Abbildung 1 Ein Zornesausbruch gleicht „wilden Wellen des Meeres, die ihre eigene Schande ausschäumen.“ – Judas 1,13b (Foto am 5. Februar 2007 Agia Napa Südzypern).
Ist Zornesausbruch Sünde?
Im „Meyers Neues Lexikon“ finden wir folgende Definition des Wortes `Zorn`:
„Zorn, leidenschaftlicher und heftiger Unwille über etwas, das als Unrecht empfunden wird oder den eigenen Intentionen und Wünschen zuwiderläuft. Zorn äußert sich in Miene, Wort oder Handlung und richtet sich meist gegen eine bestimmte Person.“
Nun, die Frage, ist Zornesausbruch Sünde oder darf ein Christ zürnen, stellt sich für einige Christen aufgrund von zwei Aussagen des Neuen Testamentes.
Erstens: Wenn Jesus zornig wurde und durfte, warum nicht auch seine Nachfolger, denn er ist ja ihr Vorbild im Verhalten? Bei dieser Argumentation versucht man den Zorn zu qualifizieren – man spricht vom göttlichen oder heiligen Zorn. Dabei ist es sehr bedenklich, das ein Mensch (Christ) sich anmaßt göttlich oder heilig zürnen zu können. Oft wird das Zornesverhalten von Jesus mit der Tempelreinigung in Verbindung gebracht (Joh 2,13ff). Doch dort wird nicht von Jesu Zorn, sondern seinem Eifer (gr. ζήλος – z¢los) um das Haus seines Vaters gesprochen. Und dies ist ein anderer Begriff und wird von den neutestamentlichen Autoren nicht nur in negativem, sondern auch in positivem Sinne verwendet. So sagt Paulus: „Ich eifere um euch (Korinther) mit göttlichem Eifer (ζήλος – z¢los).“ (2Kor 11,2).
Steht irgendwo in den Schriften des Neuen Testamentes in Bezug auf einen Menschen geschrieben: „Ich zürne dir mit göttlichem Zorn?“ Nein, natürlich nicht. In Markus 3,5 heißt es allerdings von Jesus im Zusammenhang der Heilung der verdorrten Hand eines Mannes am Sabbat: „Und er sah sie(seine Gegner)an mit Zorn(gr. οργής– org¢s).“ Jesus ist also heftig unwillig geworden über seine Gegner. Auch fügt der Evangelist Markus hinzu, dass Jesus sehr betrübt wurde über die Herzenshärte der Pharisäer. weil sie so hartnäckig an ihrer eigenen Überlieferung festhielten und dabei das schwerwiegendere im Gesetz (Barmherzigkeit und Nächstenliebe) sträflich übergingen. Zorn und Traurigkeit stand Jesus im Gesicht. Die Vergeltung, das Gericht an seinen Gegnern übte er jedoch nicht aus. Er wandte sich dem Kranken Menschen zu. Kein einziges Mal hatte Jesus in seinem Menschsein seinen Zorn als `Vergeltungsmaßnahme`, als `Rache` angewendet.
Doch in Offenbarung 6,16 lesen wir über ihn: „Und sie (die Gottlosen) sagen zu den Bergen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem, der auf dem Thron sitzt und vor dem Zorn (gr. οργής – org¢s) des Lammes(das ist Jesus Christus).“ Jesus, als Menschen,- und Gottessohn hat von seinem Vater die Vollmacht übertragen bekommen zu richten (Joh 5,22) und daher auch das Recht und die Fähigkeit gerecht, heilig und göttlich zu zürnen, das heißt zu Vergelten.
Bibelstellenverzeichnis, die den legitimen Zorn Gottes (sein Vergeltungsrecht) hervorheben: Joh 3,36; Röm 1,18; Eph 5,6; Kol 3,6; 1Thess 1,10; 2Thess 2,16; Hebr 3,11 u.a.m.
Zweitens:Die zweite Aussage, welche zu Missverständnissen geführt hat, finden wir in Epheser 4,26,- im griechischen steht dort: „ὀργίζεσθε καὶ μὴ ἁμαρτάνετε· ὁ ἥλιος μὴ ἐπιδυέτω ἐπὶ [τῷ] παροργισμῷ ὑμῶν.“ Es gibt folgende Übersetzungsvarianten:
Elbf: „Zürnet und sündiget (dabei) nicht! Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn.“ Das in Klammern gesetzte (dabei) ist eine grammatische Hinzufügung und verleit der Übersetzung einen bestimmten Akzent. Es steht jedoch so nicht im griechischen Text.
LÜ 84 und Interlinear: „Zürnet und sündiget nicht.“ Diese beiden Übersetzungen sind gleich und auch eindeutig. `zürnen` kann mit `sündigen` gleichgesetzt werden. Beides soll man nicht tun. Doch der zweite Teil der Aussage: „Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, macht deutlich, dass Zorn im Verhalten des Christen vorkommen kann. In diesem Fall drängt der Apostel Paulus darauf, ihn so bald wie möglich abzulegen. Ich denke, dass sich diese Aussage des Apostels Paulus eher als Warnung anhört. Sie bietet keinen Grund für die Rechtfertigung des zornigen Verhaltens eines Christen. Daher ist die zweite Hälfte des Verses eher ein praktischer Hinweis für den Fall, dass man dem Zorn, also dem Vergeltungsdrang Raum gegeben hat. Nach der Bewertung von Jesus ist es bereits dann Sünde, wenn man in Gedanken seines Herzens einer Tat zugestimmt hat (Mt 5,28; 15,19). Hier ist Kontrolle und Selbstbeherrschung der emotionalen Regungen gefragt.
Um jedoch mehr Sicherheit für das Verstehen dieser Aussage zu bekommen, wollen wir noch andere Bibelstellen als Belege heranziehen.
Im gleichen Kapitel des Epheserbriefes (4, 31) schreibt Paulus: „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn (οργής – org¢s) sei ferne (weggenommen) von euch, samt aller Bosheit.“ Das „alle“ oder „jede“ macht doch deutlich, das jede Art oder Umfang von diesen genannten Dingen gemieden, bzw. nicht zugelassen werden sollen, eingeschlossen der Zorn.
In Kolosser 3,8 schreibt Paulus: „Nun aber legt alles von euch ab: Zorn,Grimm, Bosheit, Lästerung, unanständige Rede“. Wenn schon unanständige Rede Sünde ist, wie viel mehr der Zorn oder Zornesausbrüche, die in der Regel von bösen, verletzenden Worten begleitet werden und die von Vergeltung, Rache nehmen, motiviert sind.
Im Zusammenhang der Empfehlungen an Eltern sagt der Apostel in Epheser 6,4: „Macht eure Kinder nicht zornig, sondern erzieht sie in der Furcht und Ermahnung des Herrn.“ Oder: „reizt eure Kinder nicht zum Zorn“. Unangemessene Erziehungsmethoden bewirken in den Kindern Rachegefühle und wenn sie diese wegen ihrer Schwachheit an den ihnen überlegenen Vätern nicht ausüben können, wenden sie diese Vergeltungsreaktionen an Schwächeren an. In diesem Bereich versündigen sich Eltern an ihren Kindern und stehen in der Verantwortung ihre Schuld einzusehen und den Kindern zu helfen mit ihren Emotionen sorgfältig umzugehen.
Jakobus schreibt in seinem Brief (1,19-20): „(…) Jeder Mensch aber sei langsam zum Reden und langsam zum Zorn, denn der Zorn eines Mannes(eines Menschen) bewirkt vor Gott keine Gerechtigkeit.“ Niemand kann also sein Zornesverhalten vor Gott rechtfertigen, denn in Römer 12,19 warnt Paulus: „Rächt euch selber nicht, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn (Gottes). Denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.“ Hier wird eindeutig der zentrale Inhalt des Zornes beschrieben, nämlich: Vergeltung im Sinne der Rache. Dies , so der Apostel, steht nur Gott zu und er stützt sich dabei auf Gottes Aussage in 5Mose 32,35; ebenso Hebr 10,30). Die Geschichte über die Rachegedanken und Worte von David in 1Samuel 25,2-39, der fest entschlossen war sich an dem boshaften und geizigen Nabal zu rächen, ist eine deutliche Mahnung an die Christen. Eine sehr eindrückliche Episode aus dem Neuen Testament erhellt unser Thema und gibt Antwort auf unsere Fragestellung. Es ist die Reaktion der zwei Jünger – Jakobus und Johannes, welche wegen der ablehnenden Haltung der Samariter zu Jesus, bereit gewesen wären an diesen Dorfbewohnern grausame Vergeltung zu üben. Der Evangelist Lukas schreibt: „Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. Als aber das die Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. Er aber wandte sich um und bedrohte sie. Und sie gingen in ein anderes Dorf.“ (Lk 9,52-56). Jesus selbst ließ sich nicht provozieren, als der Diener des Hohenpriesters Hannas ihn ins Gesicht schlug. Er ließ aber diese ungerechte Handlung nicht unbeantwortet, sondern redete dem Mann ins Gewissen. Der Evangelist Johannes schreibt: „Als er so redete, schlug einer von den Dienern, der dabeistand, Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? Jesus antwortete ihm: Habe ich übel geredet, so beweise, dass es übel ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?“ (Joh 18,22-23). Dies ist eine angemessene Reaktion auf zugefügtes Unrecht. Was Jesus lebte, das lehrte er auch. „Ihr habt gehört, daß den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. Wer aber tötet, wird dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder zürnende seinem Bruder, wird dem Gericht verfallen sein.“ (Mt 5,21-22).
Durch diese klaren Aussagen des NT wird deutlich:
Der Zorn (Rache/Vergeltung in Gedanken, Worten und Taten) gehört nicht zum Christsein.
Wenn also ein Christ das Zürnen aus seiner früheren Vergangenheit als sündhafte Gewohnheit noch nicht abgelegt hat, soll er durch die Erkenntnis der Schrift und durch die Kraft des Heiligen Geistes eine klare Entscheidung treffen, wenn nötig sogar vor Zeugen und ihn, den Zorn ablegen, sich davon absagen und dafür der Liebe Gottes Raum schaffen.
Wenn es bei einem Christen doch mal vorkommt, das er sich zu einem Zornesausbruch mit Vergeltungsreaktionen hinreißen läßt, soll er sich nach Epheser 4,26 so schnell wie möglich davon distanzieren, bzw. den angerichteten Schaden wieder gut machen, in dem er bei Gott und der betreffenden Person um Vergebung bittet.
Abbildung 2 Das ruhige Meer gleicht einem Menschen in dessen Herzen der Friede Gottes herrscht, es gleicht einem Menschen, dessen Herz in Gott ruht. Agia Napa auf Südzypern (Foto am 7. Januar 2006).
Das Vakuum muß mit anderen geistlichen Eigenschaften ausgefüllt werden. In 1Korinther 13 lesen wir: „Die Liebe rechnet das Böse nicht an.“
Die Liebe ist Langmütig, sie hat also langen Atem, sie äußert sich im geduldigen ertragen.
Aber die Liebe ist auch aktiv. Sie kann mehr, als nur ertragen. „Vergeltet nicht Böses mit Bösem, noch Scheltwort mit Scheltwort“. Wenn ich den, dem ich zürnen (vergelten) wollte, freundlich aber auch entschieden zurechtweise, ihm die Schuld nicht nachtrage, dann bleibe ich in der Liebe.
Die völlige Liebe Christi, als Frucht des Heiligen Geistes, schließt den Zorn als Racheaktion völlig aus.
„Eine Quelle kann nicht gleichzeitig süßes und salziges Wasser geben.“
Wer seinen nächsten, aber auch seinen Feind segnet, der hat den Zorn besiegt !
Abbildung 1 Kostbare Edelsteine faszinieren Menschen seit Jahrtausenden. Sie können ein Hinweis sein für die Vielfalt und Schönheit von geordneten Beziehungen in Ehe und Familie(Foto von W. S. am 30. Januar 2018).
Wenn eine Ehe im Rahmen des göttlichen Willens und Planes vorbereitet, begonnen und geführt wird, wird der Segen und das Wohlwollen Gottes darauf ruhen. Dabei sollten bestimmte und sehr wichtige Prinzipien beachtet werden.
Baustein: Einander annehmen
Alle Vorbehalte, sofern es welche gibt, sollten im Vorfeld der Eheschließung ausgeräumt
werden. „JA, ich will“, mit diesem Gelöbnis beziehen Ehepartner einander voll
und ganz in das eigene Leben ein.
Man ist nicht mehr allein,
Man entscheidet nicht mehr eigenständig, eigenmächtig und eigenwillig.
Ab jetzt wird das Leben nicht einfach nur geteilt, sondern gemeinsam gestaltet.
Der Apostel Paulus schreibt an die Gläubigen in Rom folgendes: „Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat zu Gottes Herrlichkeit.“ (Röm 15,7). Christus gestaltet die neue Beziehung mit seiner Gemeinde – diese Herausforderung gilt auch für die Ehe zwischen Mann und Frau.
Baustein: Bereitschaft zur Veränderung
Nicht die Veränderung des anderen, sondern `sich selbst verändern` heißt nun die Devise. Die Mühe und der Aufwand, den anderen zu verändern, lohnt nicht, es ist nur Vergeudung der Kräfte, die anderweitig besser eingesetzt werden können. Jede Veränderung beginnt zunächst im Denken.
Auch zu diesem Bereich schreibt der Apostel Paulus: „Verwandelt euch durch das erneuern eures Denkens.“ (Römer 12,2).
Baustein: Schuld einander nicht anrechnen
Dies heißt nicht, dass Schuld zugedeckt werden soll, sondern nachdem sie aufgedeckt wurde, vergeben oder um Vergebung bitten. Eine regelmäßige Mühlentsorgung tut auch der Ehe gut. Dazu schreibt der Völkerapostel an die Epheser: „Seid aber zueinander freundlich, mitfühlend und begnadet einander, wie auch Gott euch in Christus begnadet hat.“ (Epheser 4,32). Schuldtilgung macht den frei, der die Schuld trägt und auch den, der die Schuld nachträgt.
Baustein: Die Schwächen des Partners tragen/ertragen, die Stärken fördern
In der Natur des Menschen liegt es, auf die Schwächen anderer hinzuweisen und die eigenen Stärken hervorzuheben. Jedoch der umgekehrte Weg, den uns die Bibel aufzeigt, fördert beide Partner.
Dazu schreibt der Apostel Paulus an die Epheser: „Mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut,ertragt einer den andern in Liebe.“ (Epheser 4,2).
Baustein: Einander helfen dle jeweilige Bestimmung zu finden
Dazu sollte man die Herkunft, die Lebensgeschichte, die Gaben und Fähigkeiten des Partners berücksichtigen.
Der Apostel Paulus, der die Ichbezogenheit des Menschen kannte, schrieb dazu: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern (auch) auf das, was dem andern dient.“ (Philipper 2,3-4).
Baustein: Schutz gegen Einmischung und Eingriffe Dritter
Gott räumt der Ehe eine Autonomie, also eine Eigenständigkeit/Selstständigkeit ein. Werden die territorialen Grenzen einer Ehe von Dritten überschritten, kommt es unweigerlich zu Konflikten. Gott selbst sah es für gut an, dass die junge Ehe sich eigenstämdig entfalten soll, getrennt von den Eltern. „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein „ein“ Fleisch.“ (1Mose 2,24; Matthäus 19,5; Epheser 5,31). Es hat ein klarer Wechsel der Beziehungen und auch der Verhältnisse stattgefunden: weg von den Eltern und hin zu dem Ehepartner.
Baustein: Gute Freundschaften stabilisieren eine Ehebeziehung
Sinnvoll ist eine gute Mischung von Freundschaften:
Freunde, im gleichen Alter und mit gleichen Interessen, mit denen man etwas gemeinsames unternehmen kann – Freunde also auf Augenhöhe.
Freunde, die älter sind, erfahrener, weiser, klüger, bei denen man lernen kann.
Freunde, die nicht nur jünger sind, sondern auch ärmer, schwächer, die Hilfe und Vorbilder brauchen.
Johannes, der Apostel, hatte viele gute Freunde und er kennt ihre Namen. So schreibt er in seinem dritten Brief an Gajus: „Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde, jeden mit Namen.“ (3Joh 15). Natürlich benötigen gute und lange Freundschaften der Pflege, doch diese Investitionen zahlen sich aus. Ein stabiles Netzwerk von Freunden ist wertvoller als viele materiellen Güter.
Für die Stabilität und gute Entwicklung einer Ehebeziehung
sind alle sieben edle Bausteine gleichsam wichtig !
Abbildung 1 Auf der Zeichnung sind alle in den Evangelien genannten Familienmitglieder von Josef und Maria zu sehen. Auch die Aufgabenteilung könnte dem Alltag der Familie sehr nahe kommen. In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazaret verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns (Häusererbauers) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? (Zeichnung von J. Schüle am 6. Oktober 2018).
Vorwort
In der Literatur und den Filmen kursieren verschiedene Versionen über Jesus,
seinen familiären Stand und seine Nachkommen. Da diese Geschichten spektakulärer sind als die nüchternen Erzählungen der neutestamentlichen Autoren, werden sie schnell aufgenommen und weitererzählt. Natürlich hatte Jesus eine Familie in die er hineingeboren wurde und in der er aufgewachsen ist. Folgende Aufzeichnungen und Erklärungen der Evangelientexte sollen dem Hörer (Leser) helfen, sich ein eigenes und klareres Bild über Jesus und seine Familie zu machen.
Nach außen hin unterschied sich diese nicht allzu sehr von den normalen jüdischen Familien seiner Zeit. Auch rechtlich gesehen sind alle Erfordernisse des Gesetzes für diese Familie erfüllt. Trotzdem erkennt man da Spannungen in den innerfamiliären Beziehungen.
Eine Spannung zunächst zwischen Josef und Maria, welche sich erst durch das direkte Eingreifen Gottes löst.
Eine (vermutete) Spannung zwischen Josef und Jesus, doch er nahm diese Herausforderung und Verantwortung als Stiefvater an und kam damit wohl gut zurecht.
Eine Spannung zwischen Maria und Jesus, weil die Mutter immer wieder bei ihrem Sohn Einfluss nehmen will. Erst unter dem Kreuz wird diese endgültig behoben oder gelöst.
Und nicht geringe Spannungen zwischen den Brüdern und Jesus, die sich erst nach seiner Auferstehung lösten.
Die failiären Beziehungen Jesu sind sehr vielschichtig und vielseitig. Wir wollen uns die Mühe machen und die Familie in der Jesus aufgewachsen ist näher kennenlernen.
Im griechischen wird für Familie das Wort `οικος – oikos – Haus` verwendet. Doch wird der Begriff Haus auch in weiterem Sinne gebraucht, wie zum Beispiel: `Haus David`, oder `Haus Israel`, oder `Haus Gottes`. Der Begriff `Haus` schloß oft auch das ganze Hausgesinde mit ein. Natürlich wird auch das von einer Familie bewohnte Gebäude `Haus` bezeichnet. So hatten die Eltern von Josef ein Haus in Betlehem und später hatte Josef selber ein Haus in Nazaret.
Josef stammte nicht nur aus Betlehem, er war ein Nachkomme aus dem Hause David, war also `Davidide (Lk 2,4). Die Stammbäume oder Ahnentafeln (auch Geschlechtsregister genannt) wurden damals sorgfältig überliefert, besonders bei denen, die, wie Josef, königliche Wurzeln hatten (Mt 1,1-17; Lk 3,23-38).
Maria seine Verlobte war Verwandte von Elisabeth, der Frau des Priesters Zacharias. Dieses Ehepaar waren nachweißlich aus dem Hause Aaron (Lk 1,5). Somit gibt es auch für Maria eine verwandschaftliche Beziehung zum Hause Aaron, weil sie eine Verwandte der Elisabeth ist (Lk 1,36). Doch der Stammbaum in Lukas lässt den Schluss zu, dass Maria väterlicherseits ebenfalls aus dem Hause Davids stammte, allerdings nicht über die königliche Linie des Salomo, sondern über Nathan, einen älteren leiblichen Bruder Salomos (Lk 3,23.31; 2Sam 5,14; 1Chr 3,5; Röm 1,1-2). Doch juristisch zählte die Linie des Mannes, also des Josef. Damit stammen beide aus angesehenen und hochgeachteten Familien.
Josef ist von Beruf Baumeister (Häuserbauer), die griechische Bezeichnung für den Beruf von Josef ist `Τεκτονος – Tektonos`, und findet in dem deutschen `Architekt` seine faktische Fortsetzung. Daher ist er nicht an die Landwirtschaft oder Viehzucht in Betlehem seinem Stammesgebiet gebunden und kann sich dort niederlassen, wo es ausreichend Bauauftäge gibt.
Die Residenzstadt des Herodes Antipas Sephoris, lag nur etwa 5 Kilometer von Nazaret entfernt, dort gab es genug Arbeit für fähige Bauarbeiter wie Josef.
Maria ist dem Josef verlobt und sie warten auf den geeigneten Termin für die Hochzeit. Beide werden von Gott überrascht, Maria wurde durch die Kraftwirkung Gottes und des Heiligen Geistes schwanger bevor Josef, ihr anvertrauter Mann sie heimholte, das heißt heiratete (Mt 1,18; Luk 1,35).
Nachdem sich aber bei Josef die Spannung, durch das Eingreifen Gottes in einem Traum gelegt hatte, holte er sie zu sich nach Hause. Dabei hebt Matthäus hervor: „er erkannte sie nicht, d.h. er hatte mit Maria in der Zeit dieser ersten Schwangerschaft keinen geschlechtlichen Umgang „bis sie einen Sohn geboren hatte und nannte seinen Namen Jesus“ (Mt 1,25). Beachten wir die zeitliche Begrenzung der Zurückhaltung von Josef. In Lukas 2,7 wird betont, daß Maria ihren Sohn den Erstgeborenen gebar, das heißt logischerweise; daß sie später noch Söhne bzw. weitere Kinder geboren hatte. Im Vergleich dazu wird Jesus der Einziggeborene des Vaters genannt. Für Maria ist Jesus nur der Erstgeborene, nicht der Einziggeborene. Es lohnt sich die Texte genauer zu lesen. Erst nach der Geburt Jesu hatten Josef und Maria Geschlechtsverkehr miteinander und aus diesen Beziehungen sind noch mindestens sechs Kinder gezeugt und geboren worden. Wenn wir die Texte so versteht, dann ist die Auffassung – Maria sei nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben – hinfällig.
Schon als Kind nahm Jesus zu an Weisheit Alter und Gnade bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Bei dem Passahbesuch in Jerusalem hatte Jesus sich als 12-jähriger sebstständig gemacht zum Leidwesen seiner Eltern (Lk 2,48). Doch auch diese Spannung löste sich auf, denn er unterordnete sich seinen Eltern. Bis zu seinem öffentlichen Auftreten ist uns aus den Evangelien nichts weiteres über die Familie berichtet worden.
In Johannes 2,12 lesen wir von Jesus: „Darnach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder, seine Jünger und blieben nicht lange dort.“Hier in der Anfangszeit sind seine Familienangehörigen in seiner unmittelbaren Nähe. Doch nach der anfänglichen Euforie und möglicherweise auch etwas Stolz über ihren ältesten Bruder, kommt die Ernüchterung. Während er sich zu Hause in Nazaret in das familiäre Gefüge gut eingefügt hatte, beschreitet er nun einen Sonderweg und sein ganzes Verhalten wirkt auf sie ungewöhnlich, ja sogar anstößig. In Matthäus 12,46 wird berichtet, dass sich seine Brüder und seine Mutter in seine Tätigkeit einmischen wollen: „Da er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden“. Er ging ihnen zu weit, sie wollten ihn halten und wie Markus im Paralellbericht ergänzt sagten sie: „Er ist von Sinnen“ (Mk 3,21). Auch hier wird die Spannung in der Beziehung der Brüder zu Jesus sehr deutlich herausgestellt. In Johannes.7,3 mischen sich die noch ungläubigen und auch unzufriedenen Brüder Jesu in seine Pläne ein: „Da sprachen seine Brüder zu ihm: zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger sehen was du tust. Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch öffentlich (anerkannt) werden.“ Doch Jesus handelt nur nach der Anweisung seines himmlischen Vaters, nicht weil er seine Brüder durch sein Verhalten ärgern will.
Erst nach der Auferstehung glaubten seine Brüder an ihn, als den Christus, wie der Vergleich von Joh 7,5 mit Apg 1,14 und 1Kor 15,7 deutlich machen: „Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Es liegt nahe, dass der Jakobusbrief und der Judasbrief von den zwei Brüdern (bzw. Halbbrüdern) Jesu geschrieben wurden (Jak 1,1; Judas 1). In Apostelgeschichte 15,13 und Galater 2,9 ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jakobus der Bruder Jesu gemeint, denn Jakobus, der Jünger Jesu und Bruder des Johannes lebte zu dieser Zeit nicht mehr, er starb den Märtyrertod bereits um das Jahr 44 n. Chr. (Apg 12,2).
In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazaret verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns(Baumeisters) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? Und sie ärgerten sich über ihn.“ Für die Mitbewohner von Nazaret ist Jesus in der Zeit vor seinem öffentlichem Auftreten nicht sonderlich aufgefallen. Er war einer unter seinen Geschwistern.
Die Auffassung, wonach die oben genannten Brüder und Schwestern von Jesus aus einer früheren Ehe des Josef stammten, entbehrt jeder biblischen Belege und scheint genauso unlogisch, ja sinnlos zu sein. Maria war Jungfrau, aber nach der Geburt ihres erstgeborenen Sohnes Jesus pflegte sie ein normales eheliches Leben mit Josef und gebar noch mindestens weitere sechs Kinder.
In 1Korinther 9,5 spricht Paulus von den „Brüdern des Herrn“ und zwar, daß sie verheiratet waren, dort lesen wir: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“
Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass Jesus selbst eine Familie gründete. Er unterhielt sich zwar oft auch mit Frauen, doch blieb er dabei unbefangen und zurückhaltend. Filmszenen, in denen gezeigt wird, wie Jesus nach seiner Auferstehung Maria Magdalena in die Arme schließt, ist ein Fantasieprodukt von Menschen. In den Texten der Evangelien wird das Verhalten von Jesus gegenüber Maria ganz anders beschrieben: „Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Joh 20,17).Von einer Umarmung oder in die Arme schließen der Maria aus Magdala ist im Text gar keine Rede.
Daß Josef der Mann von Maria später nicht mehr erwähnt wird hängt möglicherweise damit zusammen, daß er zur Zeit der Wirksamkeit Jesu nicht mehr lebte.
Die Bezeichnung `Bruder` unter den Israeliten (aber auch allgemein im Orient) hat natürlich auch allgemeine Bedeutung, wie die Stellen aus Apg 13,38; Apg 23,5 nahelegen.
Die Bezeichnung `Brüder` unter den Christen hat ihren tiefen Grund in der geistlichen Geschwisterbeziehung zu einander durch den Glauben an Jesus (Mt 12,48-50). In dieser geistlichen Dimension der neuen Familie Gottes lebte Jesus, so lesen wir von seiner Reaktion auf die Anmeldung der Familienangehörigen: „Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,48-50).
Jesus verlor also keinen Gedanken und unternahm nichts zur Gründung einer Familiendynastie. Sein ganzes Bestreben galt der Errichtung des Reiches Gottes in dem die neue geistliche Familie Gottes aufgebaut wird.
Doch dort wo es um leibliche Bruderschaft geht, wird die verwandtschaftliche Beziehung deutlich herausgestellt, auch oft durch eine Zuordnung. so achte man auf die Betonung:
„Er, seine Mutter und seine Brüder“ (Joh 2,13);
„seine Brüder“ Joh 7,5;
„mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14);
die „Brüder des Herrn“ 1Kor 9,5.
In der Tat wird uns hier eine einmalige Familienzusammensetzung vorgestellt, wie es sie bis dahin noch nicht gab. Doch können wir viel daraus lernen:
Was den Umgang der Eheleute untereinander betrifft, eine gute Partnerschaft.
Die Verantwortung des Ehemannes für seine Frau.
Die Verantwortung für seine Kinder.
Zusammenarbeit bei der Verwirklichung des Planes Gottes.
Auch die Geduld von Jesus und behutsamer Umgang mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, der sich durch klare aber doch liebevolle Korrekturen auszeichnete.
Glückselig, wer zu diesem Haus (Familie) Gottes gehört, in dem Jesus der Erstgeborene ist !
In der Literatur und den Filmen kursieren verschiedene Versionen über Jesus,
seinen familiären Stand und seine Nachkommen. Da diese Geschichten spektakulärer sind als die nüchternen Erzählungen der neutestamentlichen Autoren, werden sie schnell aufgenommen und weitererzählt. Natürlich hatte Jesus eine Familie in die er hineingeboren wurde und in der er aufgewachsen ist. Folgende Aufzeichnungen und Erklärungen der Evangelientexte sollen dem Hörer (Leser) helfen, sich ein eigenes und klareres Bild über Jesus und seine Familie zu machen.
Nach außen hin unterschied sich diese nicht allzu sehr von den normalen jüdischen Familien seiner Zeit. Auch rechtlich gesehen sind alle Erfordernisse des Gesetzes für diese Familie erfüllt. Trotzdem erkennt man da Spannungen in den innerfamiliären Beziehungen.
Eine Spannung zunächst zwischen Josef und Maria, welche sich erst durch das direkte Eingreifen Gottes löst.
Eine (vermutete) Spannung zwischen Josef und Jesus, doch er nahm diese Herausforderung und Verantwortung als Stiefvater an und kam damit wohl gut zurecht.
Eine Spannung zwischen Maria und Jesus, weil die Mutter immer wieder bei ihrem Sohn Einfluss nehmen will. Erst unter dem Kreuz wird diese endgültig behoben oder gelöst.
Und nicht geringe Spannungen zwischen den Brüdern und Jesus, die sich erst nach seiner Auferstehung lösten.
Die failiären Beziehungen Jesu sind sehr vielschichtig und vielseitig. Wir wollen uns die Mühe machen und die Familie in der Jesus aufgewachsen ist näher kennenlernen.
Im griechischen wird für Familie das Wort `οικος – oikos – Haus` verwendet. Doch wird der Begriff Haus auch in weiterem Sinne gebraucht, wie zum Beispiel: `Haus David`, oder `Haus Israel`, oder `Haus Gottes`. Der Begriff `Haus` schloß oft auch das ganze Hausgesinde mit ein. Natürlich wird auch das von einer Familie bewohnte Gebäude `Haus` bezeichnet. So hatten die Eltern von Josef ein Haus in Betlehem und später hatte Josef selber ein Haus in Nazaret.
Josef stammte nicht nur aus Betlehem, er war ein Nachkomme aus dem Hause David, war also `Davidide (Lk 2,4). Die Stammbäume oder Ahnentafeln (auch Geschlechtsregister genannt) wurden damals sorgfältig überliefert, besonders bei denen, die, wie Josef, königliche Wurzeln hatten (Mt 1,1-17; Lk 3,23-38).
Maria seine Verlobte war Verwandte von Elisabeth, der Frau des Priesters Zacharias. Dieses Ehepaar waren nachweißlich aus dem Hause Aaron (Lk 1,5). Somit gibt es auch für Maria eine verwandschaftliche Beziehung zum Hause Aaron, weil sie eine Verwandte der Elisabeth ist (Lk 1,36). Doch der Stammbaum in Lukas lässt den Schluss zu, dass Maria väterlicherseits ebenfalls aus dem Hause Davids stammte, allerdings nicht über die königliche Linie des Salomo, sondern über Nathan, einen älteren leiblichen Bruder Salomos (Lk 3,23.31; 2Sam 5,14; 1Chr 3,5; Röm 1,1-2). Doch juristisch zählte die Linie des Mannes, also des Josef. Damit stammen beide aus angesehenen und hochgeachteten Familien.
Josef ist von Beruf Baumeister (Häuserbauer), die griechische Bezeichnung für den Beruf von Josef ist `Τεκτονος – Tektonos`, und findet in dem deutschen `Architekt` seine faktische Fortsetzung. Daher ist er nicht an die Landwirtschaft oder Viehzucht in Betlehem seinem Stammesgebiet gebunden und kann sich dort niederlassen, wo es ausreichend Bauauftäge gibt.
Die Residenzstadt des Herodes Antipas Sephoris, lag nur etwa 5 Kilometer von Nazaret entfernt, dort gab es genug Arbeit für fähige Bauarbeiter wie Josef.
Maria ist dem Josef verlobt und sie warten auf den geeigneten Termin für die Hochzeit. Beide werden von Gott überrascht, Maria wurde durch die Kraftwirkung Gottes und des Heiligen Geistes schwanger bevor Josef, ihr anvertrauter Mann sie heimholte, das heißt heiratete (Mt 1,18; Luk 1,35).
Nachdem sich aber bei Josef die Spannung, durch das Eingreifen Gottes in einem Traum gelegt hatte, holte er sie zu sich nach Hause. Dabei hebt Matthäus hervor: „er erkannte sie nicht, d.h. er hatte mit Maria in der Zeit dieser ersten Schwangerschaft keinen geschlechtlichen Umgang „bis sie einen Sohn geboren hatte und nannte seinen Namen Jesus“ (Mt 1,25). Beachten wir die zeitliche Begrenzung der Zurückhaltung von Josef. In Lukas 2,7 wird betont, daß Maria ihren Sohn den Erstgeborenen gebar, das heißt logischerweise; daß sie später noch Söhne bzw. weitere Kinder geboren hatte. Im Vergleich dazu wird Jesus der Einziggeborene des Vaters genannt. Für Maria ist Jesus nur der Erstgeborene, nicht der Einziggeborene. Es lohnt sich die Texte genauer zu lesen. Erst nach der Geburt Jesu hatten Josef und Maria Geschlechtsverkehr miteinander und aus diesen Beziehungen sind noch mindestens sechs Kinder gezeugt und geboren worden. Wenn wir die Texte so versteht, dann ist die Auffassung – Maria sei nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben – hinfällig.
Schon als Kind nahm Jesus zu an Weisheit Alter und Gnade bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Bei dem Passahbesuch in Jerusalem hatte Jesus sich als 12-jähriger sebstständig gemacht zum Leidwesen seiner Eltern (Lk 2,48). Doch auch diese Spannung löste sich auf, denn er unterordnete sich seinen Eltern. Bis zu seinem öffentlichen Auftreten ist uns aus den Evangelien nichts weiteres über die Familie berichtet worden.
In Johannes 2,12 lesen wir von Jesus: „Darnach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder, seine Jünger und blieben nicht lange dort.“Hier in der Anfangszeit sind seine Familienangehörigen in seiner unmittelbaren Nähe. Doch nach der anfänglichen Euforie und möglicherweise auch etwas Stolz über ihren ältesten Bruder, kommt die Ernüchterung. Während er sich zu Hause in Nazaret in das familiäre Gefüge gut eingefügt hatte, beschreitet er nun einen Sonderweg und sein ganzes Verhalten wirkt auf sie ungewöhnlich, ja sogar anstößig. In Matthäus 12,46 wird berichtet, dass sich seine Brüder und seine Mutter in seine Tätigkeit einmischen wollen: „Da er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden“. Er ging ihnen zu weit, sie wollten ihn halten und wie Markus im Paralellbericht ergänzt sagten sie: „Er ist von Sinnen“ (Mk 3,21). Auch hier wird die Spannung in der Beziehung der Brüder zu Jesus sehr deutlich herausgestellt. In Johannes.7,3 mischen sich die noch ungläubigen und auch unzufriedenen Brüder Jesu in seine Pläne ein: „Da sprachen seine Brüder zu ihm: zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger sehen was du tust. Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch öffentlich (anerkannt) werden.“ Doch Jesus handelt nur nach der Anweisung seines himmlischen Vaters, nicht weil er seine Brüder durch sein Verhalten ärgern will.
Erst nach der Auferstehung glaubten seine Brüder an ihn, als den Christus, wie der Vergleich von Joh 7,5 mit Apg 1,14 und 1Kor 15,7 deutlich machen: „Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Es liegt nahe, dass der Jakobusbrief und der Judasbrief von den zwei Brüdern (bzw. Halbbrüdern) Jesu geschrieben wurden (Jak 1,1; Judas 1). In Apostelgeschichte 15,13 und Galater 2,9 ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jakobus der Bruder Jesu gemeint, denn Jakobus, der Jünger Jesu und Bruder des Johannes lebte zu dieser Zeit nicht mehr, er starb den Märtyrertod bereits um das Jahr 44 n. Chr. (Apg 12,2).
In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazaret verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns(Baumeisters) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? Und sie ärgerten sich über ihn.“ Für die Mitbewohner von Nazaret ist Jesus in der Zeit vor seinem öffentlichem Auftreten nicht sonderlich aufgefallen. Er war einer unter seinen Geschwistern.
Die Auffassung, wonach die oben genannten Brüder und Schwestern von Jesus aus einer früheren Ehe des Josef stammten, entbehrt jeder biblischen Belege und scheint genauso unlogisch, ja sinnlos zu sein. Maria war Jungfrau, aber nach der Geburt ihres erstgeborenen Sohnes Jesus pflegte sie ein normales eheliches Leben mit Josef und gebar noch mindestens weitere sechs Kinder.
In 1Korinther 9,5 spricht Paulus von den „Brüdern des Herrn“ und zwar, daß sie verheiratet waren, dort lesen wir: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“
Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass Jesus selbst eine Familie gründete. Er unterhielt sich zwar oft auch mit Frauen, doch blieb er dabei unbefangen und zurückhaltend. Filmszenen, in denen gezeigt wird, wie Jesus nach seiner Auferstehung Maria Magdalena in die Arme schließt, ist ein Fantasieprodukt von Menschen. In den Texten der Evangelien wird das Verhalten von Jesus gegenüber Maria ganz anders beschrieben: „Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Joh 20,17).Von einer Umarmung oder in die Arme schließen der Maria aus Magdala ist im Text gar keine Rede.
Daß Josef der Mann von Maria später nicht mehr erwähnt wird hängt möglicherweise damit zusammen, daß er zur Zeit der Wirksamkeit Jesu nicht mehr lebte.
Die Bezeichnung `Bruder` unter den Israeliten (aber auch allgemein im Orient) hat natürlich auch allgemeine Bedeutung, wie die Stellen aus Apg 13,38; Apg 23,5 nahelegen.
Die Bezeichnung `Brüder` unter den Christen hat ihren tiefen Grund in der geistlichen Geschwisterbeziehung zu einander durch den Glauben an Jesus (Mt 12,48-50). In dieser geistlichen Dimension der neuen Familie Gottes lebte Jesus, so lesen wir von seiner Reaktion auf die Anmeldung der Familienangehörigen: „Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,48-50).
Jesus verlor also keinen Gedanken und unternahm nichts zur Gründung einer Familiendynastie. Sein ganzes Bestreben galt der Errichtung des Reiches Gottes in dem die neue geistliche Familie Gottes aufgebaut wird.
Doch dort wo es um leibliche Bruderschaft geht, wird die verwandtschaftliche Beziehung deutlich herausgestellt, auch oft durch eine Zuordnung. so achte man auf die Betonung:
„Er, seine Mutter und seine Brüder“ (Joh 2,13);
„seine Brüder“ Joh 7,5;
„mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14);
die „Brüder des Herrn“ 1Kor 9,5.
In der Tat wird uns hier eine einmalige Familienzusammensetzung vorgestellt, wie es sie bis dahin noch nicht gab. Doch können wir viel daraus lernen:
Was den Umgang der Eheleute untereinander betrifft, eine gute Partnerschaft.
Die Verantwortung des Ehemannes für seine Frau.
Die Verantwortung für seine Kinder.
Zusammenarbeit bei der Verwirklichung des Planes Gottes.
Auch die Geduld von Jesus und behutsamer Umgang mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, der sich durch klare aber doch liebevolle Korrekturen auszeichnete.
Glückselig, wer zu diesem Haus (Familie) Gottes gehört, in dem Jesus der Erstgeborene ist !
In der Literatur und den Filmen kursieren verschiedene Versionen über Jesus, seinen familiären Stand und seine Nachkommen. Da diese Geschichten spektakulärer sind als die nüchternen Erzählungen der neutestamentlichen Autoren, werden sie schnell aufgenommen und weitererzählt.
Folgende Aufzeichnungen und Erklärungen der Evangelientexte sollen dem Leser helfen, sich ein eigenes und klares Bild über Jesus und seine Familie zu machen.
Einleitung
Natürlich hatte Jesus eine Familie, in die er hineingeboren wurde und in der er aufgewachsen ist. Nach außen hin unterscheidet sich diese nicht allzu sehr von den normalen jüdischen Familien seiner Zeit. Denn auch rechtlich gesehen sind alle Erfordernisse des Gesetzes für die Legalität dieser Familie erfüllt. Trotzdem erkennt man Spannungen in den innerfamiliären Beziehungen:
eine Spannung zwischen Josef und Maria, welche sich erst durch das Eingreifen Gottes löst;
eine (vermutete) Spannung zwischen Josef und Jesus, doch Josef nimmt die Herausforderung (Verantwortung als Stiefvater) an und kommt wohl gut damit zurecht;
eine Spannung zwischen Maria und Jesus, bei der die Mutter sich immer wieder in die Angelegenheiten ihres Sohnes einmischen will. Erst unter dem Kreuz wird diese Spannung endgültig behoben oder gelöst;
und nicht geringe Spannungen zwischen den Brüdern und Jesus, die sich erst nach seiner Auferstehung lösten.
Die familiären Beziehungen Jesu sind sehr vielschichtig oder vielseitig. Wir wollen uns die Mühe machen und die Familie in der Jesus aufgewachsen ist näher kennenlernen.
Abbildung 2 Bethlehem, die Stadt Davids aus der auch Josef stammt und in der auch Jesus geboren wurde. Blick von West nach Ost über die heutige Stadt unter dessen meist arabischen Bewohnern viele Christen sind (Fot Juli 1994).
Im Griechischen wird für Familie das Wort `οiκος – oikos – Haus` verwendet. Doch der Begriff `Haus` wird auch in weiterem Sinne gebraucht, wie zum Beispiel: `Haus David`, oder: `Haus Israel`, oder: `Haus Gottes`. Der Begriff `Haus` schließt nicht nur die Großfamilie, sondern meist auch das ganze Hausgesinde (Dienerschaft) mit ein. Natürlich wird auch das, von einer Familie bewohnte Gebäude als `Haus` bezeichnet. So hatten die Eltern von Josef ein Haus in Bethlehem und später hatte Josef selber ein Haus in Nazareth.
1. Die Herkunft von Josef
Josef stammt nicht nur aus Bethlehem, er ist ein Nachkomme aus dem Hause David, also ein `Davidide (Mt 1,20: „Josef, Sohn Davids,“; Lk 2,4: „Es ging aber auch Josef von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa, in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war“). Die Stammbäume oder Ahnentafeln (gr. γενεαλογίας – genealogias) wurden damals sorgfältig überliefert, besonders von denen, die wie Josef, königliche Wurzeln hatten (Mt 1,1-17). Der Evangelist Matthäus führt den Stammbaum Jesu von Abraham über den Stammvater Juda, dann über den König David und seinen Thronfolger Salomo bis Josef. Es ist die sogenannte Königslinie. Der unmittelbare Vater von Josef heißt Jakob (Mt 1,15b-16: „Mattan aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Josef, den Mann Marias, von welcher Jesus geboren wurde, der Christus“). Der griechische Begriff `ἐγέννησεν – egennisen `, bedeutet in diesem Zusammenhang `er zeugte`. Es geht dabei um die physische Aktivität der Männer (Väter) und zwar nur bis Josef. An der Zeugung von Jesus hat Josef keinen Anteil.
2. Die Herkunft von Maria
Für Maria, die Verlobte von Josef, ist die Herkunft nicht so leicht auszumachen, da es für ihre Abstammung im Vergleich zu Josef, nur indirekte Hinweise gibt. Durch den Vergleich der Texte aus Lukas 1,5 mit 1,36 hat Maria einen verwandschaftlichen Bezug zum Hause Aaron, also zum Stamm Levi. Denn sie ist eine Verwandte (gr. συγγενίς – syngenis) von Elisabet, der Frau des Priesters Zacharias und die Beiden sind nachweislich aus dem Hause Aaron. Wahrscheinlich jedoch ist, dass der verwandschaftliche Bezug von Maria zum Hause Aaron nur durch ein Elternteil gegeben ist – eher durch die Mutter). Und könnte es sein, dass der Stammbaum bei Lukas die Linie ihres Vaters darstellt? Wir wollen dieser Frage nachgehen. Der Autor des Hebräerbriefes bestätigt die menschliche Herkunft von Jesus aus dem Stamm Juda, wenn er schreibt: „Denn es ist ja offenbar, dass unser Herr aus Juda hervorgegangen ist“ (Hebr 7,14). Und der Apostel Paulus engt die menschliche Herkunft von Jesus noch mehr ein, wenn er in Römer 1,3 schreibt: „der geworden ist (γενομένου – γenomenou) aus dem Samen Davids nach dem Fleisch“. Damit wird (wenn auch nur indirekt) auch die blutsmäßige Herkunft von Maria aus dem Hause Davids bestätigt. Ähnlich schreibt er auch über die menschliche Herkunft von Jesus in Galater 4,4: „γενόμενον ἐκ γυναικός – γenomenon ek gynaikos – geworden von/aus einer Frau“. Der Apostel Paulus gebraucht wohl bewusst das Verb `geworden` anstelle `geboren`, weil es umfassender das `Werden` des Menschensohnes in Maria beschreibt und somit wird (wenn auch nur indirekt) die Beteiligung eines Mannes ausgeschlossen.
In Lukas 3,23 lesen wir: „Und er selbst, Jesus, war ungefähr dreißig Jahre, als er anfing, und war Sohn, wie man dachte, Josefs, des Eli, des Mattat (…)“. Jesus wurde allgemein für einen Sohn Josefs gehalten (Joh 1,45; Lk 4,22), was rein formal-juristisch auch stimmte. Dieser klärende Einschub des Lukas, macht jedoch auch deutlich, dass Jesus de facto nicht Sohn des Josef, sondern Sohn der Maria war (vgl. dazu auch Lk 1,31-33). Da man jedoch Frauen (Töchter) in die Stammeslinie nicht einzufügen pflegte, liegt es nahe, dass Lukas die Stammeslinie von Jesus zurück, nicht über Maria, sondern über Josef, den gesetzlichen Vater von Jesus, mit Eli verbindet und weiter zurück über Nathan, den leiblichen Bruder von Salomo bis David und schließlich bis Adam zurückführt (1Chr 3,5; 14,4; Lk 3,23-36). So dass wir zum Ergebnis kommen, dass Maria auch aus dem Hause David stammte eben über die Stammeslinie ihres Vaters „Eli“.
Wir stellen fest, dass Lukas im Gegensatz zu Matthäus, den von ihm beschriebenen Stammbaum in umgekehrter Richtung aufschrieb. Er muss dabei nicht wie Matthäus formulieren: „Eli zeugte Josef (den Mann Marias)“, sondern nur: „der (Josef) des Eli, des Mattat (…)“. In der Regel wurde darunter auch die blutsmäßige Abstammung verstanden, doch bei der Formulierung des Lukas: „Jesus war, wie angenommen wurde, Sohn des Josef, des Eli, des Mattat“ wird der Moment der ausdrücklichen Zeugung vermieden und gibt Raum zu einer nicht Blutsmäßigen Zuordnung – von Josef (als Schwiegersohn) zum Vater der Maria (dem Eli). Auffallend ist auch, dass sich beide Stammeslinien um die Zeit nach der Babylonischen Gefangenschaft durch die Personen Schealtiel und Serubbabel kreuzen (Mt 1,12; Lk 3,27). Beide Linien liegen demnach eng beeinander und gehen auf David zurück.
Wir kommen daher zu dem Ergebnis, dass die Zuordnung der Lukanischen Stammesliste den Vorfahren der Maria, durch die oben genannten Textaussagen unterstützt wird. Somit war Jesus als `Mensch` leiblicher Sohn der Maria und gesetzlicher Sohn von Josef in jeder Hinsicht Nachkomme und Sohn Davids (Lk 1,31-33; Mt 1,1; 9,27; 12,23; 15,22; 20,30; 21,15).
ANMERKUNG: Es könnte auch die Situation bestanden haben, dass die Eltern von Maria (und ihrer Schwester Salome) keine Söhne gehabt haben, dann wäre die Anordnung für die Erbtöchter in Kraft getreten, wie es in 4Mose 36,1-13 beschrieben wird. In diesem Fall wäre es nahe liegend, dass Maria einen Mann aus ihrer nächsten Verwandtschaft heiratet. Diese mögliche Situation würde den oben angeführten Überlegungen nicht widersprechen. Pfarrer E. Moderson schildert ausführlich diese mögliche Situation in seinem Buch „Widersprüche in der Bibel?“ 1954, 26. Allerdings würden dadurch neue Fragen aufgeworfen und für deren Beantwortung gibt es in den Evangelientexten (außer Lk 2,4-5) keinerlei Hinweise. Wir wissen nur von Josef, dass er Erbrecht in Bethlehem hatte, was durch die Einschreibung in Listen, wegen der Ermittlung des Steuersolls durch die römischen Behörden bestätigt wird.
3. Josef heiratet Maria
Josef ist von Beruf Häuserbauer, gr. `τεκτόνος – tektonos`, daher ist er nicht an die Landwirtschaft oder Viehzucht in Bethlehem, seinem Stammesgebiet, gebunden und kann sich dort niederlassen, wo es ausreichend Bauaufträge gibt.
Abbildung 3 Überblick über die heutige Stadt Nazareth in Südgaliläa. Sie liegt ein wenig abseits der Hauptverkehrsstrassen. Die Landschaft ist hügelig und fruchtbar (Foto: April 1986).
Nazareth liegt nur acht Kilometer entfernt von der ehemaligen Residenzstadt des Vierfürsten Herodes Antipas – Sephoris. Maria ist mit Josef verlobt und sie warten auf den geeigneten Termin für die Hochzeit. Beide werden von Gott überrascht, Maria wird durch die Kraftwirkung des Heiligen Geistes schwanger, bevor Josef, ihr anvertrauter Mann, sie heimholt-heiratet (Mt 1,18; Lk 1,31-35).
Nachdem sich bei Josef die Spannung durch das Eingreifen Gottes in einem Traum, gelegt hat, holt er Maria zu sich nach Hause. Aber er erkannte sie nicht, d.h. er hatte mit Maria in der Zeit dieser ersten Schwangerschaft keinen geschlechtlichen Umgang (Mt 1,25) „bis sie einen Sohn geboren hatte und nannte seinen Namen Jesus“. Beachten wir die zeitliche Begrenzung der Zurückhaltung von Josef. In Lukas 2,7 wird betont, dass Maria ihren Sohn denErstgeborenen gebiert, das heißt logischerweise; dass sie später noch Söhne bzw. weitere Kinder gebiert und zwar von Josef. Denn nach der Geburt Jesu hatten Josef und Maria ganz normalen geschlechtlichen Umgang miteinander und aus diesen Beziehungen sind noch mindestens sechs Kinder gezeugt und geboren worden. Wenn wir die Texte so verstehen, dann ist die Auffassung, Maria sei nach der Geburt Jesu Jungfrau geblieben, hinfällig.
4. Jesus im Kreis seiner Familie
Schon als Kind nimmt Jesus zu an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Bei dem Passabesuch in Jerusalem macht Jesus sich als 12-jähriger zum Leidwesen seiner Eltern selbstständig (Lk 2,48). Doch auch diese Spannung löst sich auf, denn Jesus ordnet sich seinen Eltern unter und bis zu seinem öffentlichen Auftreten ist anzunehmen, dass Jesus wie auch Josef, den Beruf als Häuserbauer ausübte und dass er als Erstgeborener in der Familie besondere Verantwortung trug.
In Johannes 2,12 lesen wir von Jesus: „Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder, seine Jünger und blieben nicht lange dort.“Hier in der Anfangszeit seines Wirkens sind seine Familienangehörigen in seiner unmittelbaren Nähe. Doch nach der anfänglichen Euphorie und möglicherweise auch etwas Stolz über ihren ältesten Bruder, kommt die Ernüchterung. Während er sich zu Hause in Nazareth in das familiäre Gefüge gut eingeordnet hatte, beschreitet er nun einen Sonderweg und sein ganzes Verhalten wirkt sich auf seine Familienangehörigen ungewöhnlich, ja sogar anstößig aus. In Matthäus 12,46 (Mk 3,20-21) wird berichtet, dass seine Brüder und seine Mutter sich in seine Tätigkeit einmischen: „Da er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden“. Er geht ihnen zu weit, sie wollen ihn halten und wie Markus im Parallelbericht ergänzt sagen sie: „Er ist von Sinnen“ (Mk 3,21). Auch hier wird die Spannung in der Beziehung der Brüder zu Jesus sehr deutlich dargestellt.
In Johannes.7,3 mischen sich die noch ungläubigen und auch unzufriedenen Brüder Jesu in seine Pläne ein: „Da sprachen seine Brüder zu ihm: zieh nach Judäa, damit auch deine Jünger sehen was du tust“. Doch Jesus handelt nur nach der Anweisung seines himmlischen Vaters, nicht weil er seine Brüder ärgern will. Erst nach der Auferstehung glaubten seine Brüder an ihn als den Christus, wie der Vergleich von Joh 7,5 mit Apg 1,14 und 1Kor 15,7 deutlich macht: „Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14).
Es liegt nahe, dass der Jakobusbrief und der Judasbrief von den zwei Brüdern (Halbbrüdern) Jesu geschrieben wurden (Jak 1,1; Judas 1,1). In Apostelgeschichte 15,13 und Galater 2,9 ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jakobus, der Bruder Jesu gemeint, denn Jakobus, der Jünger Jesu und Bruder des Johannes lebte zu dieser Zeit nicht mehr, er starb den Märtyrertod bereits um das Jahr 44 n. Chr. in Jerusalem (Apg 12,2).
Abbildung 4 Strassenbild im heutigen Nazareth. Dieser Ort wäre nie in die Weltgeschichte eingegangen, wenn nicht Jesus hier seine Kindheits- und Jugendjahre verbracht hätte (Foto: Juli 1994).
In Matthäus13,55 sagen die Leute aus Nazareth verärgert über Jesus: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns(Häusererbauers) Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder: Jakobus und Josef, Simon und Judas? Und seine Schwestern (mindestens zwei), sind sie nicht alle bei uns? Und sie ärgerten sich über ihn.“ (vgl. auch Mk 6,3). Den Bewohnern Nazareths fällt Jesus in der Zeit vor seinem Auftreten nicht sonderlich auf. Er war einer unter seinen Geschwistern. Die Auffassung einiger Christen, wonach die oben genannten Brüder und Schwestern von Jesus aus einer früheren Ehe des Josef stammten, basiert auf keinen biblischen Belegen und scheint zudem unlogisch, ja sogar absurd zu sein.
In 1Korinther 9,5 spricht Paulus von den „Brüdern des Herrn“ und zwar, dass sie verheiratet waren: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die anderen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“
5. Jesus gründet die Familie Gottes
Nirgendwo wird auch nur angedeutet, dass Jesus selbst eine eigene Familie gegründet hätte. Im Bereich der Ehelosigkeit war Jesus nicht mal ein Sonderfall. Im Gegenteil, es gab vor und zur Zeit von Jesus einige Männer, die wegen besonderer Lebensaufgaben ehelos geblieben sind. Jesus selbst bestätigt, dass etliche sich freiwllig um des Reiches Gottes willen für die Ehelosigkeit entschieden haben (Mt 19,11-12). Seinen Zuhörern waren diese Personen bekannt. Der Prophet Elia und Elisa, sogar der Priestersohn Johannes der Täufer, ebenso einige Zeitgenossen aus der Gruppe der Essener (in Qumran) waren nicht verheiratet. Jesus ist zwar Baumeister in seinem Beruf, doch für sich baute er kein eigenes Haus. In Kapernaum wohnt er in der Regel bei seinen Verwandten (Jakobus und Johannes sind seine Cousins, weil Salome ihre Mutter die Schwester von Maria ist – Joh 19,25; Mk 15,40; 16,1), oder hält sich im Hause des Petrus auf (Mt 8,14). Er selber bezeugt, dass der Menschensohn im Vergleich zu den Füchsen und Vögeln nichts habe, worauf er sein Haupt hinlege (Mt 8,20; Lk 9,58). Er unterhält sich zwar oft auch mit Frauen, doch bleibt er dabei unbefangen. Zum Ende seines irdischen Lebens musste er nur die Fürsorge für Maria seine Mutter klären (Joh 19,25-27).
Nein, Jesus hatte keine natürliche Familie gegründet. Er kam in diese Welt wegen seiner Braut und zukünftigen Frau – der Gemeinde. Von Johannes dem Täufer wird Jesus als Bräutigam bezeichnet (Joh 3,29). Und Jesus scheut es nicht, sich selbst als Bräutigam zu bezeichnen (Mt 9,15). Die apostolische Sicht war eindeutig: Die Gemeinde bildet den Leib des Christus, bei dem er selbst das Haupt ist (Eph 5,22-32). Er, der Mitschöpfer und Stifter der natürlichen Ehe hier auf Erden, bewahrt sich auf für die himmlische (geistlichen) Hochzeit mit seiner Gemeinde: „Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet.“ (Offb 19,7; 2Kor 11,2).
Jesus wird zwar dem Fleische nach von Maria als Menschensohn geboren, doch behält er den Status als Sohn Gottes auch in seinem Menschsein („ich bin Gottes Sohn“ Joh 10,36).
Durch ihn werden nur Kinder im göttlich-geistlichen Sinne geboren (Joh 1,12; 3,3-7; Eph 5,26; 1Joh 4,7; 1Petr 1,3.23 – Er ist das lebendig machende Wasser/Wort des Lebens). Hebr 2,13: »Siehe da, ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.« (Jesaja 8,18). Sein ganzer Dienst weist auf einen besonderen Auftrag von Gott hin. Er wurde geboren, um stellvertretend für alle zu sterben und dadurch geistliche Nachkommen zu haben.
Auch nach seiner Auferstehung denkt, redet und handelt Jesus eindeutig im geistlichen Sinne des Reiches Gottes und bereitet seine Jünger und Jüngerinnen auf sein Hingehen zum Vater vor. Im Text des Johannesevangeliums wird diese Vorbereitung im Gespräch mit Maria aus Magdala wie folgt beschrieben: „Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater (…)“ (Joh 20,17). Der dort verwendete Begriff meint berühren (vgl. Mt 8,15; 9,20.29; 20,34). Das drückt aus, dass Maria Jesus berühren oder anfassen wollte. Aber Jesus verweigert ihr dies in dieser Situation. Nicht dass das Berühren seines auferstandenen Körpers generell nicht erlaubt wäre (Joh 20,27), aber jetzt nicht, sondern „gehe hin und sage es meinen Brüdern“. Bei einer weiteren Begegnung kurze Zeit danach gewährt er mehreren Frauen seine Füße zu umklammern: „Und siegingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder.“ (Mt 28,8-10).
Die Bezeichnung `Bruder` unter den Israeliten (aber auch allgemein im Orient) hat natürlich auch allgemeine Bedeutung, wie die Stellen aus Apostelgeschichte 13,38; 23,5 nahelegen.
Die Bezeichnung `Brüder` unter den Christen hat ihren tiefen Grund in der geistlichen Geschwisterbeziehung zu einander durch den Glauben an Jesus (Mt 12,48-50; Mk 3,35). In dieser geistlichen Dimension der neuen Familie Gottes denkt und lebt Jesus.
Abbildung 5 Das Nordufer des Sees Genezaret. Die griechisch-orthodoxe Kirche mit der roten Kuppel liegt auf dem Gelände von Kapernaum. Neben der Synagoge aus dem w. Jh. wurden auch zahlreiche Fundamente von Wohnhäusern freigelegt (Foto: Juli 1994).
Folgende Szene spielte sich in einem Haus in Kapernaum ab, als seine Familienangehörigen nach ihm fragten: „Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mt 12,48-50). Jesus verliert also keinen Gedanken daran und unternimmt nichts zur Gründung einer Familiendynastie. Sein ganzes Bestreben gilt der Errichtung des Reiches Gottes, in dem die neue geistliche Familie Gottes aufgebaut wird. Damit stellt Jesus die Zugehörigkeit zur geistlichen Familie Gottes über die Zugehörigkeit zu einer natürlichen Familie, die nur eine vorübergehende Stiftung ist (Mk 12,25).
Doch dort, wo es um leibliche Bruderschaft geht, wird die verwandtschaftliche Beziehung deutlich herausgestellt, auch oft durch eine Zuordnung. man achte auf die Betonung:
„Er, seine Mutter und seine Brüder“ (Joh 2,13);
„seine Brüder“ (Joh 7,5);
„mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14);
die „Brüder des Herrn“ (1Kor 9,5).
In der Tat wird uns hier eine einmalige Familienzusammensetzung vorgestellt, wie es sie bis dahin noch nicht gab. Doch wird können daraus viel lernen über:
den Umgang der Eheleute miteinander,
die Verantwortung des Ehemannes für seine Frau,
die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder,
die Aufgabenteilung in der Familie,
die Geduld und den behutsamen Umgang der Kinder mit ihren älter werdenden Eltern,
die Zusammenarbeit bei der Verwirklichung des Planes Gottes.
Glückselig, wer zu diesem Haus (Familie) Gottes gehört, in dem Jesus der Erstgeborene ist!
Weitere Details zur Herkunft und der Familie von Jesus gibt es auf der Seite: http://gottesgeheimnis.net/2017/01/08/unterwegs-mit-jesus-kapitel-1-die-kindheit-von-jesus/
Abbildung: Eine Schafherde weidet friedlich in einem umzäunten Olivenhain auf der Insel Thassos (Foto: 17. August 2011). Trotz der Schutzmaßnahmen lauern Gefahren für einzelne Schafe aber auch die ganze Herde. Auf sich allein gestellt oder unter der Aufsicht eines eigennützigen Hirten, wären die Schafe den Gefahren schutzlos ausgeliefert (Joh 10,12ff). Doch Jesus der Gute Hirte verspricht Schutz und Sicherheit (Joh 10,28-29).
Die Frage nach dem Antichristen ist bald zweitausend Jahre alt. Manche Christen sind der Meinung, dass er bald kommen oder erscheinen werde. Andere wiederum meinten in bestimmten führenden Persönlichkeiten der letzten Jahrhunderte den Antichristen erkannt zu haben – die Liste der genannten Kandidaten ist lang und unterstreicht das große Interesse an diesem Thema. Es ist nicht die Absicht, hier Namen zu nennen oder verschiedene Positionen einander gegenüberzustellen. Vielmehr geht es darum, die Texte für sich sprechen zu lassen und die Kriterien zu erkennen, anhand derer eine Prüfung der Geister vorgenommen werden kann. Wie in allen anderen Themenbereichen, machen wir uns auf die Suche nach Texten, die zu der Frage nach dem Antichristen Auskunft geben können.
Wenn der Antichrist im Zusammenhang der Ausbreitung des Reiches Gottes in dieser Welt so eine bedeutende Rolle einnimmt, dann müsste doch der, gegen den dieser auftritt, dazu einiges gesagt haben. Und in der Tat spricht Jesus oft und offen über dieses Thema. Die Begriffsbezeichnung `Antichrist` (gr. antichristos) ist eine Übertragung in die lateinischen und slawischen Sprachen und keine Übersetzung des Wortinhaltes. Während `Christos` Gesalbter bedeutet, kann die Vorsilbe `anti` mit `gegen`, oder auch `anstelle` übersetzt werden. Ein Antichrist ist daher jemand der sich gegen Christus stellt, auflehnt, oder es ist jemand, der sich an die Stelle Christi stellt oder setzt. Letzteres kann sich auf zweierlei Weise zeigen: Der sich direkt und offenkundig als der Christus ausgibt, oder der sich verdeckt, in einer Art schleichenden Entwicklung, den Platz, der allein Christus gebührt, einnimmt.
Jesus sagte voraus; „Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen.“ (Mt 24,5). Im gleichen Kapitel nennt Jesus einige Merkmale oder Verhaltensweisen und Auswirkungen der sogenannten Christusse, dazu sagt er: „Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus!, oder: Da!, so sollt ihr’s nicht glauben. Denn es werden falsche Christusse (gr. pseudochristoi) und falsche Propheten (gr. pseudoprof¢tai) aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, sodass sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten.Siehe, ich habe es euch vorausgesagt. Wenn sie also zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste!, so geht nicht hinaus; siehe, er ist drinnen im Haus!, so glaubt es nicht. Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen (vom Aufgang bis zum Niedergang), so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.“ (Mt 24,23-27).
Nach der Liste und Bewertung von Prof. Roger Liebi werden allein im jüdischen Kontext mehr als fünfzig Messiasse gezählt und keiner von ihnen ist in Bethlehem geboren. Die Gesamtzahl der Pseudochristusanwärter geht weltweit in die Tausende. Und jede von ihnen ist verführerisch und verderblich, denn immer gibt es Menschen, welche ihnen nachfolgen. Dabei sind die offensichtlichen Gegner Christi für die Gläubigen leicht zu erkennen. Schwieriger ist es, die `anstelle Christi` zu erkennen, da deren Wirkungsstrategie oft verdeckt ist und ihre Entwicklung sich schleichend unter den Gläubigen ausbreitet. Zu dieser Gruppe gehören die, von denen Jesus prophezeite: „Seht euch vor vor den falschen Propheten (gr. pseudoprof¢tai), die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ (Mt 7,15-16).
Das Erkennungsmerkmal ist nach seinen Worten: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“. Da Jesus selbst die falschen Christusse und falsche Propheten in einem Atemzug nennt (Mt 24,5.23), ist zwischen diesen beiden Personengruppen eine große Ähnlichkeit. Die Taktiken und Methoden sind ähnlich und das Ziel ist das Gleiche, nämlich die Menschen zu verführen und die Gläubigen an Christus von der Wahrheit abzubringen.
Johannes, Jünger und Apostel des Herrn, der die Bezeichnung `Antichrist` ausdrücklich und mehrmals verwendet, schreibt nach etwa sechzigjährigem Bestehen der Gemeinde Christi: „Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen aufgetreten; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist. 19 Von uns sind sie ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, würden sie wohl bei uns geblieben sein; aber sie blieben nicht, damit sie offenbar würden, dass sie alle nicht von uns sind. Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen und habt alle das Wissen.“ (1Joh 2,18-20).
Jahre vorher hörten die Gläubigen vom Auftreten des Antichristen. Nun war er da und zwar in vielfacher Ausführung. `Der Antichrist` (hier mit bestimmtem Artikel und in der Einzahl), ist demnach als Sammelbegriff für alle antichristlichen Geister zu verstehen, die sich in und durch bestimmte Personen manifestieren. Die Zeitangabe „die letzte Stunde“ (hier nicht mathematisch, sondern qualitativ) ist von Johannes aufgrund des Auftretens vieler Antichristen ermittelt worden. Diese `Stunde` deckt die gesamte Periode bis zur Wiederkunft Christi ab. Der Apostel betont weiter, dass diese `Viele` ursprünglich mit dabei waren. Weil sie jedoch die Gemeinde verlassen haben und nun zentrale Wahrheiten über die Person Jesu leugneten, war ein Hinweis, dass sie von Anfang an nicht wirklich dabei waren.
Und in den Versen 22-23 ergänzt Johannes: „Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. 23 Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater.“ Hier wird der Antichrist als der Lügner bezeichnet. Der Vater und der Sohn sind eine göttliche Wesenseinheit (Joh 10,30-36). Doch niemand kommt zum Vater, außer durch den Sohn, so das Zeugnis des Vaters (Joh 14,6; Mt 17,5).
Und in 1Joh 4,1-3 ergänzt Johannes: „Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten (gr. pseudoprof¢tai) ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt. (1Joh 4,1-3). Zuerst kommt das Warnschild: „glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister“ (1Kor 12,10).
Der Kern der Irrlehre ist die Leugnung der Menschwerdung des Gottessohnes (lat. Inkarnation). Ergänzend dazu noch 2Joh 1,7: „Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist.“ Johannes bezeichnet den Antichristen als Verführer (gr. planos). Was sich für unsere Ohren als etwas planmäßiges, geordnetes anhört, bedeutet im Griechischen eindeutig irreführend, bzw. in die Irre Führender also Verführer. Merken wir wie Johannes auch die Verführer in der Mehrzahl unter dem Oberbegriff „der Verführer“ zusammenfasst. Dazu gebraucht er hier den Begriff Verführer und der Antichrist als Synonyme.
Folgendes wird durch diese Texte deutlich:
Auch bei Johannes sind Antichristen und `pseudo`, bzw. falsche Propheten wie auch bei Jesus in einem engen Zusammenhang genannt.
Geister wirken in und durch Menschen, dies trifft sowohl auf den Geist Gottes zu, wie auch auf alle und verschiedene böse Geister.
Die Gläubigen sind aufgefordert, aber auch befähigt, Geister, die durch Menschen wirken, durch Prüfung zu unterscheiden.
Der antichristliche Geist wird besonders deutlich an der Ablehnung des Christus erkannt und zwar, des Christus, der als Gottes Sohn ins Fleisch gekommen ist, also Mensch wurde. Dabei ist es gleich schwerwiegend, ob jemand dem Christus seine Göttlichkeit oder seine Menschlichkeit leugnet.
Auch jeder Geist, der Jesus Christus nicht bekennt, ist ebenfalls nicht von Gott, sondern gehört in die Kategorie des Antichrists- gegen Christus.
Nach den Worten des Johannes kommt der Antichrist nicht erst irgendwann in der Zukunft, die noch vor uns liegt. Das `er kommt` wurde bereits der ersten Gemeindegeneration gesagt. Doch schon zum Ende des 1. Jahrhunderts war der Antichrist (antichristliche Geist) in großem Umfang durch viele Menschen als falsche Propheten wirksam. Die Auseinandersetzungen im zweiten und dritten Jahrhundert endeten keineswegs mit dem Konzil von Nizäa im Jahre 325. Dieser Geist wirkt bis heute weltweit und wird endlich von Christus entmachtet werden. Doch auch die Gläubigen können ihn entlarven und ihm wirksam widerstehen.
Diese gottfeindliche und christusgegnerische Bewegung begann schon in der Zeit, als Jesus noch ein Kind war. „Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte.“ (Mt 2,16). Damit lehnte sich Herodes bewusst gegen Christus auf, von dem er Kenntnis hatte, wie seine Frage an die Schriftgelehrten „wo der Christus geboren werden sollte“ verrät (Mt 2,4).
Diese antichristliche Bewegung setzte sich fort unter der damaligen Führung Israels. Sie hatten beschlossen: Wer ihn als den Christus bekennen würde, aus der Synagoge ausgeschlossen würde (Joh 9,22). Wenig später lesen wir: „Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.“ (Joh 11,53; Mk 14,1; Mt 26,59). Diese antichristliche Haltung der religiösen und politischen Machthaber jener Zeit erwähnten die Gläubigen in ihrem Gebet, indem sie aus dem zweiten Psalm zitierten: „du hast durch den Mund unseres Vaters David, deines Knechtes, durch den Heiligen Geist gesagt (Psalm 2,1-2): »Warum toben die Heiden, und die Völker nehmen sich vor, was vergeblich ist? Die Könige der Erde treten zusammen, und die Fürsten versammeln sich wider den Herrn und seinen Christus.« Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels, zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt haben, dass es geschehen sollte.“ (Apg 4,25-28). Die Wendung: „wider den Herrn und seinen Christus“, unterstreicht die Bewusste Auflehnung gegen Jesus Christus.
Diese antichristliche Einstellung attestierte Stephanus dem Hohen Rat; „Ihr, halsstarrig und unbeschnitten an Herzen und Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter, so auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die zuvor verkündigten das Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.“ (Apg 7,51-53).
Und Paulus schreibt an Timotheus (welcher sich zu der Zeit in Ephesus aufhielt) etwa um die Mitte der fünfziger Jahre: „Denn schon haben sich einige abgewandt und folgen dem Satan.“ (1Tim 5,15). Wie treffend: einige haben bereits den Glauben an Christus verlassen und folgen dem Satan nach, dies ist doch die Tätigkeit des Verführers Und in seiner Abschiedsrede an die Ältesten in Ephesus im Frühjahr des Jahres 58 sagte er: „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher eingesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines eigenen Sohnes! 29 Ich weiß, dass nach meinem Abschied grausame Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. Und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her, Darum wacht.“ Dies bedeutet, dass die Verführung sowohl von außen als auch von innen kommen wird.
Abbildung: Was immer für ein Fell Wölfe tragen würden, ihrer Natur nach zerreißen und zerstreuen sie eine Schafherde (Mt 7,15; Joh 10,10a). (Foto: 3. April 2018).
Auch Petrus hat in seinem zweiten Brief zu diesem Thema deutliche Aussagen gemacht: „Es waren aber auch unter dem Volk falsche Propheten, wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren einführen und verleugnen den Herrn, der sie losgekauft hat; die werden über sich selbst herbeiführen ein schnelles Verderben. 2 Und viele werden ihnen folgen in ihren Ausschweifungen; um ihretwillen wird der Weg der Wahrheit verlästert werden. 3 Und aus Habsucht werden sie euch mit erdichteten Worten zu gewinnen suchen. Das Urteil über sie wirkt seit Langem, und ihr Verderben schläft nicht.“ (2Petr 2,1-3). Wie oft haben sich diese Prophetischen Worte in der Geschichte erfüllt. Dass der Name Gottes und des Christus durch solch verdorbene Lebensführung gelästert wurde ist nachvollziehbar. Aufgrund all dieser Aussagen kann in dem falschen Propheten aus Offb 13,11-18 der Lügner, Verführer und Antichrist in all den verschiedenen Ausprägungen gesehen werden.
Seither hat sich diese Geistesbewegung verzweigt, ausgebreitet und ist wirksam sowohl von außen als auch von innen der Gemeinde des Herrn und diese wird sich fortsetzen bis der Herr kommt. Und mit seiner Ankunft wird er diesen Gottfeindlichen und christusgegnerischen Mächten ein Ende bereiten.
Schlussfolgerung:
Offensichtlich geht mit der Ausbreitung des Evangeliums auch die Gegenoffensive des antichristlichen Geistes einher und spitzt sich zum Ende hin noch mehr zu. Der Geist des Antichrists begann seine Wirksamkeit seit den Tagen von Jesus, er setzte sich fort in und durch viele und verschiedene Menschen und Menschengruppen, auch mit Hilfe von unterschiedlichen religiösen und ideologischen Systemen. Doch der Gipfel seiner Wirksamkeit ist noch nicht erreicht. Christen müssen wachsam sein, um nicht den verführerischen Machenschaften der christusfeindlichen Mächte als Beute zum Opfer zu fallen.
Aber Christus wird das letzte Wort haben und als Sieger hervorgehen, wie der Apostel schreibt: „Darum hat ihn (den Christus) auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,9-11).
„Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde besitzen(erben).“ (Mt 5,5).
Es ist nicht einfach diese Seligpreisung zu verstehen, einmal wegen dem Begriff `Sanftmut` und wegen der Verheißung `die Erde zu erben`. Wir fangeNeun hier einmal vom Ende an und fragen, was meint Jesus mit „die Erde erben“?
Abbildung 42 Vom Berg Nebo aus reicht der Blick weit über den Jordangraben jn das Land der Verheißung (Foto: 7. November 2014).
In den meisten Stellen der Bibel ist mit Erde unser Planet gemeint, den Gott geschaffen hat mit allem was darinnen ist (1Mose 1,1-2,24) und diese Erde gehört Gott, wie aus Psalm 24,1 deutlich und unmissverständlich hervorgeht: „Ein Psalm Davids.“ Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen.“ Die Eigentumsrechte liegen also bei Gott. An einer anderen Stelle steht geschrieben: „Der Himmel ist der Himmel des HERRN; aber die Erde hat er den Menschenkindern gegeben.“ (Ps 115,16; 1Mose 2,15). Bereits den Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob) versprach Gott ein bestimmtes Land zu geben (1Mose 12,7; 13,15.17; 17.8; 26,3; 28,13; 50,24; 32,13; Jes 34,17; 60,21). Doch das Land hat Gott dem Volk Israel unter konkreten Bedingungen zum Erbe gegeben (5Mose 4,27; 28,15-68; 31,16-21; 1Kön 6,46-53; 14,15-16; Neh 1,5-11). Mit dem Begriff Erde `gr. `γῆς – g¢s`, werden sowohl unser Planet als Ganzes sowie bestimmte begrenzte Territorien beschrieben.
Doch es gibt einige Aussagen, auch schon im Alten Testament über eine neue Erde, so lesen wir zum Beispiel in Jesaja 65,17: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“ (Jes 65,17). Oder: „Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich mache, vor mir Bestand haben, spricht der HERR, (…).“ (Jes 66,22a). Gott hat also eine neue Weltschöpfung unter der Doppelbezeichnung `Himmel und Erde` vorgesehen und vorausgesagt. Jene Vorsehung setzt die zeitweilige begrenzte Bestimmung dieser Erde voraus. Die Vergänglichkeit der jetzigen Erde hat auch Jesus vorausgesagt: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“ (Mt 24,35). Auch der Apostel Petrus, der Jesus in dessen Lehre gut und richtig verstanden hat, schreibt etwas ausführlicher vom Vergehen der jetzigen Schöpfung und beschreibt die neue Schöpfung:
Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden. Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. (2Petr 3,10-13; Jes 65,17; 66,22).
Wir haben also die Wahl mit dem Begriff Erde `gr. gh;j – g¢s` an diese materielle, zeitlich begrenzte und vergängliche Erde zu denken, an die Erde, die Gott schafft, in welcher Gerechtigkeit wohnen wird oder an beide Schöpfungen, bzw. Wohnbereiche.
Nach der Elberfelder Übersetzung heißt es: „Sie werden das Land erben“, (LÜ nicht so genau: „das Erdreich besitzen“). Diese Übesetzungsvariante könnte unnötigerweise zu einem Denken an ein `irdisches Reich` verleiten. Im Griechischen wird das Verb `erben` verwendet. Beim `erben` handelt es sich um Eigentumsrechte. In Matthäus 25,34 sagt Jesus, bzw. wird er zu denen zu seiner Rechten sagen: „ererbt das Reich“. Bei dieser Aussage geht es eindeutig um das ewige, auf die Zukunft ausgerichtete unvergängliche Erbe, das uns Jesus durch sein Erlösungswerk erworben hat. Aber gibt es bereits hier auf dieser Erde etwas zu erben? Es sieht so aus, dass die jetzige Erde von den Mächtigen dieser Welt beansprucht und verwaltet (oder auch mißbraucht) wird. Wir fragen auch, welche Bestrebungen zeigte Jesus, als er hier war? Nahm er etwas von dieser Erde, diesem seinem Land in dem er lebte in Besitz?
Er besaß kein eigenes Haus, obwohl er Häuser-Erbauer war.
Er beanspruchte keinen Grundbesitz in Bethlehem, der Stadt seiner Vorfahren.
Er sprach nicht über die Wiederherstellung des Territoriums für das Volk Israel, sondern immer nur über die Menschen, die dort lebten. Auf die Frage des Pilatus hinsichtlich seiner Königswürde, sagte Jesus; „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36).
Abbildung 43 Die Erde ist des Herrn und alles, was darinnen ist.“ (Psalm 24,1). Blick von der Sinaihalbinsel bei Nuweiba über den Golf von Agaba nach Saudi Arabien – Sonnenaufgang (Foto: 5. Februar 2013).
Doch wenn Gott immer noch der rechtsmäßige Eigentümer dieser Erde ist, so bezieht er auch seine Kinder jetzt in die gottgewollte Verwaltung der Erde und dessen was darinnen ist, mit ein (1Mose 2,15). Beispiele:
Auf der einen Seite verlassen seine Nachfolger ihre Häuser, ihre Heimat, ihre Boote, ihre Äcker um des Evangeliums willen (Mt 19,27-29). Gleichzeitig stellen sie ihre Häuser, Boote, Kleider, Lebensmittel und auch Geld, Gott und seinem Reich zur Verfügung (Mt 8,14; Lk 5,3; Lk 8,1-3; Joh 12,1-11; Mk 14,3; Apg 2,44.46; 4,37) und gehören zu den wahren Verwaltern dieser Erde und der irdischen Dinge. So bekommt diese Seligpreisung für die Sanftmütigen auch eine Anwendung auf das jetzt und hier. In Matthäus 19,29 hebt Jesus den Gedanken hervor, dass seine Nachfolger auch schon jetzt in dieser Zeit Anteil haben werden an all den materiell nutzbaren und erforderlichen Dingen (Äcker, Häuser etc).
Was ist Sanftmut, wie drückt sie sich aus? Es gibt sehr viel Stellen im Neuen Testament, in denen der Begriff Sanftmut als Geistesfrucht (Gal 5,23) und Charakterzug eines Christen erwähnt wird, so in Epheser 4,2; Kolosser 3,12; 1Petrus 3,4 u.a.m.). Am Beispiel von Jesus können wir deutlich erkennen, wie diese Frucht des Geistes sich ausdrückt. »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig (gr. πραῢς – praus) und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen (Fohlen), dem Jungen eines Lasttiers« (Mt 21,5; Sach 9,9). Sanftmut hat gar nichts mit zur Schau gestellten Schwäche zu tun. Jesus weiß um seine Berufung, seinen Stand und seinen Auftrag. Für den Einritt nach Jerusalem als der verheißene, wahre König Israels, benötigt er kein weißes Pferd, ein Zeichen eines Herrschers dieser Welt, sondern begnügt sich mit dem Fohlen einer Eselin. Er kommt um zu dienen, was durch das junge noch nicht benutzte und noch unerfahrene Lasttier deutlich wird. Dies ist ein klarer Ausdruck des sanftmütigen Geistes. Er selber beansprucht sanftmütig zu sein wenn er sagt:
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft (freundlich), und meine Last ist leicht. (Mt 11,28-30).
Die Sanftmütigen in Matthäus 5,5 sind also Menschen, die in der Gesinnung und Haltung ihres Meisters leben.
Sie sind nicht stolz und keine Angeber, trotz ihrer hohen Berufung und Standes (1Kor 15,10).
Sie sind nicht hochmütig, trotz ihrer besonderen geistlichen Befähigungen (2Kor 12,1-10).
Sie maßen sich nichts an, was sie nicht tatsächlich sind oder getan haben (2Kor 10,13).
Sie sind Menschen, die in rechter Art und Weise Schwachgewordene aufrichten (Gal 6,1-2; Apg 15,39).
Es sind mutige, besonnene, auftrags- und zielbewusste Menschen, die in Extremsituationen weder in Verzagtheit fallen, noch in einen gefühlsmäßigen Überschwang und Übermut (2Kor 10,1; Apg 27,34-36).
Es sind Menschen, welche die diesseitigen, materiellen Dinge durch Anwendung geistlicher Prinzipien richtig und sinnvoll verwenden (Apg 2,45; 11,28-30).
Fragen / Aufgaben:
Wem gehört diese Erde rechtsmäßig?
Was meint Jesus mit der Verheißung: „Die Erde (Land) erben“?
An welchen Beispielen aus dem Leben von Jesus und der Apostel kann man die Geistesfrucht `Sanftmut` deutlich erkennen?
Was schließt die Hoffnung, auf das erben eines neuen ewigen Wohnortes für die Sanftmütigen, jetzt und heute unbedingt mit ein?
Während in der ersten Seligpreisung ganz konkret vom Geist des Menschen die Rede ist, liegt die Betonung in der zweiten Seligpreisung auf dem Gemüt des Menschen, auf seiner Empfindungsfähigkeit. Auf der Fähigkeit bewusst emotional zu empfinden und auch zu reagieren.
Abbildung 41 Blick vom Berg der Seligpreisungen auf das Nord- und Ostufer des Sees von Genezaret (Foto: Juli 1994).
Im Text des Evangelisten Matthäus lesen wir weiter: „Glückselig die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden.“ (Mt 5,4).
Es ist geradezu auffällig, dass sowohl die erste als auch die zweite Seligpreisung in der messianischen Verheißung aus Jesaja 61,1-3 enthalten ist. Dort steht geschrieben:
Der Geist des Herrn, HERRN, ist auf mir; denn der HERR hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden1 (nach LXX Armen) frohe Botschaft zu bringen, zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind, Freilassung auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen, auszurufen das Gnadenjahr des HERRN und den Tag der Rache (Vergeltung) für unsern Gott, zu trösten alle Trauernden, den Trauernden Zions Frieden, ihnen Kopfschmuck statt Asche zu geben, Freudenöl statt Trauer, ein Ruhmesgewand statt eines verzagten Geistes, damit sie Terebinthen der Gerechtigkeit genannt werden, eine Pflanzung des HERRN, dass er sich durch sie verherrlicht. (Jes 61,1-3).
Der in Matthäus 5,4 werwendete griechische Begriff `πενθούντες –penthountes` wird mit Trauernde oder Leidtragende übersetzt (πένθος –penthos -Trauer). Jesus spricht hier von Menschen, die aktiv und nachhaltig Leid tragen, Trauern über ihr Fehlverhalten. Auch diese Frohe Botschaft ist bereits im Alten Testament vorausgesagt worden. So lesen wir in Jesaja 57,18-19: „Ihre Wege habe ich gesehen, aber ich will sie heilen und sie leiten und ihnen wieder Trost geben; und denen, die da Leid tragenwill ich Frucht der Lippen schaffen. Friede, Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der HERR; ich will sie heilen.“
Dieser tiefgreifende Trost gilt allen, die über ihr eigenes Versagen, ihre eigene Sünde, ihre eigens verursachte Ungerechtigkeit Leid tragen und trauern (vgl auch 2Mose 33,4). Diesen Menschen wird Trost versprochen, Trost durch Vergebung der Schuld. Trauern ist sehr oft mit Weinen verbunden und bildet den Gegensatz zum überheblichen und oberflächlichem Gelächter. So ergänzt Lukas in seinm Text den Matthäus: „Glückselig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen.“ (Lk 6,25 vgl. dazu auch Hes 27,31).
Was Jesus hier ausspricht, setzt er später in seinem Dienst ganz praktisch um. Die Stadtbekannte Frau, die sich Jesus näherte im Haus des Pharisäers Simon, trauerte und weinte über ihr sündiges Leben. „Und siehe, da war eine Frau in der Stadt, die eine Sünderin war; und als sie erfahren hatte, dass er (Jesus) in dem Haus des Pharisäers zu Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl, trat von hinten an seine Füße heran, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen, und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes. Dann küsste sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl.“ (Lk 7,37-38). Der Trost blieb nicht aus, denn Jesus nimmt sie in Schutz vor Simon wenn er sagt: „Denn ihre vielen Sünden sind ihr vergeben“ und zu der Frau gewandt: „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!“ (Lk 7,50).
Die Verheißung des `getröstet werden` löst Jesus also schon hier und jetzt ein, doch erst in der Neuen Welt wird sie vollkommene und ununterbrochene Realität werden, so die Aussagen in dem prophetischen Buch des Jesaja und der Offenbarung des Johannes:
Jes 25,8: „Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.“
Offb 7,17: „(…) denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. (Offb 7,17).“
Offb 21,4: „(…) und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid (wörtlich: Trauer) noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Was für eine Aussicht !
Fragen / Aufgaben:
Wer sind Trauernde und Leidtragende?
Warum ist das Leidtragen über die bewusst begangenen Sünden eine der wichtigen Voraussetzungen für die Wiedergeburt eines Menschen?
Was beinhaltet die Verheißung des getröstet werden?
3.10.1 Zeit und Ort der Berglehre (Seligpreisungen)
Der Evangelist Matthäus berichtet über die Berglehre von Jesus ziemlich am Anfang seines Evangelienberichtes. Er beschreibt die Berufung der Jünger nicht wie die Evangelisten Markus und Lukas gesondert, sondern setzt sie einfach voraus. Es wäre schon ungewöhnlich, wenn Jesus seine Grundsatzrede über das Reich Gottes nicht in der Gegenwart seines kompletten Jüngerteams gehalten hätte. So lesen wir in Matthäus 5,1-2: „Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie (…).“
Abbildung 38 Das Nordufer des Sees mit dem Ruinengelände von Kapernaum (Foto: Juli 1994).
Der Evangelist Lukas nennt erst die Details der Berufung der Zwölf und berichtet gleich danach auszugsweise aus der Berglehre. So kann die Berglehre von Jesus zeitlich ungefähr in die erste Hälfte der ersten Dienstperiode in Galiläa eingeordnet werden – das wäre ca. Herbst 29 n. Chr. Die lange kirchliche Tradition im Heiligen Land sieht den Ort der Berglehre im Nordwesten von Kapernaum, an der Stelle, wo heute die Kirche der Seligpreisungen steht. Dort finden wir weniger einen Berg, sondern eher eine flach abfallende Anhöhe, von der man über Kapernaum und dann weit über den See Gennezaret schauen kann.
Abbildung 39 Die Kirche der Seligpreisungen auf einer Anhöhe im Nordwesten von Kapernaum (Foto: April 1986).
Er merkt weiter an, dass Jesus vorher die ganze Nacht betete und am frühen Morgen aus der Vielzahl seiner Jünger, zwölf ausrählte und zu Aposteln berief. Es gibt einige Hinweise, dass Jesus viel mehr Jünger hatte, als uns bekannt sind (Joh 4,1; Lk 6,17; 19,37). Es ist möglich, dass aus dieser Vielzahl später einige zu den siebzig gehörten.
Auf dem vom Evangelisten Lukas beschriebenen ebenem Platz, setzt sich Jesus in die Mitte seines Jüngerkreises und spricht zu ihnen. Doch offensichtlich konnte auch das ganze Volk mithören. Der Evangelist vermerkt auch, dass von verschiedenen Gegenden Menschen gekommen waren, um ihn zu hören und um von ihren Krankheiten geheilt zu werden.
Der Evangelist Matthäus unterbricht die anfängliche Reihenfolge der Taten von Jesus mit den Details aus der Berglehre. In ihr fasst er das geistliche Programm des anbrechenden Reiches Gottes zusammen.
Die Berglehre von Jesus bildet eine Schatzkammer von lauter kostbarer Perlen. Acht davon sind in den sogenannten Seligpreisungen eingefasst. Wir machen uns nun auf die Suche und Entdeckung dieser geistlichen Schätze.
In der folgenden Tabelle sind alle acht Seliogpreisungen aufgelistet wie sie uns die Evangelisten Matthäus und Lukas aufgeschrieben haben. Dabei werden wir feststellen, dass Lukas zu dem auch noch Weherufe aufgeschrieben hat und damit werden die Aussagen von Jesus vollständiger.
Fragen / Aufgaben:
Suche in einem Bibelatlas, wo in etwa die sogenannte Bergpredigt von Jesus gehalten wurde.
An wen richtet Jesus seine Berglehre?
Welche Evangelisten haben in ihren Berichten die Berglehre aufgezeichnet?
Warum beschreibt der Evangelist Matthäus die Zusammenfassung einiger wichtiger Reichsgottesinhalte gleich am Anfang seines Evangelienberichtes?
Aus welchen Lehrbereichen besteht die Berglehre?
3.10.2 Liste der Seligpreisungen
Matthäus
Lukas
1. Glückselig die Armen im Geiste, denn ihrer gehört das Reich der Himmel
Glückselig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes
Aber wehe euch Reichen! Denn ihr habt euren Trost dahin
2. Glückselig die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden
Glückselig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen
Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen
3. Glückselig die Sanftmütigen, denn sie sollen das Erdreich besitzen
4. Glückselig die Hungernden und Dürstenden nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden
Glückselig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden
Wehe euch, die ihr voll seid, denn ihr werdet hungern
5. Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen
6. Glückselig die Reinen im Herzen, denn sie werden Gott schauen
7. Glückselig die Friedfertigen, denn sie sollen Gottes Kinder heißen
8. Glückselig die Verfolgten wegen Gerechtigkeit, denn ihnen gehört das Reich der Himmel
Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen.
Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren
Glückselig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen werden und wenn sie euch absondern und schmähen und euren Namen als böse verwerfen werden um des Sohnes des Menschen willen.
Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden, denn ebenso taten ihre Väter den falschen Propheten
Freut euch an jenem Tag und hüpft! Denn siehe, euer Lohn ist groß in dem Himmel; denn ebenso taten ihre Väter den Propheten
In den nächsten Abschnitten werden wir die acht Seligpreisungen näher betrachten.
Fragen Aufgaben:
Stelle die Ähnlichkeiten, bzw. Ergänzungen und Unterschiede bei den Evangelisten fest.
Welche Seligpreisung fällt dir positiv und welche evtl. negativ auf?
Bewerte die Verschiedenheit in den Berichten.
Warum waren und sind diese Seligpreisungen in jedem Kulturkreis immer irgendwie störend?
Welche Seligpreisung würde in der Umsetzung deinen Alltag in Familie, Beruf und Gemeinde stark verändern?
Welche Seligpreisung könnte für dich Priorität in der Umsetzung gewinnen?
3.10.3 Die 1. Seligpreisung
(Bibeltexte: Mt 5,3; Lk 6,20)
Nach dem Text des Evangelisten Matthäus beginnt Jesus seine Lehre mit: „Glückselig die Armen im Geiste, denn ihrer gehört das Reich der Himmel.“ (Mt 5,3). Nach dem Text des Evangelisten Lukas: „Glückselig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes.“ (Lk 6,20). „Aber wehe euch Reichen! Denn ihr habt euren Trost dahin.“ (Lk 6,24).
Wir entdecken zunächst gewisse Unterschiede in den Vormulierungen der beiden Evangelisten. Während im Text des Evangelisten Lukas nur allgemein die `Armen` glückselig gepriesen werden, ergänzt der Text des Evangelisten Matthäus mit `Armen im Geist`. Nach der Formulierung des Lukas wendet sich Jesus direkt an seine Jünger. Nach Matthäus sind allgemein alle angesprochen, welche die Voraussetzungen für solche Seligpreisung erfüllen oder erfüllen werden. Nach dem Text des Evangelisten Lukas hat Jesus noch als deuitlichen Kontrast einen Weheruf über die Reichen ausgesprochen.
Hätten wir nur den Bericht des Lukas, würden wir einseitig an die materiell Armen und Reichen denken. Und diese Einseitigkeit würde auch verschiedenen Aussagen der Schrift widersprechen, denn weder sind die materiell Armen automatisch glückselig oder glücklich, noch sind die Reichen wegen ihres Reichseins automatisch unglückselig. Einige der Jünger konnte man keineswegs zu den materiell Armen zählen. Doch auch die vollständigere Aussage des Matthäus „Glückselig die Armen im Geiste“ meint auch nicht einfach die geistig Schwachen oder gar geistig behinderten Menschen. Waren doch auch die zwölf Jünger geistig gesehen weder hochintelligent, noch geistig unterentwickelt.
Der griechische Begriff `πνεύμα – pneuma` wird sowohl für den Geist Gottes, als auch den Geist des Menschen verwendet. Im Text des Matthäusevangeliums geht es eindeutig nicht um den Geist Gottes, denn arm sein im `Geiste Gottes`, oder `geistlich` arm sein, wäre nicht im Sinne von Jesus. Doch was meint Jesus denn mit `arm im Geiste`? Unserer Erkenntnis nach geht es hier um eine bewusste und reale, auf Gott bezogene oder von Gott her definierte Einschätzung des wahren Zustandes eines Menschen. Wie so oft, füllt Jesus ganz natürtliche Worte mit geistlichem Inhalt. (Joh 6,63: „Die Worte die ich zu euch rede sind Geist und sind Leben“). Ein Blick in die Psalmen und Propheten, so wie neutestamentliche Aussagen und Beispiele aus dem Erleben mit Jesus, macht es uns leicht diese Seligpreisung zu verstehen.
Der Prophet Jesaja schreibt: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: In der Höhe und im Heiligen wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen.“ (Jesaja 57,15). Oder: „Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der erzittert vor meinem Wort.“ (Jes 61,2). Der Psalmist David schreibt: „Denn du hast keine Lust am Schlachtopfer, sonst gäbe ich es; Brandopfer gefällt dir nicht. Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist (pneuma); ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ (Psalm 51,18-19). Der König David erkannte, bekannte, beugte und demütigte sich vor Gott in seinem Herzen wegen seiner Sünden (Ehebruch, Mord). Im Gegensatz dazu war die religiöse Elite zur Zeit von Jesus reich im Geiste – selbstbewusst, selbstsicher, selbstgerecht, stolz auf ihre detailierten Kenntnisse der Überlieferungen der Ältesten.
Bei dieser Seligpreisung geht es um Menschen, von denen es heißt: „Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.“ (Mt 18,4).
Abbildung 40 Der See Genezaret bei Kapernaum, in dessen Nähe Jesus die sogenannte Bergpredigt gehalten hat (Foto: April 1986).
Es geht also darum, sich vor Gott in seinem realen Zusatand (arm, bloß, ungelehrt, unmündig, unfähig, sündig) zu erkennen, zugeben und auch bekennen. Es geht auch darum, sich vor Gott zu demütigen und in der Gegenwart der Heilgkeit Gottes den eigenen Stolz und Besserwisserei zerbrechen zu lassen. Diesen Menschen spricht Jesus Glückseligkeit zu. Beispiele: Der Zöllner: Lukas 18,13-14; Simon/Petrus: Lk 5,8. Es geht dabei nicht um angenehme Befindlichkeit oder äußeres Wohlgefühl, sondern um eine Zusage, einen Zuspruch von Jesus – er nennt solche Menschen glückselig.
Es fällt auf, dass diese Armut im Geiste von Gott nicht mit Reichtum oder anderen irdischen Werten belohnt wird. Es geht um das Teilhaben am Reich Gottes. Matthäus verwendet mit Vorliebe die Bezeichnung `Reich der Himmel`, man kann auch übersetzen mit: Königreich der Himmel (gr. `βασιλεία των ουρανών – basileia tön ouranön`). Womöglich ist diese Bezeichnung eine Anlehnung an Daniel 7,14. Offensichtlich führt Jesus in seiner Verkündigung diese Bezeichnung bewusst ein um deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht mehr um das alttestamentliche, irdische, territoiell- und zeitlich begrenzte Reich Israel oder Reich Juda geht. Diese Menschen sind Bürger, Teilhaber und Mitgestalter dieses göttlichen Reiches.
Fragen / Aufgaben:
Jesus spricht eine Sprache, die sich von der, der Schriftgelehrten unterscheidet. Verstehen die Menschen ihn in seiner Lehre?
Was ist zu beachten bei der Auslegung der Worte von Jesus? Wie kann man feststellen, wann etwas wörtlich gemeint ist und wann die Bedeutung des Wortes oder der Aussage im übertragenen Sinne zu verstehen sind?
Wen meint Jesus mit den `Armen im Geiste`?
Jesus spricht oft vom Reich Gottes oder dem Reich der Himmel. Was meint er damit? Worin unterscheidet sich das Reich Gottes, welches von Jesus gepredigt und ausgebreitet wurde, vom Reich in dem er als galiläischer Bürger lebte?
Was bedeutet der Begriff `Glückselig`?
Welchen Anteil können Menschen `arm im Geist` am Reich Gottes haben?
Abbildung 1 „Rechte Waage, rechtes Gewicht, rechter Scheffel und rechtes Maß sollen bei euch sein; ich bin der HERR, euer Gott, der euch aus Ägyptenland geführt hat,“ (3Mose 19,36). Foto: 26. Januar 2016.
Wir beobachten, dass der Mensch grundsätzlich ein Gespür für Gerechtigkeit und Wahrheit hat (1Mose 3,22: „Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist“). Das ist die Ausgangsbasis für das menschliche Rechtsbewusstsein. Besonders empfindlich reagiert er, wenn seine eigenen Rechte beschnitten werden und er sucht mit recht sein Recht. Wir beobachten auch, dass jeder Mensch dieses Hohe Gut subjektiv wahrnimmt. Daher geht es oft nur mittels Vermittlung durch Psychotherapeuten, Seelsorger oder auch Anwälte und bürgerliche Gerichte.
Hier einige Grundaussagen der Bibel zum Recht und gerechtem Verhalten:
Denn der HERR, euer Gott, Er ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, mächtige und furchtgebietende Gott, der die Person nicht ansieht und kein Bestechungsgeschenk annimmt, der der Waise und der Witwe Recht schafft und den Fremdling lieb hat, sodass er ihm Speise und Kleidung gibt. Und auch ihr sollt den Fremdling lieben, denn ihr seid ebenfalls Fremdlinge gewesen im Land Ägypten. (5Mose 10,17-19).
Der HERR übt Gerechtigkeit und schafft Recht allen Unterdrückten. (Psalm 103,6).
Gerechtigkeit ist eine der vielen Wesenseigenschaften Gottes, so ist Er! Entsprechend dieser Eigenschaft handelt Er selber und fordert die Menschen zu entsprechendem Handeln auf.
SchafftRecht dem Geringen und der Waise, den Elenden und Armen lasst Gerechtigkeit widerfahren! (Psalm 82,3).
Gott kann zwar selber direkt eingreifen wenn es um gerechtes Urteil zwischen Menschen geht, doch dafür bezieht er sehr oft Menschen mit ein, daher sein Aufruf, ja sogar Aufforderung an die ensprechenden Verantwortlichen, den Benachteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen.
Er (Jesus) sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen sollte, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage (mich in Verruf bringt, meinen Ruf untergrabe). Da sprach der Herr (Jesus): Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden? (Lk 18,1-8).
Schlussfolgerungen:
Es gibt immer wieder Benachteiligte (Arme, Witwen, Waisen, Fremdlinge, Alleinstehende, Arbeitslose, Kranke, Ältere, Pflegebedürftige, der Gesetze unkundige Menschen).
Ein Mensch darf sein Recht anhaltend suchen, auch durch Vermittlung offizieller Institutionen.
Im Vergleich zu Gott, handeln die Vermittlungsstellen nicht immer uneigennützig (damals wie heute). In Ost und Süd sind es offensichtliche Geschenke, Schmiergelder die weiterhelfen, in West und Nord ist es das Ansehen, Günstlingsmotive oder Hörigkeit einer höheren Instanz gegenüber.
Mit Fortschreiten der Geschichte, nimmt der Glaube, das Vertrauen, die Treue, die Wahrheit und Gerechtigkeit mehr und mehr ab (Mt 24,12: „Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.“). Die Liebe zu Gott, zum Nächsten und auch die Liebe zur Wahrheit, die Liebe zur Gerechtigkeit.
Gott registriert und bewertet jede Handlung, jedes menschliche Urteil nach ihrem Wahrheitsgehalt und früher oder später kommt alles ans Licht. Er wird das Rufen der Witwe, Waise, des Unterdrückten, …, nicht überhören.
Doch Vorsicht beim RECHT suchen und fordern
Es sprach aber einer aus der Volksmenge zu ihm (zu Jesus): Meister, sage meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teilen soll! Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler über euch gesetzt? Er sagte aber zu ihnen: Habt acht und hütet euch vor der Habsucht! Denn niemandes Leben hängt von dem Überfluss ab, den er an Gütern hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Das Feld eines reichen Mannes hatte viel Frucht getragen. Und er überlegte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun, da ich keinen Platz habe, wo ich meine Früchte aufspeichern kann? Und er sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter aufspeichern und will zu meiner Seele sagen: Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und sei guten Mutes! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! In dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird gehören, was du bereitet hast? So geht es dem, der für sich selbst Schätze sammelt und nicht reich ist für Gott! (Lk 12,13-21).
Es fällt auf, dass Jesus sich nicht einspannen lässt, um als Schlichter oder Erbrichter zu fungieren.
Es gab Orts- und Stadtgerichte oder gar den Hohenpriester, welche für diese Angelegenheiten der Bürger zuständig waren. Das heißt in kein fremdes Amt eingreifen. (In einem Sprichwort heißt es: „Was nicht deines Amtes ist, da lass deinen Vorwirtz“).
Es gab Vorschriften im Mosaischen Gesetz, wonach das Erbe geregelt wurde (zum Beispiel in 5Mose 21,16-17; 4Mose 27,7). Es gibt bürgerliche Gesetze, nach denen in unserem Land die verschiedenen Rechtsfragen geregelt werden können.
Der Kläger, Bittsteller in der von Jesus geschilderten Geschichte hatte, laut der Zurückhaltung von Jesus zwei Möglichkeiten:
Er geht zum amtierenden Richter seiner Stadt, sucht sein Recht per Gesetz. Dabei riskiert er seine Beziehung zu seinem Bruder.
Er verzichtet auf sein Recht (oder vermeintliches Recht), lässt seinen Anspruch fallen, nimmt materielle Einbußen in Kauf, hat aber ein reines Gewissen und eine, seinerseits unverletzte Beziehung zu seinem Bruder bewahrt. Er hält dem Bruder die Tür offen, sich nach Einsicht bei ihm zu entschuldigen und freiwillig den Ausgleich zu gewähren.
Da Jesus das Herz dieses Mannes kannte, bzw. den Wahrheitsgehalt, die Motivation welche hinter der Forderung an seinen Bruder standen, bekommt er und auch die anderen Zuhörer die oben zitierte Geschichte zu hören. Übrigens führen gerade Erbangelegenheiten unter den Nachkommen häufig zu Streitigkeiten und Entzweiungen. Da ist abzuwägen, was einem Wertvoller ist. Das Recht – etwas mehr Hab und Gut, oder der Verzicht – dafür mehr Ruhe und Frieden.
Schprichwörter mit Wahrheitsgehalt:
„Genaue Rechnung, lange Freundschaft“
„Da wo`s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf“
„Habgier ist die Wurzel für jedes Übel“
„Was der Mensch sät, das wird er auch ernten“
„Unrecht Gut gedeiht nicht“
Vergebung – was bedeutet es?
Jeder Mensch macht sich im Laufe seines Lebens schuldig:
Schuldig an sich selbst (seinem Körper, Seele, Geist) durch falsche oder ungesunde Ernährung, unausgewogenen Lebensstil in Arbeit und Erholung. Ungesunde Lektüre, Medien, schlechter Umgang (Sprichwort: „sag mir mit wem du umgehst, dann sage ich dir, wer du bist“).
Er macht sich schuldig an anderen Menschen (Eltern, Ehepartner, Kinder, Mitschülern, Kollegen, Nachbarn) durch seinen Egoismus, Rechthaberei, Machtmissbrauch, bis hin zu psychischer oder auch physischer Gewalt. Viele von diesen Verschuldungen werden öffentlich geahndet, das meiste jedoch kommt nicht ans Licht. Einiges an Verschulden wird bagatellisiert und ist hoffähig geworden.
Die Schuld hat zwei Seiten: Aktives, bewusstes Unrecht tun, das heißt – ein Verbot missachten und das offensichtliche und bewusste Versäumen das Gute zu tun, das heißt ein Gebot nicht erfüllen (zum Beispiel unterlassene Hilfeleistung).
Will man Schuld gegen Schuld aufrechnen, käme man nie zu einem befriedigenden Ausgleichs-Ergebnis.
In der bürgerlichen Gesetzgebung (die teilweise dem Gesetz Moses entnommen ist) liegt der Gedanke der Vergeltung (der Höhe der Schuld entsprechender Ausgleich) zu Grunde (Zurückzahlen, Wiedererstatten oder büßen, abbüßen durch Entzug der Freiheit). Dies trägt zur Eindämmung der Ungerechtigkeit bei. Doch dadurch wird das eigentliche Problem im Herzen eines Menschen keineswegs gelöst.
Da kommt das Prinzip der Vergebung zu Hilfe. Das deutsche Wort `Vergebung` hat grundsätzlich etwas mit Schulden-Tilgung zu tun. Das altgriechische Substantiv dafür ist `ἄφεσις – afesis` und meint `Erlassung, Tilgung, Löschung von Schuld(en) (Mt 6,12; 18,23-35; Eph 1,7). Der größte Schuldentilger ist Gott selbst. Auf der einen Seite ist er als der Gerechte Gott sogar verpflichtet, den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, auf der anderen Seite hat er aus Liebe und Erbarmen dem Menschen dessen Schuld(en) auf seinen Sohn gelegt und Jesus war bereit diese Lasten auf sich zu nehmen (Jes 53,4-8). Dieser Entschluss und diese Tat kostete ihm sein physisches Leben durch Kreuzigung (das ist die Botschaft von Weihnachten und Ostern zugleich). Auf diese Weise bleibt Gott gerecht (Jesus trägt die Schuld und Strafe für alle Vergehen der Menschen) und Er hat legalen (also juristischen Grund) um dem verschuldeten Menschen Gnade vor Recht ergehen zu lassen, also seine Schuld zu tilgen. Er verbürgte sich bereits vor dem Kommen des Christus/Retters und Erlösers und lies durch den Propheten Jeremia sagen:
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken. (Vergleiche auch Matthäus 26,26-28; Hebräer 10,16-18).
Was er im Abendmahl (Brot und Kelch) vorgebildet hatte, wurde wenige Stunden danach durch die Hingabe seines Lebens als Opferlamm rechtskräftig und wirksam (so wie es auch in der menschlichen Praxis ist – das Erbdokument, der Nachlass tritt erst mit dem Tod des Erbstifters in Kraft).
Die Qualität der Vergebung von Gott ist auch darin zu erkennen, dass er an die durch ihn getilgte Schuld nicht mehr denken wird.
Drei Abschlussgedanken:
Jeder Mensch der sich benachteiligt weiss, hat das Recht, sein Recht zu suchen, dafür unablässig zu Gott zu rufen und die entsprechenden Personen oder Instanzen anzurufen.
Jeder Mensch sollte seine inneren, oft tief verborgenen Motive, Beweggründe und Ziele die er verfolgt, sorgfältig prüfen. „Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel“.
Wo immer ein Mensch aus Gnade Vergebung übt (Schulden erlässt) handelt er Gott-ähnlich, er fängt an, Gott in seiner Art zu erkennen. Er befreit andere und bekommt tiefen Frieden in sein Herz, seine Seele. Jemandem dessen Schuld hinterhertragen ist auch nicht leicht, es raubt Kraft und Energie, die an anderer Stelle sehr gut oder besser eingesetzt werden könnte.
Fragen / Aufgaben:
Wann und in welchem Lebensbereich wurde dir dein Recht versagt und wie empfandest du dabei?
Wo hast du dein Recht gesucht und auch bekommen? Was war da deine Reaktion?
Wie gehst du damit um, wenn dir Unrecht zugefügt wird, du verletzt wirst? Was für Erfahrungen hast du mit dem Vergeben gemacht?
Wie viel und wie oft meinst du, wurde dir vergeben?
Die Berufung der zwölf Jünger erfolgte höchstwahrscheinlich noch vor der Berglehre in der Nähe von Kapernaum (Lk 6,12-14; Mk 3,13-19). Der Evangelist Matthäus berichtet nicht von der Berufung, sondern setzt sie in Mt 10,1f voraus. Inzwischen hat Jesus eine beachtliche Zahl von Jüngern, die ihm nachfolgen. Die Zwölf sollen von Jesus als feste und beständige ´μαθητές – math¢tes´ Jünger/Schüler in die Nachfolge berufen werden. Sie sind mit der Berufung Jünger/Schüler, wie die Evangelisten sie meistens auch bezeichnen. Jesus gibt ihnen zwar gleich bei der Berufung den Status der Gesandten,´απόστολος – apostolos´ Apostel, doch werden sie in der Vorbereitungszeit nur gelegentlich so bezeichnet (Mk 3,15; 6.30; Lk 6,13; 24,10; Apg 1,2.26). Nach Pfingsten bezeichnet man alle Gläubigen als Jünger. Die Zwölf werden ab dann regulär mit dem Titel Apostel bezeichnet.
Doch immer ist eine Berufung zum Dienst ein großes Wagnis. Jesus legt erst für sich allein eine Gebetsnacht auf einem Berg ein und beruft dann seine zwölf engsten Vertrauten. In dieser Nacht ringt er im Gebet und Gespräch mit dem Vater. Jesus muss auswählen – doch diese Wahl ist nicht einfach. Welche Kriterien sollen den Ausschlag geben? Er, der alles klar sah – hätte er nicht bessere aussuchen können? Hätte er nicht Judas aus Iskariot ganz außen vor lassen müssen? Wir merken sehr bald: er hat sich nicht die Besten, die Begabtesten und Angesehensten ausgesucht. Excellenz ist nicht das Kriterium von Jesus. Es ist aber auch nicht:
Charakter
Herkunft
sozialer Status
Bildung
Motive und Erwartungshaltung.
Im Weiteren bemerken wir immer wieder, das die Jünger noch lange nicht mit dem Heils- und Reichs-Gotteskonzept, dem Lebensstil und der Lehre von Jesus konform waren.
Wie auch die zwölf Stammesväter Israels (die Söhne/Enkel Jakobs) sehr unterschiedlich, ja zum Teil gegensätzlich waren und doch das gesamte Israel repräsentieren, so wählt auch Jesus zwölf ganz unterschiedliche Männer aus. Allerdings nicht aus jedem Stamm einen Repräsentanten, denn der größte Teil der jüdischen Zeitgenossen versteht sich als Nachfahren aus dem Stamm Juda, Levi und Benjamin – die Stämme des früheren Nordreiches und des Ostjordanlandes blieben verstreut und vielfach vermischt mit anderen Völkern. Kein Wunder, dass von keinem der zwölf Jünger von Jesus die Stammeszugehörigkeit bekannt ist. Natürlich hätte Jesus die Stammeszugehörigkeit bei jedem der zwölf Jünger wissen oder erfahren können. Doch anscheinend spielte für ihn diese verwandtschaftliche Abstammung aus einem bestimmten Stamm keine Rolle. Alle Jünger waren nach Ansicht der Schriftgelehrten: theologisch ungelehrte Laien (Apg 1,11; 4,11). Keiner von ihnen hatte also vorher schon die Chance gehabt einem offiziell anerkanntem Rabbi und seiner Lehre nachzufolgen. Wir können also schon sagen, dass sie religiös gesehen alle zum „B-Team“ gehören, die es einfach nicht ins „A-Team“ geschafft haben. Auffällig ist auch, dass sie alle aus der nördlichen Region Israels stammen. Galiläa, bekannt als galil ha-gojim Galiläa der Heiden. Die Galiläer stehen damals bedingt durch das enge Zusammenleben mit der zahlreichen nichtjüdischen Bevölkerung bei der geistlichen Elite in Jerusalem nicht gerade hoch im Kurs (Joh 7,52; Apg 2,7). Jesus wählt die zwölf Repräsentanten seines neuen geistlichen Volkes wohl bewusst konträr zu menschlich gesehen nahe liegenden Wahlmethoden. Jesus ist so vollständig unabhängig von den gängigen Meinungen und investiert in diese zwölf Jünger. Elf von Ihnen werden dieses „Vertrauen“ rechtfertigen. Sie repräsentieren das Volk Gottes genau in der Brückenzeit zwischen Altem und Neuem Testament. Sie sind der innere Kern und später die Leiter des neuen Gottes Volkes: der ersten Gesamtgemeinde – Berufene aus Israel und den Nationen (Mt 10,5-6; vgl. auch Am 9,11 mit Apg 15,16 und Mt 28,19-20).
Die folgende Liste ist ein Versuch die verschiedenen Informationen über die Jüngerlisten zu ordnen:
Matthäus
Markus
Lukas
(Johannes)
Apostelgeschichte
Simon Petrus
Simon Petrus
Simon Petrus
Simon Petrus
Petrus
Andreas
Jakobus (Boanerges)
Andreas
Johannes des Zebedäus
Johannes
Jakobus
Johannes (Boanerges)
Jakobus
Andreas aus Betsaida
Jakobus
Johannes
Andreas
Johannes
Jakobus des Zebedäus
Andreas
Philippus
Philippus
Philippus
Philippus
Philippus
Bartholomäus
Bartholomäus
Bartholomäus
Natanael von Kana
Thomas
Thomas
Matthäus des
Alphäus
Matthäus
Thomas der Zwilling
Bartholomäus
Matthäus, Steuereinnehmer
Thomas
Thomas
Matthäus
Jakobus des Alphäus
Jakobus des Alphäus
Jakobus des Alphäus
Jakobus des Alphäus
Thaddäus
Thaddäus
Simon genannt der Zelot
Simon der Zelot
Simon Kananäus
Simon Kananäus
Judas Bruder des Jakobus
Judas des Jakobus
Judas Iskariot
Judas Iskariot
Judas Iskariot
Judas, Sohn des Simon Iskariot
Es fällt auf das die Liste in drei Gruppen von je vier Personen einteilbar ist. Dann sind die Namen der jeweils ersten in der Gruppe in allen Listen identisch. Manche Handschriften nennen hier auch: Lebbäus (Herz) genannt Thaddäus (Lobpreis).
ANMERKUNG: Manche Ausleger halten deshalb Thaddäus mit Judas des Jakobus für identisch und Simon Kananäus mit Simon den Zeloten. Kananäus kann die Region beschreiben, aber auch die Umschreibung für die Bewegung der Zeloten.
Simon Petrus, Geburtsname Simon (Simeon), Sohn des Johannes (Jonas), stammt aus Betsaida, wohnt und arbeitet in Kapernaum, ist verheiratet und wird in den Jüngerlisten immer an erster Stelle genannt. Der Name Simon/Simeon erinnert an den Stammvater gleichen Namens und stammt von dem hebräischen Wort Shim’on, was „erhören“, „hörend“, „verstehend“ bedeutet. Den hebräischen Beinamen Fels = Kephas (griechisch: ´pe,troj petros) bekam er von Jesus zugesprochen und so wurde er in der Westkirche – lateinisch geschrieben – zum Petrus. Er wird insgesamt 198-mal im NT erwähnt, davon 29-mal mit dem Doppelnamen und 18-mal einfach als Simon.
Johannes, der Sohn des Zebedäus und der Salome; Bruder des Jakobus wird am weithäufigsten im NT erwähnt. Die Familie des Zebedäus hat verwandtschaftliche Beziehung zur Familie von Jesus. Johannes ist die griechische Form des hebräischen Yochanan (יוחנן) und bedeutet „der Herr (JHWH) ist gnädig“ bzw. „der Herr sei mir gnädig“. Etwa 34-mal wird Johannes im NT erwähnt und nimmt neben Petrus in der ersten Gemeinde eine besondere Stellung ein. Johannes und Jakobus erhalten von Jesus den Beinamen: ´βοανεργές – boanerges – Donnersöhne´. Dies mag vielleicht auf ihr feuriges oder hitziges Temperament zurückzuführen sein (Lk 9,54) oder gibt Jesus ihnen damit etwas auf ihren Lweiteren Lebens- und Dienstweg. Während Jakobus als erster sein Leben vollendet – wird wohl Johannes der Jünger gewesen sein, der am längsten lebte.
Jakobus, Sohn des Zebedäus finden wir an dritter Stelle in den meisten Listen. Dieser Name erinnert an den Stammvater Jakob (Fersenhalter-Lügner). Dies entspricht auch der Häufigkeit seiner Erwähnung im Neuen Testament. Wir finden seinen Namen 20-mal. Er gehört zum Dreierkreis, den Jesus immer wieder zu besonderen Anlässen mitnimmt. Von den Aposteln erlitt er als erster den Märtyrertod (Apg 12,2). Seine Familienangehörigen leben in Kapernaum und er arbeitet mit ihnen bis zu sejner Berufung im väterlichen Fischereiunternehmen.
Andreas, sein Name bedeutet männlich oder mannhaft, er ist der vierte in zwei Listen, gehört chronologisch gesehen eigentlich zu den ersten zwei Jüngern, die Jesus schon seit der Begegnung am Jordan nachfolgen. Er scheint im Schatten seines viel bekannteren Bruders Simon Petrus zu bleiben. Er wird nur zwölf Mal erwähnt. Wie sein griechischer Name und auch die Episode mit den Griechen auf dem Passa-Fest in Jerusalem verraten, ist er wohl stark in der griechischen Kultur verwurzelt.
Philippus, sein Name bedeutet Pferdefreund, er ist immer der erste im zweiten Drittel der Jüngerlisten. 15-mal wird er erwähnt und scheint eine recht aufgeschlossene Person zu sein. Er lässt sich zuerst auf Jesus näher ein und bringt auch Nathanael zu ihm. Später wird er gerne von Interessenten angesprochen. Er kommt wie Petrus und Andreas ursprünglich aus Betsaida.
Nathanael, sein Name bedeutet: Gott hat gegeben. Er kommt aus Kana in Galiläa und ist nur im Johannesevangelium mit diesem Namen genannt (Joh.1,45.46.47.48; 21,2). Obwohl er mit diesem Namen in den übrigen Apostellisten nicht vorkommt, ist es unwahrscheinlich, dass er nicht zum Zwölferkreis gehört. In Joh 1,51 sagt Jesus zu Nathanael und den anderen gewandt (wörtlich übersetzt): „Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes hinaufsteigend und herabsteigend auf den Sohn des Menschen.“ Und in Joh. 21,2 wird er als Jünger bezeichnet. Dies können Hinweise sein, die dafür sprechen, dass Bartholomäus und Nathanael ein und dieselbe Person sind: Bartholomäus ist auch kein aramäischer Eigenname, sondern bedeutet „Sohn des Tholmai.“ Weiter spricht für diese Verbindung, dass in den Apostellisten Bartholomäus immer gleich nach Philippus genannt wird, welcher ihn zu Jesus geführt hatte.
Thomas, sein Name stammt aus dem aramäischen te’oma (תאומא) und bedeutet „Zwilling“. Mit seinem Namen verbindet sich bis heute sein anfänglicher Zweifel oder Unglaube bzgl. der Auferstehung von Jesus.
Levi / Matthäus der Zöllner, den Lukas in der Berufungsgeschichte Levi nennt, bekommt bei Markus die verwandtschaftliche Zuordnung „(Sohn) des Alphäus.“ Levi erinnert an den Stammvater, die Bedeutung des Namens ist unsicher, evtl.: „verbunden mit“. Matthäus ist eine aramäische Zusammensetzung aus mattath = das Geschenk, die Gabe und Jahwe.
Jakobus des Alphäus (Sohn) zur Unterscheidung von Jakobus des Zebedäus’ Sohn. In Mk 15,40 wird er wahrscheinlich auch `του μικρού, tou mikrou` der Geringere (manche übersetzen auch: der Jüngere) genannt.
Simon aus Kana gehörte wohl zur Gruppe der Zeloten (Euferern), den jüdischen Nationalisten. Die Zeloten (…) obwohl es sich streng genommen um keine religiöse Partei im Sinne der bisher beschriebenen Gruppen handelt. Wollte man sie mit modernen politischen Bewegungen vergleichen, könnte man die Zeloten am ehesten als Guerillero-Bewegung bezeichnen. Die Römer und unsere Hauptquelle Flavius Josephus diffamieren sie als „Räuber“.
Thaddäus, sein Name bedeutet: Lobpreis oder großherzig, mutig, der auch ‚Judas des Jakobus’ heißen könnte und wohl wie oft üblich einen Doppelnamen führte.
Judas Iskariot „Mann aus Kiriot?“, der Jesus hernach verriet, übergab, auslieferte, verkaufte, bildet in allen Listen den Abschluss. Der Name ist abgeleitet von jadah = loben, preisen. Judas folgt Jesus ohne Unterbrechung, auch als viele andere gehen, bleibt er dabei. Es ist wohl zwecklos zu spekulieren, warum Jesus Judas auswählte. Jesus teilt es uns nicht mit. Er wird im Rückblick vom Evangelisten Johannes als Dieb bezeichnet (Joh 12, 6), er verwaltete die gemeinsame Kasse. Judas ist der Jünger, der Reue zeigte, jedoch nicht umkehrte, obwohl die Gnade des Vaters auch ihm galt.
Diese zwölf wählte Jesus als aktiven und ständigen Schülerkreis, um sie dann später zum Predigt- und Heilungsdienst auszusenden. Er schweißt sie in ca. dreieinhalb Jahren zu einem handlungsfähigen Team zusammen, das die Basis für die Gemeinde und das Reich Gottes bilden wird. Die Kraft, Weisheit und Liebe von Jesus verwandelt ein „B-Team“ in das „A-Team“ von dem alle Teams der Kirchengeschichte sich ableiten werden.
Fragen / Aufgaben:
Welcher aus dem Jüngerkreis fällt dir besonders auf?
Wie beurteilst du die Auswahl von Jesus?
Warum sind erhebliche Unterschiede in einem Team von Vorteil?
Nenne praktische Details, was dieses Team zusammenhielt und zu einer Einheit machte!