doch deutlich, dass Gott sich auf eigenartige Weise Menschen offenbart – hier einer heidnischen Frau, deren Mann als korrupt, machtgierig und wankelmütig charakterisiert werden kann. Trotz ihres Appells bringt Pilatus nicht den Mut auf, gerecht zu urteilen.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wie stark war der Einfluss der Frauen im Römischen Reich?
  2. Welchen Wert hatte das Plädoyer der Frau des Pilatus im Zusammenhang des Prozesses gegen Jesus?
  3. Wenn ihr Traum von Gott war, was sollte er dann bewirken?

 

10.30.10 Pilatus auf dem Richterstuhl – Jesus wird zum Tode verurteilt

Den Verlust des Titels `Freund des Kaisers` will Pilatus nicht opfern. Letzlich wird doch das Recht und die Wahrheit dem Machterhalt zum Opfer fallen.

Es war aber am Rüsttag für das Passahfest um die sechste Stunde. Und er spricht zu den Juden: Seht, das ist euer König! Sie schrien aber: Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn! Spricht Pilatus zu ihnen: Soll ich euren König kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König als den Kaiser. Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. (Joh 19,14-16).

Nach außen hin erwecken die Hohenpriester den Eindruck, als wären sie dem Kaiser ergebener als Pilatus. Bis zuletzt versucht dieser Jesus freizubekommen, doch ohne Erfolg. Zu viel und zu oft fragt er als Richter, was er denn tun solle. Bemerkenswert ist aber auch der Tatbestand, dass es letztlich die Hohenpriester waren, die mit Nachdruck den Tod Jesu forderten. Sie waren es letztlich, die den Hohen Rat stark beeinflussten, ihren Knechten befahlen, das Volk überredeten und gegen Jesus aufhetzten.

Das Unfassbare geschieht – die Verurteilung des Gerechten durch die Hand der Heiden wird durchgesetzt. Es kam, wie Jesus es voraussagte (Mt 20,19). Schon nach fünf Wochen nimmt Petrus das Volk und die Oberen der Juden in die Verantwortung mit den Worten:

Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unsrer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr überantwortet und verleugnet habt vor Pilatus, als der ihn loslassen wollte. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und darum gebeten, dass man euch den Mörder schenke. (Apg 3,13-14).

Mit der Aussage: „Wir haben keinen König als den Kaiser.“ verleugneten die Hohenpriester Jesus. Auch der Apostel Paulus hebt im Rückblick die bewusste Verleugnung Jesu durch die Führung Israels hervor:

Und obwohl sie nichts an ihm fanden, das den Tod verdient hätte, baten sie doch Pilatus, ihn zu töten. (Apg 13,28).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wie ist es zu erklären, dass die Juden immer wieder neue Argumente gegen Jesus aufbringen?
  2. Was zählte letztlich bei Pilatus? Was beinhaltet die Bezeichnung `Freund des Kaisers`?
  3. Was sagen die Juden mit dem Bekenntnis „Wir haben keinen König als den Kaiser“ aus?
  4. Was bewog letzlich Pilatus Jesus zu verurteilen?

 

10.31 Golgatha

(Bibeltexte: Mt 27,32-56;  Mk 15,21-41;  Lk 23,27-49; Joh 19,17-37)

 

Wieder wird Jesus entkleidet – diesmal ziehen sie ihm das Purpurgewand aus (wahrscheinlich auch die Dornenkrone) – und sie ziehen dem wohl stark Geschwächten seine eigene Kleidung an. Nach römischem Recht müssen zwischen Urteil und Vollstreckung zwei Tage liegen – doch diese Regel scheint wie auch manch andere bei diesem Provinzprozess nicht beachtet zu werden. Der Verurteilte wird unter der Leitung von einem Centurion (Hauptmann über 100, bzw. 80 Soldaten), von vier Soldaten, die mit  Hammer, Nägeln, Holz und Nahrung für die Mannschaft zum Hinrichtungsplatz geführt.

 

10.31.1 Und Jesus trug sein Kreuz, oder war es Simon?

Der Evangelist Johannes, der den Prozessverlauf am detailliertesten aufgezeichnet hat, schreibt:

Sie nahmen ihn aber und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. (Joh 19,16b-17).

Der Text des Evangelisten Matthäus lautet:

Und als sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug. (Mt 27,32). Der Evangelist Markus ergänzt:  „(…) Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage (nachtrage).“ (Mk 15,21;  Lk 23,26).

Gelegentlich wird von Kritikern der Evangelienberichte in diesem Abschnitt ein Widerspruch gesehen und hervorgehoben. Dabei ist die Lösung des scheinbaren Widerspruchs so einfach. Zuerst trägt Jesus sein Kreuz selbst, wie es üblich war in solchen Fällen. Der Zug verlässt das Prätorium des Statthalters (ehemalige Residenz von Herodes dem Großen) in nördlicher Richtung. Dann verlassen sie die Stadt entweder im Westen (Genna-Tor) oder im Norden (Damaskus-Tor). Es geht bergauf. Jesus ist körperlich sehr geschwächt, nicht allein wegen der schlaflosen Nacht, sondern auch wegen den vielen körperlichen Misshandlungen. Wahrscheinlich bricht er unter der Last des Kreuzes zusammen. Da kommt es zur Begegnung mit Simon aus Kyrene (heute Libyen). Ungewöhnlicherweise kommt er am Festtag vom Feld her. Der Evangelist Markus nennt die Namen seiner Söhne, die später in der Gemeinde bekannt sind (Mk 15,21;  Röm 16,13). Er wird von der Wachmannschaft gezwungen Jesus die Last des Kreuzes abzunehmen und für ihn und hinter ihm nachzutragen. Was für eine einmalige Erfahrung für Simon – das Kreuz von Jesus und für Jesus zu tragen! Eigentlich wäre ein anderer Simon drangewesen dies zu tun. Die Treuebekundung wurde von jenem am Vorabend gemacht: „Er (Simon Petrus) aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ (Lk 22,33).

Diese römische Exekutionsart – Kreuzigung – eigentlich aus Phönizien importiert (https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzigung) – wird von Juden zutiefst verabscheut (5Mose 21,23;  Gal 3,13). Zwei weitere Verurteilte ebenfalls mit ihrer jeweiligen Wachmannschaft gesellen sich zu diesem traurigen Zug. Die Verurteilten haben üblicherweise das Holzkreuz oder ein Teil davon zu tragen. Es gibt drei Kreuzformen:

– das Andreaskreuz crux decussata (in X-Form)

– das T-Kreuz crux commissa

das Lateinische Kreuz crux immissa (in +-Form)

Wir denken mit Justin dem Märtyrer und Irenäus an die letzte Form. Hier ist dann auch Platz zur Anbringung der Tafel an der Spitze über dem Haupt des Gekreuzigten.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Simon – ein Beispiel für unfreiwillige Nachfolge.Was empfindet ein Mensch, wenn er zu etwas beschämendem gezwungen wird?
  2. Was erfahren wir über Simons Familie?
  3. Wofür steht das Kreuz als Symbol?
  4. Was bedeutet es für uns sein eigenes Kreuz auf sich zu nehmen und Jesus nachzutragen, nachzufolgen, wohin denn? Wie ist es, wenn uns ein fremdes Kreuz auferlegt wird und gibt es so etwas?
  5. Was ist der Unterschied zwischen: das Kreuz auf sich täglich zu nehmen (Lk 9,23) und: das Joch von Jesus auf sich zu nehmen (Mt 11,28-30)?

 

10.31.2 Jesus wendet sich an die weinenden Frauen

Es folgte ihm aber eine große Volksmenge und Frauen, die klagten und beweinten ihn. Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder. Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in der man sagen wird: Selig (glückselig) sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht genährt haben! Dann werden sie anfangen zu sagen zu den Bergen: Fallt über uns!, und zu den Hügeln: Bedeckt uns! Denn wenn man das tut am grünen Holz, was wird am dürren werden? (Lk 23,27-31).

Der Evangelist Lukas erwähnt eine Menschenmenge – besonders Frauen, die Jesus klagend und weinend durch die Stadt bis zum Hinrichtungsplatz vor die Stadt hinausbegleiten. Es sind sehr oft gerade Frauen, die in der Geschichte eine viel größere Offenheit gegenüber Jesus und dem Evangelium zeigen. Sie zeigen keine Angst vor den Gegnern Jesu und schreiten mutig weinend und klagend in Hörweite hinter Jesus her. Gerade für sie hat Jesus eine besondere Botschaft. Er bleibt stehen und wendet sich um. Der gesamte Zug kommt ins Stocken. Ungewöhnlich, doch aus seiner Person geht eine Würde und Autorität hervor, der sich die Gegner nicht widersetzen vermögen. Seine Worte haben propherischen Inhalt und korrigieren die falsche Denkweise der Frauen. Nicht er soll bemitleidet werden, sondern sie sind mit ihren Kindern die Beklagenswerten. Wegen der Verwerfung des Messias, kommt nicht nur Zorn über dies Volk, sondern auch die Unbeteiligten werden unter den Folgen leiden müssen. Die Prophetie, die Jesus hier ausspricht, ist in Teilen nicht ganz neu. Schon der Prophet Hosea schrieb ähnliche Worte Gottes für seine Generation auf:

Die Höhen des Frevels werden verwüstet, auf denen sich Israel versündigte; Dornen und Disteln wachsen auf ihren Altären. Dann werden sie sagen zu den Bergen: Bedeckt uns!, und zu den Hügeln: Fallt über uns! Israel, du hast seit den Tagen von Gibea gesündigt; dabei sind sie geblieben. (Hosea 10,8-9).

Die Prophetie von Jesus bezieht vordergründig auf die nähere Zukunft – die Zerstörung Jerusalems und das große Leid, welches insbesondere schwangere und stillende Frauen treffen wird (Mt 24,19). „Weh aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Denn es wird große Not auf Erden sein und Zorn über dies Volk kommen.“ (Lk 21,23). In der Tat haben die Bürger von Jerusalem ab dem jüdischen Aufstand im Jahre 66 und während der dreijährigen Belagerung und bis zur endgültigen Eroberung durch die Römer im Jahre 70 unbeschreibliche Not erlitten. Die Prophetie, die Jesus hier ausgesprochen hatte, erfüllte sich. Doch der Inhalt ist weitreichender Natur, da sich diese Aussage zu verschiedenen Zeiten immer wieder erfüllt. Wie der Text in Offenbarung 6,14-17 deutlich macht:

Und der Himmel wich wie eine Schriftrolle, die zusammengerollt wird, und alle Berge und Inseln wurden wegbewegt von ihren Orten. Und die Könige auf Erden und die Großen und die Obersten und die Reichen und die Gewaltigen und alle Sklaven und alle Freien verbargen sich in den Klüften und Felsen der Berge und sprachen zu den Bergen und Felsen: Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! Denn es ist gekommen der große Tag ihres Zorns und wer kann bestehen?

Nach dieser eindringlichen Botschaft schreitet Jesus weiter hinauf zur Felskuppe genannt `Schädel-Stätte`, Hebräisch: `Golgotha`, Griechisch: `Κρανίου Τόπος`, hinter ihm Simon mit dem Kreuz. Der genaue Ort von Golgatha und der Kreuzigung bleibt wohl unbekannt, sicher aber ist er:

  • außerhalb der Stadtmauern von Jerusalem (Mt 28,11;  Hebr 13,12),
  • in der Nähe der Stadt (Mt 27,38),
  • in der Nähe von Gärten, Gräbern (Joh 19,41),
  • und in der Nähe einer Straße (Mt 27,39).

Als wahrscheinlich wird Golgatha in der Gegend um die sogenannte Grabeskirche lokalisiert. Dieser Ort gilt seit Konstantin dem Großen (1. Hälfte des 4. Jahrhunderts) als der Ort der Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung von Jesus. Wahrscheinlich gab es davor auch schon eine lokale Tradition, auf die man sich damals stützte.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was drücken die klagenden Frauen Jerusalems aus? Warum nur Frauen?
  2. Was ist der Inhalt der Botschaft an die Frauen?
  3. Was meint Jesus mit dem „grünen“ und dem „dürren“ Holz?
  4. Wo erfüllten sich die Worte von Jesus in der Geschichte Israels? Wo und wie zu anderen Zeiten?

 

10.31.3 Jesus wird gekreuzigt und verspottet

(Bibeltexte: Mt 27,33-56;  Mk 15,22-41;  Lk 23,33-49;  Joh 19,18-37)

 

Der Evangelist Lukas schreibt:

Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!] Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! (Lk 23,32-37).

Und der Evangelist Markus hält fest, wann Jesus gekreuzigt wurde: „Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten.“ (Mk 15,25; vgl. Vers 33-34. 42). Die dritte Stunde bedeutet bei Markus etwa 9 Uhr morgens. Der Evangelist Johannes bemerkt: „Pilatus aber schrieb eine Aufschrift (gr. τίτλος – titlos) und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache.“ (Joh 19,19-20).

 

ישוע מנצרת מלך היהודים

Iesus Nazarenus, Rex Iudaeorum (INRI)

Ἰησοῦς Ναζωραῖος βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων

 

Es fällt auf, dass die Evangelisten nur wenige Einzelheiten zur Kreuzigung aufgeschrieben haben. In Psalm 22 steht geschrieben: „Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, / alle meine Gebeine haben sich zertrennt; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, / und meine Zunge klebt mir am Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub. Denn Hunde haben mich umgeben, / und der Bösen Rotte hat mich umringt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben. Ich kann alle meine Gebeine zählen; sie aber schauen zu und weiden sich an mir.“ (Psalm 22,15-18). Beachten wir auf der einen Seite die verbalen Bemerkungen der Vorübergehenden und anschließend der Obersten aus dem Volk, der Schriftgelehrten, Hohenpriester und der Ratsmitglieder. Durch ihren Spott, Schmähung, Lästerung und Hohn wollen sie absichtlich Jesus weh tun, ihn erniedrigen und verletzen. So schreibt der Evangelist Markus:

Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir nun selber (Mt: wenn du Gottes Sohn bist) und steig herab vom Kreuz! Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester (Mt: mit den Ältesten) untereinander samt den Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der Christus,(Lk: der Auserwählte Gottes) der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz, damit wir sehen und glauben. (Mt: Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn). Und (Mt: die Räuber) die  mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn auch. (Mk 15,29-32; Mt 27,39-44; Lk 23,35).

Wir werden an die prophetischen Worte aus Psalm 22,8-9 erinnert: „Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: »Er klage es dem HERRN, der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm

Der Apostel Petrus schrieb später im Rückblick über das Verhalten von seinem Herrn am Kreuz folgende Worte:

(…) er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.d. (1Petr 2,22-24).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. An welchem Wochentag und um welche Uhrzeit wurde Jesus gekreuzigt?
  2. Wie verhalten sich die Hohenpriester und Ältesten gegenüber dem leidenden Jesus?
  3. Wie lautete die Aufschrift, welche Pilatus schrieb und über dem Haupt von Jesus anbringen ließ?
  4. Warum lehnt Jesus den von den Soldaten angebotenen Weinessig mit der Myrrhe-Mischung ab?
  5. Warum sind die Evangelisten so zurückhaltend mit Einzelheiten über den Kreuzigungsvorgang? Was bedeutet es für uns?

 

10.31.4 Die Soldaten teilen die Kleider von Jesus unter sich auf

Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! (Lk 23,36-37).

Die Soldaten sind ja Zeugen geworden vom Prozess vor Pilatus und waren beteiligt bei der anschließenden Geißelung im Palasthof des Statthalters. Daher auch ihre Verspottung mit diesen Worten. Die Evangelisten halten zwei spezifische Handlungen der Soldaten fest.

Erste Handlung der Soldaten

Sie geben Jesus Wein mit Myrrhe gemischt zu trinken, doch er nimmt es nicht an  (Mk 15,23). Der Evangelist Matthäus schreibt: „gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und da er’s schmeckte, wollte er nicht trinken.“ (Mt 27,34). Dies könnte eine Anlehnung an Psalm 69,22 sein, dort heißt es: „Sie geben mir Galle (gr. colh/j –cholès) zu essen und Essig zu trinken für meinen Durst.“ Myrrhe wird von dem Myrrhestrauch gewonnen, hat eine gelb-braune Farbe und bitteren Geschmack, wahrscheinlich auch deswegen von dem Evangelisten Matthäus als Galle bezeichnet. Wemm Markus von Wein und Matthäus von Essig spricht, so wird es sich bei diesem Getränk wohl um Weinessig handeln. Vielleicht war es üblich, dass den Verurteilten dieses Getränk als eine Art Betäubungsmittel angeboten wurde. Doch Jesus lehnt es ab, zum einen will er ein ganz klares Denken bis zum Ende bewahren und zum anderen will er selber festlegen, wann er etwas Trinkbares zu sich nehmen will.

Zweite Handlung der Soldaten

Der Evangelist Johannes, der nahe am Kreuz, an der Seite der Maria stand,  hat weitere Einzelheiten festgehalten, wenn er schreibt:

Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider  und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten.“ (Joh 19,23-24).

Jesus trug ein Obergewand, welches recht umfangreich gewesen sein musste, da es sich in vier Teile teilen ließ. Dieses Obergewand (gr. imatia) legte er bei der Fußwaschung seiner Jünger ab und umgürtete sich mit einem Lendenschurz (lention Joh 13,4). Den sehr wertvoll gearbeiteten Rock (gr. chitœna) trug Jesus unter dem Obergewand. Sehr wahrscheinlich trugen die Juden auch einen Lendenschurz unter dem Rock. So lesen wir in 2Mose 28,42 von der Bekleidung der Priestersöhne: „Und du sollst ihnen leinene Beinkleider machen, um ihre Blöße zu bedecken, von den Hüften bis an die Schenkel.“ In dem Zusammenhang könnten auch die Aussagen über `Nacktsein` in Markus 14,51-52 und Johannes 21,7 verstanden werden. Der Evangelist Johannes schreibt am Ende dieses Vorgangs: „Das taten die Soldaten“. Sie hatten keine Ahnung, dass ihr Vorgehen bereits eintausend Jahre vorher prophezeit wurde. Gott weiss im voraus, was Menschen tun werden. Und seine Voraussagen haben einen bestimmten Zweck, sie sollen den Glauben und das Vertrauen in Gott stärken. So sagte Jesus in Johannes 13,19: „Jetzt sage ich’s euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschehen ist, glaubt, dass ich es bin.“

Von den Soldaten heißt es danach: „Und sie saßen da und bewachten ihn.“ (Mt 27,36).

 

Das versammelte Volk aber schaute zu. Ein Großteil des versammelten Volkes war seit den frühen Morgenstunden bereits beim Prozess dabei gewesen. Doch es kamen noch viele hinzu, so lesen wir, dass das Volk zu Pilatus hinaufging, um ihn nach der Freilassung eines Gefangenen zu bitten (Mk 15,8).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was tun die Soldaten und was erfüllte sich durch ihre Handlung?
  2. Wie verhält sich die dabeistehende Volksmenge? Sind es nur Schaulustige und Befürworter der Hinrichtung von Jesus?

 

10.31.5 Jesus: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun

Von den sogenannten sieben Worten, bzw. Aussagen Jesu am Kreuz lautet das erste: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Für wen tritt er da in seiner Fürbitte ein? Die hier Handelnden sind ja vordergründig die römischen Soldaten, verständlich, dass sie nicht oder vielleicht nur wenig Ahnung von ihrem Unrecht haben. Aber bittet Jesus auch für die Spötter unter der Ältestenschaft Israels und für das schaulustige Volk? Ja, sicher schließt er in seiner Fürbitte niemand aus. Bereits der Prophet Jesaja sagte vom leidenden Messias voraus: „(…) den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.“ (Jes 53,12b). Und damit bekräftigt und erfüllt er selbst, was er seinen Nachfolgern bereits zu Beginn seines Dienstes aufgetragen hat zu tun: „segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“ (Lk 6,28). Oder in Matthäus 5,44-45: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“

  • Damit siegt er über das Böse
  • und bietet den Übeltätern Raum zur Umkehr (1Petr 3,9; Röm 12,21; Röm 2,4).
  • Damit besiegt er auch den Bösen. Welch eine göttliche Einstellung und Haltung?

Während Jesus am Kreuz hing, erfüllte sich auch, was er bereits zu Beginn seines Dienstes bei seinem ersten Jerusalembesuch gesagt hatte:

Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. (Joh 3,15-17).

1Und zum Ende seines Dienstes, ebenfalls in Jerusalem, zeigte er dem gesamten Volk an, welchen Todes er sterben würde.

Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde. Da antwortete ihm das Volk: Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? (Joh 12,32-34).

Die Antwort auf ihre Frage bekamen die Menschen nach nur wenigen Tagen. So erkennen wir auch, dass Jesus es mit seinen Voraussagen den Menschen leicht gemacht hat zu glauben. Denn zwischen der Voraussage und der Erfüllung lag nur eine kurze Zeitspanne, so dass die meisten von ihnen die Erfüllung miterleben konnten. Und schon bald werden wir sehen, wie seine Fürbitte geistliche Frucht brachte, indem Menschen umkehrten und ihn als Retter/Erlöser und Christus annahmen.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wie reagiert Jesus auf den Spott und die Schmähungen der Obersten des Volkes und der Soldaten?
  2. Was motiviert ihn so zu reagieren und was erreicht er damit?
  3. Welche Voraussage von Jesus erfüllte sich, als er am Kreuz hing?

 

10.31.6 Jesus: Heute wirst du mit mir im Paradies sein

(Bibeltexte: Lk 23,39-43; Mt 27,44; Mk 15,32)

 

Der Evangelist Lukas schreibt: „Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken (Joh: Jesus aber in der Mitte).“ (Lk 23,33; Joh 19,18). Auch hier setzt sich fort, was Jesus bereits am Vorabend in einem anderen Zusammenhang gesagt hatte: „Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht.“ (Jesaja 53,12): »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet“ (Lk 22,37). Die Evangelisten Matthäus und Markus schildern die Reaktion der Mitverurteilten nur mit einer pauschalen Bemerkung. „Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.“ (Mt 27,44;  Mk 15,32). Dies muß wohl am Anfang gewesen sein. Aber nach und nach erkennt der eine Verurteilte, wer Jesus wirklich ist. Und er ändert seine Gesinnung und auch seine Worte. Der Evangelist Lukas berichtet ausführlich vom Gespräch unter den Todeskandidaten, während ihrer extremen Schmerzen.

Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,39-43).

Der eine schließt sich der Lästerung der Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten an (Mt 27,41-44) – wissend, dass sie beide als Mitverurteilte schuldig sind, während Jesus unschuldig ist. Dies bringt der andere Verurteilte zum Ausdruck: „dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ (Lk 23,41). Jesus stirbt nicht für ein Verbrechen, noch für eine politischen Bewegung, sondern weil er die Erfüllung der Verheißungen Israels für sich beansprucht. Dies verstehen Menschen meist nur sehr langsam – doch der andere Verurteilte versteht dies plötzlich glasklar: der mit ihm verurteilte Jesus erträgt die Kreuzigung in dieser Weise – weil er der verheissene Messias/Herr ist! Nur er kann im ersten grausamen Schmerz für die Peiniger beten! Nur er kann die Schmähungen so ertragen! Hier kann er sein Erkennen nur noch in diese kurze Bitte fassen: „Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“

  • Der Mitverurteilte ist sich seiner Schuld bewusst und er bekennt sie auch öffentlich;
  • Der Mitverurteilte erkennt die königliche und göttliche Gestalt von Jesus an, dessen tiefste menschliche Herabsetzung!.
  • Er erkennt Jesus als den König Israels an und zwar nicht auf dem Thron, wie ihn Zeitgenossen erwarteten, sondern am Kreuz.
  • Der Mitverurteilte spricht von dem zukünftigen, doch Jesus antwortet mit dem Heute!
  • Der Mitverurteilte spricht vom Reich – doch Christus spricht vom Paradies in dem beide sein werden. Paradies (gr. παράδισος – paradisos) ist demnach eine auserirdische und zwar göttliche Sphäre in die Jesus bei seinem Tod hineinging und aus der er bei seiner Auferstehung mit einem verklärten Leib hervorging und seinen Jüngern 40 Tage lang erschien bevor er gen Himmel aufgenommen wurde. Es ist demnach auch die Sphäre. in der die verstorbenen Gläubigen die Auferstehung des Leibes erwarten.

Christus lenkt weg von materiellen, diesseitigen Erwartungen, hin zu den tröstenden geistlichen Dimensionen. Nach der Vergebung der Sünden ist für jeden Gläubigen die Tür zum ewigen Himmelreich offen.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Erkläre die Unterschiede zwischen den Mitverurteilten? Für welche Gruppen stehen sie heute?
  2. Was ist die „Schächer-Gnade“ – die Gnade kurz vor dem Tod zum Glauben zu kommen?
  3. Welche Botschaft hat Jesus für alle Sünder, die nichts mehr gut machen können?
  4. Was ist die Botschaft für den Mitverurteilten, der seine Schuld einsieht, bekennt und um Gnade bittet?
  5. Was ist wichtig für unsere Seelsorge an Sterbebetten?

 

10.31.7 Jesus: Frau, das ist dein Sohn

Alle vier Evangelisten berichten vom Mut der Frauen, die Jesus bis in die Nähe des Kreuzes begleiten. Der Evangelist Lukas schreibt allgemein: „Es standen aber alle seine Bekannten (Verwandten) von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.“ (Lk 23,49). Wir müssen bedenken, dass in dieser Phase die Brüder (Halbbrüder) Jesu von dessen besonderer Sendung noch nicht überzeugt waren (Joh 7,1-5). Der Evangelist Johannes schreibt daher über eine kleinere Gruppe von Frauen, die in Begleitung von Johannes in unmittelbarer Nähe zum Kreuz standen: „Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.“ (Joh 19,25). Von den vielen Frauen werden vier namentlich genannt:

  1. Die Mutter von Jesus (Joh 19,25;  Mk 15,40). Markus nennt die Mutter Jesu auch als Mutter des Jakobus des kleinen und des Joses (zwei der vier Halbbrüder von Jesus).
  2. Die Schwester seiner Mutter, wahrscheinlich Salome: Ehefrau des Zebedäus und Mutter von Jakobus und Johannes, so der Vergleich von Johannes 19,25 mit Markus 15,40: „(…) unter ihnen Maria von Magdala und Maria, die Mutter Jakobus‘ des Kleinen und des Joses, und Salome.“ (Vgl. auch mit Mt 27,56).
  3. Maria des Kleopas Frau (Joh 19,25). Wahrscheinlich handelt es sich um den Kleopas aus dem Ort Emmaus (Lk 24,18).
  4. Maria aus Magdala ((Joh 19,25;  Mk 15,40;  Mt 27,56).

Wir können uns vorstellen, dass Johannes Jesus in der Nacht (im Gegensatz zu Petrus und den anderen Jüngern) nicht verlassen hat. Dass er noch in der Nacht oder früh am Morgen die Frauen über die Ereignisse während der Nacht informiert hat. Nur so können wir die Präsenz der Frauen am Kreuz erklären. Johannes steht also an der Seite der Frauen, dicht vor dem Kreuz und so erleben sie die besondere Fürsorge des leidenden Jesus. „Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“ (Joh 19,26). Selbstvergessen spricht Jesus aus einer göttlichen Ruhe und ordnet seine Familie neu. Er weiß um die prophetische Aussage des Simeon in Bezug auf Maria – seine Mutter und kennt den Schmerz ihres Herzens (Lk 2,35:  „(…) – und auch durch deine Seele

wird ein Schwert dringen, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.“). Darum befiehlt er seine Mutter der besonderen Pflege und Aufmerksamkeit durch seinen Lieblingsjünger Johannes. Neffe und Tante sollen in einem besonderen Verhältnis stehen.  Dies löst nicht die Pflichten der anderen Geschwister – sondern erweitert die Verantwortung des Johannes. Dieser ist zur bestimmten Zeit am richtigen Ort. Dass Jesus seine Mutter mit `Frau` anredet, soll uns nicht befremden, redete er sie doch schon am Anfang seines öffentlichen Wirkens so an (Joh 2,4). Trug sie für ihn doch nur eine bestimmte Zeit die Verantwortung und zwar für sein irdisches Wohlbefinden. Sie ist begnadet, Mutter des Menschensohnes zu sein. Ihre Seligkeit (Errettung/Erlösung) erhielt sie durch Glauben aufgrund von Gnade (Lk 1,38. 45).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was bewegt die vier Frauen Jesus bis ans Kreuz zu begleiten? Was wissen wir von ihnen?
  2. Was bewegt Johannes allein von allen Jüngern Jesus bis ans Kreuz zu begleiten?
  3. Was drückt Jesus aus, als er seine Beziehung zu seiner Mutter neu ordnet?
  4. Was empfand Maria, die Mutter von Jesus in diesen Stunden? Hatte sie schon früher so etwas geahnt?

 

10.31.8 Das Phänomen der Finsternis

Der Evangelist Matthäus schreibt dazu: „Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.“ (Mt 27,45; Ähnlich auch der Evangelist Markus: „Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.“ (Mk 15,33). Der Evangelist Lukas ergänzt ein wenig mit der Aussage: „Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde und die Sonne verlor ihren Schein.“ (Lk 23,44-45a).

Dieses Ereignis war kein Naturphänomen, welches sich gelegentlich oder in regelmäßigen Abständen in der Natur ereignet. Die sogenannte totale Sonnenfinsternis, wie wir sie in unregelmäßigen Abständen auf der Erde beobachten können, bei der sich der Mond vor die Sonne schiebt, dauert nur etwa 7-8 Minuten. Dabei wird es keineswegs ganz finster. Die Finsternis am Freitag, des 14. Nisan (3. April 33) war die Folge des außerordentlichen Eingreifens Gottes in die Naturgesetze, ähnlich wie es in Ägypten zur Zeit Moses geschehen war (2Mose 10,21-23). Dort dauerte die totale Finsternis drei Tage und war lokal, auf das von den Ägyptern bewohnte Territorium beschränkt.

Der Prophet Joel sagte eine Verfinsterung der Sonne voraus (Joel 3,4). Der Apostel Petrus erwähnt dieses Zitat des Propheten, ohne jedoch einen konkreten Bezug zum Pfingstgeschehen herzustellen (Apg 2,20). Doch auch Jesus selbst spricht von der Verfinsterung der Sonne kurz vor seiner Wiederkunft (Mt 24,29).

Alle drei synoptischen Evangelisten bezeugen, dass es etwa drei Stunden lang finster war über dem ganzen Land. Die Wendung der Evangelisten: „über das ganze Land“ – epi` pa`san th`n gh`n` – epi pasan t¢n g¢n`, beschränkt sich nicht zwingend auf das Land Palästina, sondern kann sich auch auf die gesamte Erde beziehen.

Zeugnisse der frühen Historiker, welche dieses Phänomen zeitlich und räumlich in ihren Schriften erwähnen:

Ereignisse in Rom 33: Tacitus (römischer Historiker – ca. 58-120), Annalen, vi, 20 ff. Die Finsternis bei der Kreuzigung: Dieses Phänomen ist offenbar in Rom, Athen und anderen Städten am Mittelmeer sichtbar gewesen. Nach Tertullian (christlicher Schriftsteller 150 – ca. 220), Apologeticus, xxi, 20 war es  ein „kosmisches“ oder „Weltereignis“. Phlegon, ein griechischer Autor aus Caria, der bald nach 137 eine Chronologie schrieb, berichtete, dass im Jahr 4. der 202. Olympiade (d.h. A.D. 33) die größte Sonnenfinsternis gewesen und es in der sechsten Stunde des Tages, d.h. mittags, stockdunkel geworden sei, so dass selbst die Sterne am Himmel sichtbar wurden. (Paul L. Maier, „ Pilatus, sein Leben und seine Zeit nach Dokumenten“, Seite 363, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Nenne einige Beispiele aus der Schrift, wo von außergewöhnlicher Finsternis die Rede ist?
  2. Welche Bedeutung hat Finsternis in der Bibel?
  3. Warum trat diese dreistündige Finsternis  deiner Meiunung nach ein?
  4. Nenne einige Zeugnisse aus der Weltliteratur, welche dieses besondere Phänomen bezeugen?

 

10.31.9 Jesus: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Von dem Einsetzen der Finsternis, etwa um 12 Uhr mittags, bis kurz vor dem Sterben Jesu, gegen 15 Uhr, scheint eine Stille eingetreten zu sein. Bei dieser Finsternis wurde jede Arbeit im Tempel unmöglich und jedes Lästern unter dem Kreuz verstummte.

Vielleicht gegen Ende der Finsternis oder kurz danach rief Jesus mit lauter Stimme: „Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die andern aber sprachen: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe! (Mt 27,46-49; Mk 15,34).

Jesus schreit zu Gott. Der griechische Text des Evangelisten Matthäus lautet: hli hli, lema sabacqani? tou`to e`stin: qee`, mou qee` mou, inati me enkate`lipej – ¢li ¢li, lema sabachthani? touto estin: thee mou, thee mou, inati me enkatelipes`? Markus hat zwar die Anrede: elwi elwi, – elöi elöi, übersetzt aber ins Griechische gleich wie Matthäus: „Mein Gott, mein Gott“. Höchstwahrscheinlich hat Jesus dieses Gebet in Hebräisch gerufen, warum sollte er sich auch an den Vater wenden in einer anderen Sprache, als der, in der sich Gott dem Volk Israel in schriftlicher Form geoffenbart hatte? Allerdings ist er von einigen Dabeistehenden missverstanden worden. Eli hat im Hebräischen die Bedeutung von `mein Gott`, so in den Namen Eli-melech (mein Gott ist König), Eli-ja (mein Gott ist Jachwe) erkennbar. Merkwürdig, dass die Schriftgelehrten oder deren Diener (es waren keineswegs die römischen Soldaten) eher an den Propheten Elia, als Helfer in Not und nicht an Gott selbst denken.

Diese Hinwendung zu Gott erinnert uns an das Gebet Davids aus dem Psalm 22,2a: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Warum betet Jesus hier so?

  • Hat ihn Gott wirklich verlassen? Hat er nicht kurze Zeit davor seinen Jüngern gesagt: „Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.“ (Joh 8,29).
  • Hat Jesus sich vielleicht nur verlassen gefühlt – empfindungsmäßige Gottferne?
  • Wenn er aber verlassen wurde, dann für wie lange und warum?

Der griechische Begriff: `enkate`lipej  – enkatelipes `, der auch in Psalm 22,2a (LXX) verwendet wird, kommt auch bei Paulus in 2Timotheus 4,10 und 16 vor. Einmal wurde der Apostel von seinem Mitarbeiter Demas verlassen und bei seinem ersten Verhör verließen in alle. Paulus empfand hier, dass er von seinen Mitarbeitern im Stich gelassen wurde, so ähnlich wie auch Martha empfand, von Maria allein gelassen worden zu sein (Lk 10,40). Das Wort kann auch den Sinn haben von `zurück lassen`, so in Apg 18,19 – Priszilla und Aquila werden in Ephesus zurückgelassen und Paulus wird als Gefangener in Cäsarea zurückgelassen (Apg 24,27).

In Römer 9,29 und 11,4 (mit Bezug auf Jes 1,10; 1Kön 19,10) wird der gleiche Begriff  `me enkate`lipej – me enkatelipesmich verlassen` in der gleichen grammatischen Form gebraucht, allerdings geht hier die Initiative von Gott aus, bzw. es wird aus seiner Sicht gesprochen. „Hätte uns der Herr Zebaoth nicht übriggelassen“ oder „Ich habe mir übrig gelassen siebentausend“. Und da ist der Gedanke von – Gott hat für sich aufbewahrt.

Könnte es sein, dass Jesus sich als Menschensohn allein gelassen empfand, aber aus Gottes Sicht der Übriggelassene war, der Aufbewahrte, der Geschützte, über den Gott seine Hand gehalten hatte? So in Hebräer 13,5: „Niemals werde ich dich verlassen“.

Vielleicht liegt das Geheimnis des von `Gott verlassen sein` auch in der Anrede: „Mein Gott, mein Gott`. Als göttlicher Sohn des Vaters konnte er nicht verlassen werden, war er doch nach dem Geist unsterblich, aber als Menschensohn in seinem physischen Leben (Psyche/Seele Joh 10,18) sterblich. Er nahm ja die gesamte Schuld der Menschheit auf sich und so mußte es zur Trennung von dem Heiligen Gott kommen, vielleicht nur für wenige Augebblicke. Ja, Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber, doch in den physischen Tod ging der Sohn Gottes als Menschensohn, ganz allein – der Sohn starb, nicht der Vater. Das war wohl der größte Schmerz, den Jesus jemals empfand.

  • Die gesamte Last der Sünden lag auf ihm: „Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.“ (Jes 53,6).
  • Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,5).
  • Er wurde zum Fluch: „Christus aber hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns – denn es steht geschrieben (5. Mose 21,23): »Verflucht ist jeder, der am Holz hängt« (Gal 3,13),
  • Das Kreuz als Symbol des Todes: „der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.“ (1Petr 2,24).
  • Er litt und starb stellvertretend für alle: „Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ (2Kor 5,21).
  • Es war ein Triumpfzug: „Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.“ (Kol 2,15).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Warum wendet sich Jesus zu seinem Vater mit der Anrede `Gott`?
  2. Was bedeutet der Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
  3. Welche Inhalte birgt das griechische Wort für `verlassen`?
  4. Was empfand Jesus in diesen letzten Minuten seines physischen Lebens?
  5. Hast du dich mal verlassen gefühlt? Wie empfandest du dabei?
  6. Was hilft uns, damit wir aus einer Art Depression wieder herauskommen können?

 

10.31.10 Jesus: Mich dürstet

Der Evangelist Johannes schreibt als Einziger von diesem Ausruf:

Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied. (Joh 19,28-30).

Wahrscheinlich spricht Jesus hier in Kurzform das aus, was in Psalm 22,15-16 in Bezug auf den leidenden Messias vorausgesagt wurde: „Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, / alle meine Gebeine haben sich zertrennt; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, / und meine Zunge klebt mir am Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub.“ (vgl. auch das durstige Verlangen des Leidenden in Psalm 42,3; 63,2; 143,6). Ja, Jesus war ein Mensch, wie alle Menschen und empfand Durst und er gab es auch zu. Den Ausruf: „Mich dürstet“ sprach Jesus sehr wahrscheinlich gleich nach dem Ausruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ aus. So der Zusammenhang in Matthäus 27,46-49 und Markus 15,34 „Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die andern aber sprachen: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe!“  Dieser eine, der ihn tränkte war wohl ein Soldat, die anderen eher aus der Gruppe der Führenden Israels, welchen die alttestamentlichen Geschichten über Elia wohl vertraut waren. Einner der Soldaten taucht einen Schwamm in das Gefäß mit Essig (Weinessig) steckt ihn auf einen etwa 50 cm langen Ysopzweig und hält ihn Jesus vor den Mund. Jetzt nimmt Jesus das angebotene Getränk zu sich, am Anfang des Kreuzesleidens hatte er es abgelehnt (Mt 27,34; Mk 15,23).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was bedeutet der Ausruf: „Mich dürstet?“ Sagt er dies nur, damit die Schrift erfüllt wird, oder empfand er tatsächlich Durst?
  2. Warum lehnte er das Getränk ab, als es ihm am Anfang angeboten wurde?
  3. Hast du mal wirklichen Durst erlebt? Wie und was empfandest du dabei?
  4. Was löscht am meisten den Durst?

 

10.31.11 Jesus: Es ist vollbracht (vollendet)

Die Evangelisten Matthäus und Markus sind sehr kurz in ihren Berichten über die letzten Minuten des Lebens von Jesus. Sie schreiben: „Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.“ (Mt 27,50; Mk 15,37). Die Verwandten und Bekannten von Jesus, einschließlich Matthäus und auch Markus, waren zwar Zeugen der Kreuzigung, doch standen sie in einiger Entfernung und hörten demnach Jesus nur laut schreien. Doch dieses laute Schreien war der kulminative Ausdruck seines gesamten Dienstes und die Vollendung des Heilsplanes, welches ihm vom Vater aufgetragen war.

Der Evangelist Johannes jedoch, der in unmittelbarer Nähe zum Kreuz stand, hat genau gehört was Jesus so laut schrie, er schreibt: „Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht (…).“ (Joh 19,30a-b). Die kurzen Worte „Es ist vollbracht“ sind im Griechischen ein Wort: `tete`lestaitetelestai `. Diesen Begriff gebraucht Johannes in dieser grammatischen Form nur zweimal (Joh 19,28.30). Doch er drückt etwas als abgeschlossen, erfüllt, vollendet aus. Man könnte auch mit `es ist vollendet` oder  „es ist erfüllt“,übersetzen, da ihm die Wortwurzel `telos` als Ende, Erfüllung zugrunde liegt. Um was ging es, was ist denn nun vollendet, was ist erfüllt wordem? In einigen Stellen kommt durch den Gebrauch dieses Wortes zum Ausdruck, was für Jesus der Hauptinhalt seines Dienstes darstellte. So sagt er zu seinen Jüngern am Jakobsbrunnen: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende `teleiw`sw teleiösö sein Werk.“  (Joh 4,34). Und zu den Pharisäern in Jerusalem sagt er: „Ich aber habe ein größeres Zeugnis als das des Johannes; denn die Werke, die mir der Vater gegeben hat, damit ich sie vollende `teleiw`sw teleiösö“, eben diese Werke, die ich tue, zeugen von mir, dass mich der Vater gesandt hat.“ (Joh 5,36). Und am Ende seines Dienstes, im Gebet zum Vater sagt er: „Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet `teleiw`saj teleiösas` das du mir gegeben hast, damit ich es tue.“ (Joh 17,4). Das große und umfassende Werk beinhaltete viele einzelne Taten und Worte – nichts hat Jesus ausgelassen.

Das Kreuz, der Tod von Jesus ist sozusagen der Abschluss und die Zusammenfassung seines Lebenswerkes.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was bedeutet die Aussage von Jesus: „Es ist vollbracht“?
  2. Welche Auswirkungen für uns Menschen hat das vollbrachte Werk Christi am Kreuz?
  3. Wie und was empfindest du nach einer gelungenen und abgeschlossenen Arbeit?

 

 

10.31.12 Jesus: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist

Das sind die eigentlichen letzten Worte von Jesus am Kreuz. Nur der Evangelist Lukas hat sie aufgeschrieben. So schreit Jesus noch ein letztesmal laut: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.“ (Lk 23,46). Da Jesus sich in seinem lauten Rufen „mich dürstet“ und „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ auf Aussagen in den Psalmen stützt, ist anzunehmen, dass auch sein letzter lauter Ausruf ebenfalls den Psalmen entnommen ist. In Psalm 31,6 heißt es: „In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.“

An dieser Stelle ist es angebracht zu betonen, dass der Geist von Jesus Christus nicht in die sogenannten `untersten Örter der Erde` hinabgestiegen ist, sondern in den treuen und allmächtigen Händen des Vaters, bis zur Auferstehung am dritten Tage, aufbewahrt wurde.

Die Zusage an den bußfertigen Mann am Kreuz: „Wahrlich ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ bestätigt zusätzlich, dass Jesus (sein Geist) sich während seines physischen Todes in göttlicher Sphäre befand (Lk 23,43).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Wie lauten die letzten Worte von Jesus am Kreuz und wo kommen diese im Alten Testament vor?
  2. Wie gehen wir mit verschiedenen Spekulationen über den Aufenthalt von Jesus während der drei Tage um?
  3. Was können wir mit Gewissheit zum Aufenthalt des Körpers von Jesus und seinem Geist während der drei Tage sagen?

 

10.31.13 Der Tod von Jesus am Kreuz – wie und warum starb Jesus?

Der Tod von Jesus am Kreuz ist eine historische Tatsache, die von den meisten neutestamentlichen Autoren vielfach und detailliert beschrieben wird. Wie wir bereits gesehen haben, geben die Texte der Evangelien in ihrer Zusammenfassung und Reihenfolge Aufschluß über die letzten Minuten im Leiden von Jesus. Nachdem er seinen Geist in die Hände seines Vaters übergeben hatte, heißt es bei Johannes: „Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied.“ (Joh 19,30). Und der Evangelist Lukas ergänzt: „Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.“ (Lk 23,46). Bis dahin hielt Jesus sein Haupt aufrecht, er konnte alle und alles sehen und er nahm auch alles bewusst wahr was gesagt wurde. Doch reagierte er nicht auf die vielfältigen Schmähungen und Lästerungen von Menschen, sondern konzentrierte sich in seinen letzten Stunden allein auf die Erfüllung der Schriften enstsprechend dem Willen seines Vaters. Er erkannte, dass nun alles erfüllt war, was über ihn und von ihm vorausgesagt wurde. Sein physischer Tod tritt nicht vorrangig wegen körperlichem Versagen ein. Diese Beobachtung wird durch folgende Aussagen bestätigt:

  1. Die Soldaten waren über den schnellen Tod von Jesus überrascht. „Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht (…).“ (Joh 19,33).
  2. Als Josef von Arimathäa den Statthalter um den Leichnam von Jesus bittet, ist dieser über dessen schnellen Tod sehr erstaunt. „Pilatus aber wunderte sich, dass er schon tot sei, und rief den Hauptmann und fragte ihn, ob er schon lange gestorben sei?“ (Mk 15,44).
  3. Über sein physisches Leben (gr. yuch` – psych¢) sagt Jesus: „Niemand nimmt es  von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.“ (Joh 10,18).

Warum Jesus letztlich gestorben ist, war die Sündenschuld aller Menschen, die er auf sich nahm, wie es schon der Prophet Jasaja vorausgesagt hatte:

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. (Jes 53,4-8).

In diesem Text werden acht Aussagen, die das stellvertretende Leiden und Sterben von Jesus für sein Volk, hervorgehoben. Auch die Apostel bestätigen in ihren Predigten und Schriften den freiwilligen und  stellvertretenden Tod von Jesus als das Lamm Gottes (Joh 1,29;  Gal 1,4;  Röm 5,6. 8;  1Kor 15,3;  1Petr 1,18-21;  1Joh 2,2).

Bemerkenswert ist auch die letzte Aussage von Jesus: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Sein Leib wird von treuen Menschen in ein Felsengrab gelegt, seinen Geist jedoch übergibt er in die Hände des Vaters. Diese klare Übergabe des Geistes in die Hände (Obhut) seines himmlischen Vaters steht im krassen Gegensatz zu den vielfältigen Spekulationen über den Verbleib oder die Tätigkeiten von Jesus während der drei Tage.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Warum ist die Verkündigung des physischen Todes von Jesus als historische Tatsache so wichtig? Von welchen Menschen wird diese Tatsache angezweifelt oder gar abgelehnt?
  2. Wo und wie ist das Sterben des Messias im Alten Testament vorausgesagt oder vorausgebildet worden?
  3. Warum und wodurch unterscheidet sich das Sterben Jesu vom Sterben aller anderen Menschen?
  4. Welche positiven Auswirkungen hat der Tod Christi für uns?

 

 

10.32 Zwischen Tod und Auferstehung

(Bibeltexte: Mt 27,50-66;  Mk 15,37-47;  Lk 23,46-56;  Joh 19,30-42)

In der Zeit zwischen dem Tod von Jesus am Freitagnachmittag und seiner Auferstehung am frühen Morgen des ersten jüdischen Wochentages hat sich vieles ereignet. Diese einzelnen Ereignisse wollen wir in diesem Abschnit der Reihe nach kennenlernen.

 

10.32.1 Die Begleiterscheinungen beim Tod von Jesus

Es scheint, als ob die Begleiterscheinungen beim Tod von Jesus nicht genug Beachtung bekommen. Dabei geht es nicht nur um das Naturereignis – Erdbeben, sondern auch um die Reaktionen der Menschen, sowohl unter den Juden als auch unter den Heiden.

 

Der Vorhang im Tempel zerreist und die Erde erbebt

So Berichtet der Evangelist Markus: „Und der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus.“ (Mk 15,38; Lk 23,45). Der Evangelist Matthäus ergänzt: „Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen (…).“ (Mt 27,51).

Die Naturkräfte sind dem Willen Gottes unterworfen und er kann sie so präzise einsetzen und lenken, dass sie als Zeichen für die Menschen offensichtliche Wirkung zeigen, aber auch in Grenzen tätig sind. Während Felsen zerbarsten, blieben die drei Kreuze stehen (vgl. dazu auch Apg 16,26). Dieses Ereignis blieb nicht ohne Wirkung auf die Menschen. So schreibt Matthäus: „Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ (Mt 27,54). Beachten wir, dass nicht nur der Hauptmann, sondern auch seine Soldaten dieses Bekenntnis aussprechen. Der Evangelist Markus formuliert etwas differenzierter, indem der Hauptmann den Tod von Jesus bestätigt, was in seiner Verantwortung lag (Mk 15,44): „Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“ (Mk 15,39). Der Evangelist Lukas hebt hervor, das der Hauptmann mit seinem Bekenntnis Gott verherrlichte: „Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries (verherrlichte) er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen!“ (Lk 23,47). Somit erkannte und bekannte der Hauptmann:

  1. Dass Jesus ein gerechter Mensch war und
  2. Dass Jesus Gottes Sohn war.

 

Die Hohenpriester, welche zu der Zeit im Tempel den Opferdienst für das Passahfest versahen, wurden Augen- und Ohrenzeugen eines Ereignisses, das sie in großes Erstaunen, vielleicht sogar in Erschrecken versetzt haben muss. Der kunstvoll gewebte Vorhang, der im Tempel das sogenannte `Heilige` von dem `Allerheiligsten` trennte, zerriss in zwei Stücke und zwar von oben nach unten (Mt 27,51; vgl. dazu auch 2Mose 26,31-33; 40,21; 1Kön 6,2-31). Dies zeigt an:

  1. Dass es nicht von Menschenhand geschah
  2. Dass der Zugang zum Allerheiligsten, der bis dahin nur dem Hohenpriester vorbehalten war, nun frei ist für alle
  3. Dass die Gegenwart Gottes nicht mehr in dem sogenannten `Allerheiligsten` zu finden ist

Genau genommen, endete in diesem Augenblick die Bestimmung des von Menschenhand gebauten Tempels mit seinem Opferdienst. So schreibt der Hebräerbriefschreiber: „Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heiligtum, das mit Händen gemacht und nur ein Abbild des wahren Heiligtums ist, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen.“ (Hebr 9,24). Auch heißt es dort von Jesus: „Er ist auch nicht durch das Blut von Böcken oder Kälbern, sondern durch sein eigenes Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben.“ (Hebr 9,12).

Doch die Führung Israels erkannte dieses offensichtliche Zeichen nicht und so lief der Opferdienst im Tempel durch die Priester weiter, jedoch ohne die ursprüngliche Wirkung – der Vergebung der Sünden und Versöhnung des Volkes mit Gott.

 

Die Reaktion des Volkes

Der Evangelist Lukas schreibt als Einziger: „Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.“ (Lk 23,48). Mit diesen knappen Worten beschreibt der Evangelist die Reaktion des Volkes, das zuschaute und alles mitbekam was geschah. Das sich ´an die Brust schlagen` drückt mindestens `Einsicht und Reue` aus, wenn man dazu das Verhalten des Zöllners vergleicht (Lk 18,13).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Sind Erdbeben (oder auch andere Naturereignisse) immer ein Zeichen Gottes an die Menschen?
  2. Wie reagieren Menschen heute auf Naturkatastrophen?
  3. Warum waren gerade Nichtjuden oft empfänglicher für Wahrheit und Glauben?
  4. Welche Bedeutung und Maße hatte der innere Vorhang im Tempel und warum ließ Gott ihn zerreisen?
  5. Wie lässt sich die Reaktion des Volkes bewerten?

 

10.32.2 Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen

Der Evangelist Johannes, der in unmittelbarer Nähe des Kreuzes stand und somit Augenzeuge folgender Ereignisse wurde, schreibt dazu:

Weil es aber Rüsttag war und die Leichname nicht am Kreuz bleiben sollten den Sabbat über – denn dieser Sabbat war ein hoher Festtag -, baten die Juden Pilatus, dass ihnen die Beine gebrochen und sie abgenommen würden. Da kamen die Soldaten und brachen dem Ersten die Beine und auch dem andern, der mit ihm gekreuzigt war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht; sondern einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus. Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr, und er weiß, dass er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubt. Denn das ist geschehen, damit die Schrift erfüllt würde (2.Mose 12,46): »Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen.« Und wiederum sagt die Schrift an einer andern Stelle (Sacharja 12,10): »Sie werden den sehen, den sie durchbohrt haben.« (Joh 19,32-37).

Der Evangelist betont die Bedeutung des auf den Freitag (Rüsttag, Vorbereitungstag) folgenden großen Sabbat, der sozusagen entheiligt würde, wenn Leichname Gekreuzigter an den Kreuzen hängen blieben. Wir sehen, auf was damals die frommen Juden geachtet haben. Auf die Einhaltung äußerer Reinmheitsvorschriften legten sie großen Wert. Das Recht, die Barmherzigkeit, die Liebe und der Glaube blieben dabei sehr oft auf der Strecke (Joh 18,28; Hosea 6,6; Mt 12,7; 23,23). Doch auch diesen menschlichen Eingriff in das Geschehen um den Tod von Jesus, wendet Gott dahin, dass die prophetischen Voraussagen auf  den Christus zu ihrer Erfüllung kommen. Denn bereits in Ägypten, etwa 1500 Jahre zuvor, ordnete Gott durch Mose an, dass dem Passahlamm keine Knochen gebrochen werden dürfen (2Mose 12,46). Ging es Gott damals um die Opferlämmer, oder vielmehr um seinen Sohn, der als das wahre Lamm Gottes zu seiner Zeit sterben ürde? Was für eine weise Vorausschau Gottes. Übrigens heißt es bei der Einsetzung des Bundesmahls durch Jesus: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“, also nicht gebrochen wird. Das Brot jedoch wurde gebrochen (Mt 26,26-28).

An diesem Tag kommt Pilatus nicht zur Ruhe, ständig wird er von den Hohenpriestern um etwas angegangen.

  • Bereits am frühen Morgen wegen dem Prozess und der Verurteilung von Jesus.
  • Kurz danach wegen der Aufschrift „Jesus von Nazaret, der Juden König“, die sie geändert haben wollten.
  • Jetzt am Spätnachmittag: Lass ihnen die Beine brechen, damit sie sterben und von den Kreuzen abgenommen werden können.
  • Am nächsten Tag: Lass das Grrab bewachen, damit nicht seine Jünger kommen und ihn stehlen.

Die Soldaten führen den Befehl aus und brechen beiden Verurteilten die Beine, als sie jedoch zu Jesus kommen, überzeugen sie sich, dass er bereits gestorben war. Der eine Soldat, der ihn mit einem Speer in die Seite stößt, weiss nicht, dass damit eine prophetische Schriftaussage, welche bereits etwa 450 Jahre zuvor gemacht wurde, erfüllt wird (Sacharia 12,10). Johannes, der nahe am Kreuz steht, wird Augenzeuge von all dem, was mit Jesus gemacht wird – Blut und Wasser fließt aus dem Körper von Jesus heraus. Er wird Augenzeuge, wie Schriftaussagen in solch einer Dichte an Jesus in Erfüllung gehen. Er bestätigt in schriftlicher Form die Wahrheit des Geschehens, damit Glauben geweckt und gestärkt wird.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Worum sind die Hohenpriester bemüht, was ist ihnen wichtig?
  2. Was geschieht (oder geschieht nicht) wenn sich Christen in verschiedene Äußerlichkeiten verfangen?
  3. Wie oder wodurch erfüllt Gott, was er durch Propheten vorausgesagt hat?
  4. Wozu dienen die Prophetien, was ist ihr Zweck und Ziel?
  5. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Brechen von Beinen (was bei Jesus nicht gemacht wurde) und dem Abendmahlsbrot?

 

10.32.3 Die Grablegung von Jesus

Der Evangelist Lukas schreibt über die Grablegung von Jesus folgendes:

Und siehe, da war ein Mann mit Namen Josef, ein Ratsherr, der war ein guter, frommer Mann und hatte ihren Rat und ihr Handeln nicht gebilligt. Er war aus Arimathäa, einer Stadt der Juden, und wartete auf das Reich Gottes. Der ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu und nahm ihn ab, wickelte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch nie jemand gelegen hatte.“ (Lk 23,50-53).

Pilatus erreicht ein seltsames Eilanliegen: ein wohlbekannter, reicher Ratsherr: Josef aus dem Ort Arimathäa bittet um eine würdige Bestattung des gehenkten Jesus von Nazaret. Josef wird uns als ein frommer aber heimlicher Jünger von Jesus geschildert, der von Furcht erfüllt, sich noch bis vor kurzem im Verborgenen hielt. Doch in dem nächtlichen Prozess stimmt er (wahrscheinlich zusammen mit Nikodemus) offen gegen den Beschluß des Hohen Rates. Höchstwahrscheinlich war er Zeuge der Kreuzigung geworden. An diesem Abend trifft er eine weitere mutige Entscheidung und entschließt sich Jesus einen letzten Liebesdienst zu erweisen, um ihn nach jüdischer Sitte möglichst schnell aber auch würdevoll zu bestatten. Damit bekennt sich jetzt Josef vor Heiden und Juden öffentlich zu Jesus! Keine Zeit ist nun zu verlieren, denn der Tag neigt sich dem Ende zu. Pilatus ist erstaunt über den schnellen Tod von Jesus und lässt sich diesen vom herbeigerufenem Hauptmann bestätigen. Dann erteilt er die Erlaubnis zur Herausgabe des Leichnams (Mk 15,44). In der angesagten Eile vor dem anbrechenden Sabbat entschließt sich Josef zur Bestattung in seine, eigentlich für ihn selbst, vorgesehene Grabhöhle in der niemand zuvor bestattet war. So schreibt der Evangelist Matthäus: „(…) und legte ihn in sein eigenes neues Grab, das er in einen Felsen hatte hauen lassen, und wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes und ging davon.“ (Mt 27,60).

 

Diese Grabhöhlen sind dem Leser dieser Ausarbeitung schon von der Bestattung des Lazarus bekannt. Der Evangelist Johannes ergänzt dazu: „Es kam aber auch Nikodemus, der vormals in der Nacht zu Jesus gekommen war, und brachte Myrrhe gemischt mit Aloe, etwa hundert Pfund.“ (Joh 19,39). So eilt Josef und wahrscheinlich auch Nikodemus zum Kreuz, nehmen den Leichnam von Jesus ab indem sie die  Nägel aus den Händen und den Füßen herausziehen. Dann wickeln sie  ihn wie üblich in ein Leinentuch und tragen ihn zur Grabhöhle. Dort wird er wahrscheinlich in einem Eilverfahren gereinigt und gesalbt und anschließend in Leinentücher eingewickelt. Das Haupt wird mit einem besonderen Tuch umbunden, wie später der Evangelist Johannes beschreibt (Joh 20,7). Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch Johannes der Jünger an der Abnahme des Leichnams vom Kreuz und der Bestattung beteiligte, hatte er sich bis jetzt nicht geschämt für seinen Meister, warum hätte er bei diesem Dienst tatenlos den anderen nur zugeschaut? Aber auch die Frauen sind Josef und Nikodemus zur Grabhöhle gefolgt. Ja, wieder sind es die Frauen, die Jesus treu auch auf der letzten Strecke begleiten. Maria aus Magdala und Maria, Mutter des Joses, und andere Frauen beobachten aus nächster Nähe, wo und wie der Leichnam bestattet wird. So schreibt der Evangelist: „Und es war Rüsttag und der Sabbat brach an (strahlte auf). Es folgten aber die Frauen nach, die mit ihm gekommen waren aus Galiläa, und beschauten das Grab und wie sein Leib hineingelegt wurde. Sie kehrten aber um und bereiteten wohlriechende Öle und Salben. Und den Sabbat über ruhten sie nach dem Gesetz.“ (Lk 23,54-56). Auch hier fällt auf, dass über die Jünger nichts gesagt wird, wohl aber über die Frauen, die nicht einfach in ihrer Traurigkeit versanken, sondern aus Ergebenheit und Liebe, von ganz pragmatischen Überlegungen her Jesus bis zur Bestattung begleiteten. Sie beschließen schon dort, später zu einer ordentlichen Salbung des Körpers hierher zurück zu kommen.

Abbildung 13 Grabstein im sogenannten Gartengrab in Jerusalem (Foto: April 1986)

Eilig rollt Josef einen großer Stein vor den Eingang des Grabes. Dann eilen alle zurück in die Stadt und in ihre Unterkünfte. Sie ruhten nach dem Gesetz am Sabbat.

Auch über die Bestattung des Messias hat der Prophet Jesaja eine Aussage gemacht: „Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.“ (Jes 53,9). Allerdings stellen wir zwischen der Prophetie des Jesaja und der Erfüllung eine Schwierigkeit fest, denn Josef war zu diesem Zeitpunkt nicht gottlos und auch kein Übeltäter. Es sei denn, dass damit die allgemeine Sündhaftigkeit und Gottferne aller Menschen (auch des Josef) hervorgehoben wird. „Bei Gottlosen“ (im Plural) meint vielleicht auch das allgemeine Umfeld der Begräbnisstätte und nicht den Josef als Einzelnen, der mit seiner Tat seine Glaubensbeziehung zu Jesus bezeugte.

Auch der Apostel Paulus bestätigt später, dass Jesus begraben wurde gemäß den Schriften (1Kor 15,4). Jesus hat bereits während seines Dienstes in Galiläa den kritisch eingestellten Pharisäern von seiner Grablegung vorausgesagt und erinnert an die einmalige Geschichte des Jona (Mt 12,40; Jona 2,1). Dann erklärte er, dass der Menschensohn ebenso drei Tage und drei Nächte inmitten der Erde sein wird. Die Wendung „drei Tage und drei Nächte“ bedeutet nicht zwingend volle 72 Stunden. Jeder noch nicht zu Ende gegangener Nacht/Tag sowie gerade begonnener Nacht/Tag werden als volle Nacht/Tage gerechnet (der Vergleich von Mt 16,21 mit Mk 8,31 sowie Mt 27,63 macht dies deutlich).

 

10.32.4 Tage-Tabelle (Hebräisch)

Für den Bibelleser kann es etwas verwirrend sein, wenn es um die Tageszeiten geht, welche die Evangelöisten angeben. Folgende Erklärung kann eine Orientierung geben.

Der jüdische Tag beginnt (auch heute noch) mit dem Sonnenuntergang. So lesen wir in 1Mose 1,2ff: „Da war aus Abend und Morgen der erste Tag.“ Den lichten Teil des Tages zählte man von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, was etwa 12 Stunden ausmachte. So sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Hat nicht der Tag zwölf Stunden?“  (Joh 11,9). Daher geben die meisten Autoren der neutestamentlichen Schriften diese lichte Tageszeiten an. So ist die dritte Stunde des Tages = ca. 9 Uhr morgens, die elfte Stunde ca. 17 Uhr (Mt 20,3-9; Apg 2,15). Ähnlich rechnete man auch für die zwölf Stunden der Nacht, so in Apostelgeschichte 23,23: „dritte Stunde der Nacht“ = zwischen 21-22 Uhr. Nur der Evangelist Johannes scheint gelegentlich von dieser Tageszählweise wegzukommen (Joh 19,14).

 

Freitag/Rüsttag – sechster Tag

(Dauer: Donnerstagabend ca. 19 Uhr bis Freitagabend ca. 19 Uhr

Samstag – Sabbat – siebter Tag

(Dauer: Freitagabend ca. 19 Uhr bis Samstagabend ca, 19 Uhr)

Sonntag – erster Tag der Woche

(Dauer: Samstagabend ca. 19 Uhr bis Sonntagabend ca. 19 Uhr)

Gegen 15 Uhr stirbt Jesus am Kreuz Gegen 19 Uhr geht die Sonne unter, der Fraitag ist zu Ende. Jesus ist bereits an diesem ersten Tag seit etwa 4 Stunden tot. Von etwa 19 Uhr bis zum Abend des nächsten Tages = 24 Stunden – Jesus im Grab = zweiter (voller) Tag. Von Samstag, ca. 19 Uhr bis Sonntag, ca. 5 Uhr früh geschah die Auferstehung von Jesus = dritter (nicht voller) Tag.

 

Demnach war Jesus nur ca. 38 Stunden Tot und verbrachte ca. 35 Stunden im Grab. Schon der Psalmist David sagte durch den Heiligen Geist voraus dass der Messias nicht wie andere Menschen der Verwesung überlassen wird: „Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich; auch mein Leib wird sicher liegen. Denn du wirst mich nicht dem Tode überlassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Grube sehe (verwese).“ (Psalm 16,9-10; Apg 2,25; 13,35).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was halten wir von heimlichen Nachfolgern/Gläubigen?
  2. Was bewegt die beiden Ratsherren an Karfreitag?
  3. Was bedeutet es, etwas weertvolles, das man für sich bereitet hatte, an einen anderen abzutreten? Josef ahnte ja nicht, dass er sein Felsengrab wieder zurückbekommen wird.
  4. Wie bewerten wir die Treue der Frauen – besonders der Maria aus Magdala?
  5. Wo und was wurde über die Bestattung von dem Messias vorhergesagt?
  6. Was ist über den Körper des Messias vorausgesagt worden?

 

10.32.5 Die Versiegelung und Bewachung des Grabes

(Bibeltexte: Mt 27,62-66)

Bei dieser Geschichte kommt nur der Evangelist Matthäus zu Wort, er schreibt:

Am nächsten Tag, der auf den Rüsttag folgt, kamen die Hohenpriester mit den Pharisäern zu Pilatus und sprachen: Herr, wir haben daran gedacht, dass dieser Verführer sprach, als er noch lebte: Ich will nach drei Tagen auferstehen. Darum befiehl, dass man das Grab bewache bis zum dritten Tag, damit nicht seine Jünger kommen und ihn stehlen und zum Volk sagen: Er ist auferstanden von den Toten, und der letzte Betrug ärger wird als der erste. Pilatus sprach zu ihnen: Da habt ihr die Wache; geht hin und bewacht es, so gut ihr könnt. Sie gingen hin und sicherten das Grab mit der Wache und versiegelten den Stein.“ (Mt 27,62-66).

Am folgenden Tag (das heißt am Sabbat) melden sich noch mal die jüdischen Leiter (Hohepriester und Pharisäer) bei Pilatus. Sie erinnern sich an Worte des getöteten Rabbis Jesus: „Ich will nach drei Tagen auferstehen.“ (Mt 27,63). Woher haben sie diese Information? Wenn Jesus über seinen Tod und Auferstehung sprach, tat er es meistens im Kreis seiner Jünger. Seine bildhafte Rede in Bezug auf seinen Tod und Auferstehung aus Johannes 2,19 haben sie ja nicht verstanden. Doch bei einer anderen Gelegenheit bekamen sie von Jesus selbst (wenn auch nur einen indirekten) Hinweis zu seinem Begräbnis und seiner Auferstehung: „Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ (Mt 12,39-40; 16,1. 4;  Mk 8,11-12;  Lk 11,29-30). Natürlich glaubten sie nicht daran, doch aus der Verdorbenheit ihres eigenen Herzens lasten sie den arglosen und völlig verängstigten Jüngern etwas an, was sie wahrscheinlich in deren Situation selber tun würden. Sie wollen damit einer für sie bösen Überraschung vorbeugen. Dass sich ihre Vorsorge und Sicherheitsmaßnahme gegen sie selbst als Falle heraustellen wird, kam ihnen zu dem Zeitpunkt nicht in den Sinn.

Für die Bewachung des Grabes hätten sie genug eigenes Wachpersonal von der Tempelwache beauftragen können, doch die Gekreuzigten sind von den Römern verurteilt worden und somit waren diese auch für deren Leichname zuständig. Pilatus zeigt sich auch hier großzügig, lässt sich nicht auf Diskussionen ein und stellt den jüdischen Führern eine Wachmannschaft zur Verfügung. Die Soldaten werden vor dem Grab postiert und zusätzlich wird der Stein am Eingang zum Grab versiegelt. Die ganze Aktion, einschließlich der Versiegelung des Grabes, ist eigentlich Arbeit am Sabbat, doch gegenüber sich selbst sind die Pharisäer und Hohenpriester nachsichtig, nicht so gegen andere (Joh 5,10). Im Gegensatz zu ihnen ist das Verhalten der Frauen gesetzeskonform (Lk 23,56).

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Was wurde in alttestamentlichen Schriften über die Bestattung des Messias und die Dauer seines Todes gesagt?
  2. Was war die Sorge der Hohenpriester und Pharisäer? Glaubten sie an die Auferstehung der Toten (Apg 23,8)?
  3. Pilatus geht auf die Bitte der jüdischen ´Führung anscheinend sofort ein. Wie lässt sich das erklären?

 

10.32.6 Die Tage der Trauer für die Jünger von Jesus

Für die Juden ist dieser Sabbat ein großer Festtag, nicht so für die Jünger von Jesus. Was diese in der Zeit empfinden, wissen wir  aus den Worten von Jesus, die er am Vorabend seiner Hinrichtung den Jüngern sagte:

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. (Joh 16,16-22).

Die Begriffe: weinen, klagen und trauern, drücken sehr deutlich den emotionalen Zustand der Jünger aus während dieser drei Tage. Auch der Evangelist Markus bestätigt das Weinen und Leid tragen der Jünger: „Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren, die da Leid trugen und weinten.“ (Mk 16,10; dazu auch Lk 24,17). Eine große Traurigkeit legte sich auf die Jünger, denn ihre Erwartungen und Hoffnungen dass „er Israel erlösen wird“ haben sich so nicht erfüllt (Lk 24,21). Nicht Unglaube insgesamt, aber doch mangelnder Glaube waren für diese Verzagtheit der Grund und die Ursache. So sagte Jesus fast vorwurfsvoll den zwei Jüngern unterwegs nach Emmaus: „O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!“ (Lk 24,25). Doch soll dieser Glaubensmangel und der daraus entstandene Zustand der Traurigkeit nicht lange andauern. Ihre Traurigkeit wird bald von der immerwährenden Freude abgelöst werden, welche niemand von ihnen mehr wegnehmen kann.

 

Fragen / Aufgaben:

  1. Beschreibe den emotionalen Zustand der Jünger von Jesus während der drei Tage.
  2. Was war der Hauptgrund, die Hauptursache für ihre Verzagtheit?
  3. Wie geht Jesus als ihr Hirte und Seelsorger mit den Schwachheiten seiner Jünger um?
  4. Welche Perspektive stellt Jesus seinen Jüngern bereits im Vorfeld in Aussicht?

[1] Die Verse 18 und 17 sind in dieser Tabelle wegen der parallelen Darstellung der Abläufe vertauscht.

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Auf Ihn hört und was Er euch sagt, das tut !

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Abbildung 1 „Wer Ohren hat, der höre!““ (Zeichnung von J.S. Nov 2015).

 

Es gibt so viele Stimmen in dieser Welt und viele drängen sich vor und wollen gehört werden.

  • Doch wer hat heute etwas wesentliches, ja lebensnotwendiges zu sagen?
  • Wem wenden wir unser Gehör zu?
  • Auf wen hören wir und wem gehorchen wir?

Auf den ersten Blick scheinen diese zwei oben genannten Aufforderungen wie aus der Luft gegriffen zu sein. Doch wenn wir uns klar werden, in welchen Textzusammenhängen und von wem sie ausgesprochen wurden, werden wir bald feststellen, wie diese beiden Aufforderungen zusammengehören und für uns heute aktuell sind.

 

Die erste Aufforderung kommt von Gott, dem Vater aus dem Himmel 

Abbildung 2 Blick von der Festung Gadara über den See Genezaret und das galiläische Bergland (Foto: 3. November 2014).

Jesus befand sich mit seinen drei nächsten Jüngern – Petrus, Jakobus und Johannes – auf dem sogenannten `Heiligen Berg`. In Matthäus 17,1-5 (Elbf) lesen wir:

  • Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, mit und führt sie abseits auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen umgestaltet. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht; und siehe, Mose und Elia erschienen ihnen und unterredeten sich mit ihm. Petrus aber begann und sprach zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine. Während er noch redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke, und siehe, eine Stimme kam aus der Wolke, welche sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Ihn hört !“ (vgl. mit dem Bericht des Lukas aus Kap 9,28-36).

Gott selbst fordert die Jünger und damit auch uns auf unsere gesamte, ja ungeteilte Aufmerksamkeit auf Jesus zu lenken und zu hören, was er zu sagen hat. Und er hat sehr wichtiges, ja lebensnotwendiges zu sagen.

Jahre später bestätigt der Apostel Petrus dieses Erlebnis auf dem Berg der Verklärung

  • Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, nicht indem wir  ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern weil wir Augenzeugen seiner herrlichen Größe gewesen sind. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der erhabenen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Und diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, und ihr tut gut, darauf zu achten als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in euren Herzen aufgeht“ (2Petr 1,16-19 – Elbf).

 

In seiner Pfingstpredigt zitiert Petrus den Propheten Mose, der dem Volk Israel auf Gottes Anweisung um etwa 1500 v. Chr. folgendes gesagt hat:

Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, euer Gott, erwecken aus euren Brüdern; den sollt ihr hören in allem, was er zu euch sagen wird, (ihm sollt ihr gehorchen). Und es wird geschehen, welche Seele auf jenen Propheten nicht hören wird, die soll ausgerottet werden aus dem Volk“ (vgl. Apg 3,22 und 7,37 mit 5Mose 18,15. 19).

So bedeutend sind die Worte dieses Propheten Jesus Christus. Darauf zu hören und zu achten entscheidet über Leben und Tod.

 

Die zweite Aufforderung kommt von Maria, der Mutter von Jesus

Auf der Hochzeit im galiläischen Kana hatte Maria, die Mutter Jesu einiges zu sagen. Doch sie erkennt ihre Grenzen und lenkt die Aufmerksamkeit der Diener auf Jesus mit den Worten: „Was er (Jesus) euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Die Diener gehorchten und taten, was Jesus ihnen sagte und erlebten das Wunder der Verwandlung des Wassers in Wein. „Diesen Anfang der Zeichen machte Jesus zu Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit; und seine Jünger glaubten an ihn.“ (Joh 2,11 Elbf). Wer also auf Jesus hört und tut was er sagt, der erlebt Ungewöhnliches, Übernatürliches mitten im Leben.

 

Nun, was hat denn Jesus gesagt und wozu hat er aufgefordert?

Etwa dreieinhalb Jahre lehrte Jesus seine Jünger und das Volk über das Reich Gottes. Die vier Evangelisten schrieben die Worte und Taten von Jesus auf. Hier nur wenige Auszüge:

  • Die erste Predigt, welche Jesus gehalten hatte, beginnt mit den Worten:Die Zeit ist erfüllt und nahe gekommen das Reich Gottes; tut Buße (ändert eure Gesinnung, euer Denken) und glaubt an das Evangelium (die Frohe Botschaft von der Erlösung durch Christus). (Markus 1,15). Jesus ist diese `Frohe Botschaft` Gottes in Person.
  • In Johannes 14,1 fordert Jesus seine Jünger auf: „Glaubt an Gott und glaubt an mich.
  • In Johannes 3,36 sagte Jesus: „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben, wer dem Sohn nicht gehorcht, der wird das Leben nicht sehen, sonder der Zorn Gottes bleibt auf  ihm.“
  • In der Synagoge zu Kapernaum fragten die Pharisäer Jesus: „Was sollen wir tun, damit wir die Werke Gottes wirken? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: „Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ (Joh 6,28-29).
  • Ebenso sagte Jesus: „Denn das ist der Wille meines Vaters, dass, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, das ewige Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.“ (Joh 6,40). 
  • Bei seinem Abschied gebot Jesus seinen Jüngern: Darum geht hin und macht zu Jüngern (unterweist) alle Völker, tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie zu halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendungs des Zeitalters.“ (Mathäus 28,19-20).
  • Darum spricht der Heilige Geist: „Heute, so ihr seine (Jesu) Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.“ (Hebräer 2,7-8).

All diese Aussagen machen deutlich, dass es sich nicht um das Bemühen des Menschen handelt, für Gott etwas besonderes zu leisten oder gar begangenes Unrecht abzuleisten, Schuld abbüßen. Vielmehr oder zunächst geht es um die Entgegennahme der Gabe Gottes in Jesus Christus und zwar durch Glauben. Diese Gabe besteht aus:

  • Vergebung der Sünden und damit der Gerechtsprechung auf der Grundlage des Erlösungswerkes Christi am Kreuz – „es ist Vollbracht“,
  • Der Errettung von der ewigen Verlorenheit, Befreiung von der Verdammnis und Gottferne – ewiger Tod, Hölle,
  • Diese Gabe ist das ewige Leben in Jesus Christus – beginnend schon hier und sich fortsetzend nach der Auferstehung des Leibes am jüngsten Tag in himmlischer, göttlicher Sphäre – Himmel.

Jesus ist der von Gott gesandte Prophet (Sprecher im Namen Gottes) und nur er hat wirklich etwas Wichtiges zu sagen. Etwas, was zu unserem Leben und Überleben notwendig ist.

Darum: Auf Ihn hört !

 

 

 

Zuerst hören, dann handeln

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Recht haben, Recht suchen – was sagt Gott dazu?

Überlegungen zu den Themen:

  • Recht haben
  • Recht suchen
  • Vergebung üben

Abbildung 1 „Rechte Waage, rechtes Gewicht, rechter Scheffel und rechtes Maß sollen bei euch sein; ich bin der HERR, euer Gott, der euch aus Ägyptenland geführt hat,“ (3Mose 19,36) (Foto: 26, Januar 2016)

Wir beobachten, dass der Mensch grundsätzlich ein Gespür für Gerechtigkeit und Wahrheit hat (1Mose 3,22: „Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist“). Das ist die Ausgangsbasis für das menschliche Rechtsbewusstsein. Besonders empfindlich reagiert er, wenn seine eigenen Rechte beschnitten werden und er sucht mit recht sein Recht. Wir beobachten auch, dass jeder Mensch dieses Hohe Gut subjektiv wahrnimmt. Daher geht es oft nur mittels Vermittlung durch Psychotherapeuten, Seelsorger oder auch Anwälte und bürgerliche Gerichte.

Hier einige Grundaussagen der Bibel zum Recht und gerechtem Verhalten:

5Mose 10,17-19: „Denn der HERR, euer Gott, Er ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, mächtige und furchtgebietende Gott, der die Person nicht ansieht und kein Bestechungsgeschenk annimmt, der der Waise und der Witwe Recht schafft und den Fremdling lieb hat, sodass er ihm Speise und Kleidung gibt. Und auch ihr sollt den Fremdling lieben, denn ihr seid ebenfalls Fremdlinge gewesen im Land Ägypten.“

 

Psalm 103,6: „Der HERR übt Gerechtigkeit und schafft Recht allen Unterdrückten.“

Gerechtigkeit ist eine der vielen Wesenseigenschaften Gottes, so ist Er! Entsprechend dieser Eigenschaft handelt Er selber und fordert die Menschen zu entsprechendem Handeln auf.

Psalm 82,3: „Schafft Recht dem Geringen und der Waise, den Elenden und Armen lasst Gerechtigkeit widerfahren!“

Gott kann zwar selber direkt eingreifen wenn es um gerechtes Urteil zwischen Menschen geht, doch dafür bezieht er sehr oft Menschen mit ein, daher sein Aufruf, ja sogar Aufforderung an die ensprechenden Verantwortlichen, den Benachteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen.

Lukas 18,1-8: „Er (Jesus) sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen sollte, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage (mich in Verruf bringt, meinen Ruf untergrabe). Da sprach der Herr (Jesus): Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?“

Schlussfolgerungen:

  • Es gibt immer wieder Benachteiligte (Arme, Witwen, Waisen, Fremdlinge, Alleinstehende, Arbeitslose, Kranke, Ältere, Pflegebedürftige, der Gesetze unkundige Menschen.
  • Ein Mensch darf sein Recht anhaltend suchen, auch durch Vermittlung offizieller Institutionen.
  • Im Vergleich zu Gott, handeln die Vermittlungsstellen nicht immer uneigennützig (damals wie heute). In Ost und Süd sind es offensichtliche Geschenke, Schmiergelder die weiterhelfen, in West und Nord ist es das Ansehen, Günstlingsmotive oder Hörigkeit einer höheren Instanz gegenüber.
  • Mit Fortschreiten der Geschichte, nimmt der Glaube, das Vertrauen, die Treue, die Wahrheit und Gerechtigkeit mehr und mehr ab (Mt 24,12: „Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.“). Die Liebe zu Gott, zum Nächsten und auch die Liebe zur Wahrheit, die Liebe zur Gerechtigkeit.
  • Gott registriert und bewertet jede Handlung, jedes menschliche Urteil nach ihrem Wahrheitsgehalt und früher oder später kommt alles ans Licht. Er wird das Rufen der Witwe, Waise, des Unterdrückten, …, nicht überhören.

 

Doch Vorsicht beim RECHT suchen und fordern

Es sprach aber einer aus der Volksmenge zu ihm (zu Jesus): Meister, sage meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teilen soll! Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler über euch gesetzt? Er sagte aber zu ihnen: Habt acht und hütet euch vor der Habsucht! Denn niemandes Leben hängt von dem Überfluss ab, den er an Gütern hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Das Feld eines reichen Mannes hatte viel Frucht getragen. Und er überlegte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun, da ich keinen Platz habe, wo ich meine Früchte aufspeichern kann? Und er sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter aufspeichern und will zu meiner Seele sagen: Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und sei guten Mutes! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! In dieser Nacht wird man deine Seele (dein Leben) von dir fordern; und wem wird gehören, was du bereitet hast? So geht es dem, der für sich selbst Schätze sammelt und nicht reich ist für Gott! (Lk 12,13-21).

Es fällt auf, dass Jesus sich nicht einspannen lässt, um als Schlichter oder Erbrichter zu fungieren.

  • Es gab Orts- und Stadtgerichte oder gar den Hohenpriester, welche für diese Angelegenheiten der Bürger zuständig waren. Das heißt in kein fremdes Amt eingreifen. (In einem Sprichwort heißt es: „Was nicht deines Amtes ist, da lass deinen Vorwirtz“).
  • Es gab Vorschriften im Mosaischen Gesetz, wonach das Erbe geregelt wurde (zum Beispiel in 5Mose 21,16-17; 4Mose 27,7). Es gibt bürgerliche Gesetze, nach denen in unserem Land die verschiedenen Rechtsfragen geregelt werden können.

Der Kläger, Bittsteller in der von Jesus geschilderten Geschichte hatte, laut der Zurückhaltung von Jesus zwei Möglichkeiten:

  1. Er geht zum amtierenden Richter seiner Stadt, sucht sein Recht per Gesetz. Dabei riskiert er seine Beziehung zu seinem Bruder.
  2. Er verzichtet auf sein Recht (oder vermeintliches Recht), lässt seinen Anspruch fallen, nimmt materielle Einbußen in Kauf, hat aber ein reines Gewissen und seinerseits eine unverletzte Beziehung zu seinem Bruder bewahrt. Er hält dem Bruder die Tür offen, sich nach Einsicht bei ihm zu entschuldigen und freiwillig den Ausgleich zu gewähren.

Da Jesus das Herz dieses Mannes kannte, bzw. den Wahrheitsgehalt, die Motivation welche hinter der Forderung an seinen Bruder standen, bekommt er und auch die anderen Zuhörer die oben zitierte Geschichte zu hören. Übrigens führen gerade Erbangelegenheiten unter den Nachkommen häufig zu Streitigkeiten und Entzweiungen. Da ist abzuwägen, was einem Wertvoller ist. Das Recht – etwas mehr Hab und Gut, oder der Verzicht – dafür mehr Ruhe und Frieden.

 

Schprichwörter mit Wahrheitsgehalt:

  • Genaue Rechnung, lange Freundschaft
  • Da wo`s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf
  • Habgier ist die Wurzel für jedes Übel
  • Was der Mensch sät, das wird er auch ernten
  • Unrecht Gut gedeiht nicht

 

Vergebung – was bedeutet das?

 

Jeder Mensch macht sich im Laufe seines Lebens schuldig:

  • Schuldig an sich selbst (seinem Körper, Seele, Geist) durch falsche oder ungesunde Ernährung, unausgewogenen Lebensstil in Arbeit und Erholung. Ungesunde Lektüre, Medien, schlechter Umgang (Sprichwort: „sag mir mit wem du umgehst, dann sage ich dir, wer du bist“).
  • Er macht sich schuldig an anderen Menschen (Eltern, Ehepartner, Kinder, Mitschülern, Kollegen, Nachbarn) durch seinen Egoismus, Rechthaberei, Machtmissbrauch, bis hin zu psychischer oder auch physischer Gewalt. Viele von diesen Verschuldungen werden öffentlich geahndet, das meiste jedoch kommt nicht ans Licht. Einiges an Verschulden wird bagatellisiert und ist hoffähig geworden (hat seine Akzeptanz in der Gesellschaft).
  • Die Schuld hat zwei Seiten: Aktives, bewusstes Unrecht tun, das heißt – ein Verbot missachten und das offensichtliche und bewusste Versäumen das Gute zu tun, das heißt ein Gebot nicht erfüllen (zum Beispiel unterlassene Hilfeleistung).
  • Will man eigenes Verschulden gegen erlittenes Unrecht aufrechnen (aufwiegen), käme man nie zu einem befriedigenden Ausgleichs-Ergebnis.
  • In der bürgerlichen Gesetzgebung (die teilweise dem Gesetz Moses entnommen ist) liegt der Gedanke der Vergeltung (der Höhe der Schuld entsprechender Ausgleich) zu Grunde (Zurückzahlen, Wiedererstatten oder büßen, abbüßen durch Entzug der Freiheit). Dies trägt zur Eindämmung der Ungerechtigkeit bei. Doch dadurch wird das eigentliche Problem im Herzen eines Menschen keineswegs gelöst.

Da kommt das Prinzip der Vergebung zu Hilfe. Das deutsche Wort `Vergebung` hat grundsätzlich etwas mit Schulden-Tilgung zu tun. Das altgriechische Substantiv dafür ist `ἄφεσις – afesis` und meint `Erlassung, Tilgung, Löschung von Schuld(en) (Mt 6,12; 18,23-35; Eph 1,7). Der größte Schuldentilger ist Gott selbst. Auf der einen Seite ist er als der Gerechte Gott sogar verpflichtet, den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, auf der anderen Seite hat er aus Liebe und Erbarmen dem Menschen dessen Schuld(en) auf seinen Sohn gelegt und Jesus war bereit diese Lasten auf sich zu nehmen (Jes 53,5-6: „Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.“) Dieser Entschluss und diese Tat kostete ihm sein physisches Leben durch Kreuzigung (das ist die Botschaft von der Krippe und dem Kreuz zugleich). Auf diese Weise bleibt Gott gerecht (Jesus trägt die Schuld und Strafe für alle Vergehen der Menschen) und Er hat legalen (also juristischen Grund) um dem verschuldeten Menschen Gnade vor Recht ergehen zu lassen, also seine Schuld zu tilgen. Er verbürgte sich bereits vor dem Kommen des Christus/Retters und Erlösers und lies durch den Propheten Jeremia sagen:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken. (Jer 31,31-33; vgl. auch Matthäus 26,26-28; Hebräer 10,16-18).

 

Was er im Abendmahl (Brot und Kelch) vorgebildet hatte, wurde wenige Stunden danach durch die Hingabe seines Lebens als Opferlamm rechtskräftig und wirksam (so wie es auch in der menschlichen Praxis ist – das Erbdokument, der Nachlass tritt erst mit dem Tod des Erbstifters in Kraft).

Die Qualität der Vergebung von Gott ist auch darin zu erkennen, dass er an die durch ihn getilgte Schuld nicht mehr denken wird.

 

Drei Abschlussgedanken:

  1. Jeder Mensch der sich benachteiligt weiss, hat das Recht, sein Recht zu suchen, dafür unablässig zu Gott zu rufen und die entsprechenden Personen oder Instanzen anzurufen.
  2. Jeder Mensch sollte seine inneren, oft tief verborgenen Motive, Beweggründe und Ziele die er verfolgt, sorgfältig prüfen. „Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel“, welche Menschen bei der Suche nach ihrem Recht anwenden.
  3. Wo immer ein Mensch aus Gnade Vergebung übt (auch zu seinem eigenen Nachteil Schulden erlässt) handelt er Gott-ähnlich, er fängt an, Gott in seiner Art zu erkennen. Er befreit andere und bekommt tiefen Frieden in sein Herz, seine Seele. Jemandem, dessen Schuld hinterhertragen ist auch nicht leicht, es raubt Kraft und Energie, die an anderer Stelle sehr gut oder besser eingesetzt werden könnte.

 

Fragen / Aufgaben:

 

  1. Wann und in welchem Lebensbereich wurde dir dein Recht versagt und wie empfandest du dabei?
  2. Wo hast du dein Recht gesucht und auch bekommen? Was war da deine Reaktion?
  3. Wie gehst du damit um, wenn dir Unrecht zugefügt wird, du verletzt wirst? Was für Erfahrungen hast du mit dem Vergeben gemacht?
  4. Wie viel und wie oft meinst du, wurde dir vergeben?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Audio-Predigten zu diesem und weiteren Themen finden sie auf der Homepage: „http://gego-buechenbronn.de/ und auf der Homepage: http://gottesgeheimnis.net/

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Darf ein Christ zürnen?

Darf ein Christ zürnen?

 

Abbildung 1 Ein Zornesausbruch gleicht „wilden Wellen des Meeres, die ihre eigene Schande ausschäumen.“ – Judas 1,13b (Foto am 5. Februar 2007 Agia Napa Südzypern).

 Ist Zornesausbruch Sünde?

 

Im „Meyers Neues Lexikon“ finden wir folgende Definition des Wortes `Zorn`:

Zorn, leidenschaftlicher und heftiger Unwille über etwas, das als Unrecht empfunden wird oder den eigenen Intentionen und Wünschen zuwiderläuft. Zorn äußert sich in Miene, Wort oder Handlung und richtet sich meist gegen eine bestimmte Person.“

 

Nun, die Frage, ist Zornesausbruch Sünde oder darf ein Christ zürnen, stellt sich für einige Christen aufgrund von zwei Aussagen des Neuen Testamentes.

Erstens: Wenn Jesus zornig wurde und durfte, warum nicht auch seine Nachfolger, denn er ist ja  ihr Vorbild im Verhalten? Bei dieser Argumentation versucht man den Zorn zu qualifizieren – man spricht vom göttlichen oder heiligen Zorn. Dabei ist es sehr bedenklich, das ein Mensch (Christ) sich anmaßt göttlich oder heilig zürnen zu können. Oft wird das Zornesverhalten von Jesus mit der Tempelreinigung in Verbindung gebracht (Joh 2,13ff). Doch dort wird nicht von Jesu Zorn, sondern seinem Eifer (gr. ζήλος – z¢los) um das Haus seines Vaters gesprochen. Und dies ist ein anderer Begriff und wird von den neutestamentlichen Autoren nicht nur in negativem, sondern auch in positivem Sinne verwendet. So sagt Paulus: „Ich eifere um euch (Korinther)  mit göttlichem Eifer (ζήλοςz¢los).“ (2Kor 11,2).

Steht irgendwo in den Schriften des Neuen Testamentes in Bezug auf einen Menschen geschrieben: „Ich zürne dir mit göttlichem Zorn?“ Nein, natürlich nicht. In Markus 3,5 heißt es allerdings von Jesus im Zusammenhang der Heilung der verdorrten Hand eines Mannes am Sabbat: „Und er sah sie (seine Gegner) an mit Zorn (gr. οργής org¢s).“ Jesus ist also heftig unwillig geworden über seine Gegner. Auch fügt der Evangelist Markus hinzu, dass Jesus sehr betrübt wurde über die Herzenshärte der Pharisäer. weil sie so hartnäckig an ihrer eigenen Überlieferung festhielten und dabei das schwerwiegendere im Gesetz (Barmherzigkeit und Nächstenliebe) sträflich übergingen. Zorn und Traurigkeit stand Jesus im Gesicht. Die Vergeltung, das Gericht an seinen Gegnern übte er jedoch nicht aus. Er wandte sich dem Kranken Menschen zu. Kein einziges Mal hatte Jesus in seinem Menschsein seinen Zorn als `Vergeltungsmaßnahme`, als `Rache` angewendet.

Doch in Offenbarung 6,16 lesen wir über ihn: „Und sie (die Gottlosen) sagen zu den Bergen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem, der auf dem Thron sitzt und vor dem Zorn (gr. οργήςorg¢s) des Lammes (das ist Jesus Christus).“ Jesus, als Menschen,- und Gottessohn hat von seinem Vater die Vollmacht übertragen bekommen zu richten (Joh 5,22) und daher auch das Recht und die Fähigkeit gerecht, heilig und göttlich zu zürnen, das heißt zu Vergelten.

Bibelstellenverzeichnis, die den legitimen Zorn Gottes (sein Vergeltungsrecht) hervorheben: Joh 3,36;  Röm 1,18;  Eph 5,6; Kol 3,6;  1Thess 1,10; 2Thess 2,16; Hebr 3,11 u.a.m.

 

Zweitens:  Die zweite Aussage, welche zu Missverständnissen geführt hat, finden wir in Epheser 4,26,- im griechischen steht dort: „ὀργίζεσθε καὶ μὴ ἁμαρτάνετε· ὁ ἥλιος μὴ ἐπιδυέτω ἐπὶ [τῷ] παροργισμῷ ὑμῶν.“ Es gibt folgende Übersetzungsvarianten:

Elbf: „Zürnet und sündiget (dabei) nicht!  Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn.“ Das in Klammern gesetzte (dabei) ist eine grammatische Hinzufügung und verleit der Übersetzung einen bestimmten Akzent. Es steht jedoch so nicht im griechischen Text.

LÜ 84 und Interlinear: „Zürnet und sündiget nicht.“ Diese beiden Übersetzungen sind gleich und auch eindeutig. `zürnen` kann mit `sündigen` gleichgesetzt werden. Beides soll man nicht tun. Doch der zweite Teil der Aussage: „Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, macht deutlich, dass Zorn im Verhalten des Christen vorkommen kann. In diesem Fall drängt der Apostel Paulus darauf, ihn so bald wie möglich abzulegen. Ich denke, dass sich diese Aussage des Apostels Paulus eher als Warnung anhört. Sie bietet keinen Grund für die Rechtfertigung des zornigen Verhaltens eines Christen. Daher ist die zweite Hälfte des Verses eher ein praktischer Hinweis für den Fall, dass man dem Zorn, also dem Vergeltungsdrang Raum gegeben hat. Nach der Bewertung von Jesus ist es bereits dann Sünde, wenn man in Gedanken seines Herzens einer Tat zugestimmt hat (Mt 5,28; 15,19). Hier ist Kontrolle und Selbstbeherrschung der emotionalen Regungen gefragt.

 

Um jedoch mehr Sicherheit für das Verstehen dieser Aussage zu bekommen, wollen wir noch  andere Bibelstellen als Belege heranziehen.

  • Im gleichen Kapitel des Epheserbriefes (4, 31) schreibt Paulus: „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn (οργήςorg¢s) sei  ferne (weggenommen) von euch, samt aller Bosheit.“ Das „alle“ oder „jede“ macht doch deutlich, das jede Art oder Umfang von diesen genannten Dingen gemieden, bzw. nicht zugelassen werden sollen, eingeschlossen der Zorn.
  • In Kolosser 3,8 schreibt Paulus: „Nun aber legt alles von euch ab: Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, unanständige Rede“. Wenn schon unanständige Rede Sünde ist, wie viel mehr der Zorn oder Zornesausbrüche, die in der Regel von bösen, verletzenden Worten begleitet werden und die von Vergeltung, Rache nehmen, motiviert sind.
  • Im Zusammenhang der Empfehlungen an Eltern sagt der Apostel in Epheser 6,4: „Macht eure Kinder nicht zornig, sondern erzieht sie in der Furcht und Ermahnung des Herrn.“ Oder: „reizt eure Kinder nicht zum Zorn“. Unangemessene Erziehungsmethoden bewirken in den Kindern Rachegefühle und wenn sie diese wegen ihrer Schwachheit an den ihnen überlegenen Vätern nicht ausüben können, wenden sie diese Vergeltungsreaktionen an Schwächeren an. In diesem Bereich versündigen sich Eltern an ihren Kindern und stehen in der Verantwortung ihre Schuld einzusehen und den Kindern zu helfen mit ihren Emotionen sorgfältig umzugehen.
  • Jakobus schreibt in seinem Brief  (1,19-20): „(…) Jeder Mensch aber sei langsam zum Reden und langsam zum Zorn, denn der Zorn eines Mannes (eines Menschen) bewirkt vor Gott keine Gerechtigkeit.“ Niemand kann also sein Zornesverhalten vor Gott rechtfertigen, denn in Römer 12,19 warnt Paulus: „Rächt euch selber nicht, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn (Gottes). Denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Hier wird eindeutig der zentrale Inhalt des Zornes beschrieben, nämlich: Vergeltung im Sinne der Rache. Dies , so der Apostel, steht nur Gott zu und er stützt sich dabei auf Gottes Aussage in 5Mose 32,35; ebenso Hebr 10,30). Die Geschichte über die Rachegedanken und Worte von David in 1Samuel 25,2-39, der fest entschlossen war sich an dem boshaften und geizigen Nabal zu rächen, ist eine deutliche Mahnung an die Christen. Eine sehr eindrückliche Episode aus dem Neuen Testament erhellt unser Thema und gibt Antwort auf unsere Fragestellung. Es ist die Reaktion der zwei Jünger – Jakobus und Johannes, welche wegen der ablehnenden Haltung der Samariter zu Jesus, bereit gewesen wären an diesen Dorfbewohnern grausame Vergeltung zu üben. Der Evangelist Lukas schreibt: „Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. Als aber das die Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. Er aber wandte sich um und bedrohte sie. Und sie gingen in ein anderes Dorf.“ (Lk 9,52-56). Jesus selbst ließ sich nicht provozieren, als der Diener des Hohenpriesters Hannas ihn ins Gesicht schlug. Er ließ aber diese ungerechte Handlung nicht unbeantwortet, sondern redete dem Mann ins Gewissen. Der Evangelist Johannes schreibt: „Als er so redete, schlug einer von den Dienern, der dabeistand, Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? Jesus antwortete ihm: Habe ich übel geredet, so beweise, dass es übel ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?“ (Joh 18,22-23). Dies ist eine angemessene Reaktion auf zugefügtes Unrecht.  Was Jesus lebte, das lehrte er auch. „Ihr habt gehört, daß den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. Wer aber tötet, wird dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder zürnende seinem Bruder, wird dem Gericht verfallen sein.“ (Mt 5,21-22).

Durch diese klaren Aussagen des NT wird deutlich:

Der Zorn (Rache/Vergeltung in Gedanken, Worten und Taten)  gehört nicht zum Christsein.

 

Wenn also ein Christ das Zürnen aus seiner früheren Vergangenheit als sündhafte Gewohnheit noch nicht abgelegt hat, soll er durch die Erkenntnis der Schrift und durch die Kraft des Heiligen Geistes eine klare Entscheidung treffen, wenn nötig sogar vor Zeugen und ihn, den Zorn ablegen, sich davon absagen und dafür der Liebe Gottes Raum schaffen.

Wenn es bei einem Christen doch mal vorkommt, das er sich zu einem Zornesausbruch mit Vergeltungsreaktionen hinreißen läßt, soll er sich nach Epheser 4,26 so schnell wie möglich davon distanzieren, bzw. den angerichteten Schaden wieder gut machen, in dem er bei Gott und der betreffenden Person um Vergebung bittet.

Abbildung 2 Das ruhige Meer gleicht einem Menschen in dessen Herzen der Friede Gottes herrscht, es gleicht einem Menschen, dessen Herz in Gott ruht. Agia Napa auf Südzypern (Foto am 7. Januar 2006).

Das Vakuum muß mit anderen geistlichen Eigenschaften ausgefüllt werden. In 1Korinther 13 lesen wir: „Die Liebe rechnet das Böse nicht an.“

Die Liebe ist Langmütig, sie hat also langen Atem, sie äußert sich im geduldigen ertragen.

Aber die Liebe ist auch aktiv. Sie kann mehr, als nur ertragen. „Vergeltet nicht Böses mit Bösem, noch Scheltwort mit Scheltwort“. Wenn ich den, dem ich zürnen (vergelten) wollte, freundlich aber auch entschieden zurechtweise, ihm die Schuld nicht nachtrage, dann bleibe ich in der Liebe.

Die völlige Liebe Christi, als Frucht des Heiligen Geistes, schließt den Zorn als Racheaktion völlig aus.

Eine Quelle kann nicht gleichzeitig süßes und salziges Wasser geben.

Wer seinen nächsten, aber auch seinen Feind segnet, der hat den Zorn besiegt !

 

 

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Sieben Edelsteine für den Aufbau und das Gelingen einer Ehe

Sieben Edelsteine

für den Aufbau und das Gelingen einer Ehe

 

Abbildung 1 Kostbare Edelsteine faszinieren Menschen seit Jahrtausenden. Sie können ein Hinweis sein für die Vielfalt und Schönheit von geordneten Beziehungen in Ehe und Familie (Foto von W. S. am 30. Januar 2018).

Wenn eine Ehe im Rahmen des göttlichen Willens und Planes vorbereitet, begonnen und geführt wird, wird der Segen und das Wohlwollen Gottes darauf  ruhen. Dabei sollten bestimmte und sehr wichtige Prinzipien beachtet werden.

 

 

 

  1. Baustein: Einander annehmen

Alle Vorbehalte, sofern es welche gibt, sollten im Vorfeld der Eheschließung ausgeräumt

werden. „JA, ich will“, mit diesem Gelöbnis beziehen Ehepartner einander voll

und ganz in das eigene Leben ein.

  • Man ist nicht mehr allein,
  • Man entscheidet nicht mehr eigenständig, eigenmächtig  und eigenwillig.

Ab jetzt wird das Leben nicht einfach nur geteilt, sondern gemeinsam gestaltet.

Der Apostel Paulus schreibt an die Gläubigen in Rom folgendes: „Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat zu Gottes Herrlichkeit.“ (Röm 15,7).  Christus gestaltet die neue Beziehung mit seiner Gemeinde – diese Herausforderung gilt auch für die Ehe zwischen Mann und Frau.

 

  1. Baustein: Bereitschaft zur Veränderung

Nicht die Veränderung des anderen, sondern `sich selbst verändern` heißt nun die Devise. Die Mühe und der Aufwand, den anderen zu verändern, lohnt nicht, es ist nur Vergeudung der Kräfte, die anderweitig besser eingesetzt werden können. Jede Veränderung beginnt zunächst im Denken.

Auch zu diesem Bereich schreibt der Apostel Paulus: „Verwandelt euch durch das erneuern eures Denkens.“ (Römer 12,2).

 

  1. Baustein: Schuld einander nicht anrechnen

Dies heißt nicht, dass Schuld zugedeckt werden soll, sondern nachdem sie aufgedeckt wurde, vergeben oder um Vergebung bitten. Eine regelmäßige Mühlentsorgung tut auch der Ehe gut. Dazu schreibt der Völkerapostel an die Epheser: „Seid aber zueinander freundlich, mitfühlend und begnadet einander, wie auch Gott euch in Christus begnadet hat.“ (Epheser 4,32). Schuldtilgung macht den frei, der die Schuld trägt und auch den, der die Schuld nachträgt.

 

  1. Baustein: Die Schwächen des Partners tragen/ertragen, die Stärken fördern

In der Natur des Menschen liegt es, auf die Schwächen anderer hinzuweisen und die eigenen Stärken hervorzuheben. Jedoch der umgekehrte Weg, den uns die Bibel aufzeigt, fördert beide Partner.

Dazu schreibt der Apostel Paulus an die Epheser: „Mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, ertragt einer den andern in Liebe.“ (Epheser 4,2).

 

  1. Baustein: Einander helfen dle jeweilige Bestimmung zu finden

Dazu sollte man die Herkunft, die Lebensgeschichte, die Gaben und Fähigkeiten des Partners berücksichtigen.

Der Apostel Paulus, der die Ichbezogenheit des Menschen kannte, schrieb dazu: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern (auch) auf das, was dem andern dient.“ (Philipper 2,3-4).

 

  1. Baustein: Schutz gegen Einmischung und Eingriffe Dritter

Gott räumt der Ehe eine Autonomie, also eine Eigenständigkeit/Selstständigkeit ein. Werden die territorialen Grenzen einer Ehe von Dritten überschritten, kommt es unweigerlich zu Konflikten. Gott selbst sah es für gut an, dass die junge Ehe sich eigenstämdig entfalten soll, getrennt von den Eltern. „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein „ein“ Fleisch.“ (1Mose 2,24;  Matthäus 19,5; Epheser 5,31). Es hat ein klarer Wechsel der Beziehungen und auch der Verhältnisse stattgefunden: weg von den Eltern und hin zu dem Ehepartner.

 

  1. Baustein: Gute Freundschaften stabilisieren eine Ehebeziehung

Sinnvoll ist eine gute Mischung von Freundschaften:

  • Freunde, im gleichen Alter und mit gleichen Interessen, mit denen man etwas gemeinsames unternehmen kann – Freunde also auf Augenhöhe.
  • Freunde, die älter sind, erfahrener, weiser, klüger, bei denen man lernen kann.
  • Freunde, die nicht nur jünger sind, sondern auch ärmer, schwächer, die Hilfe und Vorbilder brauchen.

Johannes, der Apostel, hatte viele gute Freunde und er kennt ihre Namen. So schreibt er in seinem dritten Brief an Gajus: „Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde, jeden mit Namen.“ (3Joh 15). Natürlich benötigen gute und lange  Freundschaften der Pflege, doch diese Investitionen zahlen sich aus. Ein stabiles Netzwerk von Freunden ist wertvoller als viele materiellen Güter.

 

Für die Stabilität und gute Entwicklung einer Ehebeziehung

sind alle sieben edle Bausteine gleichsam wichtig !

 

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