7.4 Herodes sucht Jesus zu sehen
(Bibeltexte: Mt 14,1-2; Mk 6,14-16; Lk 9,7-9)
Der Ev. Lukas schreibt: „Es kam aber vor Herodes, den Landesfürsten (Vierfürsten), alles, was geschah; und er wurde unruhig, weil von einigen gesagt wurde: Johannes ist von den Toten auferstanden; von einigen aber: Elia ist erschienen; von andern aber: Einer von den alten Propheten ist auferstanden. Und Herodes sprach: Johannes, den habe ich enthauptet; wer ist aber dieser, über den ich solches höre? Und er begehrte ihn zu sehen.“ (Lk 9,7-9). Der Ev. Matthäus ergänzt, indem Herodes eine bestimmte Version des Volkes übernimmt und diese zu seiner eigenen Meinung umformuliert: „Zu der Zeit kam die Kunde von Jesus vor den Landesfürsten (Vierfürsten) Herodes. Und er sprach zu seinen Knechten: Das ist Johannes der Täufer; er ist von den Toten auferstanden, und darum wirken solche Kräfte in ihm.“ (Mt 14,1-2; ähnlich auch Mk 6,14-16). Herodes Antipas führt offiziell den Titel ´τετράρχης – tetrarch¢s – Vierfürst´, er beherrscht in etwa den vierten Teil des Territoriums seines Vaters. Warum der Ev. Markus ihn mit dem Titel ´βασιλεύς– basileus – König´ nennt, ist nicht klar, es könnte seinem Wunschdenken entsprechen und beeinflusste auf diese Weise seine Untertanen, so dass es nach Jahrzehnten seiner Herrschaft im Volk zur Standartbezeichnung wurde.
Der Ev. Matthäus vermerkt (14,1), dass Herodes in jener Zeit mitbekommt, was Jesus tut. In jener ´Zeit´ (gr. καιρώ – kairö) meint nicht einen genauen Zeitpunkt, sondern bezieht sich auf einen Zeitraum nach dem Tod von Johannes dem Täufer und in einer Zeit in dem die Inhalte und Ereignisse durch das Wirken von Jesus und seiner Jünger immer öffentlicher wurden. Trotzdem kann man in etwa an die Vorpassazeit des Jahres 32 n,Chr. denken (vgl. Mt 14,12-13 mit Joh 6,4). Wir können jedoch annehmen, dass schon früher allgemeine Informationen zu Herodes gelangten. So lesen wir in Markus 3,6: „Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten alsbald Rat über ihn mit den Anhängern des Herodes, wie sie ihn umbrächten.“ Das griechische Wort `συμβούλιον – symboulion` weist auf die Beratung der Pharisäer mit Vertretern des Herodes hin. Die Initiative für ein Komplott geht in diesem Fall von den Pharisäern aus. Es erscheint uns unwahrscheinlich, dass die Vertreter/Beamten des Herodes eigenmächtig, ohne Wissen ihres Fürsten, ein Todesurteil über Jesus hätten fällen können. Hier wird mal wieder deutlich, dass sich die Religionsführer des Öfteren der weltlichen Macht bedienen, um ihre Ziele zu erreichen (Mt 27,2; Apg 13,50ff; 17,6ff; 18,12ff; 24,1ff). Herodes sah in Jesus (im Gegensatz zu seinem Vater) keinen Konkurrenten, wie die spätere Episode des Verhörs deutlich macht (Lk 23,8ff). Johannes der Täufer dagegen war ständig in seinem Blickfeld, weil jener ihn immer wieder auf seine unmoralische Lebensführung hinwies.
Nun aber ist der lästige Mahner nicht mehr da und Jesus ist im dritten Jahr seines Dienstes bereits so bekannt, dass immer mehr Nachrichten von und über seine Taten zum Vierfürsten durchdringen. Und nun wird Jesus und seine Jünger Gesprächsthema am Hof des Fürsten. Er stellt wohl auch laut die Frage: Wer ist dieser, von dem ich solches höre?“ Jetzt werden die verschiedenen Versionen, welche über die Person und Identität von Jesus kursieren gehört und analysiert. Der Ev. Lukas vermerkt, dass Herodes „in Verlegenheit geriet, unruhig wurde“, weil von einigen gesagt wurde:
„Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden…“ (Lk 9,7).
„Er ist Elia“ (Mk 6,15; Lk 9,8; Mal 3,23-24).
„Er ist Jeremia“ (nur bei Mt 16,14).
„Er ist ein Prophet wie einer der Propheten“ (Mk 6,15; Lk 9,8).
Bis dahin hört sich Herodes die Meinungen der Leute an. Nun aber fängt er an zu überlegen: „Johannes, den habe ich enthauptet; wer ist aber dieser, über den ich solches höre“ (Lk 9,9). Dann entschließt er sich für die Version, welche ihm am meisten passt: „Das ist Johannes der Täufer; er ist von den Toten auferstanden, darum tut er solche Taten.“ (Mt 14,2; Mk 6,16). Warum entschließt er sich für diese Meinungsvariante? Warum sucht er nach einer Möglichkeit, um Jesus zu sehen, so der Ev. Lukas schreiben kann: „Und er begehrte (suchte) ihn zu sehen“ (Lk 9,9). Vielleicht hoffte er, sein belastetes Gewissen zu beruhigen, wenn er feststellt, dass Johannes wieder lebt? Ob er bewusst an die Auferstehung der Toten glaubte, ist offen, doch äußerlich steht er der Auferstehungstheologie der Pharisäer nahe (Apg 23,8). Gibt es nicht auch heute Menschen, welche bestimmte theologische Standpunkte bejahen, aber ihr Leben ist voll von Selbstsucht, Wankelmütigkeit und Eitelkeit? Herodes hatte Johannes den Täufer nicht aus eigener Überzeugung enthaupten lassen. Er war wankelmütig und eitel. Nun blieb sein Suchen nach Jesus zunächst erfolglos, denn Jesus wollte keine Begegnung mit dem Landesfürsten. Es war die Zeit, in der er immer wieder weiter entferntere Gegenden aufsuchte.
Im weiteren Verlauf äußert Herodes noch zwei Mal Interesse an Jesus – wenn auch aus unlauteren Motiven (Lk 13,31-32; 23,7-12). Und so verweigert sich Jesus einem Menschen, der ihn aus unlauteren Motiven sucht zu sehen.
- In welchen zeitlichen Zusammenhang fällt das Interesse des Herodes an Jesus?
- Wie bildeten sich damals Meinungen in Bezug auf die Person von Jesus?
- Welche Meinungen/Ansichten über die Person von Jesus gibt es heute? Was sagen wir, wer Jesus sei? Für wen halten wir ihn?
- Wie reagiert Herodes auf die Meinungen des Volkes und welche Meinung machte er sich zu seiner eigenen und warum?
- Warum suchte Jesus nicht den Kontakt zu dem Landesfürsten? Welche Vorteile haben Christen durch gute Beziehungen zu Regierungsbeamten und wo liegen die Gefahren?
- Was hältst du von den Aussagen: „Die Leute sagen, die Geschwister meinen …“? Aus welchen Quellen bilden wir unsere eigenen Meinungen und Standpunkte?
- Das Gewissen des Herodes ist belastet und entsprechend reagiert er. Zu welchen Überlegungen kann auch uns das schlechte/belastete Gewissen führen? Oder sind die Christen heute immer ehrlich?
- Wie sieht Machtmissbrauch in Gesellschaft, Familie und Gemeinde aus? Was ist Manipulation?
- Warum verweigert sich Jesus dem Herodes, sogar dann, als er vor jenen gestellt wird?